Fernwärmelieferungsvertrag: Recht des Fernwärmeversorgungsunternehmens zur einseitigen Anpassung einer unwirksamen Preisänderungsklausel; Aussetzung der Verhandlung wegen einer beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerde
Gesetze: § 4 Abs 1 AVBFernwärmeV, § 4 Abs 2 AVBFernwärmeV, § 24 Abs 4 AVBFernwärmeV, § 134 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 148 Abs 1 ZPO
Instanzenzug: Az: 20 U 1155/20vorgehend Az: 6 O 3/20
Tatbestand
1Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen, das im Wohngebiet "Neues Schweizer Viertel" in Berlin Kunden mit Fernwärme beliefert. Sie bezieht die Fernwärme ihrerseits von der V. AG (ab 2018 umfirmiert in V. AG; nachfolgend: V. AG).
2Die Kläger sind Eigentümer eines mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks im vorgenannten Wohngebiet und wurden auf der Grundlage eines mit der Beklagten am 30. März/ geschlossenen Wärmelieferungsvertrags von dieser mit Fernwärme versorgt. Die jährlichen Abrechnungen für die von den Klägern abgenommene Fernwärme erstellte die Beklagte unter Zugrundelegung der in § 8 des Wärmelieferungsvertrags enthaltenen Preisbestimmung ("Wärmepreis"), die in Absatz 1 als auf das Jahr 2005 bezogene Basistarife einen Bereitstellungspreis für das Gebäude in Höhe von 0,458 € pro m2 beheizte Fläche und Monat sowie einen Arbeitspreis für die gelieferte Wärme in Höhe von 0,0728 € pro kWh, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer, vorsah. Der im Vertrag ebenfalls vorgesehene Messpreis ist für den Rechtsstreit nicht von Belang. Nach § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrags war der Preis für die gelieferte Wärme nach Maßgabe der folgenden Vorschriften veränderlich:
"Preisänderungsklausel
Die jeweils gültigen Bereitstellungs- und Messpreise berechnen sich nach folgender Formel:
Die Anpassung des Bereitstellungs- und Messpreises erfolgt jährlich mit der Abrechnung des betreffenden Jahres rückwirkend für das gesamte abzurechnende Jahr. Maßgeblich für die Anpassung sind die Veränderungen der in der Preisänderungsklausel genannten Bezugsgrößen in dem Abrechnungszeitraum, und zwar die Jahresdurchschnittswerte.
Der jeweils gültige Arbeitspreis ergibt sich nach folgender Formel:
Die Anpassung des Arbeitspreises erfolgt rückwirkend für das abzurechnende Jahr. Maßgeblich für die Anpassung sind die Veränderungen der Bezugsgrößen in dem Abrechnungszeitraum.
Bezugsjahr für alle Basisindizes ist 2005."
3Die Kläger zahlten für die von ihnen abgenommene Fernwärme die ihnen von der Beklagten jährlich in Rechnung gestellten - nach Maßgabe der Preisänderungsklausel angepassten - Entgelte.
4Nachdem das Kammergericht in einem gegen die Beklagte gerichteten - und ebenfalls Preisänderungen bei Fernwärmelieferungen in dem besagten Wohngebiet betreffenden - Rechtsstreit mit Urteil vom (20 U 146/17, juris) entschieden hatte, dass die in ihren Allgemeinen Versorgungsbedingungen enthaltenen Preisänderungsklauseln unwirksam seien, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom ihren Endkunden und auch den Klägern eine Änderung der Preisanpassungsformel des Arbeitspreises der Wärmelieferungsverträge im Tarifgebiet "Neues Schweizer Viertel" an, deren öffentliche Bekanntmachung sie in Aussicht stellte. Hiernach knüpfte die Veränderung des verbrauchsabhängigen Arbeitspreises ab dem jeweils hälftig einerseits an die jährlichen Veränderungen eines vom Statistischen Bundesamt herausgegebenen und im Internet abrufbaren Wärmepreisindexes sowie andererseits an die jährlichen Veränderungen eines von der V. AG im Internet veröffentlichten Tarifs ("Allgemeiner Wärmepreis, Sonderzwecke nach besonderer Vereinbarung") an.
