Online-Nachricht - Montag, 10.07.2023

Umsatzsteuer | Vorsteueraufteilung bei Anschaffung eines für steuerpflichtige und steuerfreie Umsätze verwendeten Pkw (FG)

Die Schätzung der Vorsteueraufteilung auf der Grundlage der Fahrleistung eines Pkw führt in der Regel zu einer präziseren wirtschaftlichen Zurechnung als der Umsatzschlüssel. Jedenfalls in den Fällen, bei denen ein bereits vorhandenes Wirtschaftsgut durch ein funktionsgleiches ausgetauscht wird, kann es zu einem Nebeneinander der Anwendung von § 15 Abs. 4 UStG und § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG kommen (, rechtskräftig).

Sachverhalt: Die Klägerin ist freiberuflich tätig und hatte im Streitjahr 2014 sowohl steuerpflichtige als auch steuerfreie Umsätze aus Vorträgen und Seminaren. Am kaufte sie sich einen neuen unternehmerisch genutzten Pkw (56.731,11 € netto zzgl. 10.778,91 € USt), der ihr altes Fahrzeug ersetzte. Mindestens ab dem Jahr 2013 führte sie Fahrtenbücher. In der Umsatzsteuererklärung 2014 machte die Klägerin zunächst den vollen Vorsteuerbetrag aus der Anschaffung des Fahrzeugs geltend. Dem folgte das Finanzamt nach einer Außenprüfung nicht, sondern kürzte den Vorsteuerabzug um 30,49%. Dies entsprach der vorsteuerschädlichen Nutzung ab dem , während für das Gesamtjahr 2014 der schädliche Anteil nur 14,97% betrug.

Die hiergegen gerichtete Klage hatte teilweise Erfolg:

  • Grundsätzlich ist die Klägerin nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug aus der Anschaffung des Pkw berechtigt.

  • Die Vorsteuern aus der Anschaffung des PKW sind jedoch nicht in voller Höhe abzugsfähig, da die Klägerin den PKW zur Ausführung sowohl von steuerpflichtigen als auch von steuerfreien Umsätzen verwendet hat (§ 15 Abs. 4 Satz 1 UStG). Da weder die Klägerin noch das FA eine sachgerechte Schätzung i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 2 UStG vorgenommen haben, nimmt der Senat selbst eine Schätzung vor.

  • Für die Aufteilung ist es sachgerecht, auf die Gesamtfahrleistung im Streitjahr abzustellen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits vor der Anschaffung des Pkw am einen anderen „funktionsgleichen“ Pkw für ihre unternehmerischen Fahrten verwendet hat. Hieraus ergibt sich ein Anteil von ca. 15 %, der auf Fahrten zu Vorträgen und Seminaren entfällt, für die ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist. Insofern ist die Klägerin im Anschaffungszeitpunkt zunächst zum Vorsteuerabzug in Höhe von 9.162,07 € (85 % x 10.778,91 €) berechtigt gewesen.

  • Die vom FA vorgenommene Schätzung anhand der Fahrleistung vom bis zum ist nicht sachgerecht. Eine Schätzung auf Grundlage der Fahrleistung des Pkw führt in der Regel - und auch im Streitfall - zu einer „präziseren wirtschaftlichen Zurechnung“ als der Umsatzschlüssel i.S. des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG.

  • Dies lässt sich bereits dem Wortlaut des § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG („verwendet“) entnehmen. Die „Verwendung“ eines Pkw lässt sich präziser durch dessen Laufleistung abbilden, die den Verschleiß und die Abnutzung des Pkw widerspiegeln. Ebenso lässt sich aus der Laufleistung auch die zeitliche Nutzung des Pkw für die Verwendung für die jeweiligen Umsätze herleiten. Die Umsätze können hingegen von anderen Faktoren abhängig sein und deren Höhe ist in der Regel unabhängig von der zurückgelegten Entfernung, so dass eine präzisere wirtschaftliche Zurechnung im Streitfall nicht über den Umsatzschlüssel erreicht werden kann.

  • Die konkrete Anwendung dieser Schätzungsmethode durch das FA allein auf Grundlage der Fahrleistungen vom bis zum ist nicht sachgerecht. Es ist bereits fraglich, ob ein solch kurzer Zeitraum zu einer ausreichenden Schätzungsgrundlage führen kann. Dieser würde nur dann zu einem sachgerechten Ergebnis führen, wenn in jedem Monat des gesamten Kalenderjahres eine in etwa identische Verwendung des Pkw stattfinden würde.

