BGH Urteil v. - VIII ZR 390/21

Eigenbedarfskündigung bei Wohnraummiete: Widerspruch des Mieters wegen nicht zu rechtfertigender Härte bei der ernsthaften Gefahr eines Suizids im Falle einer Verurteilung zur Räumung; Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit

Leitsatz

1. Zu den Voraussetzungen einer nicht zu rechtfertigenden Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB bei der ernsthaften Gefahr eines Suizids des Mieters im Falle einer Verurteilung zur Räumung.

2. Sowohl bei der Feststellung des Vorliegens einer Härte im Sinne von § 574 Abs. 1 BGB als auch bei deren Gewichtung im Rahmen der Interessenabwägung zwischen den berechtigten Belangen des Mieters und denen des Vermieters ist im Einzelfall zu berücksichtigen, ob und inwieweit sich die mit einem Umzug einhergehenden Folgen durch die Unterstützung des Umfelds des Mieters beziehungsweise durch begleitende ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen mindern lassen (Anschluss an und Fortführung von Senatsurteil vom - VIII ZR 180/18, BGHZ 222, 133 Rn. 45).

3. Die Ablehnung einer möglichen Therapie durch den suizidgefährdeten Mieter führt nicht grundsätzlich dazu, dass das Vorliegen einer Härte abzulehnen oder bei der Interessenabwägung den Interessen des Vermieters der Vorrang einzuräumen wäre. Vielmehr ist dieser Umstand im Rahmen der umfassenden Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, bei der auch die Gründe für die Ablehnung, etwa eine krankheitsbedingt fehlende Einsichtsfähigkeit in eine Therapiebedürftigkeit, sowie die Erfolgsaussichten einer Therapie zu bewerten sind.

4. Das Angebot einer Ersatzwohnung durch den Vermieter und dessen Ablehnung durch den Mieter sowie die Gründe hierfür sind ebenfalls einzelfallbezogen sowohl bei der Beurteilung, ob eine Härte vorliegt, als auch bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen.

5. Zur Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit nach § 574a Abs. 2 Satz 2 BGB bei unabsehbar fortbestehender Suizidgefahr.

Gesetze: § 574 Abs 1 S 1 BGB, § 574a Abs 2 S 2 BGB

Instanzenzug: Az: 1 S 124/20vorgehend Az: 210 C 224/17 Urteil

Tatbestand

1Die 1942 geborene Beklagte bewohnt seit dem auf Grundlage eines am abgeschlossenen Mietvertrags eine im dritten Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses liegende Zwei-Zimmer-Wohnung in Köln. Seit dem beträgt die monatliche Gesamtmiete 388,58 € einschließlich einer Betriebskostenvorauszahlung von 69,02 €.

2Der 1958 geborene Kläger ist nicht nur Eigentümer der von der Beklagten gemieteten Wohnung, sondern einer weiteren, 50 bis 55 qm großen Wohnung auf der gleichen Etage, die anderweitig vermietet ist (im Folgenden: Wohnung Nr. 11). Er selbst bewohnt eine ungefähr 123 qm große Wohnung auf demselben Stockwerk, deren Eigentümer sein Lebenspartner ist. In dessen Eigentum steht eine weitere, im vierten Obergeschoss des Hauses liegende, ungefähr 112 qm große Wohnung, die vermietet ist.

3Am kündigte der Kläger den Mietvertrag mit der Beklagten zum wegen Eigenbedarfs. Diesen begründete er damit, dass er die Wohnung für sich und seinen Lebenspartner benötige, um sie mit der von ihnen bereits genutzten Wohnung zusammenzulegen. Hierdurch solle eine Wohnung mit insgesamt 190 bis 200 qm entstehen. Zu dem bereits im Lichthof des Hauses installierten Aufzug solle ein Durchbruch erfolgen mit der Möglichkeit des direkten Zugangs zu der geplanten Gesamtwohnung. Der 75-jährige Lebensgefährte habe orthopädische Probleme, weshalb der unmittelbare Zugang aus dem Aufzug ohne Treppen gesundheitlich erforderlich werden würde.

4Die Beklagte widersprach der Kündigung mit Schreiben vom und machte Härtegründe geltend. Sie leide unter anderem an schwerer rezidivierender Depression bis hin zu Suizidideen. Mit Anwaltsschriftsatz vom bot der Kläger der Beklagten als Alternative die Anmietung der Wohnung Nr. 11 zu einer Kaltmiete von 356,73 € an. Dieses Angebot nahm die Beklagte nicht an.

5Mit seiner Klage hat der Kläger von der Beklagten die Räumung der an sie vermieteten Wohnung begehrt, hilfsweise die Fortsetzung des Mietverhältnisses befristet für maximal ein Jahr unter Neufestsetzung einer Kaltmiete von nicht unter 655,20 € sowie einer Nebenkostenvorauszahlung von nicht unter 80 €. Das Amtsgericht hat den Lebenspartner des Klägers und die behandelnde Ärztin der Beklagten Dr. V.     als Zeugen vernommen. Weiter hat es zum Gesundheitszustand der Beklagten, insbesondere zur Frage einer Suizidgefahr, ein Sachverständigengutachten und ein Ergänzungsgutachten hierzu eingeholt sowie den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ergänzend angehört. Es hat sodann die Klage abgewiesen und die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit zu den im Mietvertrag vorgesehenen Bedingungen, allerdings unter Erhöhung der Nettokaltmiete auf monatlich 367,49 € zuzüglich einer Betriebskostenvorauszahlung von 69,02 € ausgesprochen.

6Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil insoweit abgeändert, als es die in dem auf unbestimmte Zeit fortgesetzten Mietverhältnis zu zahlende monatliche Nettokaltmiete auf 518 € festgesetzt hat. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

7Mit der vom Berufungsgericht - beschränkt auf die Fortsetzung des Mietverhältnisses nach §§ 574 ff. BGB (hierzu unten II 1) - zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Gründe

8Die Revision hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.