5Durch anwaltliches Schreiben vom rügten die Kläger unter Hinweis auf das vorgenannte Urteil des Kammergerichts die Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel in § 8 des Wärmelieferungsvertrags und forderten, ausgehend von den im Vertrag genannten Basispreisen des Jahres 2005, die Rückzahlung des aus ihrer Sicht in den Abrechnungsjahren 2015 bis 2017 überzahlten Wärmeentgelts.
6Mit ihrer Klage haben die Kläger von der Beklagten zunächst die Rückerstattung der ihrer Ansicht nach für die Jahre 2015 bis 2018 überzahlten Fernwärmeentgelte - ausgehend von den im Vertrag genannten Basisarbeits- und Basisbereitstellungspreisen - in Höhe von insgesamt 2.003,77 € nebst Zinsen, die (Zwischen-)Feststellung der Unwirksamkeit der in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrags enthaltenen Preisänderungsklausel sowie die Feststellung begehrt, dass auch die (angepasste) Preisänderungsklausel gemäß dem Schreiben der Beklagten vom unwirksam sei.
7Das Landgericht hat den Feststellungsanträgen vollumfänglich und dem Zahlungsbegehren in Höhe von 1.118,55 € nebst Zinsen stattgegeben; wegen des weitergehenden Zahlungsantrags hat es die Klage abgewiesen.
8Auf die Berufung der Parteien hat das Kammergericht das erstinstanzliche Urteil - unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen - dahingehend abgeändert, dass es die Beklagte betreffend die Abrechnungsjahre 2015 bis 2018 - unter Anwendung der vom Senat entwickelten Dreijahreslösung und ausgehend von dem vom Landgericht festgestellten und von den Parteien als unstreitig zugrunde gelegten Arbeitspreis des Jahres 2014 (0,0803 €/kWh) - zur Zahlung von insoweit nur 604,32 € nebst Zinsen verurteilt hat. Außerdem hat es die Unwirksamkeit der in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrags enthaltenen (ursprünglichen) Preisänderungsklausel lediglich insoweit festgestellt, als sie den Arbeitspreis betrifft. Darüber hinaus hat es - unter Präzisierung des erstinstanzlichen Urteilsausspruchs - festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die geänderte Preisanpassungsformel gemäß ihrem Schreiben vom durch einseitige Erklärung einzuführen.
9Schließlich hat es die Beklagte auf die in der Berufungsinstanz erfolgten Klageerweiterungen, mit welchen die Kläger die Rückerstattung ihrer Ansicht nach auch für die Jahre 2019 und 2020 überzahlter Fernwärmeentgelte in Höhe weiterer 1.044,47 € nebst Zinsen verlangt haben, zur Zahlung eines Teilbetrags in Höhe von 280,25 € verurteilt und im Übrigen auch diese Zahlungsklage abgewiesen.
10Das Berufungsgericht hat die Revision unbeschränkt zugelassen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte nur noch die Abweisung des Begehrens auf Feststellung der Unwirksamkeit der Einbeziehung der geänderten Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis sowie die Abweisung der Zahlungsklage, soweit diese in Höhe von 340,18 € nebst Zinsen Erfolg hatte. Die Kläger erstreben mit ihrer Revision lediglich noch eine Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung aus ihrer Sicht überzahlten Arbeitspreises in Höhe (weiterer) 605,67 € nebst Zinsen.
Gründe
11Die Revision der Beklagten hat Erfolg, während die Revision der Kläger unbegründet ist.
A.
12Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
13Zu Recht begehrten die Kläger die Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die in ihrem Schreiben vom enthaltene, den Arbeitspreis betreffende Preisänderungsklausel durch einseitige Erklärung in den zwischen den Parteien bestehenden Wärmelieferungsvertrag einzuführen. Für die Änderung einer Preisänderungsregelung bedürfe es aufeinander bezogener korrespondierender Willenserklärungen der Parteien gemäß §§ 145 ff. BGB. Weder hätten sich die Parteien hier auf die Einbeziehung einer (neuen) Preisänderungsklausel betreffend den Arbeitspreis verständigt noch hätten sie der Beklagten anfänglich oder nachträglich ein einseitiges Bestimmungsrecht eingeräumt. Eine einseitige Vertragsänderung sei auch nicht auf der Grundlage von § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV zulässig.
14Den Klägern stehe aufgrund der Unwirksamkeit der ursprünglichen Preisanpassungsklausel in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrags für den Arbeitspreis ein Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB für die Jahre 2015 bis 2018 nur in Höhe von 486,76 € zu. Zutreffend habe das Landgericht entschieden, dass im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB auf das Preisniveau abzustellen sei, das vor der Jahresabrechnung gegolten habe, welche noch innerhalb von drei Jahren nach dem Zugang beanstandet worden sei. Da die Kläger den Preisen erstmals mit Schreiben vom widersprochen hätten, sei im Streitfall der Arbeitspreis des Jahres 2014 in Höhe von - unstreitig - 0,0803 €/kWh netto maßgeblich. Nach diesen Maßstäben sei die Beklagte in den streitgegenständlichen Abrechnungszeiträumen 2015 bis 2018 in Höhe von insgesamt 486,76 € einschließlich Mehrwertsteuer überzahlt worden, da der jeweils den Klägern in Rechnung gestellte Arbeitspreis über dem maßgeblichen Arbeitspreis des Jahres 2014 gelegen habe. Aus den vorstehenden Gründen könnten die Kläger hinsichtlich der in der Berufungsinstanz vorgenommenen zulässigen Klageerweiterungen betreffend die Abrechnungsjahre 2019 und 2020 von der Beklagten die Rückzahlung eines Betrags in Höhe von insgesamt 280,25 € einschließlich Mehrwertsteuer verlangen.
B.
15Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung - soweit sie dieser aufgrund der Revisionsangriffe unterliegt - nur teilweise stand.
16Zwar hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei unter Anwendung der vom Senat im Wege ergänzender Vertragsauslegung entwickelten Dreijahreslösung angenommen, dass den Klägern gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in Bezug auf die im Zeitraum von 2015 bis 2018 geleisteten Arbeitspreise ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 486,76 € und für den Zeitraum von Januar bis einschließlich April 2019 ein solcher in Höhe von 57,63 € zusteht, was auch die Revision der Beklagten nicht in Frage stellt. Es hat jedoch zu Unrecht - offenbar aufgrund eines Rechenfehlers - in der Urteilsformel den Klägern weitere 117,56 € zugesprochen, ohne dass dieser Betrag in der Begründung seines Urteils eine Stütze findet.
17Darüber hinaus kann die Entscheidung des Berufungsgerichts zur fehlenden Wirksamkeit der zum geänderten Anpassungsklausel zum Arbeitspreis und die damit zusammenhängende Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung von 222,62 € für den Zeitraum vom bis zum - jedenfalls auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts - keinen Bestand haben.
18I. Zur Revision der Beklagten
19Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.
201. Rechtsfehlerhaft - jedenfalls auf Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen - ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten stehe ein Recht zur Anpassung der entsprechend ihrem Schreiben vom geänderten Klausel nicht zu. Vielmehr ist die Beklagte als Fernwärmeversorgerin zu einer Anpassung von ihr in Allgemeinen Versorgungsbedingungen verwendeter Preisänderungsklauseln - unter bestimmten Voraussetzungen - grundsätzlich berechtigt.
