Online-Nachricht - Donnerstag, 08.12.2022

Berufsrecht | Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung (EuGH)

Die Verpflichtung des Rechtsanwalts, die anderen beteiligten Intermediäre zu informieren, ist nicht erforderlich und verletzt das Recht auf Achtung der Kommunikation mit seinem Mandanten ( "Orde van Vlaamse Balies u. a"; veröffentlicht am ).

Hintergrund: Eine Richtlinie der Europäischen Union sieht vor, dass alle Intermediäre, die an potenziell aggressiven grenzüberschreitenden Steuerplanungen (Gestaltungen, die zu Steuerhinterziehung und Steuerbetrug führen können) beteiligt sind, diese den zuständigen Steuerbehörden melden müssen. Diese Verpflichtung betrifft alle, die an der Konzeption, Vermarktung, Organisation oder Verwaltung der Umsetzung dieser Gestaltungen beteiligt sind. Außerdem sind auch diejenigen erfasst, die Unterstützung oder Beratung leisten, oder sonst der Steuerpflichtige selbst. Allerdings kann jeder Mitgliedstaat die Rechtsanwälte von dieser Pflicht befreien, wenn sie gegen eine nach nationalem Recht vorgesehene Verschwiegenheitspflicht verstoßen würde. In solchen Fällen sind die Intermediäre jedoch verpflichtet, andere Intermediäre oder, falls es keine solchen gibt, den relevanten Steuerpflichtigen unverzüglich über ihre Meldepflichten den zuständigen Behörden gegenüber zu unterrichten.

Das flämische Dekret zur Umsetzung dieser Richtlinie sieht somit vor, dass, wenn ein an einer grenzüberschreitenden Steuerplanung beteiligter Rechtsanwalt durch das Berufsgeheimnis gebunden ist, er andere Intermediäre davon informieren muss, dass er der Meldepflicht nicht nachkommen kann.

Sachverhalt: Zwei Berufsverbände für Rechtsanwälte haben sich an den belgischen Verfassungsgerichtshof gewandt. Ihrer Ansicht nach ist es unmöglich, der Verpflichtung zur Unterrichtung der anderen Intermediäre nachzukommen, ohne das Berufsgeheimnis zu verletzen, an das die Rechtsanwälte gebunden sind. Der belgische Verfassungsgerichtshof hat dem Gerichtshof dazu eine Frage vorgelegt.

Hierzu führten die Richter des EuGH weiter aus:

  • Die Offenlegung der Identität und der Konsultierung des Rechtsanwalt-Intermediärs durch die unterrichteten Drittintermediäre an die Steuerverwaltung ist auch nicht erforderlich, um die Ziele der Richtlinie zu verfolgen.

  • Durch die Meldepflicht der anderen nicht unter die Verschwiegenheitspflicht fallenden Intermediäre und in Ermangelung solcher Intermediäre durch die dem relevanten Steuerpflichtigen obliegende Meldepflicht wird grundsätzlich gewährleistet, dass die Steuerverwaltung informiert wird.

  • Außerdem kann die Steuerverwaltung, nachdem sie eine solche Information erhalten hat, bei Bedarf ergänzende Informationen unmittelbar vom relevanten Steuerpflichtigen verlangen, der sich dann für Beistand an seinen Rechtsanwalt wenden kann. Die Steuerverwaltung kann auch eine Überprüfung der steuerlichen Situation dieses Steuerpflichtigen durchführen.

  • Der Gerichtshof stellt daher fest, dass die nach der Richtlinie vorgesehene Unterrichtungspflicht nicht erforderlich ist und folglich das Recht auf Achtung der Kommunikation zwischen Rechtsanwalt und Mandant verletzt.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung v. 8.12.2022 (il)

Fundstelle(n):
DAAAJ-28667