Online-Nachricht - Montag, 10.07.2023

Einkommensteuer | Stille Beteiligung des Arbeitnehmers am Unternehmen des Arbeitgebers (FG)

Ob Gewinnanteile aus der Beteiligung als typisch stiller Gesellschafter einer GmbH als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG oder als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG einzustufen sind, ist im Wege einer Gesamtschau unter Einbeziehung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einräumung der stillen Beteiligung hat, spricht für ein unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehendes Sonderrechtsverhältnis (; Nichtzulassungsbeschwerde anhängig, BFH-Az. VIII B 134/22).

Sachverhalt: Der Kläger war Arbeitnehmer einer GmbH, die „ausgesuchten, besonders wichtigen Mitarbeitern“ die Möglichkeit eröffnet hatte, sich als typisch stiller Gesellschafter für die Dauer der Anstellung bei der GmbH zu beteiligen. Am schloss der Kläger mit der GmbH einen „Gesellschaftsvertrag einer typischen stillen Beteiligung“ und leistete seine Einlage. Das Finanzamt (FA) behandelte die Gewinnanteile des Klägers aus seiner stillen Beteiligung als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Mit seiner Klage begehrte der Kläger, seine Gewinnanteile als Kapitaleinkünfte zu erfassen.

Das Finanzgericht gab der Klage statt:

  • Die Gewinnanteile aus der stillen Beteiligung an der GmbH sind beim Kläger weder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG noch gewerbliche Einkünfte, sondern Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG.

  • Die dem Kläger in den Streitjahren zugeflossenen Gewinnanteile aus der stillen Beteiligung an der GmbH sind den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG zuzuordnen. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehörten Einnahmen aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, es sei denn, dass der Gesellschafter oder Darlehensgeber als Mitunternehmer anzusehen ist.

  • Der Kläger hat die Einnahmen nicht als atypisch stiller Gesellschafter im Rahmen einer Mitunternehmerschaft erzielt. Die Gewinnanteile haben bei ihm daher nicht zu gewerblichen Einkünften gem. § 20 Abs. 8 i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG geführt. Der Kläger hat kein wesentliches Mitunternehmerrisiko getragen. Er ist zwar am Gewinn und Verlust der GmbH beteiligt gewesen. Demgegenüber ist der Kläger weder am Unternehmenswert beteiligt noch hat er im Fall der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses einen Anspruch auf den Zuwachs der stillen Reserven des Betriebsvermögens einschließlich des Zuwachses an dem Firmenwert gehabt.

  • Auch die Mitunternehmerinitiative des Klägers ist nur unwesentlich ausgeprägt. Der Kläger hat lediglich das Recht gehabt, die Jahresabschlüsse der GmbH und Prüfungsberichte des Abschlussprüfers einzusehen. Darüber hinaus gehende Stimm- oder Widerspruchsrechte haben dem Kläger nicht zugestanden.

  • Die Gewinnanteile haben beim Kläger auch nicht zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 EStG geführt. Im Streitfall ist die Arbeitnehmerstellung des Klägers bei der GmbH für das daneben bestehende Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Kläger und der GmbH - als unabhängiges Sonderrechtsverhältnis - weder prägend noch steht sie im Vordergrund.

  • Die dem Kläger zugeflossenen Gewinnanteile sind nicht durch sein Arbeitsverhältnis veranlasst. Die Gewinnanteile haben ihre Ursache vielmehr in der Kapitalbeteiligung des Klägers, die als Sonderrechtsverhältnis unabhängig vom Arbeitsverhältnis des Klägers besteht. Soweit daneben auch Gesichtspunkte gegeben sind, die für einen Veranlassungszusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers bei der GmbH sprechen, treten diese hinter die letztlich ausschlaggebende Kapitalbeteiligung des Klägers am Unternehmen der GmbH zurück und werden von diesem Sonderrechtsverhältnis überlagert, das die Grundlage für die dem Kläger zugeflossenen Gewinnanteile bildet.

  • Für ein unabhängig vom Arbeitsverhältnis bestehendes Sonderrechtsverhältnis spricht insbesondere, dass der Kläger keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einräumung der stillen Beteiligung gehabt hat. Die stille Beteiligung ist dem Kläger am unabhängig von seinem bereits bestehenden Arbeitsverhältnis eingeräumt worden. Darüber hinaus hat der Kläger die Einlage in die GmbH auch aus seinem Vermögen erbracht.

  • Entgegen der Auffassung des FA steht dem nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger seine Einlage durch stehengelassene Gewinnanteile erbringen kann. Hierbei handelt es sich um eine übliche Möglichkeit zur Einlageerbringung. Zudem trägt der Kläger ein effektives Verlustrisiko. Zum einen besteht die Möglichkeit des Totalverlusts seiner Kapitaleinlage als solche. Zum anderen trägt der Kläger das Verlustrisiko hinsichtlich der laufenden Jahresergebnisse.

  • Dass dieses Verlustrisiko auf die Höhe seiner Einlage begrenzt ist, fällt dabei nicht ins Gewicht, da er in diesem Fall an künftigen Gewinnen nur dann teilnimmt, wenn die Verlustanteile wieder ausgeglichen sind. Schließlich stehen die Gewinnanteile dem Kläger auch dann zu, wenn er das gesamte Geschäftsjahr - z. B. krankheitsbedingt - ausgefallen wäre. Gerade hierdurch zeigt sich die Unabhängigkeit von Arbeitsleistung und Kapitalüberlassung sehr deutlich.

  • Bei dem Gesellschaftsverhältnis zwischen dem Kläger und der GmbH handelt es sich um eine (typisch) stille Beteiligung und nicht um partiarisches Darlehen. Zwar ist für Begriff und Wesen eines partiarischen Darlehensverhältnisses kennzeichnend, dass die Vergütung - wie im Streitfall - nicht oder nicht nur in einem festen periodischen Betrag besteht, sondern in einem Anteil an dem vom Darlehensempfänger erwirtschafteten Erfolg. Allerdings scheidet ein partiarisches Darlehensverhältnis dann aus, wenn der Kapitalgeber - wie im Streitfall der Kläger - auch am Verlust des Kapitalnehmers beteiligt ist.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2023 (il)

Fundstelle(n):
NWB RAAAJ-43633