BVerwG Beschluss v. - 5 PB 14/21

Mitbestimmung bei Gestellungsvertrag; Gesetzesauslegung anhand des gesetzgeberischen Willens

Gesetze: § 87 Abs 1 Nr 15 PersVG HA 2014

Instanzenzug: Hamburgisches Oberverwaltungsgericht Az: 8 Bf 353/18.PVL Beschlussvorgehend Az: 25 FL 26/15

Gründe

1Die auf die Feststellung des Bestehens eines Mitbestimmungsrechts des Antragstellers nach § 87 Abs. 1 Nr. 15 HmbPersVG beschränkte Beschwerde des Beteiligten hat keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ist nicht wegen der allein geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage zuzulassen, weil die Beschwerdebegründung den Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes (§ 99 Abs. 2 HmbPersVG i. V. m. § 92a Satz 2 und § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG) nicht gerecht wird.

2Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 99 Abs. 2 HmbPersVG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 2 und § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kommt einer Rechtsfrage nur zu, wenn mit ihr eine für die erstrebte Rechtsbeschwerdeentscheidung erhebliche Frage aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf. Die Rechtsfrage muss zudem klärungsfähig sein, was der Fall ist, wenn sie in der Rechtsbeschwerdeinstanz beantwortet werden kann. Nach § 99 Abs. 2 HmbPersVG i. V. m. § 92a Satz 2 i. V. m. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG muss die Begründung der auf den Zulassungsgrund des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG gestützten Nichtzulassungsbeschwerde die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten. Dieses Darlegungserfordernis setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerdeentscheidung erheblichen Rechtsfrage sowie die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besteht. Die Beschwerde muss substantiiert erläutern, dass und inwiefern die Rechtsbeschwerdeentscheidung zur Klärung einer bisher vom Bundesverwaltungsgericht nicht beantworteten, fallübergreifenden und entscheidungserheblichen Rechtsfrage führen kann. Die Begründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Beschlusses, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substantiiert auseinandersetzt. Es bedarf auch der substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen bereits ergangener einschlägiger Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Soweit sich die Vorinstanz mit der von der Beschwerde als grundsätzlich angesehenen Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen Durchdringung des Prozessstoffes die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die im Einzelfall für die erstrebte Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtlich Bedeutung haben können. In der Begründung ist auch substantiiert aufzuzeigen, aus welchen Gründen der Rechtsauffassung, die der aufgeworfenen Frage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung zugrunde liegt, zu folgen ist (stRspr, vgl. etwa 5 PB 10.20 - PersV 2021, 427 Rn. 3 m. w. N.). Daran fehlt es hier.

3Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass dem Antragsteller hinsichtlich des Abschlusses eines Arbeitnehmerüberlassungs- oder Gestellungsvertrages zwischen dem Beteiligten und der Universitären Herzzentrum Hamburg GmbH (UHZ), der eine namentlich bezeichnete Arbeitnehmerin betraf, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 15 HmbPersVG zustehe, wonach der Personalrat beim Abschluss von Arbeitnehmerüberlassungs- und Gestellungsverträgen mitzubestimmen hat. Der eindeutige Gesetzeswortlaut spreche für eine Mitbestimmungspflicht. Der Mitbestimmungstatbestand sei nicht mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte einschränkend auszulegen. In der Begründung des Gesetzentwurfs sei zwar ausgeführt, dass hiervon Gestellungen im Rahmen von gemeinsamen Berufungsvereinbarungen und wissenschaftlichen Kooperationen nicht erfasst würden (Bü-Drs. 20/10838 S. 64). Dies lasse aber lediglich die Sicht des Entwurfsverfassers erkennen. Sollte der Gesetzgeber dies gewollt haben, hätte er dies im Gesetz deutlich machen können.

4Mit Blick auf diese (allein entscheidungstragenden) Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts misst die Beschwerde der Frage

"Besteht ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 15 HmbPersVG auch bei Gestellungen im Rahmen von wissenschaftlichen Kooperationen?"

grundsätzliche Bedeutung zu. Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht geklärte Frage habe Bedeutung für eine Vielzahl von Dienststellen, die im Rahmen wissenschaftlicher Kooperationen Gestellungsverträge mit anderen Unternehmen vereinbarten. Die Wortlautauslegung könne den Begriff des Gestellungsvertrags nicht eindeutig klären, nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers sollten u. a. Gestellungen im Rahmen von wissenschaftlichen Kooperationen von § 87 Abs. 1 Nr. 15 HmbPersVG nicht erfasst werden. Nach Sinn und Zweck des Mitbestimmungstatbestandes habe bei der vertraglichen Gestaltung von Leiharbeit und Gestellungen ein Mitbestimmungsrecht begründet werden sollen, von dem allerdings wissenschaftliche Kooperationen ausgenommen seien. Der Gesetzgeber hätte dies zwar im Gesetz deutlich machen können. Dass er dies nicht getan habe, spreche aber nicht gegen einen entsprechenden gesetzgeberischen Willen. Das Weglassen einer eindeutigen Regelung im Gesetz werde im Rahmen der Auslegung nach dem gesetzgeberischen Willen nur in Fällen herangezogen, in denen der gesetzgeberische Wille erst zu ermitteln ist, weil er nicht - wie vorliegend durch die Mitteilung in der Gesetzesbegründung - klar zum Ausdruck gekommen sei.

