Instanzenzug: OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 14 U 205/20vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 9 O 1518/20
Tatbestand
1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2Die Klägerin erwarb im Jahr 2011 bei einem Händler einen Neuwagen des Typs VW Golf Comfortline 1,6 l TDI zum Preis von 29.539,27 € brutto. Die Beklagte ist die Herstellerin des Fahrzeugs und des darin verbauten Dieselmotors der Baureihe EA 189. Dieser verfügte über eine Motorsteuerungssoftware, die die Durchführung einer Emissionsmessung auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte.
3Die Klägerin hat in erster Instanz - soweit hier noch von Bedeutung - zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 15.065,03 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu verurteilen und den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen. Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der Hauptforderung weit überwiegend stattgegeben und den Annahmeverzug festgestellt. Auf die Berufung der Beklagten, die die Einrede der Verjährung erhoben hat, hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen die Verurteilung der Beklagten auf 14.500,24 € nebst Prozesszinsen und weiterer Zinsen aus einem geringfügig höheren Betrag Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs reduziert. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte nach den zuletzt gestellten Anträgen auf ihre Berufung die weitere Abweisung der Klage erreichen, soweit sie zur Zahlung von mehr als 11.416,31 €, also von mehr als 29.539,27 € abzüglich einer Händlermarge von 2.953,93 €, der Zulassungskosten von 130 € (brutto) und eines Nutzungsvorteils von zumindest 15.039,03 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verurteilt und soweit festgestellt worden ist, dass sie sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs im Annahmeverzug befinde.
Gründe
4Die Revision ist, nachdem die Beklagte das Rechtsmittel durch eine Beschränkung ihres Revisionsangriffs nach Einreichung der Revisionsbegründung in der Sache teilweise zurückgenommen hat (vgl. VIa ZR 601/21, NJW 2022, 2752 Rn. 5), im Umfang des reduzierten Revisionsangriffs überwiegend begründet.
I.
5Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt, die Beklagte habe gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des Erlangten, der der Höhe nach durch den verjährten Schadensersatzanspruch nach §§ 826, 31 BGB begrenzt sei. Da hier der von der Beklagten erlangte Betrag in Höhe von 26.585,34 € (Bruttokaufpreis 29.539,27 € abzüglich einer Händlermarge in Höhe von 10%, somit 2.953,93 €) den verjährten Schadensersatzanspruch in Höhe von 14.500,24 € (Bruttokaufpreis 29.539,27 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung von 15.039,03 €) übersteige, sei der Anspruch in Höhe von 14.500,24 € nebst Rechtshängigkeitszinsen gegeben. Der Berufungsangriff gegen die Feststellung des Annahmeverzugs sei unbegründet.
II.
6Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Dabei ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe dem Grunde nach ein Restschadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 852 Satz 1 BGB gegen die Beklagte zu, aufgrund des zuletzt wirksam auf die Höhe des Anspruchs beschränkten Revisionsangriffs (vgl. , NJW 2022, 2685 Rn. 8) einer Überprüfung entzogen.
7Bei der Bemessung der Höhe des Anspruchs aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB hat das Berufungsgericht noch rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht mehr beanstandet angenommen, die Klägerin könne von der Beklagten Herausgabe des erlangten Händlereinkaufspreises Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs verlangen. Dass die Beklagte in den Vorinstanzen geltend gemacht habe, der von der Klägerin entrichtete Kaufpreis habe an die Beklagte nicht weitergeleitete Zulassungskosten enthalten, die bei der Ermittlung des Händlereinkaufpreises abzuziehen seien, hat die Revision, die lediglich auf eine bei den Akten befindliche Rechnung verweist, nicht fristgerecht mit einer auf einen revisionsrechtlich relevanten Verstoß gegen § 286 ZPO gestützten Verfahrensrüge geltend gemacht.
8Rechtsfehlerhaft hat es das Berufungsgericht jedoch - was der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat ( VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16) - unterlassen, auch die von ihm nach § 287 ZPO bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz auf 15.039,03 € geschätzten Nutzungsvorteile abzuziehen, die es lediglich bei der von ihm angestellten Vergleichsbetrachtung berücksichtigt hat.
III.
9Das Berufungsurteil unterliegt mithin in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang, der im Wesentlichen dem verbliebenen Revisionsangriff entspricht, der Aufhebung (§ 562 ZPO), da es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO).
10Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden und auf die Berufung der Beklagten deren Verurteilung weiter reduzieren, weil die Aufhebung des Berufungsurteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und danach die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Nach Abzug der vom Berufungsgericht unangegriffen bis zum Eintritt der Rechtshängigkeit auf 14.474,24 € und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz auf 15.039,03 € geschätzten Nutzungsvorteile verbleibt ein Restschadensersatzanspruch der Klägerin in Höhe von zuletzt noch 11.546,31 €, der nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verzinsen ist. Gegen die Zinsberechnung des Berufungsgerichts, die auf einem zwischen der Rechtshängigkeit der Klage und dem Schluss der mündlichen Verhandlung unveränderten Basiszinssatz beruht und einen Mittelwert zwischen dem bei Rechtshängigkeit und dem bei Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz geschuldeten Betrag zum Ausgangspunkt hat, erhebt die Revision keine Einwände.
11Die Feststellung des Annahmeverzugs hat auf die Revision der Beklagten keinen Bestand, weil das Angebot der Klägerin bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz auf eine unberechtigte Bedingung, die Zahlung eines die Schadensersatzpflicht der Beklagten deutlich übersteigenden Betrags, gerichtet war (vgl. VIa ZR 8/21, BGHZ 233, 16 Rn. 102).
Der Tenor des Senatsurteils vom wird aufgrund eines offensichtlichen Schreibversehens gemäß § 319 ZPO dahin berichtigt, dass es im zweiten Absatz der Entscheidungsformel statt
"vom "
richtig lautet:
"vom ".
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:311022UVIAZR209.21.0
Fundstelle(n):
JAAAJ-31655