Werkvertragsrecht: Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs bei Darlegung und Nachweis einer Auftragserteilung
Gesetze: § 631 BGB, Art 103 Abs 1 GG, § 14 VOB B, § 15 VOB B, § 544 Abs 9 ZPO
Instanzenzug: Az: 9 U 2969/21 Bauvorgehend LG München I Az: 18 O 17463/19
Gründe
I.
1Die Klägerin macht Vergütungsansprüche in Höhe von 28.114,77 € für Malerarbeiten im Rahmen eines Bauvorhabens geltend, das aus 15 Reihenhäusern bestand.
2Die Klägerin hat über ihre Leistungen mehrere Rechnungen erstellt, die sie in einer Schlussrechnung vom zusammengefasst hat. In der Schlussrechnung listet sie die Stunden auf, die sie für die einzelnen Arbeiten an unterschiedlichen Häusern behauptet aufgewendet zu haben. Der abgerechnete Stundensatz beträgt jeweils 38 € netto. Auf dieser Grundlage gelangt die Klägerin zu einer Schlussrechnungssumme von 40.899,11 €, von der sie 12.784,34 € abzieht, die die Beklagte auf die erste Rechnung vom bezahlte.
3Die Klägerin trägt vor, die Auftragserteilungen seien teilweise durch den Geschäftsführer der Beklagten und teilweise durch deren Bauleiter, den als Zeugen benannten Herrn N. , erfolgt. Die in Rechnung gestellten Arbeiten seien geleistet, die Stundensätze seien vereinbart worden, hilfsweise üblich und angemessen. Die Abnahme der Leistungen sei konkludent durch Bezug der Häuser erfolgt.
4Das Landgericht hat ohne Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Die dagegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht mit Beschluss vom nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie ihren Klageantrag weiterverfolgt.
II.
5Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
61. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
7Eine Auftragserteilung über die von der Beklagtenseite ursprünglich unstreitig beauftragten Leistungen hinaus, die Gegenstand der Rechnung vom sind, habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt. Die Klägerin hätte konkretisieren müssen, welche der in Rechnungen gestellten Aufträge der Geschäftsführer der Beklagten direkt beauftragt habe und welche Leistungen der Bauleiter N. beauftragt haben solle. Das sei nicht erfolgt. Eine Duldungsvollmacht des Bauleiters N. sei von der Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt worden.
8Unabhängig davon, ob die Auftragserteilung durch den Bauleiter oder durch den Geschäftsführer der Klägerin wirksam erfolgt sei, habe die Klägerin trotz gerichtlicher Hinweise nicht nachvollziehbar und substantiiert die von ihr geleisteten Arbeiten dargelegt. Zwar sei es ohne Vorlage von Regiezetteln grundsätzlich möglich, im Gerichtsverfahren unter Zeugenbeweis die Ausführungen von Arbeiten darzulegen und nachzuweisen. In diesem Fall sei es aber erforderlich, genau darzulegen, wer welche Arbeiten und wann ausgeführt habe. Die Klägerin lege jedoch lediglich eine pauschale Aufstellung der behaupteten ausgeführten Leistungen vor. Sie nenne nicht den Namen der jeweiligen Person, die die Arbeiten konkret ausgeführt habe, sondern verweise in ihrem schriftsätzlichen Vortrag lediglich darauf, dass zwei Personen auch unter Mitwirkung der Klägerin als dritter Person anwesend gewesen seien. Dies reiche schon nicht als Vortrag, geschweige denn als Nachweis für die Ausführung der Arbeiten aus. Sowohl die Einholung eines Sachverständigengutachtens als auch die Erhebung eines Zeugenbeweises würde vor diesem Hintergrund einen Ausforschungsbeweis darstellen. Soweit die Klägerin in zweiter Instanz erstmals eine Aufstellung der beiden Mitarbeiter vorgelegt habe, die die Malerarbeiten ausgeführt haben sollen, sei dieses Angriffsmittel nicht zuzulassen. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, weshalb sie diese Unterlage in erster Instanz nicht habe vorlegen können.
92. Mit diesen Begründungen einerseits zum Anspruchsgrund und andererseits zur Anspruchshöhe verletzt das Berufungsgericht - wie die Klägerin zu Recht rügt - in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.
10a) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe eine Auftragserteilung für sämtliche von ihr durchgeführten Malerarbeiten nicht hinreichend vorgetragen und unter Beweis gestellt, verkennt den wesentlichen Kern des Vorbringens der Klägerin.
11aa) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist danach unter anderem verpflichtet, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht ( Rn. 17, BauR 2020, 1679 = NZBau 2020, 573).
12bb) Nach diesen Maßstäben ist der Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts gehörswidrig ergangen.
13Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich vorgetragen, den ersten, mit der Rechnung vom abgerechneten Auftrag, im Mai 2016 erhalten zu haben. Ab dem seien dann zusätzliche Malerarbeiten je nach Baufortschritt beauftragt worden. Mit Schriftsatz vom hat die Klägerin wörtlich vorgetragen:
"Es waren entweder der Bauleiter oder der Geschäftsführer oder beide Personen gleichzeitig auf der Baustelle anwesend und haben der Klägerin eine Vielzahl kleinerer Arbeiten mündlich aufgetragen.