21a) Wie der Senat mit seinen Urteilen vom (VIII ZR 175/19, BGHZ 232, 312 Rn. 30 ff.), vom (VIII ZR 295/20, NJW 2022, 1944 Rn. 64 ff.), vom (VIII ZR 28/21, ZIP 2022, 2279 Rn. 32 f., und VIII ZR 155/21, ZNER 2022, 446 Rn. 42 f.), vom (VIII ZR 232/21, juris Rn. 28 f.), vom (VIII ZR 91/21, juris Rn. 31 f.), vom (VIII ZR 133/21, juris Rn. 41 f.) und vom (VIII ZR 78/22, juris Rn. 21 f.) entschieden hat, ist ein Fernwärmeversorgungsunternehmen gemäß § 4 Abs. 1 und 2 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV berechtigt und - soweit das Kundeninteresse dies erfordert - sogar verpflichtet, eine von ihm gegenüber Endkunden verwendete - von Vertragsbeginn an unwirksame oder ab einem bestimmten Zeitpunkt danach unwirksam gewordene - Preisänderungsklausel auch während des laufenden Versorgungsverhältnisses mit Wirkung für die Zukunft einseitig anzupassen, wenn und soweit dadurch sichergestellt wird, dass die Klausel den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht. Denn nur auf diesem Wege kann die mit dieser Vorschrift bezweckte kosten- und marktorientierte Preisbemessung und damit ein angemessener Ausgleich der Interessen von Versorgungsunternehmen und Wärmekunden während der gesamten Dauer des Versorgungsvertrags erreicht werden (ausführlich zum Ganzen , aaO; vom - VIII ZR 295/20, aaO; siehe auch Senatsurteil vom - VIII ZR 91/21, aaO Rn. 31 mwN).
22Allerdings führen die Vorgaben des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV dazu, dass diese "Heilungsmöglichkeit" des Fernwärmeversorgers nach § 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV nicht in seinem Ermessen steht, sondern davon abhängt, dass - wofür das Fernwärmeversorgungsunternehmen nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet ist - die im betreffenden Versorgungsverhältnis bislang zugrunde gelegte Preisänderungsklausel nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam (geworden) ist, die angepasste Preisänderungsklausel unter Zugrundlegung der zum Zeitpunkt ihrer Einführung aktuellen Verhältnisse ihrerseits den Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV - namentlich bezüglich Transparenz sowie Kosten- und Marktorientierung - genügt und die Änderung zudem entsprechend § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV vorab öffentlich bekanntgegeben wird (vgl. , aaO Rn. 63 ff.; vom - VIII ZR 295/20, aaO Rn. 68 ff.; vom - VIII ZR 91/21, aaO Rn. 32).
23b) Ausgehend davon war die Beklagte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vorliegend nach § 4 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV grundsätzlich berechtigt, die von ihr seit Vertragsschluss verwendete Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrags der Parteien während des laufenden Versorgungsverhältnisses an die Anforderungen des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV anzupassen, um auf dieser Grundlage ab Mai 2019 den von den Klägern geschuldeten Wärmepreis zu berechnen.
24Die ursprüngliche Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrags war - wovon das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend ausgegangen ist und was die Revision nicht in Frage stellt - nach § 134 BGB unwirksam. Dies ergibt sich - wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils für eine identische Preisänderungsklausel in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen der Beklagten bereits entschieden hat - nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, aus einem Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 24 Abs. 4 Satz 2 AVBFernwärmeV in der hier anwendbaren vom bis zum geltenden Fassung), sondern vielmehr aus der inhaltlichen Unangemessenheit der Klausel (§ 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV; siehe hierzu im Einzelnen Senatsurteil vom - VIII ZR 287/20, BGHZ 233, 339 Rn. 20 ff., 27 ff. mwN; siehe auch Senatsurteil vom - VIII ZR 133/21, juris Rn. 26).