I.

9Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt:

10Zwar sei die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung wirksam. Das Mietverhältnis sei allerdings auf den rechtzeitigen Widerspruch der Beklagten gemäß §§ 574, 574a BGB fortzusetzen. Die Voraussetzungen hierfür, nämlich dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen sei, lägen vor. Zu Recht sei das Amtsgericht nach der erfolgten Beweisaufnahme auf Grundlage der überzeugenden Begutachtung durch den Sachverständigen sowie der dies bestätigenden Aussage der Zeugin Dr. V.     davon ausgegangen, dass die Gefahr eines Suizids bei der Beklagten bei einer Verurteilung zur Räumung sehr stark ausgeprägt sei. Auf Grund der völligen Fixierung auf ihre Wohnung sei es der Beklagten auch nicht möglich gewesen, die ihr angebotene Wohnung Nr. 11 anzunehmen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei die Beklagte infolge ihrer psychischen Erkrankung nicht in der Lage, sich ein Leben in dieser Wohnung als mögliche Lösung für ihre als ausweglos empfundene Situation vorzustellen.

11Die Ablehnung der Wohnung durch die Beklagte sei damit letztlich krankheitsbedingt und stehe im konkreten Fall der Annahme einer Härte nicht entgegen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte ihre Depression und Suizidalität simuliere, bestünden nicht. Auf Grundlage des Sachverständigengutachtens und der Aussage der Zeugin Dr. V.     sei davon auszugehen, dass es der Beklagten nicht möglich gewesen sei, kontinuierlich seit 2010 eine Depression vorzutäuschen.

12Die Beklagte könne auch nicht auf § 765a ZPO verwiesen werden. Das Risiko eines Suizids bestehe bereits mit Erlass eines Räumungstitels, da bereits hiermit die von der Beklagten als ausweglos empfundene Situation des Wohnungsverlusts real werde.

13Das Mietverhältnis sei gemäß § 574a Abs. 2 Satz 2 BGB auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Es sei nicht abzusehen, dass sich der Zustand der Beklagten durch eine therapeutische Intervention in absehbarer Zeit verbessern werde oder auch nur verbessern könne. Zum einen sei die Beklagte derart fixiert auf ihre Wohnung, dass sie schon deshalb und damit krankheitsbedingt eine stationäre therapeutische Intervention ablehne. Ohnedies sei die Aussicht auf eine erfolgreiche Behandlung gering. Nach den plausiblen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, denen sich die Kammer anschließe, seien Therapiemöglichkeiten wenig erfolgversprechend, da die Beklagte gedanklich extrem fixiert sei und zudem paranoide Vorstellungen im Hinblick auf die Vermieterseite entwickelt habe.

14Die Beklagte könne jedoch nur verlangen, dass das Mietverhältnis unter einer Erhöhung der Nettokaltmiete auf die ortsübliche Vergleichsmiete von 518 € fortgesetzt werde, weil ein unverändertes Fortbestehen des Mietvertrags mit einer deutlich hierunter liegenden Miete dem Kläger nicht zumutbar sei.

II.

15Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

161. Die Revision, die sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht einen Härtegrund nach § 574 BGB bejaht und die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit ausgesprochen hat (§§ 574, 574a Abs. 2 Satz 2 BGB), ist zulässig, insbesondere auf Grund der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht in vollem Umfang statthaft.

17a) Die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht beschränkt sich im Hinblick darauf, dass die die Zulassung begründende Rechtsfrage allein die Voraussetzungen einer Härteregelung nach §§ 574 ff. BGB betrifft, auf das mögliche Vorliegen der Voraussetzungen hierfür und den von der Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses. Die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dagegen von der Zulassung nicht umfasst (vgl. zur diesbezüglichen Beschränkung der Zulassung und deren Zulässigkeit Senatsbeschluss vom - VIII ZR 81/20, juris Rn. 7 ff. mwN).

18b) Eine weitergehende wirksame Beschränkung der Revisionszulassung allein auf das Vorliegen einer Härte im Sinne von § 574 Abs. 1 BGB liegt dagegen nicht vor. Die Zulassung umfasst insgesamt die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Fortsetzung des Mietverhältnisses einschließlich der Entscheidung über die Modalitäten der Fortsetzung nach § 574a BGB und somit sämtliche von der Revision angegriffenen Umstände, auch wenn die Rechtsfrage, die nach Auffassung des Berufungsgerichts die Zulassung begründet, von diesem auf das Vorliegen einer Härte im Sinne von § 574 BGB bezogen wurde.

19aa) Von einer beschränkten Zulassung ist bei fehlender Aufnahme in den Tenor in der Regel nur dann auszugehen, wenn sich diese aus den Gründen des Urteils klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 76/20, WM 2021, 2046 Rn. 19 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dabei eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einzelne Rechtsfragen und Anspruchselemente unwirksam. Sie ist dagegen zulässig, wenn sie sich auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs bezieht, auf den auch die Partei selbst die Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 76/20, aaO Rn. 20; Senatsbeschluss vom - VIII ZR 81/20, juris Rn. 10; jeweils mwN).

20bb) Gemessen hieran liegt eine wirksame Beschränkung der Revisionszulassung allein auf die Frage, ob eine Härte im Sinne von § 574 Abs. 1 BGB zu bejahen ist, nicht vor. Denn hierbei handelt es sich nur um eine einzelne Anspruchsvoraussetzung im Rahmen der Prüfung, ob und mit welchen Modalitäten eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nach den §§ 574 ff. BGB verlangt werden kann. Dies führt dazu, dass sämtliche sich im Rahmen der §§ 574 ff. BGB stellenden Fragen der revisionsrechtlichen Prüfung unterliegen.