…
Der Geschäftsführer der L. GmbH als Bauherr hat, was der Zeuge N. bestätigen kann, Kenntnis genommen von den Arbeiten, die die Klägerin durchführte. Er ist unter anderem auch allein mit der Klägerin auf der Baustelle umhergewandert und hat ihr weitere Aufträge erteilt, insbesondere zu Ausbesserungsarbeiten usw."
14Diesen Vortrag erster Instanz hat die Klägerin durch Zeugnis des Bauleiters N. unter Beweis gestellt. Sie hat zudem durch das Zeugnis des Herrn N. unter Beweis gestellt, dass die Beklagte laufend Kenntnis von den Vorgängen auf der Baustelle gehabt habe.
15Dieser Vortrag der Klägerin ist in seinem Kern dahingehend zu verstehen, worauf die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht hinweist, dass der Bauleiter N. der Beklagten bevollmächtigt gewesen ist, sämtliche Arbeiten an der Baustelle nach jeweiligem Baufortschritt zu beauftragen. Des Weiteren liegt in dem Vortrag, der Geschäftsführer der Beklagten sei über alle Maßnahmen zeitnah unterrichtet worden, die Behauptung einer (konkludenten) Genehmigung eines gegebenenfalls vollmachtlosen Handelns des Bauleiters.
16b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Höhe der Vergütung beruhen ebenfalls auf der Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, weil das Berufungsgericht überspannte Substantiierungsanforderungen gestellt hat.
17aa) Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt daher vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben ( Rn. 18, BauR 2022, 1812 = NZBau 2023, 17).
18Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Sachvortrag bereits dann schlüssig, wenn der Anspruchssteller Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden erscheinen zu lassen ( Rn. 19, BauR 2022, 1812 = NZBau 2023, 17).
19bb) Nach diesen Maßstäben hat das Berufungsgericht die Substantiierungsanforderungen an den Vortrag zur Höhe für einen auf einer Stundenlohnvereinbarung beruhenden Vergütungsanspruch offenkundig überspannt und rechtsfehlerhaft die angebotenen Beweise nicht erhoben.
20Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Unternehmer zur schlüssigen Begründung eines nach Zeitaufwand zu bemessenden Vergütungsanspruchs im Ausgangspunkt nur darlegen und gegebenenfalls beweisen, wie viele Stunden für die Erbringung der Vertragsleistungen mit welchen Stundensätzen angefallen sind. Demgegenüber setzt die schlüssige Abrechnung eines Stundenlohnvertrags grundsätzlich keine Differenzierung in der Art voraus, dass die abgerechneten Arbeitsstunden einzelnen Tätigkeiten zugeordnet und/oder nach zeitlichen Abschnitten aufgeschlüsselt werden. Solch eine Zuordnung mag sinnvoll sein. Zur nachprüfbaren Darlegung des vergütungspflichtigen Zeitaufwands erforderlich ist sie nicht, weil seine Bemessung und damit die im Vergütungsprozess erstrebte Rechtsfolge nicht davon abhängt, wann der Unternehmer welche Tätigkeit ausgeführt hat. Sie muss deshalb vom Unternehmer nur in den Fällen vorgenommen werden, in denen die Vertragsparteien eine dementsprechend detaillierte Abrechnung rechtsgeschäftlich vereinbart haben ( Rn. 33 f., BGHZ 180, 235). Auf dieser Grundlage ist es Sache des Bestellers, eine Begrenzung der Stundenlohnvergütung dadurch zu bewirken, dass er Tatsachen vorträgt, aus denen sich die Unwirtschaftlichkeit der Betriebsführung des Unternehmers ergibt ( Rn. 36, BGHZ 180, 235).
21Unter Anwendung dieses Maßstabs ist der Vortrag der Klägerin zur Anspruchshöhe schlüssig. Die Klägerin hat dargelegt, dass sie für insgesamt 15 Häuser Malerarbeiten ausgeführt hat, und zwar bei den Häusern Nr. 1-6 und Nr. 15 sowohl für den Innen- als auch für den Außenbereich, bei den Häusern 7-14 lediglich für den Außenbereich. Die Klägerin hat des Weiteren dargelegt, wie viele Stunden auf welche Gewerke angefallen sind. Soweit in Frage steht, ob es sich bei den abgerechneten Stunden um Nachbesserungsarbeiten handelt, obliegt es der Beklagten, diese Umstände darzulegen.
223. Auf den Verletzungen des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör beruht der angefochtene Beschluss. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei gebotener Berücksichtigung der aufgezeigten Gesichtspunkte zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre.
234. Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht hat.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:010223BVIIZR882.21.0
Fundstelle(n):
NJW 2023 S. 8 Nr. 13
TAAAJ-34945