25c) Ob allerdings die von der Beklagten gegenüber den Klägern und den übrigen Endkunden ab Mai 2019 verwendete Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis den Anforderungen des § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV entsprechend öffentlich bekanntgegeben wurde und ob sie ihrerseits den Vorgaben des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV entspricht, kann ohne nähere (gegebenenfalls sachverständige) Feststellungen zu dieser geänderten Klausel und ihrer Wirkungsweise nicht beurteilt werden (vgl. hierzu bereits , BGHZ 232, 312 Rn. 81; vom - VIII ZR 295/20, NJW 2022, 1944 Rn. 75; siehe auch Senatsurteil vom - VIII ZR 91/21, juris Rn. 37). Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - noch nicht getroffen und wird diese im Rahmen seiner erneuten Befassung, gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien, nachzuholen haben.
26d) Dementsprechend kann das Berufungsurteil - jedenfalls auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen - auch keinen Bestand haben, soweit die Beklagte zur Rückzahlung des im Abrechnungszeitraum bis geleisteten Wärmeentgelts verurteilt wurde. Auch insoweit kommt es darauf an, ob die Beklagte die Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis zum wirksam angepasst hatte oder ob insofern vielmehr weiterhin - in Ermangelung einer wirksamen Änderungsklausel - der nach der Dreijahreslösung maßgebliche Arbeitspreis zugrunde zu legen war (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 234/21, juris Rn. 31).
27Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe den Klägern im Hinblick auf diesen Abrechnungszeitraum ein Rückforderungsanspruch für überzahlte Arbeitspreise nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zusteht, bedarf mithin weiterer Feststellungen. Denn für diesen Zeitraum legte die Beklagte ihren Abrechnungen vom und einen Arbeitspreis in Höhe von 0,0921 €/kWh (für den Zeitraum von Mai bis Dezember 2019) beziehungsweise 0,0915 €/kWh (für das Jahr 2020) zugrunde, den sie jeweils bereits auf der Grundlage der angepassten Preisänderungsklausel ermittelt hatte. Abhängig davon, ob die Beklagte diese mit Schreiben vom mitgeteilte Preisanpassungsklausel wirksam in den vorliegenden Wärmelieferungsvertrag einbeziehen konnte, wird das Berufungsgericht im Rahmen seiner erneuten Befassung entweder den jeweils auf dieser neuen Grundlage gebildeten Arbeitspreis dem Abrechnungszeitraum von Mai 2019 bis Dezember 2020 zugrunde zu legen und insofern Rückforderungsansprüche der Kläger zu verneinen oder andernfalls jeweils den nach der Dreijahreslösung maßgeblichen Arbeitspreis für das Jahr 2014 in Höhe von 0,0803 €/kWh heranzuziehen haben.
282. Zu Recht rügt die Revision, dass das Berufungsgericht diesbezüglich einen Rückzahlungsanspruch der Kläger nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB im Umfang von (weiteren) 117,56 € nebst Zinsen bejaht hat.
29Zwar hat das Berufungsgericht für den Abrechnungszeitraum von 2015 bis April 2019 in Anwendung der Grundsätze der Dreijahreslösung zutreffend darauf abgestellt, dass ausgehend von der erstmaligen Beanstandung der Preiserhöhungen durch das Schreiben der Kläger vom der für das Jahr 2014 von der Beklagten verlangte Arbeitspreis in Höhe von 0,0803 €/kWh den nach der Dreijahreslösung maßgeblichen Preis bildet, da die Kläger der nachfolgenden Jahresabrechnung für 2015 vom rechtzeitig binnen drei Jahren widersprochen haben. Da die Beklagte im Zeitraum 2015 bis einschließlich April 2019 jeweils höhere Preise verlangt hat (für 2015 0,0894 €/kWh, für 2016 0,0891 €/kWh, für 2017 0,0888 €/kWh, für 2018 0,0894 €/kWh, für Januar bis April 2019 0,0894 €/kWh), steht den Klägern ein Rückzahlungsanspruch für überzahlte Arbeitspreise in Höhe der jeweiligen Differenz zu.