21cc) Im Hinblick darauf, dass die Revisionszulassung das Vorliegen der Voraussetzungen der Härteregelung nach §§ 574 ff. BGB einschließlich der Regelungen zur Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 574a BGB umfasst, ist die zugleich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde, die ausweislich ihrer Begründung für den Fall einer auf das Vorliegen einer Härte im Sinne von § 574 Abs. 1 BGB begrenzten Revisionszulassung eine revisionsrechtliche Überprüfung auch der erfolgten Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 574a Abs. 1 und 2 BGB sicherstellen sollte, gegenstandslos.

222. Die Revision ist jedoch unbegründet. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht entschieden, dass die Beklagte nach §§ 574, 574a BGB die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit verlangen kann. Sowohl die Annahme einer Härte im Sinne von § 574 Abs. 1 BGB als auch die Interessenabwägung nach § 574 BGB und die Bestimmung der Modalitäten der Fortsetzung nach § 574a BGB, insbesondere die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit (§ 574a Abs. 2 Satz 2 BGB), halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.

23a) Nach § 574 Abs. 1 BGB kann der Mieter einer an sich gerechtfertigten ordentlichen Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Bei der hierzu vom Tatrichter nach gründlicher und sorgfältiger Sachverhaltsfeststellung vorzunehmenden Gewichtung und Würdigung der beiderseitigen Interessen und ihrer Subsumtion unter die unbestimmten Rechtsbegriffe der genannten Vorschrift hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und kann regelmäßig nur überprüfen, ob das Berufungsgericht Rechtsbegriffe verkannt oder sonst unzutreffende rechtliche Maßstäbe angelegt hat, ob es Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze hinreichend beachtet hat oder ob ihm von der Revision gerügte Verfahrensverstöße unterlaufen sind, indem es etwa wesentliche Tatumstände übersehen oder nicht vollständig gewürdigt hat (vgl. , NJW-RR 2021, 461 Rn. 25; vom - VIII ZR 144/19, NJW 2020, 1215 Rn. 23; vom - VIII ZR 180/18, BGHZ 222, 133 Rn. 26; vom - VIII ZR 270/15, NZM 2017, 286 Rn. 24). Einer an diesem Maßstab ausgerichteten Prüfung hält die Beurteilung des Berufungsgerichts stand.

24aa) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beendigung des Mietverhältnisses bedeute für die Beklagte eine Härte im Sinne von § 574 Abs. 1 BGB, ist nicht zu beanstanden. Das Vorliegen einer Härte setzt voraus, dass sich die für die Beklagte drohenden Nachteile von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten deutlich abheben (vgl. , NJW-RR 2021, 461 Rn. 28; vom - VIII ZR 57/13, NJW-RR 2014, 78 Rn. 17). Dies ist hier auch unter Berücksichtigung der Ablehnung einer stationären Therapie sowie der vom Kläger angebotenen Ersatzwohnung durch die Beklagte auf Grund der bei ihr bestehenden hohen Suizidgefahr bei Erlass eines Räumungsurteils der Fall.

25(1) Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht auf Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens sowie der Vernehmung der Zeugin Dr. V.     festgestellt, dass bei der Beklagten für den Fall der Räumung die Gefahr eines Suizids besteht. Die Gefahr sei sehr hoch. Das Berufungsgericht hat bei dieser Einschätzung berücksichtigt, dass die Beklagte bereits eine Suizidmethode - Sprung vom Balkon ihrer Wohnung - unter Verwerfung der ebenfalls angedachten Möglichkeit eines Suizids durch Tabletteneinnahme in Aussicht genommen hat. Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, dass die Beklagte auf Grund ihrer völligen Fixierung auf ihre Wohnung krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen sei, die ihr angebotene Ersatzwohnung anzunehmen. Sie könne sich auf Grund ihrer psychischen Erkrankung ein Leben in dieser Alternativwohnung nicht als mögliche Lösung für ihre als ausweglos empfundene Situation vorstellen. Die Beklagte sei so fixiert auf ihre Wohnung, dass sie schon deshalb und damit krankheitsbedingt eine stationäre therapeutische Intervention ablehne und demnach bereits auf Grund der Erkrankung die Möglichkeiten therapeutischer Intervention eingeschränkt seien. Zudem sei die Aussicht auf eine erfolgreiche therapeutische - ambulante oder stationäre - Behandlung gering. Therapiemöglichkeiten seien zweifelhaft und wenig erfolgversprechend, weil die Beklagte gedanklich extrem fixiert sei und zudem auch paranoide Vorstellungen im Hinblick auf die Vermieterseite entwickelt habe.

26(2) Vor dem Hintergrund dieser von der Revision nicht angegriffenen, auf einer umfangreichen Beweisaufnahme beruhenden Feststellungen ist die Annahme einer Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 BGB nach dem oben dargestellten revisionsrechtlichen Maßstab nicht zu beanstanden.

27(a) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht seiner Beurteilung nicht ein unzutreffendes Rechtsverständnis zu Grunde gelegt, indem es das Vorliegen einer Härte nicht deshalb verneint hat, weil die Beklagte eine stationäre Therapie ablehnt.

28(aa) Zwar ist bei der Feststellung des Vorliegens einer Härte ebenso wie bei deren Gewichtung im Rahmen der Interessenabwägung zwischen den berechtigten Belangen des Mieters und denen des Vermieters zu berücksichtigen, ob und inwieweit sich die mit einem Umzug einhergehenden Folgen durch die Unterstützung des Umfelds des Mieters beziehungsweise durch begleitende ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen mindern lassen (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 180/18, BGHZ 222, 133 Rn. 45 [zur Berücksichtigung im Rahmen der Interessenabwägung]). Dabei kann von dem Mieter auch jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung des Gesundheitsrisikos verlangt werden (vgl. BVerfG, NJW-RR 1993, 463, 464 [zur Berücksichtigung im Rahmen der Interessenabwägung]; siehe auch OLG Köln, NJW 1993, 2248, 2249 [zum Zwangsvollstreckungsverfahren]). Es kann mithin auch zu berücksichtigen sein, ob eine bei Verlust der Wohnung bestehende Suizidgefahr durch eine Therapie beherrschbar ist (vgl. hierzu auch LG Bonn, NJW-RR 2000, 8, 9).

