BGH Urteil v. - VIa ZR 657/21

Instanzenzug: Az: 17 U 905/21 Urteilvorgehend LG Ingolstadt Az: 81 O 2447/19

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Am erwarb der Kläger von einem Händler einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Audi A4 Avant 2.0 TDI für 29.800 €, wobei er einen Teil des Kaufpreises finanzierte. Das Fahrzeug ist mit einem von der Volkswagen AG entwickelten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgerüstet, dessen zur Steuerung eingesetzte Software eine später vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) beanstandete "Umschaltlogik" aufwies. Die Software wurde später einem vom KBA freigegebenen Update unterzogen.

3Das Landgericht hat – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – der im Jahr 2019 erhobenen Zahlungsklage in Höhe von 7.565,31 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen "Rückgabe" und Übereignung des Fahrzeugs stattgegeben und die weitergehende Zahlungsklage die Hauptforderung betreffend abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers, mit der er die Zahlung weiterer 5.712,97 € nebst Zinsen ohne Zug-um-Zug-Vorbehalt begehrt hat, zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Verurteilung der Beklagten in der Hauptsache zur Zahlung von insgesamt 13.278,28 € nebst Prozesszinsen weiter.

Gründe

4Die Revision des Klägers hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

5I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit hier von Bedeutung - wie folgt gerechtfertigt:

6Die Beklagte hafte dem Kläger dem Grunde nach auf Schadensersatz gemäß §§ 826, 31 BGB, ohne dass die Beklagte dem die Einrede der Verjährung entgegensetzen könne. Denn die Vorstände der Beklagten hätten am Tag des Fahrzeugkaufs positives eigenes Wissen (§ 31 BGB) über die Manipulationen an Motoren der Baureihe EA 189 durch die Volkswagen AG aufgrund des Einbaus einer "Umschaltlogik" in die Abgasrückführung gehabt. Das Berufungsgericht hat dies im wesentlichen wortgleich wie in seinem Urteil vom (17 U 1476/20, juris Rn. 27 ff., 40 ff.) begründet. Weiter hat es ausgeführt, der Kläger müsse sich grundsätzlich auf der Grundlage einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 250.000 km Nutzungsvorteile in Höhe von 23.814,46 € anrechnen lassen. Auch in Höhe von dann noch verbleibenden 5.985,54 € (Vertragsabschlussschaden) und weiteren 1.204,67 € (Finanzierungskosten) bestehe indessen keine Zahlungspflicht der Beklagten, weil der Kläger die ihm im Zuge der Finanzierung des Kaufpreises eingeräumte Option, das Fahrzeug gegen Erlass der Schlussrate an den Händler zurückzugeben, nicht genutzt habe.

7II. Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

81. Unbehelflich sind allerdings die Angriffe der Revision gegen die tatrichterliche Bemessung von Nutzungsvorteilen auf der Grundlage der Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte sei dem Kläger aus unerlaubter Handlung zum Schadensersatz verpflichtet. Das Berufungsgericht hat seiner Schätzung, die es zu einer Anrechnung von Nutzungsvorteilen in Höhe von 23.814,46 € geführt hat, nach § 287 ZPO mit der linearen eine zulässige Berechnungsmethode zugrunde gelegt. Seine Annahme, es sei von einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 250.000 km auszugehen, legt seiner Schätzung keinen unrichtigen Maßstab zugrunde (vgl. VIa ZR 227/21, juris Rn. 26 f.). Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte es nicht. Die von der Revision gerügten Verfahrensmängel hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

92. Das Berufungsgericht hat aber zu Unrecht angenommen, in der Nichtausübung eines Rückgaberechts liege mit Rücksicht auf § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ein einem deliktischen Schadensersatzanspruch entgegenstehender Umstand. Der Bundesgerichtshof hat nach Erlass des Berufungsurteils geklärt, dass der Nichtausübung eines im Zuge der Finanzierung des Kaufpreises vereinbarten Rückgaberechts durch den Fahrzeugkäufer unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Bedeutung in Bezug auf einen bereits begründeten deliktischen Schadensersatzanspruch zukommt (vgl. , NJW 2022, 1674 Rn. 16 ff.; Urteil vom - VIa ZR 135/21, juris Rn. 8; Urteil vom - VIa ZR 325/21, WM 2023, 138 Rn. 16 ff.). Auf die von der Revision gegen die Feststellung eines Rückgaberechts gerichteten Verfahrensrügen kommt es nicht an.

10III. Das Berufungsurteil unterliegt mithin in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Insbesondere kann der Senat die Revision des Klägers nicht schon deshalb in Gänze zurückweisen, weil ein deliktischer Schadensersatzanspruch dem Grunde nach ausgeschlossen oder mit einer peremptorischen Einrede behaftet wäre.

11Zwar halten die Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es unter dem Gesichtspunkt einer sekundären Darlegungslast zu einer Haftung der Beklagten nach §§ 826, 31 BGB gelangt ist, aus den Gründen einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, die den VII. Zivilsenat in dem das Urteil des Berufungsgerichts vom (17 U 1476/20, juris) betreffenden Revisionsverfahren auf die Revision der Beklagten zu einer Aufhebung des dortigen Berufungsurteils veranlasst haben (vgl. , WM 2023, 140 Rn. 17 ff.). Wie dort ist aber nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht auf der Basis des bisherigen oder eines etwaigen weiteren Parteivorbringens noch rechtsfehlerfreie Feststellungen zu einer gemäß §§ 826, 31 BGB haftungsbegründenden Kenntnis der Beklagten von der "Umschaltlogik" trifft ( aaO, Rn. 29).

12Tragfähige Feststellungen zur Verjährung eines Anspruchs aus §§ 826, 31 BGB fehlen. In Fällen der vorliegenden Art genügt es für den Beginn der Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 BGB, dass der geschädigte Fahrzeugkäufer Kenntnis vom sogenannten "Dieselskandal" im Allgemeinen, von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs und von der Relevanz dieser Betroffenheit für seine Kaufentscheidung hat, wobei letztere Kenntnis nicht gesondert festgestellt werden muss, sondern naturgemäß beim Geschädigten vorhanden ist. Einer näheren Kenntnis darüber, welche im Sinne des § 31 BGB maßgeblichen Personen im Einzelnen für den sogenannten "Dieselskandal" verantwortlich sind, bedarf es demgegenüber auch unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der Klageerhebung nicht (, juris Rn. 22, 35 mwN). Ob die danach maßgeblichen Voraussetzungen im Jahr 2015 gegeben waren, lässt sich dem Berufungsurteil nicht entnehmen.

13IV. Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Soweit der Kläger in der Hauptsache mehr als die Zahlung von 7.190,21 € und nach den Berufungsanträgen teilweise ohne Zug-um-Zug-Vorbehalt begehrt, weist der Senat die Revision zurück.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:270323UVIAZR657.21.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-38677