Planfeststellung einer Höchstspannungsfreileitung; Überspannung eines Wohngebäudes durch eine provisorische Leitung
Leitsatz
§ 4 Abs. 3 Satz 1 der 26. BImSchV findet auf eine provisorische Leitung Anwendung.
Gesetze: § 3 Abs 2 BImSchV 26, § 4 Abs 3 BImSchV 26, § 8 Abs 2 BImSchV 26
Tatbestand
1Der angegriffene Planfeststellungsbeschluss (PFB) gestattet es, während des Baus einer Höchstspannungsleitung eine provisorische Freileitung über ein Wohngebäude zu führen. Dagegen richtet sich die Klage.
2Der Beschluss stellt den Plan für den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung zwischen Punkt Ochsenkopf und Punkt Attendorn (Bl. 4319) und einer 110-kV-Bahnstromleitung fest. Die 380-kV-Leitung ist Abschnitt B des Vorhabens Nr. 19 der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz ("Neubau Höchstspannungsleitung Kruckel - Dauersberg, Nennspannung 380 kV"). Um die Stromversorgung während der Bauphase aufrecht zu erhalten, sieht der Beschluss im Bereich Attendorn südlich der Trasse und parallel zu dieser eine provisorische Freileitung mit 220 kV unter Mitführung einer Bahnstromleitung mit 110 kV vor.
3Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Gemarkung ..., Flur ..., Flurstück ..., das zusammen mit dem nördlich angrenzenden, unbebauten Flurstück ... genutzt wird. Nach Westen grenzt das Grundstück an die Straße ..., nördlich des Flurstücks ... verläuft die ... Straße. Das Flurstück ... soll durch die provisorische Leitung zwischen den Masten P 179 (Höhe: 34,70 m) und P 180 (32,70 m) während der Bauzeit überspannt und für deren Schutzstreifen dinglich in Anspruch genommen werden. Nach den Planzeichnungen wird die Leitung über den nordöstlichen Teil des Wohngebäudes geführt.
4Der Kläger wandte sich im Planaufstellungsverfahren gegen die Überspannung seines Wohnhauses. Der Planfeststellungsbeschluss weist diese Forderung zurück (PFB S. 341 f.) und hält die temporäre und nur randliche Überspannung eines zum dauerhaften Aufenthalt bestimmten Gebäudes ausnahmsweise für zulässig. Die textlichen Nebenbestimmungen sprechen keine Ausnahme nach § 8 Abs. 2 der 26. BImSchV aus.
5Der Kläger macht geltend, die Überspannung des Wohnhauses verstoße gegen § 4 Abs. 3 der 26. BImSchV. Eine Ausnahme nach § 8 Abs. 2 der 26. BImSchV sei nicht, jedenfalls nicht rechtmäßig erteilt worden. Der Schutz vor Immissionen durch elektromagnetische Felder sei unzureichend.
6Er beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Arnsberg für den Neubau der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung Kruckel - Dauersberg, Bl. 4319, Abschnitt B, vom aufzuheben.
7Der Beklagte und die Beigeladene zu 1 beantragen,
die Klage abzuweisen.
8Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.
9Die Beigeladene zu 2 hat sich nicht geäußert, die Vertreterin des Bundesinteresses beteiligt sich nicht am Verfahren.
Gründe
10Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie ist unbegründet. Soweit der Planfeststellungsbeschluss der gerichtlichen Prüfung unterliegt, verletzt er den Kläger nicht in seinen Rechten nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
111. Der Kläger hat den Prozessstoff in seiner Klagebegründung vom bestimmt und damit die Reichweite der gerichtlichen Prüfung begrenzt.
12Nach § 6 Satz 1 UmwRG hat (u. a.) eine Person innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Diese mit Ablauf des endende Frist wahrt die Klagebegründung. Mit Ablauf der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG soll für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird; vertiefender Tatsachenvortrag bleibt nach Fristablauf zulässig ( 9 A 8.17 - BVerwGE 163, 380 Rn. 14). Daher ist der Prozessstoff auf die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen an die provisorische Leitung beschränkt.
13Es ist unschädlich, dass der Kläger die Klage nicht binnen der mit Ablauf des endenden sechswöchigen Klagebegründungsfrist des § 43e Abs. 3 Satz 1 EnWG begründet hat. Denn § 6 Satz 1 UmwRG geht § 43e Abs. 3 Satz 1 EnWG als speziellere Vorschrift vor ( 4 A 4.19 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 12 Rn. 17 und vom - 4 A 13.20 - ZNER 2022, 639 Rn. 12). Die Rechtsbehelfsbelehrung des Planfeststellungsbeschlusses war insoweit fehlerhaft.