29(bb) Das Berufungsgericht hat jedoch weder diese Grundsätze noch einen etwa bei der Beurteilung einer Suizidgefahr als Härtegrund geltenden rechtlichen Maßstab verkannt. Die Auffassung der Revision, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft nicht beachtet, dass es bei einer Suizidgefahr der Annahme eines Härtefalls entgegenstehe, wenn die Gefahr für den Mieter beherrschbar sei, er jedoch keine Therapiebereitschaft zeige und eine mögliche Behandlung zur Verbesserung seines psychischen Zustands und zur Eindämmung von Suizidabsichten bewusst ablehne, wobei eine krankheitsbedingte Ablehnung einer Therapie daran nichts ändere, soweit der Betroffene in der Lage sei, seine Erkrankung zu erkennen und sich autonom für oder gegen eine Behandlung zu entscheiden, trifft nicht zu. Einer derartigen grundsätzlichen Betrachtungsweise steht bereits entgegen, dass die Schutzbedürftigkeit eines Mieters nicht allein dadurch entfällt, dass er an der Behandlung seiner psychischen Erkrankung, aus der eine Suizidgefahr resultiert, nicht mitwirkt. Eine solche Sichtweise würde dem in Art. 2 Abs. 2 GG enthaltenen Gebot zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nicht gerecht, das auch dann gilt, wenn der Schuldner unfähig ist, aus eigener Kraft oder mit zumutbarer fremder Hilfe die Konfliktsituation angemessen zu bewältigen, unabhängig davon, ob dieser Unfähigkeit Krankheitswert zukommt oder nicht (vgl. , WuM 2020, 364 Rn. 9 mwN [zur Berücksichtigung der Suizidgefahr eines Schuldners im Zwangsversteigerungsverfahren]). Es bedarf deshalb auch bei mangelnder Therapiebereitschaft des Mieters einer umfassenden Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zur Beurteilung, ob wegen einer dem betroffenen Mieter zugänglichen, von ihm aber nicht genutzten Therapiemöglichkeit das Vorliegen eines Härtefalls abzulehnen oder jedenfalls im Rahmen der Interessenabwägung den Interessen des Vermieters der Vorrang einzuräumen ist. Dies gilt umso mehr dann, wenn die Ablehnung einer Therapie krankheitsbedingt erfolgt, etwa weil die Einsichtsfähigkeit des Mieters in eine Therapiebedürftigkeit auf Grund der psychischen Erkrankung nicht oder nur eingeschränkt besteht.

30(cc) Es ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht bei der demnach gebotenen einzelfallbezogenen Betrachtung das Vorliegen einer Härte nicht deshalb abgelehnt hat, weil die Beklagte eine stationäre Therapie verweigert. Entgegen der Auffassung der Revision, die im Übrigen insoweit übergangenes Vorbringen in den Vorinstanzen nicht aufzeigt, war dies nicht deshalb fehlerhaft, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, dass die Suizidgefahr für die Beklagte überhaupt nicht beherrschbar sei und der Beklagten krankheitsbedingt jegliche Einsicht darin fehle, dass sie einer Therapie bedürfe. Denn dies ist nicht Voraussetzung für die Annahme einer Härte wegen bestehender Suizidgefahr. Vielmehr genügte die vorliegend vom Berufungsgericht auf Grundlage einer umfassenden Begutachtung und Zeugenvernehmung getroffene Feststellung, dass eine sehr hohe Suizidgefahr bestand und die Beklagte eine stationäre Therapie krankheitsbedingt wegen ihrer völligen Fixierung auf die Wohnung ablehnt, für die Bejahung einer Härte im Sinne von § 574 Abs. 1 BGB.

31(dd) Im Hinblick darauf, dass die Annahme des Vorliegens einer Härte bereits allein auf Grundlage der genannten Feststellungen rechtsfehlerfrei erfolgte, ist nicht erheblich, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung - nach Auffassung der Revision unter Verkennung des zutreffenden Maßstabs - als zusätzlich für das Vorliegen einer Härte sprechenden Umstand berücksichtigt hat, dass die Erfolgsaussichten für eine Therapie gering waren. Ohnehin wäre nicht allgemein davon auszugehen, dass die Ablehnung einer Therapie, deren Erfolg nicht vollkommen ausgeschlossen ist, grundsätzlich einen Härtefall ausschließt. Vielmehr wäre auch die Erfolgsaussicht einer möglichen Therapie nur ein im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigender Aspekt.

32(b) Das Berufungsgericht hat auch das Angebot des Klägers, der Beklagten die Wohnung Nr. 11 zur Verfügung zu stellen, bei seiner Entscheidung über das Vorliegen einer Härte im Sinne von § 574 Abs. 1 BGB rechtsfehlerfrei berücksichtigt und gewürdigt. Ohne Erfolg beruft sich die Revision darauf, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Ablehnung der vom Kläger angebotenen Ersatzwohnung einer Härte nicht entgegenstehe.

33(aa) Das Berufungsgericht hat das Angebot und die Ablehnung der Ersatzwohnung in die einzelfallbezogene Beurteilung, ob eine Härte vorliegt, einbezogen. Dabei hat es der Ablehnung hier auf Grund der festgestellten Krankheitsbedingtheit keine entscheidende Bedeutung beigemessen.

