Online-Nachricht - Montag, 16.01.2023

Bewertung | Marktanpassungsabschlag bei der Bewertung eines Miteigentumsanteils (FG)

Bei der Bewertung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück für Erbschaftsteuerzwecke ist vom anteiligen Verkehrswert des Grundstücks ein Marktanpassungsabschlag vorzunehmen, der die niedrigere Verkehrsfähigkeit eines Miteigentumsanteils abbildet (; Revision zugelassen).

Sachverhalt: Der Kläger erwarb im Wege eines Vermächtnisses einen hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück. Aus einem vom Kläger auf den Bewertungsstichtag eingeholten Wertgutachten des Gutachterausschusses für Grundstückswerte ergibt sich ein Verkehrswert für das gesamte Grundstück von 150.000 € (Bodenwert abzüglich Abrisskosten) und ein Verkehrswert für den hälftigen Miteigentumsanteil von 60.000 €. Im Gutachten wird ausgeführt, dass vom hälftigen Verkehrswert im Wege der Marktanpassung ein Abschlag vorzunehmen sei, weil der Erwerb eines Miteigentumsanteils für Dritte mit erheblichen Risiken verbunden sei. Diesen Abschlag bezifferte der Gutachterausschuss wegen Erfahrungen aus Zwangsversteigerungsverfahren und Beleihungswertgrenzen von Banken mit etwa 20 %.

Das Finanzamt erkannte den Abschlag nicht an und stellte den Grundbesitzwert für den Miteigentumsanteil auf 75.000 € fest, da die Marktgängigkeit eines Miteigentumsanteils bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen sei.

Der hiergegen erhobenen Klage hat das FG vollumfänglich stattgegeben und den durch Vermächtnis erworbenen Miteigentumsanteil für Erbschaftsteuerzwecke mit 60.000 € bewertet:

  • Der Kläger hat den Nachweis gem. § 198 Satz 1 BewG erbracht, dass der gemeine Wert des Miteigentumsanteils niedriger ist als der nach §§ 182 ff. BewG ermittelte (Bedarfs-)Wert.

  • Das Gesetz beschränkt sich nicht auf den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Volleigentums, sondern lässt auch eine Bewertung unterhalb des rechnerischen Bruchteils des Werts des Volleigentums zu. Dies ergibt sich zunächst aus dem Wortlaut, der auf den gemeinen Wert der zu bewertenden wirtschaftlichen Einheit - im Streitfall also den Miteigentumsanteil - abstellt. Auch nach Sinn und Zweck des § 198 Satz 1 BewG sollen sämtliche wertbeeinflussenden Umstände geltend gemacht werden können.

  • Das vom Kläger eingereichte Sachverständigengutachten ist auch geeignet, den niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen. Es entspricht den Vorgaben der ImmoWertVO und ist im Ergebnis plausibel, was hinsichtlich der Ermittlung des Werts des Volleigentums zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist.

  • Die modifizierte rechnerische Ableitung des gemeinen Werts des Miteigentumsanteils ist ebenfalls plausibel und nachvollziehbar. Die Berücksichtigung eines Marktanpassungsabschlags entspricht den Vorgaben des § 7 Abs. 2 der ImmoWertVO. Für die spezielle Bewertung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück liegen keine spezifischen Daten vor, sodass ein marktüblicher Abschlag zu schätzen ist.

  • Der Senat ist der Begründung des Gutachterausschusses in Bezug auf die Bewertung von Grundstücken im Zwangsversteigerungsverfahren und auf die Beleihungswertgrenzen von Banken zwar nicht gefolgt, weil nicht erkennbar ist, dass sich hieraus Rückschlüsse auf den Verkehrswert ziehen lassen. Allerdings ist die weitere Begründung, dass der Erwerb eines Miteigentumsanteils für Dritte mit erheblichen Risiken verbunden ist und deshalb zu einem geringeren Verkehrswert führt, in der Sache nachvollziehbar. Schon der Umstand, dass die Verwaltung eines gemeinschaftlichen Gegenstands grundsätzlich allen Beteiligten einer Bruchteilsgemeinschaft gemeinschaftlich zusteht, erfordert einen hohen Abstimmungsbedarf und birgt damit einhergehend ein erhebliches Streitrisiko. Im Streitfall kommt hinzu, dass die vorhandene Bausubstanz wirtschaftlich wertlos gewesen ist. Eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung durch Abriss und Neubau hängen maßgeblich von der Mitwirkung der anderen Miteigentümer ab. Die Höhe des Abschlags von 20 % ist nachvollziehbar, weil der Gutachterausschuss einschlägige Fachliteratur hierzu ausgewertet hat.

Hinweis:

Der Senat hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: FG Münster, Newsletter Januar 2023 (RD)

Fundstelle(n):
HAAAJ-31138