5Das genügt den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht. Die Beschwerde setzt sich nicht mit der an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts anknüpfenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erfordernis des Niederschlagens von Äußerungen in der Gesetzesbegründung im Wortlaut des Gesetzes (vgl. etwa 5 C 2.18 - BVerwGE 165, 235 Rn. 29) auseinander, auf die sich das Oberverwaltungsgericht der Sache nach gestützt hat. Danach können Gesetzesmaterialien bei der Auslegung von Normen nur unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden, als sie auf einen "objektiven" Gesetzesinhalt schließen lassen. Der sogenannte Wille des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation nur insoweit berücksichtigt werden, als er auch im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Die Materialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen (vgl. 2 BvE 1, 2, 3, 4/83 - BVerfGE 62, 1 <45> m. w. N.). Erkenntnisse zum Willen des Gesetzgebers können sich dann nicht gegenüber widerstreitenden gewichtigen Befunden durchsetzen, die aus der Anwendung der anderen Auslegungskriterien gewonnen werden (vgl. 5 C 9.12 - BVerwGE 146, 89 Rn. 16).

6Die Beschwerde erläutert nicht, inwiefern sich der von ihr angenommene gesetzgeberische Wille bezüglich der Nichterfassung wissenschaftlicher Kooperationen trotz des von ihr nicht in Zweifel gezogenen Wortlautverständnisses des Oberverwaltungsgerichts im Gesetz selbst wiederfindet, oder weshalb hierauf verzichtet werden kann. Die nicht näher begründete und unbelegte Behauptung, das Weglassen einer eindeutigen Regelung im Gesetz werde im Rahmen der Auslegung nach dem gesetzgeberischen Willen nur in Fällen herangezogen, in denen dieser erst zu ermitteln sei, weil er nicht - wie vorliegend durch die Gesetzesbegründung - klar zum Ausdruck gekommen sei, reicht insoweit nicht aus. Hinsichtlich des von der Beschwerde thematisierten Sinns und Zwecks der Regelung des § 87 Abs. 1 Nr. 15 HmbPersVG ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (Bü-Drs. 20/10838 S. 64) nur, dass bei der vertraglichen Gestaltung von Leiharbeit und Gestellung ein Mitbestimmungsrecht bestehen soll. Der in der Gesetzesbegründung nachfolgende Satz, von der Regelung seien Gestellungen im Rahmen von gemeinsamen Berufungsvereinbarungen und wissenschaftlichen Kooperationen nicht erfasst, betrifft den sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift, nicht aber ihren Sinn und Zweck.

7Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht aufgrund der weiteren aufgeworfenen Frage,

ob es für eine wissenschaftliche Kooperation im Sinne der Entwurfsbegründung zu § 87 Abs. 1 Nr. 15 HmbPersVG (BüDrs. [...]20/10838 S. 64) erforderlich ist, dass über die wissenschaftliche Tätigkeit einer Mitarbeiterin in einer Forschungseinrichtung eines anderen Arbeitgebers hinaus eine Zusammenarbeit verschiedener Forschungseinrichtungen unterschiedlicher Arbeitgeber zum Zwecke des wissenschaftlichen Austausches oder gemeinsamer wissenschaftlicher Arbeit stattfindet,

zuzulassen. Denn eine Rechtsfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt oder auf die diese nicht entscheidend abgehoben hat, kann regelmäßig und so auch hier mangels Klärungsfähigkeit nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Folge haben (vgl. zur Revisionszulassung 5 BN 2.21 -). Eine Ausnahme hiervon greift nicht ein, weil die Beschwerde jedenfalls nicht schlüssig darlegt, dass sich die Frage in einem Rechtsbeschwerdeverfahren entscheidungserheblich stellen wird.

8Das Oberverwaltungsgericht hat seine Entscheidung - wie bereits erwähnt - allein darauf gestützt, dass § 87 Abs. 1 Nr. 15 HmbPersVG ohne Einschränkungen Gestellungen und Arbeitnehmerüberlassungen der Mitbestimmung unterwerfe. Die von der Beschwerde aufgeworfene weitere Frage betrifft daher keine tragende Begründung, sondern nur die hilfsweise Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, dass der Beteiligte das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers aus § 87 Abs. 1 Nr. 15 HmbPersVG auch dann verletzt habe, wenn der Mitbestimmungstatbestand - wie vom Beteiligten vertreten - einschränkend auszulegen sei und Gestellungen im Rahmen von wissenschaftlichen Kooperationen nicht erfasse. Diese soll nur dann zum Tragen kommen, wenn die Hauptbegründung, dass für wissenschaftliche Kooperationen schon keine Ausnahme vom Mitbestimmungstatbestand zu machen ist, einer rechtlichen Überprüfung nicht standhielte. Deshalb handelt es sich bei der Hilfserwägung nicht um eine neben der Hauptbegründung stehende, die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts selbstständig tragende Begründung. Dies ergibt sich eindeutig aus der die betreffenden Ausführungen einleitenden Formulierung "Selbst wenn man annimmt ..." sowie der nachfolgenden Verwendung des Konjunktivs ("wäre eine Einschränkung des Mitbestimmungstatbestands als Ausnahme ihrerseits eng auszulegen", "was ... dazu führen würde, dass die ... Gestellung ... nicht der Ausnahme einer Mitbestimmungslosigkeit ... unterfiele", "Auch wenn der Begriff 'Gestellung' einschränkend zu verstehen sein sollte, wäre eine entsprechende Auslegung ... eng vorzunehmen"). Allein in diesem Zusammenhang hat das Oberverwaltungsgerichts ausgeführt, dass man unter wissenschaftlichen Kooperationen "[...] eher die Zusammenarbeit verschiedener Forschungseinrichtungen zum Zwecke des wissenschaftlichen Austausches oder gemeinsamer wissenschaftlicher Arbeit verstehen können [wird]". Die von der Beschwerde gestellte Frage knüpft damit an einer Rechtsauffassung an, die der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts nicht zugrunde liegt, und sie zeigt nicht auf, dass sie gleichwohl im Rechtsbeschwerdeverfahren entscheidungserheblich sein könnte.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:200622B5PB14.21.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-34965