34(bb) Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Nach den rechtsfehlerfreien auf Grundlage der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts kann die Beklagte krankheitsbedingt in dieser Ersatzwohnung keine Alternative und damit keine Lösung für die aus ihrer Sicht ausweglose Situation, die die Gefahr eines sogenannten Bilanzsuizids herbeiführt, sehen. Damit jedoch stellt diese Wohnung keine Möglichkeit zur Abwendung der erheblichen Suizidgefahr in Folge der klägerseits angestrebten Räumung der Wohnung der Beklagten dar. Deshalb heben sich die für die Beklagte drohenden Nachteile (in Form einer Lebensgefahr) auch unter Berücksichtigung des Angebots der Wohnung Nr. 11 und dessen Ablehnung deutlich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten ab, was Voraussetzung für das Vorliegen eines Härtegrunds ist (vgl. , NJW-RR 2021, 461 Rn. 28; vom - VIII ZR 180/18, BGHZ 222, 133 Rn. 28). Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht zutreffend, dass - wie die Revision vorbringt - eine krankheitsbedingte Ablehnung der Ersatzwohnung zur Verneinung einer Härte führen müsse, solange der betroffene Mieter noch "Herr seiner Entschlüsse" sei. Ohnehin verbietet sich eine derartige schematische Beurteilung im Hinblick auf die gebotene einzelfallbezogene Würdigung auch eines solchen Umstands. Zudem zeigt die Revision hiermit einen revisionsrechtlich erheblichen Rechtsfehler nicht auf, sondern setzt nur die eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts, was revisionsrechtlich unbeachtlich ist.

35bb) Nicht zu beanstanden ist weiter, dass das Berufungsgericht dem Amtsgericht folgend von einem Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses ausgegangen ist, weil die festgestellte Härte auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist (§ 574 Abs. 1 BGB).

36(1) Entgegen dem Vorbringen der Revision ergibt sich aus der Begründung des Berufungsgerichts nicht, dass dieses bei seiner Entscheidung einen unzutreffenden Maßstab angelegt und nicht beachtet hätte, dass § 574 Abs. 1 BGB eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung sowohl der Interessen des Mieters als auch des Vermieters erfordert. Ohne Erfolg beruft sich die Revision insoweit auch darauf, dass das Berufungsgericht sich bei der Würdigung der beiderseitigen Interessen mit dem Vortrag des Klägers zu seinen berechtigten Interessen nicht auseinandergesetzt habe, was nur den Schluss zulasse, dass es diesen Klägervortrag unter Verletzung von § 286 ZPO nicht zur Kenntnis genommen und berücksichtigt habe.

37(a) Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass im Rahmen der Prüfung eines Fortsetzungsanspruchs (§ 574 BGB) eine umfassende Würdigung und Gewichtung der beiderseitigen Belange vorzunehmen ist. Es hat vielmehr zutreffend ausgeführt, dass nach den gesetzlichen Vorschriften eine Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangt werden kann, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre. Das Berufungsgericht hat damit ausdrücklich auf die gebotene Interessenabwägung als entscheidenden Maßstab für die Beurteilung, ob eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nach §§ 574 f. BGB verlangt werden kann, abgestellt und hierdurch gezeigt, dass es den zutreffenden rechtlichen Maßstab anwendet und ihm bewusst ist, dass es auch die berechtigten Interessen des Klägers zu beachten hat.

38(b) Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht im Rahmen seiner einzelfallbezogenen Würdigung auch zu Grunde gelegt. Ein Übergehen des Klägervortrags zu seinen berechtigten Interessen ist dem Berufungsgericht hierbei nicht vorzuwerfen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich das Berufungsgericht die Abwägungsentscheidung des Amtsgerichts vollständig zu eigen gemacht und hierbei auch die vom Kläger vorgebrachten und vom Amtsgericht berücksichtigten sowie in die Interessenabwägung eingestellten berechtigten Belange des Klägers im Blick gehabt hat.

39(aa) Das Amtsgericht hat die von der Revision als übergangen gerügten berechtigten Belange des Klägers im Tatbestand (zusammengefasst) dargestellt und nach der Feststellung des Vorliegens einer Härte die gebotene umfassende Würdigung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung dieser Belange des Klägers vorgenommen. Das Berufungsgericht hat das amtsgerichtliche Urteil und insbesondere auch die Entscheidung über die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit Ausnahme der vom Amtsgericht festgesetzten Höhe der Miete für zutreffend gehalten und damit die Ausführungen des Amtsgerichts einschließlich dessen Abwägungsentscheidung auch dem eigenen Urteil zu Grunde gelegt. Es hat sich in den weiteren Entscheidungsgründen maßgeblich mit den die Annahme und Gewichtung der geltend gemachten Härte betreffenden Berufungsangriffen gegen das von ihm als zutreffend bestätigte Urteil des Amtsgerichts befasst. Insbesondere ist es auf die Rügen des Klägers betreffend das Sachverständigengutachten und die hierauf beruhende Beweiswürdigung des Amtsgerichts zum Vorliegen einer Härte, auf die nach Auffassung des Klägers vom Amtsgericht unzureichend berücksichtigte Ablehnung der angebotenen Ersatzwohnung sowie einer Therapie und auf den Vortrag, dass nicht bereits die Verurteilung, sondern erst die Räumung eine Suizidgefahr bewirke, eingegangen. Es hat hierbei die von dem Amtsgericht vorgenommene Beurteilung und Gewichtung des von der Beklagten geltend gemachten Härtegrunds bestätigt. Nachdem das Berufungsgericht auch hinsichtlich der bereits vom Amtsgericht berücksichtigten berechtigten Interessen des Klägers nicht von Änderungen ausging, ergab sich bezogen auf die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde gelegte Abwägungsentscheidung des Amtsgerichts keine Veränderung, weshalb es einer ergänzenden Abwägung nicht bedurfte. Daraus, dass das Berufungsgericht eine erneute Interessenabwägung nicht ausdrücklich vorgenommen hat, lässt sich deshalb nicht darauf schließen, dass es die Belange des Klägers nicht oder nicht hinreichend gesehen hat.

