Umsatzsteuer | Versagung des Vorsteuerabzugs beim Zweiterwerber in Betrugsfällen (EuGH)
Art. 167 und 168 MwStSystRL
sind im Licht des Grundsatzes des Verbots von Betrug dahin auszulegen, dass dem
zweiten Erwerber eines Gegenstands der Vorsteuerabzug versagt werden kann, weil
er von einer vom ursprünglichen Verkäufer bei der ersten Veräußerung begangenen
Mehrwertsteuerhinterziehung Kenntnis hatte oder hätte haben müssen, obwohl auch
der erste Verkäufer Kenntnis von dieser Hinterziehung hatte
( C‑596/21; veröffentlicht am
).
Sachverhalt und Verfahrensgang: Der Kläger A, ein Händler, erwarb für sein Unternehmen von C einen Gebrauchtwagen im Jahr 2011. Dafür zahlte er dem C insgesamt 77.000 € (64 705,88 € für den Wagen zzgl. 12 294,12 € USt). Bei dem Kauf gab sich C als W aus, dem Kläger war die wahre Identität des C allerdings bekannt. W war zudem damit einverstanden, dass sich C seiner Identität bediente. In diesem Zusammenhang stellte C dem W eine Rechnung über Lieferung des Fahrzeuges i. H. von 52.100,84 € zzgl. 9.899,16 € Mehrwertsteuer aus. W wiederum stellte dem Kläger eine Rechnung über 64.705,88 € zuzüglich 12.294,12 € aus, welche er dem C zur Übergabe an den Kläger überließ.
C seinerseits berücksichtigte in seiner Buchführung nur den vorgeblich von W erhaltenen Kaufpreis i. H. von 52.100,84 € zzgl. 9.899,16 €. W erfasste den Vorgang nicht in seiner Buchführung und zahlte in diesem Zusammenhang auch keine Umsatzsteuer. Der Kläger A macht die vorgeblich an W gezahlte Umsatzsteuer i. H. von 12.294,12 € als Vorsteuer geltend. Das FA vertritt die Ansicht, A dürfe keinerlei Vorsteuer abziehen, weil er von der von C begangenen Steuerhinterziehung hätte wissen müssen.
Das FG der ersten Instanz setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vor (s. hierzu auch Gehm, :
1. Kann dem zweiten Erwerber eines Gegenstands der Vorsteuerabzug aus dem Erwerb versagt werden, weil er wissen musste, dass der ursprüngliche Verkäufer bei der ersten Veräußerung Mehrwertsteuer hinterzog, obwohl auch der erste Erwerber wusste, dass der ursprüngliche Verkäufer bei der ersten Veräußerung Mehrwertsteuer hinterzog?
2. Falls Frage 1 bejaht wird: Ist die Versagung bei dem zweiten Erwerber betragsmäßig auf den durch die Hinterziehung entstandenen Steuerschaden begrenzt?
3. Falls Frage 2 bejaht wird: Berechnet sich der Steuerschaden
durch Vergleich der in der Leistungskette gesetzlich geschuldeten mit der tatsächlich festgesetzten Steuer,
durch Vergleich der in der Leistungskette gesetzlich geschuldeten mit der tatsächlich bezahlten Steuer oder
auf welche andere Weise?
Hierzu führten die Richter des EuGH mit ihrem Urteil v. weiter aus:
Auf die erste Frage ist zu antworten, dass die Art. 167 und 168 der MwStSystRL im Licht des Grundsatzes des Verbots von Betrug dahin auszulegen sind, dass dem zweiten Erwerber eines Gegenstands der Vorsteuerabzug versagt werden kann, weil er von einer vom ursprünglichen Verkäufer bei der ersten Veräußerung begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung Kenntnis hatte oder hätte haben müssen, obwohl auch der erste Verkäufer Kenntnis von dieser Hinterziehung hatte.
Auf die zweite Frage ist zu antworten, dass die Art. 167 und 168 der MwStSystRL im Licht des Grundsatzes des Verbots von Betrug dahin auszulegen sind, dass dem zweiten Erwerber eines Gegenstands, mit dem auf einer Umsatzstufe vor diesem Erwerb ein betrügerischer Umsatz bewirkt wurde, der nur einen Teil der Mehrwertsteuer betraf, die der Staat erheben darf, das Recht auf Vorsteuerabzug vollständig zu versagen ist, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass der Erwerb mit einer Steuerhinterziehung in Zusammenhang stand.
In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die dritte Frage nicht zu beantworten.
Quelle: C‑596/21; veröffentlicht auf der Homepage des EuGH (il)
Fundstelle(n):
QAAAJ-27202