BGH Beschluss v. - 4 StR 274/22

Tateinheitliches Handeltreiben mit Betäubungsmittel

Gesetze: § 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29 Abs 1 S 1 Nr 3 BtMG, § 30a Abs 2 Nr 2 BtMG, § 52 Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 21 KLs 18/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen, wobei er in einem Fall Gegenstände mit sich führte, die zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sieben Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.

2Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall einer Einzelstrafe; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

31. Die Annahme rechtlich selbständiger Taten in den Fällen II.1. b) cc) und dd) der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sich die beiden Ausführungshandlungen teilweise überschneiden und die Taten deshalb im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) zueinander stehen.

4a) Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte am zehn Kilogramm Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf von einem Lieferanten, wovon er etwa fünf Kilogramm an unbekannte Abnehmer verkaufte (Tat II.1. b) cc)). Am erwarb er weitere fünf Kilogramm Marihuana zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs, von denen er etwa zwei Kilogramm an unbekannte Abnehmer veräußerte (Tat II.1. b) dd)). Am lagerte der Angeklagte eine Restmenge von insgesamt 4.927,39 Gramm aus der Lieferung vom verpackt in insgesamt siebzehn Teilmengen zwischen vier und 1.249 Gramm u.a. in der von ihm bewohnten Wohnung, wobei er diese Betäubungsmittel im Wohnzimmer sowie weitere Teilmengen in anderen Räumlichkeiten seiner Wohnung verwahrte. Zudem lagerte er die Restmenge aus der Tat vom von insgesamt 2.977,93 Gramm Marihuana – verpackt in sechs Einzelmengen von jeweils ca. 500 Gramm – in einer im Wohnzimmer aufgefundenen Sporttasche.

5b) Das Landgericht hat bei der Annahme von Tatmehrheit nicht berücksichtigt, dass mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, unabhängig vom Vorliegen einer Bewertungseinheit, zueinander dann in Tateinheit stehen, wenn sich ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen teilweise überschneiden (vgl. , NStZ 2020, 42, 43; Beschluss vom – 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712; Beschluss vom – 4 StR 315/98, NStZ-RR 1999, 119, 120). Da das Vorhalten einer Handelsmenge zum Vertrieb als Teilakt des Handeltreibens anzusehen ist, begründet der gleichzeitige Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte jedenfalls dann Tateinheit, wenn die Art und Weise der Besitzausübung wegen eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die andere darstellt (vgl. , juris Rn. 4; Beschluss vom – 3 StR 88/18, NStZ 2020, 42, 43; Urteil vom – 3 StR 642/14, juris Rn. 7). Bei der festgestellten Sachlage sind die Gesetzesverletzungen des Angeklagten durch dieselbe Handlung (§ 52 Abs. 1 StGB) begangen worden; es liegt somit nur eine Tat vor.

6c) Der Senat hat den Schuldspruch dementsprechend selbst geändert (§ 354 Abs. 1 StPO entsprechend). § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

7Zugleich war der Schuldspruch dahingehend zu berichtigen, dass der Zusatz „unerlaubt“ hinsichtlich sämtlicher abgeurteilter Delikte zu entfallen hatte, da Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz ausschließlich den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln betreffen (vgl. , NStZ 2022, 301 mwN). Zudem war die Tenorierung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG entsprechend der Beschlussformel neu zu fassen (vgl. , juris Rn. 2).

82. Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der vom Landgericht verhängten Einzelstrafe für die Tat II.1. b) dd) von einem Jahr und drei Monaten. Die Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sieben Monaten bleibt hiervon unberührt und kann bestehen bleiben. Mit Blick auf die Einsatzstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten sowie Anzahl und Höhe der weiteren Einzelstrafen (vier Mal jeweils ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe, zwei Mal je zwei Jahre Freiheitsstrafe und eine weitere Freiheitsstrafe von einem Jahr) kann der Senat ausschließen, dass die Strafkammer bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

93. Der geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten zu entlasten.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:190123B4STR274.22.0

Fundstelle(n):
YAAAJ-36893