142. Der Planfeststellungsbeschluss lässt eine zeitweise Überspannung des klägerischen Wohngebäudes zu und entfaltet hinsichtlich des Schutzstreifens enteignungsrechtliche Vorwirkung nach § 45 Abs. 2 EnWG. Dies ist nicht zu beanstanden.
15a) Der Überspannung des Wohngebäudes steht grundsätzlich § 4 Abs. 3 Satz 1 der Sechsundzwanzigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV) in der Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 3266) entgegen. Danach dürfen Niederfrequenzanlagen zur Fortleitung von Elektrizität mit einer Frequenz von 50 Hertz und einer Nennspannung von 220 Kilovolt und mehr, die in einer neuen Trasse errichtet werden, Gebäude oder Gebäudeteile nicht überspannen, die zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Die provisorische Leitung ist eine Niederfrequenzanlage zur Fortleitung von Elektrizität mit entsprechender Frequenz und Nennspannung und soll ein Gebäude überspannen, das zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt ist.
16§ 4 Abs. 3 Satz 1 der 26. BImSchV findet auf eine provisorische Leitung Anwendung. Die Verordnung über elektromagnetische Felder gilt nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der 26. BImSchV u. a. für die Errichtung von Niederfrequenzanlagen im Sinne der Definition des § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 26. BImSchV. Die Verordnung sieht keine Ausnahmen für provisorische Leitungen vor, die eine erhebliche Lebensdauer haben können. Zudem gelten auch andere Vorschriften der 26. BImSchV für provisorische Leitungen, insbesondere § 3 Abs. 2 Satz 1 der 26. BImSchV; davon geht der Planfeststellungsbeschluss zutreffend aus (vgl. PFB S. 140).
17Die provisorische Leitung wird - anders als der Immissionsschutzbericht (S. 36) meint - in einer neuen Trasse errichtet. § 4 Abs. 3 der 26. BImSchV verbietet die Überspannung einzelner Gebäude, dient dem vorbeugenden Gesundheitsschutz und der Vermeidung hoher Immissionsanteile von neuen Stromtrassen in Wohngebäuden (BT-Drs. 17/13835 S. 1; BT-Drs. 17/12372 S. 14). Das Überspannungsverbot wird auch bei kleinräumigen Abweichungen ausgelöst und verbietet es, eine Leitung über Wohngebäude oder Teile davon zu führen, die eine solche Überspannung bisher nicht hinnehmen mussten. Der Norm liegt damit ein anderes Verständnis einer neuen Trasse zugrunde als § 43h Satz 2 EnWG. Danach handelt es sich u. a. nicht um eine neue Trasse im Sinne von § 43h Satz 1 EnWG, wenn der Neubau einer Hochspannungsleitung weit überwiegend unmittelbar neben einer Bestandstrasse durchgeführt werden soll. Diese, eine Trasse insgesamt in den Blick nehmende Sichtweise ist dem § 4 Abs. 3 Satz 1 der 26. BImSchV wegen der abweichenden Zielrichtung fremd ( 4 VR 7.19 u. a. - NVwZ 2021, 723 Rn. 54 insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 11).
18Auf kein abweichendes Ergebnis führt der Einwand der Beigeladenen zu 1, bei diesem Verständnis würden entgegen der Systematik der Verordnung bei provisorischen Leitungen nahezu stets Ausnahmen nach § 8 Abs. 2 der 26. BImSchV notwendig (vgl. 9 A 14.07 - BVerwGE 131, 274 Rn. 91). Es erscheint schon im Tatsächlichen zweifelhaft, ob der Einwand zutrifft. Für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 4 Abs. 3 der 26. BImSchV fehlt es jedenfalls an Anhaltspunkten im Wortlaut. Die notwendige Flexibilität gewährleistet § 8 Abs. 2 der 26. BImSchV. Die Norm zwingt aber die Vorhabenträger und Planfeststellungsbehörden dazu, die Interessen der Betroffenen ausreichend konkret zu betrachten.
19b) Nach § 8 Abs. 2 der 26. BImSchV kann die zuständige Behörde Ausnahmen von den Anforderungen des § 4 der 26. BImSchV zulassen, soweit diese Anforderungen im Einzelfall unverhältnismäßig sind. Der Planfeststellungsbeschluss erteilt eine solche Ausnahme von § 4 Abs. 3 Satz 1 der 26. BImSchV.
