Online-Nachricht - Dienstag, 03.01.2023

Verfahrensrecht | Zugangsvermutung bei regelmäßig zustellungsfreien Tagen innerhalb der Drei-Tages-Frist (FG)

Die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO entfällt, wenn innerhalb der dort genannten 3-Tages-Frist an einem Werktag regelmäßig keine Postzustellung stattfindet (; Revision anhängig, BFH-Az. VI R 18/22).

Hintergrund: Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, als bekannt gegeben bei einer Übermittlung im Inland am dritten Tage nach der Aufgabe zur Post, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

Sachverhalt: Der Beklagte erließ aufgrund der durch die Klägerin erstellten Einkommensteuererklärung einen Einkommensteuerbescheid für 2017 am Freitag, dem und übersandte ihn unmittelbar an die Klägerin. Diese war vom bis (Tag der Rückkehr) beruflich von ihrer Wohnung abwesend. Die Klägerin übersandte den Steuerbescheid am per Telefax an eine Steuerberatungsgesellschaft. Der Bevollmächtigte legte am namens der Klägerin Einspruch ein und gab an, dass der Bescheid am eingegangen sei. Der Beklagte verwarf den Einspruch als unzulässig, da die Zugangsvermutung innerhalb der 3-Tages-Frist des am im Wege des Zentralversands übergebenen Bescheides durch den Vortrag der Klägerin nicht erschüttert werde und die Einspruchsfrist daher am abgelaufen sei.

Das FG Berlin-Brandenburg folgte dem nicht und gab der Klage statt:

  • Die Zugangsvermutung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO ist nicht anzuwenden, weil die Zeugenvernehmung ergeben hat, dass an der Wohnung der Klägerin innerhalb der 3-Tages-Frist nach dem regelmäßig nicht an allen Werktagen vom Postdienstleistungsunternehmen X Post zugestellt worden ist.

  • Zwar findet die Zugangsvermutung auch Anwendung, wenn - z.B. wegen mehrerer arbeitsfreier Tage oder Personalausfall - innerhalb der 3-Tages-Frist an zwei Tagen keine Zustellung stattfindet (z.B. wird bei Aufgabe zur Post am Freitag, dem 30.4. trotz des Feiertags am 1.5. der Zugang am Montag, dem 3.5. grundsätzlich vermutet). Insoweit handelt es sich jedoch um Sonderkonstellationen, die die grundsätzliche Anwendung der Zugangsvermutung nicht in Frage stellen.

  • Anders ist dies jedoch, wenn innerhalb der 3-Tages-Frist planmäßig an zwei aufeinanderfolgenden Tagen keine Zustellung erfolgt.

Hinweis:

Das FG hat die Revision zugelassen. Das Verfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 18/22 anhängig. Der Volltext der Entscheidung ist in der Rechtsprechungsdatenbank des Landes Berlin veröffentlicht.

Quelle: FG Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung v. (il)

Fundstelle(n):
CAAAJ-30292