30Ausgehend hiervon hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler einen Rückzahlungsanspruch der Kläger nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB in Höhe von 486,76 € für den Abrechnungszeitraum von 2015 bis 2018 und in Höhe von 57,63 € für den Abrechnungszeitraum von Januar bis April 2019, insgesamt mithin in Höhe von 544,39 € bejaht, was auch die Revision nicht angreift. Zusammen mit einem von dem Berufungsgericht für den Zeitraum von Mai 2019 bis Dezember 2020 angenommenen Rückzahlungsanspruch der Kläger in Höhe von 222,62 € ergibt sich daher - im für die Kläger günstigsten Fall der Unwirksamkeit auch der geänderten Preisanpassungsklausel aus dem Schreiben der Beklagten vom - ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 767,01 €.
31Das Berufungsgericht hat die Beklagte stattdessen jedoch zur Zahlung in Höhe von 884,57 € nebst Zinsen verurteilt. Die Differenz in Höhe von 117,56 € findet - wovon auch die Parteien im Revisionsverfahren übereinstimmend ausgehen - in der Begründung des Berufungsurteils keine Grundlage.
32II. Zur Revision der Kläger
33Die Revision der Kläger ist unbegründet.
34Das Berufungsgericht hat bezüglich des Arbeitspreises - entgegen der Auffassung der Revision - rechtsfehlerfrei die vom Senat im Wege ergänzender Vertragsauslegung entwickelte Dreijahreslösung angewandt und für die Jahre 2015 bis 2018 sowie für das Jahr 2019 - jedenfalls bis zum - zutreffend den für das Jahr 2014 von der Beklagten verlangten Arbeitspreis zugrunde gelegt. Damit steht den Klägern insoweit ein über den bereits vom Berufungsgericht zuerkannten Betrag in Höhe von 544,39 € hinausgehender Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB für diesen Zeitraum nicht zu. Soweit das Berufungsgericht - ebenfalls rechtsfehlerfrei - einen auf den Bereitstellungspreis bezogenen Rückzahlungsanspruch der Kläger aufgrund der - zutreffend angenommenen - Wirksamkeit der hierauf bezogenen Preisanpassungsklausel in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrags (vgl. hierzu Senatsurteil vom - VIII ZR 91/21, juris Rn. 43 ff. mwN) verneint hat, greift die Revision dies nicht an.
35Hinsichtlich des von den Klägern darüber hinaus geltend gemachten Rückzahlungsanspruchs betreffend den im anschließenden Zeitraum vom bis zum abgerechneten Arbeitspreis kann - wie bereits ausgeführt (siehe unter B I 1 d) - aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilt werden, ob die Anpassung der unwirksamen Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis ab dem wirksam erfolgte oder - sollte dies nicht der Fall sein - auch für diesen Zeitraum die Dreijahreslösung zur Anwendung gelangt. Unabhängig davon steht den Klägern für den vorgenannten Zeitraum vom bis zum aber jedenfalls ein über den bereits zuerkannten Betrag von 222,62 € hinausgehender Rückzahlungsanspruch nicht zu.
361. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist auch bei Fernwärmelieferungsverträgen, bei denen der Kunde längere Zeit Preiserhöhungen unbeanstandet hingenommen hat und nun auch für länger zurückliegende Zeitabschnitte die Unwirksamkeit der Preiserhöhungen geltend macht, die infolge der Unwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Preisänderungsklausel nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB entstandene planwidrige Regelungslücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) dahingehend zu schließen, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresabrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat (siehe hierzu etwa , NJW 2014, 3639 Rn. 16; vom - VIII ZR 175/19, BGHZ 232, 312 Rn. 26; vom - VIII ZR 287/20, BGHZ 233, 339 Rn. 42; vom - VIII ZR 358/21, juris Rn. 52 mwN). Die Dreijahreslösung hat zur Folge, dass statt des wegen der Unwirksamkeit der Preisanpassungsklausel auf dem Niveau des bei Vertragsschluss verharrenden (Anfangs-)Preises nun die letzte Preiserhöhung des Versorgungsunternehmens, der der Kunde nicht rechtzeitig widersprochen hat, als vereinbart gilt und mithin der danach maßgebliche Preis endgültig an die Stelle des Anfangspreises tritt (vgl. zuletzt , aaO; vom - VIII ZR 358/21, aaO; jeweils mwN).
372. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass diese seit vielen Jahren gefestigte Senatsrechtsprechung mit den Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. EG Nr. L 95, S. 29; im Folgenden: Klausel-Richtlinie) vereinbar ist. Mit sämtlichen hiergegen von der Revision vorgebrachten unionsrechtlichen Gesichtspunkten hat sich der Senat in seinem Urteil vom (VIII ZR 287/20, aaO Rn. 45 ff.) - unter Bestätigung und Fortführung der diesbezüglichen Senatsrechtsprechung (Urteile vom - VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 33 ff., und VIII ZR 52/12, juris Rn. 31 ff.; vom - VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 23 ff.; vom - VIII ZR 241/15, NJW-RR 2017, 557 Rn. 23 ff.) - bereits eingehend befasst und diese Kritik für nicht durchgreifend erachtet. Hieran hält der Senat auch nach nochmaliger Prüfung fest und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen umfassend auf die dortigen Ausführungen Bezug.
38Die Revision blendet in ihrer einseitigen Ausrichtung an einem die Anwendung der Klausel-Richtlinie vermeintlich prägenden Sanktionscharakter durchgängig aus, dass durch die vom Senat vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung in Einklang mit der - vom Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden: Gerichtshof) stets ausdrücklich hervorgehobenen (siehe etwa EuGH, C-260/18, WM 2019, 1963 Rn. 39 - Dziubak; C-125/18, RIW 2021, 141 Rn. 62 - Gómez del Moral Guasch; C-19/20, WM 2021, 1035 Rn. 83 - Bank BPH) - Zielsetzung des Art. 6 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien unter Berücksichtigung ihrer beider Interessen durch eine materielle Ausgewogenheit ersetzt und so ihre Gleichheit [im Sinne des ursprünglichen vertraglich intendierten Gleichgewichts] wiederhergestellt wird (vgl. zum Ganzen ausführlich , aaO Rn. 33 ff., und VIII ZR 52/12, aaO Rn. 31 ff.; vom - VIII ZR 79/15, aaO Rn. 23, 27, 38; vom - VIII ZR 287/20, aaO Rn. 49; siehe auch , WM 2019, 2210 Rn. 18 [zum Wiederkaufsrecht]).
39Demzufolge ist der Senat - entgegen der Auffassung der Revision - auch nicht gehalten, den Rechtsstreit nach Art. 267 Abs. 1 bis 3 AEUV dem Gerichtshof zur Auslegung des Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 der Klausel-Richtlinie vorzulegen, da die Auslegung dieser Richtlinienbestimmungen, soweit für die Beurteilung des vorliegenden Falles von Bedeutung, durch die dargestellte (umfangreiche) Rechtsprechung des Gerichtshofs im Sinne eines acte éclairé geklärt und vorliegend lediglich auf den Einzelfall anzuwenden ist (so bereits Senatsurteil vom - VIII ZR 287/20, aaO Rn. 60; vgl. auch EuGH, C-561/19, NJW 2021, 3303 Rn. 33, 36 ff. - Consorzio Italian Management; BVerfGE 149, 222 Rn. 143; jeweils mwN).
40Hieran hält der Senat auch in Anbetracht der von der Revision in Bezug genommenen Begründung der Verfassungsbeschwerde gegen das Senatsurteil vom (VIII ZR 287/20, BGHZ 233, 339) fest. Mit den dort vorgebrachten Argumenten für eine Vorlage an den Gerichtshof hat sich der Senat in dem von der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil bereits umfassend auseinandergesetzt. Neue und bisher durch den Senat nicht berücksichtigte Aspekte bringt die Verfassungsbeschwerde nicht vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb vollumfänglich auf die Begründung des Senatsurteils vom (VIII ZR 287/20, aaO) Bezug genommen.