  • Dies ist jedoch nicht der Fall. Insbesondere berücksichtigt der Zeitraum keine (Semester-)Ferien, in denen die Klägerin in der Regel keine Vorträge und Seminare hält. Darüber hinaus haben in dem vom FA berücksichtigten Zeitraum lediglich zwei Fahrten durch die Klägerin stattgefunden. Schließlich weicht der vom FA ermittelte Aufteilungsmaßstab mit 30,49 % auch deutlich von den sonstigen Jahren ab, in denen die Klägerin den Pkw lediglich zwischen 12,90 % und 25,78 % für Fahrten zu Vorträgen und Seminaren genutzt hat.

  • Jedenfalls hat das FA nicht berücksichtigt, dass die Klägerin bereits vor dem aufzuteilende Fahrten mit einem „funktionsgleichen“ Unternehmens-Pkw vorgenommen hat. Die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin ist über das gesamte Streitjahr gesehen gleichbleibend gewesen. Demgegenüber hat sie lediglich ihren Unternehmens-Pkw ausgetauscht, nutzt diesen jedoch weiterhin wie bereits zuvor.

  • Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Aufteilungsmaßstab nicht deshalb zu modifizieren bzw. korrigieren, weil sie teilweise auf Vorträgen und Seminaren Fortbildungsnachweise erhalten hat, die für die Ausübung ihrer freiberuflichen Tätigkeit erforderlich gewesen sind. Insofern handelt es sich lediglich um eine „mittelbare“ Stärkung ihrer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Tätigkeit.

  • Auf der Grundlage der Schätzung des Finanzgerichts kann die Klägerin aus der Anschaffung des Pkw zunächst Vorsteuer in Höhe von 9.162,07 € (85 % x 10.778,91 €) geltend machen. Im Streitjahr erfolgt sodann noch eine Berichtigung der abziehbaren Vorsteuer gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG, da der neu angeschaffte Pkw im Streitjahr tatsächlich nur zu 69,51 % zur Ausführung von steuerpflichtigen Umsätzen verwendet worden ist.

  • Kommt es bereits im Kalenderjahr des ursprünglichen Vorsteuerabzugs zu einer von der ursprünglichen Verwendungsabsicht abweichenden tatsächlichen Verwendung, ist das Verhältnis von § 15 Abs. 4 UStG zu § 15a Abs. 1 UStG nicht abschließend geklärt. Insofern ist umstritten, ob die ursprüngliche Verwendungsabsicht und die tatsächliche Verwendung oder aber die tatsächliche Verwendung im Jahr des Leistungsbezugs und die tatsächliche Verwendung in den Folgejahren gegenüberzustellen sind.

  • Der Senat braucht den Streit - jedenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten im Streitfall - im Ergebnis nicht zu entscheiden. § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG stellt auf „die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse“ ab. Diese richten sich bei der Anschaffung des Pkw durch die Klägerin nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 UStG. Insofern liegt dem ursprünglichen Vorsteuerabzug eine Aufteilung mittels sachgerechter Schätzung zugrunde, die ihrerseits wiederum die tatsächlichen Verhältnisse des gesamten Kalenderjahres 2014 berücksichtigt.

  • Wegen der Besonderheit, dass die Klägerin im Jahr der Anschaffung des Pkw bereits zuvor einen anderen „funktionsgleichen“ Pkw für die gleichen Umsätze genutzt hat, ist für die „den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse“ daher auf die „tatsächliche Verwendung“ - sowohl des alten als auch des neuen Pkw - im gesamten Kalenderjahr abzustellen. Für die „tatsächliche Verwendung“ ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Verwendung i.S. des § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG ist demgegenüber ausschließlich auf den neu angeschafften Pkw abzustellen.

  • Daher kann es jedenfalls in Fällen, bei denen - wie im Streitfall - ein bereits vorhandenes Wirtschaftsgut durch ein funktionsgleiches ausgetauscht wird, zu einem Nebeneinander der Anwendung von § 15 Abs. 4 UStG und § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG kommen.

  • Der ursprüngliche Vorsteuerabzug in Höhe von 9.162,07 € bzw. - pro Monat des Berichtigungszeitraums - in Höhe von 152,70 € (9.162,07 € / 60 Monate) ist daher auf Grund der tatsächlichen Verwendung vom bis nur in Höhe von 124,87 € ((69,51 % x 10.778,91 €) / 60 Monate) pro Monat zulässig. Die Vorsteuer ist daher in Höhe der Differenz zwischen 305,40 € (152,70 € x 2 Monate, vgl. § 45 UStDV) und 249,75 € (124,87 € x 2 Monate), mithin in Höhe von 55,65 € gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 UStG, zu berichtigen. Im Streitjahr kann die Klägerin aus der Anschaffung des Pkw somit insgesamt Vorsteuer in Höhe von 9.106,42 € abziehen.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2023 (il)

Fundstelle(n):
NWB LAAAJ-43635