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PiR Nr. 1 vom Seite 4

Aktuelle Herausforderungen der Bilanzierung in Hochinflationsländern nach IFRS

IAS 29 für Unternehmen und Konzerne mit türkischer Lira als funktionale Währung

WP Prof. Dr. Peter Dittmar und WP Dr. Benedikt Brüggemann

IAS 29 Rechnungslegung in Hochinflationsländern umfasst Regelungen zur Anpassung von Jahres- und Konzernabschlüssen von Unternehmen, deren funktionale Währung die eines Hochinflationslandes ist. IAS 29 ist erstmals mit Beginn derjenigen Berichtsperiode anzuwenden, in der das entsprechende Land als Hochinflationsland eingestuft wurde. Eine solche Einstufung wird in der Praxis häufig auf Basis der Berechnungen der International Practices Task Force (IPTF) der amerikanischen Börsenaufsicht SEC vorgenommen. Im Mai 2022 hat die IPTF erstmals die Türkei auf seine Liste der Länder mit Hochinflation gesetzt. Worauf die gesetzlichen Vertreter der bilanzierenden Unternehmen, deren funktionale Währung die türkische Lira ist, und vor allem der Konzerne mit türkischen Tochterunternehmen in der aktuellen Abschlusssaison bei der Bilanzierung nach IFRS zu achten haben, soll der vorliegende Beitrag zeigen.

Lüdenbach/Freiberg, Bilanzrechtliche Fragen der Kaufkraftbereinigung bei Hochinflation im IFRS-Abschluss, BB 2022 S. 1833-1837

Kernaussagen
  • Bei Anwendung der üblichen Bilanzierungsregeln: Geringe Aussagekraft von Konzernabschlüssen, die Tochterunternehmen mit funktionaler Währung eines Hochinflationslandes einbeziehen.

  • IAS 29 sieht für Hochinflationsländer daher eine Pflicht zur Inflationsbereinigung vor.

  • Für deutsche Konzerne ist IAS 29 aktuell vor allem für die Konsolidierung türkischer Tochterunternehmen relevant.

I. Einleitung

[i]Lüdenbach/Freiberg, Bilanzrechtliche Fragen der Kaufkraftbereinigung bei Hochinflation im IFRS-Abschluss, BB 2022 S. 1833-1837 In einer hochinflationären Volkswirtschaft verliert die Landeswährung so stark an Kaufkraft, dass zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführte Geschäftsvorfälle bereits innerhalb einer Berichtsperiode betragsmäßig kaum verglichen werden können. Ein Vergleich von Geschäftsvorfällen über mehrere Perioden hinweg fällt noch schwerer. Die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der in hochinflationärer lokaler Währung bilanzierenden Unternehmen wäre bei Anwendung der üblichen Bilanzierungsregeln bestenfalls stark verzerrt und schlimmstenfalls gänzlich ohne Aussagekraft. Der IASB hat diese Problematik früh erkannt und als Antwort darauf bereits im Juli 1989 in IAS 29 Rechnungslegung in Hochinflationsländern (IAS 29) für die Bilanzierung nach IFRS eine Pflicht zur Inflationsbereinigung eingeführt. Diese Inflationsbereinigung ist mit Beginn derjenigen Berichtsperiode durchzuführen, in der das entsprechende Land als Hochinflationsland eingestuft wurde. Für eine solche Inflationsbereinigung sind die Jahres- und Konzernabschlüsse von Unternehmen in Hochinflationsländern nach IAS 29.8 mit am Bilanzstichtag geltenden Maßeinheiten auszudrücken. Konkret sind dazu etwa die nicht-monetären Posten der Bilanz, z. B. die immaterielle Vermögenswerte, Sachanlagen und Vorräte, und die Posten der Gesamtergebnisrechnung mit Hilfe eines allgemeinen Preisindex auf die am Bilanzstichtag geltende Kaufkraft umzurechnen (restatement approach). Werden Tochterunternehmen aus Hochinflationsländern in einen KonzernS. 5abschluss einbezogen, hat diese Umrechnung vor Einbezug in den Konzernabschluss zu erfolgen.

Die International Practices Task Force (IPTF) der amerikanischen Börsenaufsicht SEC hat die Türkei im Mai 2022 erstmals auf seine Liste der Länder mit Hochinflation gesetzt. Die gesetzlichen Vertreter bilanzierender Unternehmen, deren funktionale Währung die türkische Lira ist, und die gesetzlichen Vertreter von Konzernen mit türkischen Tochterunternehmen haben daher in der aktuellen Abschlusssaison erstmals die Anforderungen in IAS 29 zu beachten. Der vorliegende Beitrag soll den gesetzlichen Vertretern dieser Unternehmen und Konzernen eine Hilfestellung geben, die in der Praxis für gewöhnlich mit IAS 29 verbundenen Zweifelsfragen sachgerecht zu beantworten. Dazu wird zunächst allgemein dargestellt, wie die gesetzlichen Vertreter nach IAS 29 Länder mit Hochinflation identifizieren können. Daran anschließend wird konkret erläutert, wie bilanzierende Unternehmen, deren funktionale Währung die eines Hochinflationslandes ist, ihren Jahresabschluss anpassen müssen. Danach werden ausgewählte Regelungen in IAS 29 zur Konzernbilanzierung diskutiert. Im Mittelpunkt steht hier die konkrete bilanzielle Behandlung von Tochterunternehmen und die von den gesetzlichen Vertretern auszuübenden Wahlrechte.

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