Betreuungssache: Zulässigkeit des Antrags auf Feststellung der Rechtswidrigkeit nach dem Tod des Betroffenen im Verfahren der Beschwerde gegen die Betreuungsanordnung
Leitsatz
Im Verfahren der Beschwerde gegen eine Betreuungsanordnung kann nach dem Tod des Betroffenen von dem Vorsorgebevollmächtigten auch beim Vorliegen einer transmortalen Vollmacht kein Feststellungsantrag nach § 62 Abs. 1 FamFG gestellt werden (Fortführung des Senatsbeschlusses vom - XII ZB 404/12, FamRZ 2013, 29).
Gesetze: § 62 Abs 1 FamFG
Instanzenzug: Az: 83 T 193/22vorgehend AG Schöneberg Az: 50 XVII B 14/21
Gründe
I.
1Der 1933 geborene Betroffene erteilte den Beteiligten zu 1 und 2 (im Folgenden: Vorsorgebevollmächtigte) am eine notariell beurkundete General- und Vorsorgevollmacht. Am regte die Senioreneinrichtung, in welcher der Betroffene seinerzeit lebte, die Bestellung eines Betreuers für den Betroffenen an. Das Amtsgericht hat nach Einholung eines im Februar 2021 vorgelegten Sachverständigengutachtens und nach Anhörung des Betroffenen mit Beschluss vom eine rechtliche Betreuung mit dem Aufgabenkreis „Vermögenssorge, Vertretung vor Behörden, Gerichten und Sozialleistungsträgern, Vertretung vor Einrichtungen“ sowie der diese Aufgabenbereiche betreffenden Postangelegenheiten eingerichtet und den Beteiligten zu 3 zum Berufsbetreuer bestellt. Gegen diesen Beschluss hat der Betroffene über seinen Verfahrensbevollmächtigten Beschwerde eingelegt. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens ist der Betroffene am verstorben. Am haben die Vorsorgebevollmächtigten die Feststellung beantragt, dass der Betreuungsbeschluss des Amtsgerichts rechtswidrig gewesen sei. Das Landgericht hat den Antrag verworfen. Hiergegen wenden sich die Vorsorgebevollmächtigten mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
2Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
31. Das Beschwerdegericht hat den von den Vorsorgebevollmächtigten angebrachten Feststellungsantrag im Ergebnis zu Recht als unzulässig behandelt. Denn den Vorsorgebevollmächtigten fehlte für einen Antrag nach § 62 FamFG bereits die erforderliche Antragsberechtigung.
4a) Das Verfahren betreffend die Anordnung einer Betreuung erledigt sich insgesamt mit dem Tod des Betreuten, weil von diesem Zeitpunkt an keine Sachentscheidung mehr darüber ergehen kann, ob und welche Maßnahmen zum Schutz des Betroffenen ergriffen werden müssen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde lässt sich aus § 303 Abs. 4 Satz 1 FamFG, wonach der Vorsorgebevollmächtigte gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen kann, nicht ableiten, dass der Vorsorgebevollmächtigte auch dazu befugt sein könnte, ein von ihm im Namen des Betroffenen eingeleitetes Beschwerdeverfahren durch einen Feststellungsantrag gemäß § 62 FamFG über den Tod des Betroffenen hinaus mit dem Ziel einer Sachentscheidung Fortgang zu geben.
5b) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die den Vorsorgebevollmächtigten erteilte General- und Vorsorgevollmacht nach dem Inhalt der notariellen Urkunde vom durch den Tod des Vollmachtgebers nicht erlöschen sollte (sog. transmortale Vollmacht). Das Bestehen einer trans- oder postmortalen Vollmacht ändert nichts daran, dass die Rechts- und Beteiligtenfähigkeit des Vollmachtgebers mit dessen Tod geendet hat und der Bevollmächtigte nach dem Tod des Vollmachtgebers deshalb nicht mehr den Verstorbenen, sondern nur noch dessen - gegebenenfalls noch unbekannte - Erben vertreten kann (vgl. BGH Beschlüsse vom - V ZB 148/19 - FamRZ 2021, 789 Rn. 26 und vom - BLw 6/13 - NJW-RR 2014, 1112 Rn. 16; BGHZ 87, 19 = NJW 1983, 1487, 1489). Den Erben eines verstorbenen Betreuten steht aber kein Antragsrecht nach § 62 Abs. 1 FamFG zu. Diese Vorschrift setzt nach ihrem eindeutigen Wortlaut voraus, dass der „Beschwerdeführer“ selbst durch die erledigte Maßnahme in seinen Rechten verletzt worden ist. Demgemäß kann nur derjenige Beteiligte nach § 62 Abs. 1 FamFG antragsbefugt sein, dessen eigene Rechtssphäre betroffen ist und der auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse nach § 62 Abs. 2 FamFG hat. Aus der Bindung an die Person des Beschwerdeführers und an den Eingriff in dessen Rechte folgt der höchstpersönliche Charakter des nach § 62 Abs. 2 FamFG erforderlichen Feststellungsinteresses, in den der Erbe nicht kraft Erbrechts eintreten kann (Senatsbeschluss vom - XII ZB 404/12 - FamRZ 2013, 29 Rn. 7 f.; - FamRZ 2012, 211 Rn. 10). Der (ehemalige) Vorsorgebevollmächtigte kann auch im Betreuungsverfahren aus einer transmortalen Vollmacht keine weitergehenden rechtlichen Befugnisse herleiten, als sie den von ihm vertretenen Erben des verstorbenen Betreuten zustehen würden.