40(bb) Es ist hierbei - entgegen der Auffassung der Revision - nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen auch in der Ablehnung der angebotenen Ersatzwohnung keinen Grund gesehen haben, der im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 BGB erforderlichen Würdigung und Gewichtung der beiderseitigen Belange entscheidend wäre. Auch und insbesondere im Rahmen der Interessenabwägung verbietet sich eine schematische Beurteilung dahingehend, dass die Ablehnung einer Ersatzwohnung stets zu Gunsten des Vermieters zu berücksichtigen ist und dazu führt, dass der Mieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht verlangen kann. Vielmehr ist insoweit eine einzelfallbezogene tatrichterliche Würdigung und Gewichtung der Belange von Mieter und Vermieter geboten, die im Revisionsverfahren nach den oben dargelegten Maßstäben nur eingeschränkt überprüft werden kann. Vor diesem Hintergrund begegnet die - vom Berufungsgericht durch Inbezugnahme übernommene - Würdigung des Amtsgerichts, dass das Angebot und die Ablehnung der Ersatzwohnung den Härtegrund weder entfallen lässt noch dieser dadurch im Rahmen der Interessenabwägung weniger Gewicht erhält, keinen rechtlichen Bedenken.

41(2) Die Revision hätte überdies selbst dann keinen Erfolg, wenn das Berufungsgericht - wie die Revision geltend macht - die gebotene Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Belange des Klägers nicht vorgenommen und den diesbezüglichen Vortrag des Klägers nicht hinreichend zur Kenntnis genommen hätte. Denn eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen führt hier zu dem von den Vorinstanzen gefundenen Ergebnis, dass das Mietverhältnis fortzusetzen ist, was der Senat selbst beurteilen kann, weil die notwendigen Feststellungen getroffen und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind. Angesichts der festgestellten ernsthaften Suizidgefahr der Beklagten besteht ein deutliches Übergewicht der Belange der Beklagten gegenüber den zu berücksichtigenden Interessen des Klägers.

42(a) Zutreffend sind die Vorinstanzen bei der Gewichtung der für die Beklagte bestehenden Härte davon ausgegangen, dass das Angebot und die Ablehnung der Ersatzwohnung die Bedeutung des Härtegrunds Suizidgefahr nicht entscheidend mindern. Denn die Beklagte ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen auf Grund ihrer krankhaften Fixierung auf die streitgegenständliche Wohnung nicht in der Lage, die angebotene Ersatzwohnung auch nur als mögliche Alternative zu ihrer derzeitigen Wohnung zu sehen und darin einen Weg aus der von ihr als ausweglos empfundenen Situation zu erkennen, so dass krankheitsbedingt das Angebot einer Ersatzwohnung an dem Grad der Lebensgefahr und damit der Schwere der Härte nichts ändert. Zugleich kann auf Grund dieser krankheitsbedingten Unfähigkeit, die Ersatzwohnung auch nur gedanklich als Alternative einzubeziehen, deren Ablehnung im Rahmen der Interessenabwägung nicht zu ihrem Nachteil gewertet werden, weshalb die Ablehnung auch die Gewichtung der ernsthaften Suizidgefahr bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht mindert.

43(b) Entsprechendes gilt für die Ablehnung einer stationären Therapie. Die Klägerin, die bereits seit Jahren unter einer rezidivierenden Depression leidet und der hiergegen von der Zeugin Dr. V.     auch ein Medikament verschrieben wurde, ist wegen ihrer krankhaften Fixierung auf die Wohnung nicht in der Lage, diese zum Zwecke einer stationären Therapie zu verlassen. Vor diesem Hintergrund ist eine stationäre Behandlung schon keine Möglichkeit, die die Suizidgefahr im Falle einer Verurteilung zur Räumung mindern könnte. Die krankheitsbedingte und damit der Beklagten nicht vorwerfbare Ablehnung einer stationären Therapie führt deshalb hier nicht dazu, dass die bestehende Härte im Rahmen der Interessenabwägung geringer zu gewichten wäre.

44(c) Auf Seiten des Klägers ist das die Kündigung rechtfertigende Interesse zu berücksichtigen, die streitgegenständliche Wohnung mit der von ihm und seinem Lebenspartner genutzten, angrenzenden Wohnung zu einer großen als Alterswohnsitz dienenden Wohnung zu verbinden und dabei einen - nur über die an die Klägerin vermietete Wohnung möglichen - stufenlosen Zugang aus dem Aufzug heraus in die neue Wohnung zu ermöglichen, der wegen orthopädischer Probleme des Lebenspartners realisiert werden soll, wobei der Kläger und sein Lebenspartner nach eigenem Vortrag ihr Kapital weitestgehend für die Wohnungen dieses Gebäudes gerade zum Zwecke deren Verbindung und Nutzung als Alterswohnsitz eingesetzt haben.

45(d) Bei der Anwendung und Auslegung des § 574 BGB sind dieselben verfassungsrechtlichen Maßstäbe anzulegen wie bei der Prüfung des Kündigungstatbestands. Auch im Rahmen der Vorschrift des § 574 BGB ist dementsprechend die vom Vermieter beabsichtigte Lebensplanung zu respektieren und der Rechtsfindung zugrunde zu legen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteil vom - VIII ZR 68/19, NJW-RR 2021, 461 Rn. 38 mwN). Deshalb ist der den Eigenbedarf rechtfertigende Wunsch des Klägers, die streitgegenständliche Wohnung gemeinsam mit seinem Lebenspartner als Alterswohnsitz zu nutzen und durch einen stufenlosen Zugang mittels des Aufzugs den orthopädischen Problemen des Lebenspartners Rechnung zu tragen, als berechtigter Belang in die Abwägung einzustellen, ohne dass der Kläger von vornherein auf die Nutzung einer anderen Wohnung, etwa der im 4. Obergeschoss liegenden Wohnung, verwiesen werden kann.