413. Es besteht auch keine Veranlassung, das Revisionsverfahren - der Anregung der Kläger folgend - entsprechend § 148 Abs. 1 ZPO bis zu einer Entscheidung über diese Verfassungsbeschwerde auszusetzen. Gründe für eine solche Aussetzung, die über deren - hierfür nicht genügende - bloße Zweckmäßigkeit hinausgehen (zum Ganzen ausführlich , juris Rn. 39 ff.; vom - VIII ZR 65/22, juris Rn. 39 ff.; jeweils mwN; vgl. auch bereits Senatsurteil vom - VIII ZR 4/82, NJW 1983, 2496 unter II 2 a; , NJW-RR 2019, 1212 Rn. 7 mwN), haben die Kläger weder vorgebracht noch sind diese im Übrigen ersichtlich.
424. In Anwendung der Grundsätze der Dreijahreslösung hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler einen Rückzahlungsanspruch der Kläger aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB betreffend den Arbeitspreis bezüglich des Zeitraums vom bis zum in Höhe von 544,39 € errechnet (siehe unter B I 2). Ein darüber hinausgehender Anspruch steht den Klägern für diesen Zeitraum nicht zu.
435. Soweit die Revision sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht den Rückzahlungsanspruch der Kläger betreffend den Arbeitspreis bezüglich des Zeitraums vom bis zum insoweit abgewiesen hat, als dieser einen Betrag von 222,62 € übersteigt, bleibt sie schließlich ebenfalls ohne Erfolg.
44Zwar kann - wie bereits ausgeführt - aufgrund der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts bislang nicht beurteilt werden, ob die Anpassung der unwirksamen Preisänderungsklausel zum Arbeitspreis ab dem wirksam war. Das Berufungsgericht ist im Rahmen seiner (als solche nicht zu beanstandenden) Berechnung aber bereits von dem für die Kläger günstigsten Fall ausgegangen, dass nicht nur die in § 8 Abs. 4 des Wärmelieferungsvertrags enthaltene (ursprüngliche) Preisanpassungsklausel zum Arbeitspreis, sondern auch die ab dem angepasste Klausel unwirksam sei, und hat deshalb für den hier in Rede stehenden Fernwärmebezugszeitraum vom bis zum den nach der Dreijahreslösung maßgeblichen "Ausgangspreis" von 0,0803 €/kWh (Arbeitspreis des Jahres 2014) und nicht die von der Beklagten in Rechnung gestellten höheren Arbeitspreise von 0,0921 €/kWh beziehungsweise 0,0915 €/kWh angesetzt. Ein höherer als der vom Berufungsgericht auf dieser Grundlage errechnete Rückzahlungsbetrag von 222,62 € steht den Klägern daher selbst in dem für sie günstigsten Fall aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht zu.
C.
45Nach alledem kann das Berufungsurteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang keinen Bestand haben; es ist daher insoweit auf die Revision der Beklagten aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
46Hinsichtlich der Frage, ob der Beklagten ein (geändertes) Preisanpassungsrecht nach Maßgabe ihres Schreibens vom und den Klägern andernfalls ein Rückzahlungsanspruch bezogen auf den ihnen von Mai 2019 bis einschließlich Dezember 2020 in Rechnung gestellten Arbeitspreis in Höhe von 222,62 € zusteht, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif und deshalb insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit dieses die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
47Betreffend das weitergehende Rückzahlungsbegehren der Kläger in Höhe von 117,56 € entscheidet der Senat in der Sache selbst, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf und die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt auf die Berufung der Beklagten insoweit zur Abweisung der Klage.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:150323UVIIIZR77.22.0
Fundstelle(n):
BAAAJ-37796