6c) Es ist aus verfassungsrechtlichen Gründen auch nicht geboten, im Rahmen des § 62 Abs. 1 FamFG eine fortbestehende Vertretungsbefugnis des Vorsorgebevollmächtigten (oder des Betreuers) für den verstorbenen Betreuten über dessen Tod hinaus zu fingieren, um dadurch einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zur Geltendmachung eines postmortalen Rehabilitationsinteresses zu ermöglichen.
7aa) Dabei steht es im Ausgangspunkt außer Frage, dass die Einrichtung einer Betreuung den Betreuten nicht nur in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) beschränkt, sondern auch gewichtig in das Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG eingreift. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt insbesondere vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen des eigenen Persönlichkeitsbildes. In dieser Hinsicht entfaltet die Anordnung der Betreuung für den Betroffenen eine gewisse stigmatisierende Wirkung in seinem sozialen und beruflichen Umfeld, denn mit der Einrichtung der Betreuung ist notwendigerweise die Einschätzung verbunden, dass der Betroffene zumindest in einem bestimmten Rahmen nicht in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln und gegebenenfalls seinen Willen frei zu bilden (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 1624). Dies kann sich auch nach der Erledigung einer Betreuungsmaßnahme fortsetzen und das künftige berufliche und das private Leben des Betroffenen beeinträchtigen. Aus diesem Grunde kann der Betroffene sein Rehabilitationsinteresse in einem erledigten Betreuungsverfahren regelmäßig durch einen Feststellungsantrag nach § 62 FamFG zur Geltung bringen.
8bb) Ein Verstorbener wird demgegenüber durch das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht mehr geschützt, weil Träger dieses Grundrechts nur lebende Personen sein können. Zwar folgt aus der Garantie der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG auch ein postmortales Persönlichkeitsrecht, weil die Verpflichtung der staatlichen Gewalt, dem Einzelnen Schutz gegen Angriffe auf seine Menschenwürde zu gewähren, nicht mit dem Tod endet. Die Schutzwirkungen des aus der Menschenwürdegarantie abgeleiteten postmortalen Persönlichkeitsrechts sind indessen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vergleichbar mit den Schutzwirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts lebender Personen, welches sich aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG ergibt (vgl. zuletzt BVerfG NVwZ 2008, 549, 550; BVerfG NJW 2006, 3409 mwN). Postmortal geschützt wird zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen als solchen zusteht, zum anderen der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat. In diesem Sinne haftet der krankheitsbedingten Einrichtung einer Betreuung als Maßnahme des staatlichen Erwachsenenschutzes mangels eines Schuldvorwurfs oder eines sittlichen Unwerturteils keine derartig diskriminierende Wirkung an, dass sie die Menschenwürde eines Betroffenen antasten und deshalb ein postmortales Rehabilitationsinteresse begründen könnte (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 404/12 - FamRZ 2013, 29 Rn. 12; vgl. auch - FamRZ 2012, 211 Rn. 12).
9cc) Daran hält der Senat uneingeschränkt fest. Eine andere Beurteilung ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch mit Blick auf einen postmortalen Schutz der Testierfreiheit nicht geboten.
10Richtig ist dabei im Ausgangspunkt, dass sich eine Verfügung von Todes wegen naturgemäß erst in der Zeit nach dem Tod des Erblassers auswirken kann und die Effizienz der verfassungsrechtlich geschützten Erbrechtsgarantie (Art. 14 GG) für den Erblasser voraussetzt, dass postmortal sein Wille berücksichtigt wird und Eingriffe Dritter durch den Staat abgewehrt werden. Eine solche postmortale Schutzpflicht ist die Folge der in der Erbrechtsgarantie enthaltenen Wertentscheidung des Gesetzgebers in Zusammenhang mit der übergeordneten Menschenwürdegarantie (vgl. Spilker DÖV 2014, 637, 640 f.). Der postmortale Schutz, den der Betroffene als Erblasser auch nach seinem Tode beanspruchen kann, wird aber nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Nachlassgericht - wie es die Rechtsbeschwerde im vorliegenden Fall geltend macht - die ihm bekannt gewordene Einleitung eines Betreuungsverfahrens zum Anlass genommen hat, amtswegige Ermittlungen zur Testierfähigkeit des Betroffenen durchzuführen. Vielmehr dürfte es im wohlverstandenen Interesse des Erblassers liegen, dass sämtliche Gesichtspunkte, die Zweifel an seiner Testierfähigkeit begründen könnten, durch das Nachlassgericht ermittelt und aufgeklärt werden, um diese Zweifel entweder auszuräumen oder - im Falle wirklicher Testierunfähigkeit - eine Anwendung der dem Schutz des Erblassers dienenden Vorschriften über die Testierfähigkeit zu ermöglichen (vgl. auch BGHZ 91, 392 = NJW 1984, 2893, 2895).
112. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:140623BXIIZB43.23.0
Fundstelle(n):
DNotZ 2023 S. 783 Nr. 10
NJW-RR 2023 S. 1105 Nr. 17
VAAAJ-43850