BGH Beschluss v. - 3 StR 68/23

Aufrechterhaltung bzw. erneute Anordnung einer Unterbringung in Entziehungsanstalt

Gesetze: § 55 Abs 2 StGB, § 64 StGB, § 67d Abs 5 StGB

Instanzenzug: LG Mainz Az: 5 KLs 3200 Js 24744/19

Gründe

21. Die Verfahrensrüge dringt aus den in der Zuschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen nicht durch.

32. Die auf die Sachrüge hin veranlasste umfassende materiellrechtliche Überprüfung des Urteils lässt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.

4Der Erörterung bedarf lediglich, dass das Tatgericht nicht über eine Maßregel nach § 64 StGB entschieden hat.

5a) Dem liegt im Wesentlichen Folgendes zugrunde:

6Die vom Landgericht festgestellten Taten hatte der Angeklagte unter anderem zur Finanzierung seiner Drogensucht begangen. Dies hatte er auch mit den im gesamtstrafenfähigen Erkenntnis abgeurteilten Taten bezweckt, weswegen bereits das Amtsgericht W.   seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet hatte. Von der Strafvollstreckungskammer war jene allerdings schon vor dem Urteil des Landgerichts Mainz gemäß § 67d Abs. 5 StGB für erledigt erklärt worden.

7b) Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht keine Entscheidung zu einer Unterbringung des Angeklagten getroffen hat.

8aa) Eine Aufrechterhaltung der durch das Amtsgericht W.   angeordneten Maßregel kommt nicht in Betracht.

9Dies folgt zwar nicht ohne Weiteres aus dem Wortlaut des § 55 Abs. 2 StGB, der dahin verstanden werden könnte, im früheren Urteil angeordneter Maßnahmen seien stets aufrechtzuerhalten, soweit diese nicht ausnahmsweise „durch die neue Entscheidung“ gegenstandslos werden. Jedoch kann eine Maßregel darüber hinaus ebenfalls deshalb gegenstandslos geworden sein, weil sie auf andere Weise ihre Erledigung gefunden hat (vgl. LK/Rissing-van Saan/Scholze, StGB, 13. Aufl., § 55 Rn. 59; SK-StGB/Jäger, 9. Aufl., § 55 Rn. 38). § 55 Abs. 2 StGB trägt nämlich dem Umstand Rechnung, dass mit der nachträglichen Gesamtstrafenentscheidung diese die alleinige Vollstreckungsgrundlage bildet. Ist aber eine im früheren Urteil angeordnete Maßnahme - aus welchen Gründen auch immer - erledigt, so fehlt es an der Notwendigkeit, gleichwohl über ihre Aufrechterhaltung zu befinden (vgl. , NStZ-RR 2004, 247, 248; Beschlüsse vom - 4 StR 184/17, juris; vom - 4 StR 442/15, juris Rn. 3).

10bb) Die - erneute - Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt scheidet ebenfalls aus.

11Dem Grundgedanken des § 55 StGB entsprechend soll der Täter auch im Bereich der Nebenfolgenentscheidung so gestellt werden, wie er bei gleichzeitiger Aburteilung aller Taten in dem „früheren“ Urteil gestanden hätte (vgl. , BGHR StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 10 Rn. 10; vom - 3 StR 94/08, NStZ-RR 2008, 275, 276; Beschluss vom - 4 StR 358/17, juris Rn. 8; LK/Rissing-van Saan/Scholze, StGB, 13. Aufl., § 55 Rn. 58). Daraus folgt:

12Wäre schon zum Zeitpunkt des Erkenntnisses des Amtsgerichts W.   zugleich über die vom Landgericht Mainz abgeurteilten Taten entschieden und dabei die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden, wäre die Maßregel mit der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer gemäß § 67d Abs. 5 StGB insgesamt erledigt gewesen. Damit wären auch die möglichen weiteren Rechtsfolgen einer Unterbringung nach § 64 StGB, etwa eine Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB, nicht mehr in Betracht gekommen. Die abermalige Anordnung der Unterbringung liefe dieser Sach- und Rechtslage zuwider. Für die erneute Anordnung einer Maßregel ist daher jedenfalls dann kein Raum, wenn sie auch bei gleichzeitiger Aburteilung aller Taten nicht anders als in dem früheren Urteil hätte lauten können (vgl. , BGHR StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 9; vom - 4 StR 622/81, BGHSt 30, 305, 307).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:190423B3STR68.23.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-44658