46Indes sind bei der Abwägung der gegenseitigen berechtigten Belange die Auswirkungen, die einerseits die Vertragsbeendigung für den Mieter und andererseits die Vertragsfortführung für den Vermieter haben würde, zu bewerten und in Beziehung zu setzen (vgl. Senatsurteil vom - VIII ZR 180/18, BGHZ 222, 133 Rn. 65). Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger bei einer Vertragsfortsetzung zwar die von ihm gewünschte und vom Gericht zu respektierende Nutzung einer vergrößerten Wohnung als Alterswohnsitz gemeinsam mit seinem Lebenspartner unter Herstellung eines stufenlosen Zugangs über einen in die Wohnung öffnenden Aufzug nicht realisieren kann und hierdurch erheblich in der Nutzung seines Eigentums eingeschränkt ist, er aber dennoch mit den derzeit genutzten Räumlichkeiten eine Wohnmöglichkeit zur Verfügung hat, die zumindest zumutbar ist und auch - trotz der orthopädischen Probleme des Lebenspartners - eine Nutzung gemeinsam mit seinem Lebenspartner zulässt, wenn auch - was der Senat nicht verkennt - gegenüber der beabsichtigten Nutzung nicht uneingeschränkt und mit deutlichen Nachteilen. Die Revision hat insoweit keinen Vortrag aufgezeigt, wonach die auch von den Vorinstanzen zu Grunde gelegte (zumutbare) Nutzungsmöglichkeit der derzeit vom Kläger bewohnten Wohnung - gemeinsam mit seinem Lebenspartner - unmöglich ist. Insbesondere ergibt sich aus dem Verweis auf orthopädische Probleme des Lebenspartners und dem nicht weiter konkretisierten Hinweis, der Lebenspartner sei auf den Fahrstuhl angewiesen, nicht, dass deshalb eine Nutzung der derzeit bewohnten Wohnung ohne direkten Zugang zum Fahrstuhl nicht möglich oder zumutbar wäre. Auch der Zeugenaussage des Lebenspartners des Klägers ist entsprechendes nicht zu entnehmen.

47(e) Trotz des gerade auch im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG erheblichen Gewichts der den Kläger bei einer Vertragsfortsetzung zugemuteten Nachteile überwiegen hier angesichts der Schwere und Ernsthaftigkeit der Suizidgefahr der Beklagten, die - auch krankheitsbedingt - nicht mit zumutbaren Mitteln abgemildert werden kann, die Interessen der Beklagten an einer Vertragsfortsetzung diejenigen des Klägers an einer Vertragsbeendigung erheblich, so dass die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden ist.

48b) Die von dem Berufungsgericht dem Amtsgericht folgend ausgesprochene Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit hält revisionsrechtlicher Nachprüfung ebenfalls stand.

49Nach § 574a Abs. 2 Satz 2 BGB kann bestimmt werden, dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortgesetzt wird, wenn ungewiss ist, wann voraussichtlich die Umstände wegfallen, auf Grund derer die Beendigung des Mietverhältnisses eine Härte bedeutet. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen des § 574a Abs. 2 Satz 2 BGB bejaht und die vom Amtsgericht ausgesprochene Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit bestätigt.

50aa) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ungewiss sei, ob und wann voraussichtlich die Umstände wegfallen würden, auf Grund derer die Beendigung des Mietverhältnisses eine Härte bedeutet.

51Zwar weist die Revision zutreffend darauf hin, dass im Rahmen der Prognose über die Fortdauer des Härtegrunds zu berücksichtigen ist, ob und gegebenenfalls welche Mitwirkung auf Seiten des Mieters zur Überwindung des Härtegrunds zu verlangen ist und wie lange das Beendigungshindernis bei entsprechender Mitwirkung voraussichtlich fortdauert, so dass hier bei der zu stellenden Prognose jedes zumutbare Bemühen um eine Verringerung der Suizidgefahr zu beachten ist. Dies hat das Berufungsgericht jedoch nicht verkannt.

52(1) Das Berufungsgericht ist in der auch diesbezüglich gebotenen einzelfallbezogenen Würdigung der konkreten Umstände ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gekommen, dass hier keine zumutbare Therapiemöglichkeit berücksichtigt werden kann, die eine Prognose bezüglich eines voraussichtlichen Entfalls der Suizidgefahr zulässt. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, dass die Beklagte krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, eine stationäre Therapie durchzuführen, was der Beklagten - wegen der Krankheitsbedingtheit - auch nicht vorgeworfen oder nachteilig zu Last gelegt werden kann. Andere dem Grunde nach bei dem Krankheitsbild der Beklagten mögliche Therapien sind nicht ersichtlich. Insoweit übergangenen Vortrag des Klägers zeigt die Revision nicht auf.

53Eine nach obigen Maßstäben berücksichtigungsfähige zumutbare Therapiemöglichkeit besteht somit nicht. Bereits dies schließt es aus, von einer voraussichtlichen Änderung der Situation in absehbarer Zeit auszugehen. Entgegen der Auffassung der Revision kann bei der Prognoseentscheidung schon deshalb nicht unterstellt werden, dass dem Vortrag des Klägers entsprechend in einem Zeitraum von maximal einem Jahr ein Therapieplatz gefunden und eine (erfolgreiche) stationäre Behandlung durchgeführt werden kann.

54(2) Selbst wenn eine Therapie möglich und für die Beklagte durchführbar wäre, wäre der Wegfall der Härte - worauf das Berufungsgericht zutreffend abgestellt hat - wegen der geringen Erfolgsaussichten einer Therapie dennoch ungewiss.

55(a) Das Vorbringen der Revision, das Berufungsgericht habe seiner diesbezüglichen tatrichterlichen Würdigung einen falschen Maßstab zu Grunde gelegt, weil es nicht beachtet habe, dass dann, wenn eine - selbst wenig erfolgversprechend erscheinende - Therapiemöglichkeit bestehe, der Zeitraum eines erfolgreichen Therapieverlaufs als Fortsetzungszeitraum anzusetzen sei und damit kein ungewisser Zeitpunkt für das Entfallen einer Suizidgefahr angenommen werden könne, greift nicht durch. Ein derartiger vom Berufungsgericht missachteter rechtlicher Maßstab besteht nicht. Vielmehr ist es eine Frage des Einzelfalls, ob wegen einer Therapiemöglichkeit eine Prognose über den voraussichtlichen Entfall des Härtegrunds abgegeben werden kann.