20Zwar regelt der verfügende Teil des Textes, namentlich die Nebenbestimmungen (PFB S. 12 ff.), keine Ausnahme vom Überspannungsverbot. Eine solche Regelung wäre aus Gründen der Rechtsklarheit wünschenswert. Ihr Fehlen führt aber nicht auf einen Rechtsfehler, weil sich die Erteilung einer Ausnahme hinreichend deutlich aus dem Planfeststellungsbeschluss im Übrigen ergibt: Nach § 43 Abs. 5 EnWG i. V. m. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW wird durch die Planfeststellung die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt; neben der Planfeststellung sind andere behördliche Entscheidungen, insbesondere öffentliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen nicht erforderlich. Aus dieser Konzentrationswirkung folgt, dass ein Planfeststellungsbeschluss die Ausnahmen oder Befreiungen enthält, die für die Verwirklichung des Vorhabens erforderlich sind (vgl. 4 C 3.95 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 131 S. 208, vom - 4 A 7.97 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 137 S. 242 f. und vom - 3 A 4.15 - BVerwGE 160, 263 Rn. 70). Dies gilt bei einer im Ermessen der Planfeststellungsbehörde stehenden Entscheidung jedenfalls, wenn der Regelungsgehalt des Planfeststellungsbeschlusses eine Ausnahme erfordert und der Wille, diese Ausnahme zu erteilen, in den Gründen des Beschlusses hinreichend zum Ausdruck kommt. So liegt es hier. Aus der nach Ziff. 2.1.2 PFB planfestgestellten Anlage 11 mit Anlage 11.4.1.8 und Anlage 11.4.1.9 ergibt sich, dass die provisorische Leitung das Wohngebäude des Klägers überspannen soll. Die Ausführungen auf S. 341 f. PFB setzen sich mit den Einwänden des Klägers auseinander, sprechen Alternativen an und schätzen die Belastung durch die Überspannung ein. Die Bezeichnung der Überspannung als "ausnahmsweise" zulässig (PFB S. 342), zeigt den Willen insoweit eine Ausnahme zu erteilen.
21Die Dauer der Überspannung ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. Die Norm gilt auch für Planfeststellungsbeschlüsse ( 4 C 8.09 u. a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 17). Die hinreichende inhaltliche Bestimmtheit eines Verwaltungsakts setzt voraus, dass dessen Entscheidungsgehalt für den Betroffenen nach Art und Umfang aus sich heraus erkennbar und verständlich ist (vgl. 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259 Rn. 11 und vom - 7 C 15.13 - NVwZ 2016, 308 Rn. 39 insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 16). Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts ( 6 C 8.20 - BVerwGE 174, 1 Rn. 58). Der Planfeststellungsbeschluss verpflichtet den Kläger, die Überspannung seines Grundstücks zeitweise zu dulden. Die Dauer dieser Pflicht ist hinreichend erkennbar. Das Provisorium ist für die Bauzeit erforderlich (PFB S. 140), deren Gesamtdauer wird auf mindestens drei Jahre veranschlagt (PFB S. 71). Damit ist eine zeitliche Größenordnung bekannt. Angesichts denkbarer Schwierigkeiten im Bauverlauf und der fortbestehenden Möglichkeit, das Gebäude zu nutzen, waren weitere Angaben nicht geschuldet.
22c) Eine Ausnahme nach § 8 Abs. 2 der 26. BImSchV setzt voraus, dass die Anforderungen des § 4 der 26. BImSchV im Einzelfall unverhältnismäßig sind. Dies hat die Planfeststellungsbehörde zu Recht angenommen und ohne Ermessensfehler eine Ausnahme zugelassen.
23Die Überspannung des Gebäudeteils wirkt sich nur in untergeordnetem Umfang aus. Sie ist nicht für die übliche Lebensdauer einer Freileitung - etwa 80 Jahre - hinzunehmen, sondern nur für einen nicht unerheblichen, aber doch überschaubaren Zeitraum. Die in diesem Zusammenhang beachtliche ( 4 VR 7.19 u. a. - NVwZ 2021, 723 Rn. 56 insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 11) Belastung mit elektromagnetischen Feldern bleibt hinter den Grenzwerten nach § 3 Abs. 2 Satz 1 der 26. BImSchV deutlich zurück. Ernstliche Sicherheitsbedenken bestehen nicht. Denn nach § 49 Abs. 1 EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind vorbehaltlich sonstiger Rechtsvorschriften die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten (vgl. 4 A 5.17 - BVerwGE 161, 263 Rn. 118).
24Angesichts dieser Belastung wäre es unverhältnismäßig, von der Beigeladenen zu 1 eine alternative Gestaltung zu verlangen, um die Überspannung zu vermeiden. Zwar könnte die provisorische Leitung durch auf dem Boden verlaufende Baueinsatzkabel geführt werden. Dies erfordert es aber, einen Trassenstreifen mit einer Breite von 3 m bis 8 m durch mobile Bauzäune zu sichern und damit die Nutzung von privatem Grund und Boden für einen nicht unerheblichen Zeitraum vollständig auszuschließen. Auf größeren Strecken würden Überführungsportale notwendig, zur Überwindung von Straßen jeweils eine Überführungsbrücke (vgl. Erläuterungsbericht S. 97; PFB S. 46 f.). Einer solchen Überführungsbrücke bedürfte es auch beim Grundstück des Klägers, das an die Straße ... grenzt und von der ... Straße nur durch ein unbebautes Flurstück getrennt ist (vgl. PFB S. 342).
