BGH Beschluss v. - 6 StR 252/21

Betäubungsmitteldelikt: Konkurrenzverhältnis zwischen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

Gesetze: § 29a Abs 1 Nr 1 BtMG, § 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 30 Abs 1 Nr 2 BtMG, § 52 StGB

Instanzenzug: Az: 23 KLs 21/20

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen, in einem Fall unter gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren, und wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und unter gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren“ unter Einbeziehung von Strafen aus einem amtsgerichtlichen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Wegen weiterer 40 Verbrechen nach dem Betäubungsmittelgesetz hat es ihn zu einer zweiten Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf eine Verfahrensrüge sowie die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Schuldspruchänderung (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349    Abs. 2 StPO.

21. In Bezug auf die Verfahrensrüge ist ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts zu bemerken, dass der Senat insoweit ein Beruhen des Urteils auf dem geltend gemachten Rechtsfehler ausschließen kann (§ 337 Abs. 1 StPO). Namentlich hat sich das Landgericht die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich aller abgeurteilten Taten anhand einer Fülle von Beweismitteln verschafft, die sämtlich außerhalb der Bekundungen der Polizeibeamten S.   und G.     sowie des insoweit gefertigten polizeilichen Vermerks über die Aussagen des Angeklagten während der Fahrt in die Justizvollzugsanstalt lagen (vgl. UA S. 30 ff.). Gleiches gilt für die Frage des vom Angeklagten seit längerer Zeit betriebenen gewerbsmäßigen Drogenhandels (UA S. 27 bis 30). Die teilgeständigen Angaben des Angeklagten während der Fahrt hat es im Rahmen der Strafzumessung zu dessen Gunsten gewertet. Unter diesen Vorzeichen ist ausgeschlossen, dass das Landgericht ohne die Verwertung der genannten Bekundungen sowie des polizeilichen Vermerks zu dem Angeklagten günstigeren Ergebnissen gelangt wäre.

32. Der Schuldspruch betreffend Tat 2 hat keinen Bestand, soweit der Angeklagte auch wegen (gewerbsmäßigen) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Da der Angeklagte bei dieser Tat Betäubungsmittel nur an einen Minderjährigen abgegeben hat, erfasst die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) auch den im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) liegenden Unrechtsgehalt, weswegen dieses Delikt im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktritt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 353/10; vom        - 5 StR 190/17; Weber, BtMG, 5. Aufl., § 30 Rn. 131 mwN). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab.

4Der Strafausspruch hat gleichwohl Bestand. Das Landgericht hat für diese Tat die Mindeststrafe von zwei Jahren verhängt. Der Senat schließt aus, dass es bei zutreffender Bewertung des Konkurrenzverhältnisses die Voraussetzungen eines minder schweren Falles nach § 30 Abs. 2 BtMG bejaht hätte.

53. Hingegen wurde der Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe mit Recht wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) verurteilt (vgl. Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 30 Rn. 81; offengelassen von mwN). Dies gebietet die Klarstellungsfunktion der Tateinheit. Denn das durch § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verpönte Unrecht gerade des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge käme in einer Verurteilung nur wegen des Verbrechens nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG nicht eigenständig zum Ausdruck.

64. Anders als die Revision meint, wurde der Angeklagte in den Fällen 9 bis 39 zutreffend (auch) wegen Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG verurteilt. Indem der Angeklagte der Zeugin D.     die Möglichkeit gab, sich aus dem in ihrer Wohnung befindlichen Betäubungsmitteldepot selbständig Marihuana zum Eigenkonsum zu nehmen, räumte er ihr insoweit eigene Verfügungsgewalt ein (vgl. zur Abgabe Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG, 9. Aufl., § 29a Rn. 13), von der sie auch „alle zwei bis drei Tage“ Gebrauch machte. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG zitiert (UA S. 61), handelt es sich, was die nachfolgenden Ausführungen eindeutig zeigen, um ein bloßes Redaktionsversehen.

75. Zum Inhalt der Urteilsgründe weist der Senat auf Folgendes hin:

8Verfahrensvorgänge sind im Urteil grundsätzlich nicht zu erörtern. Insbesondere sind Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln von Rechts wegen nicht geboten, vielmehr zur Vermeidung der Überfrachtung der schriftlichen Urteilsgründe regelmäßig sogar tunlichst zu unterlassen (vgl. , BGHSt 57, 273, 281 mwN; Beschluss vom             - 5 StR 582/17, NStZ-RR 2018,113,114; MüKo-StPO/Wenske, 2016, § 267 Rn. 79).

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2021:150721B6STR252.21.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-27233