56(b) In seine einzelfallbezogene Würdigung hat das Berufungsgericht - entgegen der Auffassung der Revision - zu Recht einbezogen, dass die Erfolgsaussichten einer etwaigen Therapie nach den auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme getroffenen, rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nur gering sind. Deshalb kann der Prognoseentscheidung gerade nicht ein möglicher erfolgreicher Therapieverlauf binnen eines Jahres zu Grunde gelegt werden. Die diesbezügliche in erster Instanz vorgebrachte Behauptung des Klägers hat sich in der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Rechtsfehler in der Beweiswürdigung sind insoweit von der Revision nicht geltend gemacht. Selbst wenn eine Therapie der Beklagten also zugemutet und von ihr durchgeführt würde, wäre es sehr unwahrscheinlich, dass sich an der Härtesituation etwas ändern würde. Vor diesem Hintergrund wäre auch dann ein Wegfall der Umstände, auf Grund derer die Beendigung des Mietverhältnisses eine Härte bedeutet, ungewiss und nicht ansatzweise zeitlich prognostizierbar.

57bb) Der Ausspruch der Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit ist auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Berufungsgericht das im Rahmen der Entscheidung nach § 574a Abs. 2 Satz 2 BGB bestehende Ermessen (vgl. hierzu , NJW 2020, 1215 Rn. 42; vom - VIII ZR 180/18, BGHZ 222, 133 Rn. 69) nicht oder fehlerhaft ausgeübt und nicht beachtet hätte, dass im Regelfall die Fortsetzung des Mietverhältnisses nur auf bestimmte Zeit erfolgen soll (vgl. , aaO; vom - VIII ZR 180/18, aaO).

58(1) Entgegen der Auffassung der Revision ist der Formulierung des Berufungsgerichts, dass die Fortsetzung gemäß § 574a Abs. 2 Satz 2 BGB zu bestimmen "war", nicht zu entnehmen, dass das Berufungsgericht insoweit von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist und das ihm zukommende Ermessen verkannt hat. Vielmehr ist dies als Zusammenfassung der nachfolgenden Würdigung unter Einschluss der Ermessensausübung zu sehen. Denn das Berufungsgericht hat in dem nachfolgenden Satz darauf abgestellt, dass die Fortsetzung auf unbestimmte Zeit vom Gericht bestimmt werden "kann", und damit klargestellt, dass es nicht von einer gebundenen, sondern von einer in seinem Ermessen stehenden Entscheidung ausgegangen ist. Soweit die Revision meint, das Berufungsgericht habe zudem verkannt, dass die Verlängerung auf eine bestimmte Zeit der Regelfall sei, ist auch dies nicht zutreffend. Denn bereits das Amtsgericht hat hierauf hingewiesen und das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Amtsgerichts insoweit uneingeschränkt als zutreffend bestätigt, weshalb daraus, dass das Berufungsgericht dies nicht wiederholt hat, nicht darauf zu schließen ist, dass es diesen Umstand verkannt hat.

59(2) Auch im Ergebnis ist die Bejahung des Anspruchs auf Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit nicht ermessensfehlerhaft, sondern auf Grundlage der getroffenen Feststellungen folgerichtig. Denn auch wenn - worauf die Revision zutreffend hinweist - die Dauer der Zeit, während der der Kläger sein Eigentum nicht wie von ihm vorgesehen und gewünscht gemeinsam mit seinem Lebenspartner als Alterswohnsitz und mit Aufzuganschluss nutzen kann, ein entscheidender Faktor bei der Gewichtung dieses Umstands ist und die Schwere der Beeinträchtigung mit deren Dauer zunimmt, kann allein wegen des weiteren Zeitablaufs bei der unabsehbar, unvermindert und unbeherrschbar fortbestehenden erheblichen Suizidgefährdung der Beklagten im Falle eines Verlusts der Wohnung kein Zeitpunkt abgesehen werden, zu dem eine Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers ausgehen würde und eine weitere Fortsetzung des Mietverhältnisses abzulehnen wäre. Vor diesem Hintergrund stellt es auch unter Berücksichtigung der von der Revision vorgebrachten Belange des Klägers eine ermessensfehlerfreie Entscheidung dar, die Fortsetzung auf unbestimmte Zeit auszusprechen.

60Sofern sich die im Rahmen dieser Ermessensentscheidung berücksichtigten Umstände, etwa wegen einer unvorhergesehenen Besserung der Situation der Beklagten oder wegen einer Veränderung im Nutzungsbedarf des Klägers beziehungsweise der Dringlichkeit dieses Bedarfs, nachträglich wesentlich ändern sollten, käme eine erneute Kündigung in Betracht, bei der gemäß § 574c Abs. 2 Satz 2 BGB eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nur nach § 574 BGB unter Berücksichtigung und Würdigung der dann bestehenden, wesentlich veränderten Umstände zu berücksichtigen wären. Der Umstand, dass der Kläger bei einer Verlängerung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit auf dieses Vorgehen angewiesen ist, während bei einer Fortsetzung auf eine bestimmte Zeit das Mietverhältnis mit Ablauf dieser Zeit automatisch enden würde, ist die gesetzliche Folge der Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit und - entgegen der Auffassung der Revision - nicht ein im Rahmen der Abwägungsentscheidung zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigender Belang.

61Soweit das Berufungsgericht die Höhe der Miete auf 518 € festgesetzt hat, sind Rechtsfehler nicht zu erkennen und von der Revision auch nicht geltend gemacht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:261022UVIIIZR390.21.0

Fundstelle(n):
NJW 2022 S. 3782 Nr. 52
NJW 2022 S. 8 Nr. 51
NJW-RR 2023 S. 14 Nr. 1
NJW-RR 2023 S. 14 Nr. 1
IAAAJ-27047