Online-Nachricht - Donnerstag, 06.07.2023

Körperschaftsteuer | Aussetzung der Vollziehung von auf § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG gestützten Bescheiden (BFH)

War dem Gesetzgeber hier aufgrund des zu § 8c (später: Abs. 1) Satz 1 KStG a.F. ergangenen (BStBl II 2017, 1082) und dessen möglicher Ausstrahlungswirkung auf § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG/§ 8c (später: Abs. 1) Satz 2 KStG a.F. ohne weiteres gewiss, dass als Reaktionsmöglichkeit auf fortbestehende Verfassungszweifel eine generelle Neuausrichtung des Tatbestands des § 8c KStG im Raum stand, muss die Interessenabwägung zugunsten des wegen der Anwendung des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG eine AdV beantragenden Betroffenen ausfallen, auch wenn das BVerfG § 8c (später: Abs. 1) Satz 1 KStG a.F. als "ähnliche Norm" nicht für nichtig erklärt, sondern dem Gesetzgeber "lediglich" aufgegeben hat, den Verfassungsverstoß bis zum rückwirkend mit Geltung ab dem (dem Inkrafttretenszeitpunkt der Regelung) zu beseitigen ( (AdV); veröffentlicht am ).

Hintergrund: Nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG sind bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzte Verluste vollständig nicht mehr abziehbar, wenn innerhalb von fünf Jahren mittelbar oder unmittelbar mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, der Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder diesem nahe stehende Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt.

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit von Feststellungsbescheiden, in denen nicht genutzte Verluste aus Vorjahren bzw. Fehlbeträge aus früheren Erhebungszeiträumen wegen schädlichen Beteiligungserwerbs auf der Grundlage von § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG in der im Streitjahr 2016 geltenden Fassung unter Berücksichtigung der rückwirkenden Aufhebung des früheren Satzes 1 durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom (BGBl I 2018, 2338,) KStG, dort § 34 Abs. 6 Satz 1 KStG, bzw. von § 10a Satz 10 GewStG in der im Erhebungszeitraum geltenden Fassung i.V.m. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG als nicht abziehbar qualifiziert worden sind.

In der Sache geht es darum, ob die streitbefangenen Verlustfeststellungsbescheide der Antragstellerin, einer GmbH, wegen möglicher Verfassungswidrigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG von der Vollziehung auszusetzen sind.

Die Antragstellerin, deren Anteile einem US-amerikanischen Konzern zuzuordnen waren, war Alleingesellschafterin der A GmbH, die wiederum Alleingesellschafterin der B GmbH war. Es bestand ein mehrstöckiges Organschaftsverhältnis mit der Antragstellerin als Organträgerin.

Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den wurde der verbleibende Verlustvortrag nach § 10d EStG i.V.m. § 31 Abs. 1 KStG festgestellt, mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den der vortragsfähige Gewerbeverlust nach § 10a GewStG. Die Bescheide ergingen im November 2018 jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Am wurden in den USA sämtliche Anteile einer C Corp. - und dadurch mittelbar alle Anteile an der Antragstellerin - auf neue Gesellschafter übertragen, davon 99 % auf einen einzelnen Erwerber. Nach dem vom Finanzamt nicht widersprochenen Vortrag der Antragstellerin verfügt diese innerhalb der Organschaft über stille Reserven in einem Umfang, der die Verlustvorträge auf Ebene der Antragstellerin übersteigt.

Mit Änderungsbescheiden vom kürzte das FA unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung den zum festgestellten verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer und den vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den .

Hiergegen legte die Antragstellerin Einsprüche ein, über die bislang noch nicht entschieden wurde, da sie gemäß § 363 Abs. 2 Satz 2 AO bis zur Entscheidung des BVerfG im dort anhängigen Verfahren 2 BvL 19/17 (, EFG 2017, 1906, s. hierzu Ronneberger, ) ruhen.

Das FG München lehnte den Antrag auf AdV mit Beschluss vom 7 V 1753/22 ab. Zwar bestünden ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG, es fehle der Antragstellerin aber ein besonderes Aussetzungsinteresse, so dass die Feststellungsbescheide nicht nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2, 1. Alt. FGO von der Vollziehung auszusetzen seien.

Nach Auffassung der Richter des BFH ist die Beschwerde begründet.

  • Auf Grundlage des zu § 8c (später: Abs. 1) Satz 1 KStG a.F. ergangenen (BStBl II 2017, 1082), an den der § 8c (später: Abs. 1) Satz 2 KStG betreffende Vorlagebeschluss des FG Hamburg in EFG 2017, 1906 anknüpft, bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG, da sie in ihrer Tatbestandlichkeit durch die alleinige Anknüpfung an den Umstand einer Anteilsübertragung (wie ebenfalls auch § 8c [später: Abs. 1] Satz 1 KStG a.F.) nicht am typischen Missbrauchsfall ausgerichtet ist.

  • Darüber hinaus ist der Antragstellering ein besonderes Aussetzungsinteresse zuzusprechen. Dies gilt auch in dem Fall, in dem das BVerfG in seinem Beschluss v. - 2 BvL 6/11, BStBl II 2017, 1082 § 8c (später: Abs. 1) Satz 1 KStG a.F. nicht für nichtig erklärt, sondern dem Gesetzgeber "lediglich" aufgegeben habe, den Verfassungsverstoß bis zum rückwirkend mit Geltung ab dem (dem Inkrafttretenszeitpunkt der Regelung) zu beseitigen.

Quelle: (AdV); NWB Datenbank (il)

Fundstelle(n):
QAAAJ-43480