25Die Forderung nach einem anderen räumlichen Verlauf wäre gleichfalls unverhältnismäßig. Nach der - recht knappen - Begründung des Planfeststellungsbeschlusses wird eine enge Bündelung mit der zu errichtenden Leitung angestrebt (PFB S. 341). Damit sollen Bauarbeiten für die provisorische Leitung auf Arbeitsflächen vorgenommen werden, die für den Rückbau der Bestandsleitung und den Aufbau der Bl. 4319 ohnehin benötigt werden. Um eine Überspannung von Wohngebäuden zu vermeiden, müsste die provisorische Leitung deutlich nach Norden verschwenkt werden. Sie würde einen neuen Trassenraum in Anspruch nehmen, während das Grundstück des Klägers durch die Nähe zur Bestandsleitung vorbelastet ist. Diese Vorbelastung erstreckt sich darauf, dass es bei einem Neubau auf der Bestandstrasse zu Belastungen durch provisorische Bauten kommt.
263. Die provisorische Leitung unterfällt als sonstige ortsfeste Einrichtung nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, bedarf aber nach § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG i. V. m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Die Betreiberpflicht des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist jedenfalls gewahrt, wenn die Anlage so errichtet und betrieben wird, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden. Dieser Anforderung wird genügt.
27Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 der 26. BImSchV sind Niederfrequenzanlagen, die nach dem errichtet werden, so zu errichten und zu betreiben, dass sie bei höchster betrieblicher Anlagenauslastung in ihrem Einwirkungsbereich an Orten, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, die in Anhang 1a zur 26. BImSchV genannten Grenzwerte nicht überschreiten, wobei Niederfrequenzanlagen mit einer Frequenz von 50 Hertz die Hälfte der in Anhang 1a genannten Grenzwerte der magnetischen Flussdichte nicht überschreiten dürfen. Danach gelten für die mit 50 Hertz betriebene provisorische 220-kV-Leitung als Grenzwerte eine elektrische Feldstärke von 5 kV/m und eine magnetische Flussdichte von 100 µT, für die mit 16,7 Hertz betriebene Bahnstromleitung Grenzwerte von 5 kV/m und von 300 µT.
28Der planfestgestellte Immissionsschutzbericht (S. 23) betrachtet das klägerische Grundstück als maßgeblichen Immissionsort IO6 und ermittelt für eine Höhe von 1 m jeweils getrennt die elektrische Feldstärke und die magnetische Flussdichte für die Bahnstromleitung und die Höchstspannungsfreileitung (0,3 kV/m und 0,3 kV/m sowie 4,2 µT und 5,3 µT), ergänzend die Werte in 4 m Höhe. Summiert würden die Grenzwerte der 26. BImSchV zu 12 % und 7 % ausgeschöpft. Der vom Kläger geforderten Messung bedurfte es nicht. Denn nach § 5 Satz 4 der 26. BImSchV sind Messungen nicht erforderlich, wenn die Einhaltung der Grenzwerte durch Berechnungsverfahren festgestellt werden kann. Im Übrigen scheidet eine Messung aus, weil bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses als maßgeblichem Zeitpunkt ( 4 A 14.19 - BVerwGE 173, 132 Rn. 16) die Leitung noch nicht errichtet war.
29Über die Betrachtung des Grundstücks im Immissionsschutzbericht hinaus bedurfte es keines ausdrücklichen Nachweises über die Einhaltung der Grenzwerte für Niederfrequenzanlagen. Ein solcher Nachweis ist für das Grundstück Gemarkung ..., Flur ..., Flurstücke ... und ... erstellt worden (Anlage 11.7.4.1 Bl. 1). Dieser berechnet die Maximalwerte am jeweils ungünstigsten Punkt auf einer Höhe von 1 m über dem Erdboden und ermittelt summiert eine Ausschöpfung der Grenzwerte zu 26 % (elektrische Feldstärke) und zu 10 % (magnetische Flussdichte). Diese Berechnungen lassen den Schluss zu, dass auf dem klägerischen Grundstück die Grenzwerte gewahrt sind. Weil der Bodenabstand der Leitung dort mit 17 m etwa 5 m größer ist als auf den Grundstücken Flur ..., Flurstücke ... und ..., sind geringere Immissionen zu erwarten. Diese Einschätzung liegt angesichts der absoluten Höhe der Immissionen auf der sicheren Seite.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen zu 2 sind nicht erstattungsfähig.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:210223U4A2.22.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-39157