Gewerbesteuer | Keine Zurechnung von Erschließungsmaßnahmen (FG)
Ein Landwirt begründet keinen gewerblichen Grundstückshandel, wenn die Kommune das Erschließungsunternehmen beauftragt und sich der Landwirt diesem gegenüber zur Übernahme der anfallenden Erschließungskosten verpflichtet (,F; 8 K 280/21 E,G; 8 K 328/21 E und 8 K 666/21 E,G; Revisionen anhängig, BFH-Az. VI R 10/23, VI R 11/23, VI R 8/23 und VI R 9/23).
Streitfälle: Die Kläger der jeweiligen Verfahren erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Der land- und forstwirtschaftliche Betrieb umfasste jeweils Grundstücksflächen, die innerhalb eines von der örtlichen Kommune neu ausgewiesenen Bebauungsplangebiets lagen. Die Erschließung der jeweiligen Baugebiete erfolgte dadurch, dass die Kommune die Durchführung der Erschließung an einen privaten Erschließungsträger im eigenen Namen und auf eigene Rechnung übertrug. Der Erschließungsträger wiederum schloss mit den Klägern jeweils Verträge darüber ab, die die vollständige Übernahme der auf Seiten des Erschließungsträgers anfallenden Erschließungskosten (nebst der Gestellung von Sicherheiten) regelten.
Die Kläger veräußerten bzw. tauschten die Baugrundstücke, wobei die Erschließungskosten in den Gesamtkaufpreisen enthalten bzw. in den Tauschverträgen bei der Wertbestimmung berücksichtigt worden waren. Die daraus resultierenden Gewinne erfassten die Kläger im Rahmen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und bildeten (anteilig) Rücklagen nach § 6b EStG.
Das Finanzamt vertrat jeweils die Auffassung, dass die Erschließungen den Klägern aufgrund der Gewährleistung der finanziellen Abwicklung als aktive Tätigkeiten zuzurechnen seien. Die Grundstücksveräußerungen seien daher im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels erfolgt, sodass die Gewinne nicht reinvestitionsbegünstigt seien und der Gewerbesteuer unterlägen.
Das FG Münster gab allen vier Klagen statt:
Die Veräußerung von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gehört, ist grundsätzlich als Hilfsgeschäft der Land- und Forstwirtschaft einzuordnen.
Ein gewerblicher Grundstückshandel wird erst dann eröffnet, wenn der Landwirt Aktivitäten entfaltet, die auf die Schaffung einer anderen Marktgängigkeit des Grundbesitzes gerichtet sind. Dies ist bei der aktiven Mitwirkung an der Erschließung der Fall, jedoch nicht, wenn der Landwirt bloß die Erschließungskosten übernimmt.
Bedient er sich zur Erschließung eines Dritten, der Geschäfte dieser Art gewerblich betreibt, ist ihm dies als aktive Tätigkeit zuzurechnen.
Keine Zurechnung erfolgt hingegen, wenn der Dritte die Erschließung und Grundstücksvermarktung auf eigene Initiative und eigenes Risiko durchführt, sich der Landwirt also darauf beschränkt, die gewerbliche Tätigkeit des Dritten zu ermöglichen.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel jeweils nicht überschritten worden. Die Erschließung ist den Klägern nicht zuzurechnen, da die jeweilige Kommune die Durchführung der Erschließungsmaßnahmen durch einen eigenständigen Erschließungsvertrag beauftragt hat.
Die Rechtsbeziehung zwischen dem Erschließungsträger und dem Grundstückseigentümer ist davon zu unterscheiden. Zwar besteht eine „Akzessorietät“ zwischen dem Erschließungsvertrag und der Kostenvereinbarung. Diese führt jedoch nicht dazu, dass der jeweilige Kläger das gesamte wirtschaftliche Risiko der Erschließung übernommen hat. So sind die Risiken aus einer etwaigen Inanspruchnahme bei Sachmängelgewährleistungsansprüchen der Kommune sowie aus der für den Zeitraum der Erschließungsarbeiten vertraglich vereinbarten Übernahme der Verkehrssicherungspflichten beim Erschließungsträger verblieben.
Dass die Kläger – anders als im Urteilsfall des – in ihrer Verfügungsmöglichkeit über die Grundstücke nicht eingeschränkt gewesen sind, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Insbesondere kann es keinen Unterschied machen, ob die Kommune die Erschließung selbst übernimmt, entsprechende Unternehmen beauftragt und den Steuerpflichtigen durch Erhebung eines Erschließungsbeitrags nach §§ 127 ff. BauGB zur Kostentragung heranzieht oder ob die Kommune einen Erschließungsträger zur Herstellung der Erschließung im Namen und auf Kosten des Erschließungsträgers beauftragt und der Erschließungsträger sich deshalb durch privatrechtlichen Vertrag beim Steuerpflichtigen refinanziert. Die bloße Kostenübernahme ist stets unschädlich.
Die vom 8. Senat zugelassenen Revisionen werden beim BFH unter den Aktenzeichen VI R 10/23, VI R 11/23, VI R 8/23 und VI R 9/23 geführt.
Die Volltexte der Entscheidungen 8 K 259/21 G,F; 8 K 280/21 E,G; 8 K 328/21 E und 8 K 666/21 E,G sind in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW veröffentlicht. Eine Aufnahme in die NWB Datenbank erfolgt in Kürze.
Quelle: FG Münster, Newsletter Juli 2023 (il)
Fundstelle(n):
GAAAJ-44211