Versuchter Mord: Niedriger Beweggrund bei versuchter Tötung des Lebenspartners
Gesetze: § 211 StGB
Instanzenzug: Az: 13 Ks 598 Js 62014/21
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet sowie Einziehungs- und Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten erweist sich im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
2Nach den Feststellungen des Landgerichts versuchte der Angeklagte am , seine frühere Freundin mit mehreren Messerstichen heimtückisch zu töten und verletzte sie dabei schwer, wobei seine Steuerungsfähigkeit aufgrund des Zusammenwirkens einer Persönlichkeitsstörung und erheblicher Alkoholisierung erheblich vermindert war. Das (weitere) Mordmerkmal eines Handelns aus niedrigen Beweggründen hat das Landgericht unter Hinweis auf zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 150/19, NStZ 2019, 518; vom – 3 StR 149/03, NStZ 2004, 334) unter anderem mit folgender Erwägung abgelehnt: „Dies gilt umso mehr, als die Trennung von der Geschädigten ausgegangen war, die dem Angeklagten zuletzt unmissverständlich deutlich gemacht hatte, dass ihre Beziehung zu Ende sei (‚Es ist aus und vorbei!‘), was als Indiz weiterhin gegen die Annahme niedriger Beweggründe spricht.“
3Dieser Erwägung vermag der Senat nicht zu folgen. Niedrig ist ein Beweggrund, der nach allgemeiner sittlicher Würdigung auf tiefster Stufe steht und deshalb besonders verachtenswert ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund einer Gesamtwürdigung, welche die Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters und seine Persönlichkeit einschließt. Gefühlsregungen wie Wut, Zorn, Ärger, Hass und Rachsucht kommen als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind (st. Rspr., vgl. nur , NStZ-RR 2020, 40 mwN).
4Ergibt sich das Tötungsmotiv aus einer Trennung vom Ehe-, Lebens- oder Intimpartner, kann für einen niedrigen Beweggrund sprechen, dass der Täter dem anderen Teil aus übersteigertem Besitzdenken das Lebensrecht abspricht (vgl. , NStZ 2021, 226 mwN), den berechtigten Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben bestrafen will (vgl. , NStZ 2020, 617 mwN) oder dass er handelt, weil er die Trennung nicht akzeptiert und eifersüchtig ist (vgl. , NStZ 2018, 527). Gegen das Vorliegen eines niedrigen Beweggrundes kann dagegen sprechen, dass die Trennung zu tatbestimmenden und tatauslösenden Gefühlen der Verzweiflung und inneren Ausweglosigkeit geführt hat (vgl. , NStZ-RR 2006, 340, 342 mwN). Zu bedenken kann dabei auch sein, dass nicht selten – wie auch hier – der Täter die Trennung selbst maßgeblich zu verantworten hat (vgl. näher MüKo-StGB/Schneider, 4. Aufl., § 211 Rn. 105; ders., NStZ 2022, 543, 544, jeweils mwN).
5Der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, stellt entgegen der Auffassung des Landgerichts für sich gesehen kein gegen die Annahme niedriger Beweggründe sprechendes Indiz dar. Mit dem Menschenbild des Grundgesetzes und den Werten des durchweg auf Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und gegenseitige personelle Achtung angelegten deutschen Rechts (vgl. zur Relevanz bei der Bewertung eines Tötungsmotivs , NStZ-RR 2020, 40) ist es aus Sicht des Senats unvereinbar, der legitimen Inanspruchnahme des Rechts auf ein selbstbestimmtes Leben eine derartige Relevanz für die sozialethische Bewertung des Tötungsmotivs zuzusprechen.
6Dass das Landgericht mit teilweise rechtsfehlerhafter Begründung die Annahme niedriger Beweggründe abgelehnt hat, beschwert den Angeklagten indes nicht.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:061222B5STR479.22.0
Fundstelle(n):
NAAAJ-29815