BGH Beschluss v. - 6 StR 516/22

Anforderungen an Beweiswürdigung beim Wiedererkennen eines Angeklagten

Gesetze: § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: Az: 16 KLs 23/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen räuberischer Erpressung, Diebstahls sowie Körperverletzung unter Einbeziehung anderweitig erkannter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es Einziehungsentscheidungen getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Verurteilung wegen räuberischer Erpressung im Fall II.1 hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft.

3Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich darauf gestützt, dass die Nebenklägerin ihn bei einer Wahllichtbildvorlage und erneut in der Hauptverhandlung wiedererkannt hat. Den hieraus folgenden besonderen Darlegungsanforderungen (vgl. , NStZ-RR 2017, 90 f.) ist es nicht gerecht geworden.

4Den Urteilsgründen kann schon nicht entnommen werden, aufgrund welcher konkreten äußeren Merkmale die Nebenklägerin den Angeklagten als einen der Täter erkannt hat (vgl. zu diesem Erfordernis BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 439/08, NStZ 2009, 283; vom – 4 StR 412/15, StV 2018, 791). Hierzu bestand umso mehr Veranlassung, als die Strafkammer ausgeführt hat, dass bei Betrachtung der nach Angaben der Nebenklägerin gefertigten Phantombilder optische Abweichungen zum Angeklagten aufgefallen seien und es kleinere Unstimmigkeiten bei der Zuordnung der Beschreibungsmerkmale gegeben habe.

5Zudem ist zu besorgen, dass die Strafkammer der subjektiven Gewissheit der Nebenklägerin beim Wiedererkennen („sehr eindeutig“, „mit großer Überzeugung“, „keinerlei Zweifel“) ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Konnte ein Zeuge eine ihm vorher unbekannte Person nur kurze Zeit beobachten, darf sich das Tatgericht nicht ohne Weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen beim Wiedererkennen verlassen, sondern muss aufgrund objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat, und dies in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 480/16; vom – 2 StR 11/21, StV 2021, 792). Daran fehlt es.

6Darüber hinaus wird nicht erörtert, warum der Nebenklägerin ein Wiedererkennen des Angeklagten in der Hauptverhandlung möglich war, obwohl dieser eine Mund-Nasen-Bedeckung trug und seit dem Geschehen mehr als fünf Jahre vergangen sind. Diesbezüglich wird zudem nicht deutlich, ob sich die Strafkammer des geringeren Beweiswerts des wiederholten Erkennens in der Hauptverhandlung bewusst war (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 472/16, aaO; vom – 4 StR 468/17).

72. Der Senat vermag ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler nicht auszuschließen. Der Wegfall der für diesen Tatvorwurf verhängten Strafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Auch die angeordnete Einziehung des Wertes des Erlangten kann nicht bestehen bleiben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:080223B6STR516.22.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-34149