Online-Nachricht - Donnerstag, 20.10.2022

Kindergeld | Erlöschen der Kindergeldansprüche infolge von Sozialleistungen und Erstattungsansprüchen des Jobcenters (BFH)

Musste das Jobcenter wegen unterlassener oder verzögerter Kindergeldzahlungen an den Kindergeldberechtigten höhere Leistungen erbringen, kann es gem. § 74 Abs. 2 EStG i. V. mit § 104 SGB X einen Erstattungsanspruch gegen die Familienkasse haben und können die Kindergeldansprüche des Berechtigten gem. § 74 Abs. 2 EStG i. V. mit § 107 SGB X als erfüllt gelten und gem. § 47 AO erloschen sein. Dies gilt nicht, wenn die Familienkasse das Kindergeld für den jeweiligen Monat im jeweiligen Monat ausgezahlt hat oder wenn die Familienkasse bereits selbst geleistet hat, bevor sie von der Leistung des Jobcenters Kenntnis erlangt hat (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: In der Sache ist streitig, ob die Kindergeldansprüche des Klägers gem. §§ 62 ff. EStG für die Zeit von Mai 2016 bis Mai 2017 wegen der Leistungen des Jobcenters und dessen diesbezüglicher Erstattungsansprüche gegen die Familienkasse gem. § 74 Abs. 2 EStG i. V. mit § 107 SGB X als erfüllt gelten und erloschen sind. Streitig ist auch, ob die Familienkasse dem Kläger das Kindergeld für die Monate Mai 2016 bis März 2017 mit Rechtsgrund gezahlt hat oder ob es der Kläger zurückzahlen muss und ob er für die Monate April und Mai 2017 im Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung noch unerfüllte Kindergeldansprüche hatte.

Das FG hat die Klage als begründet angesehen ().

Der BFH hat die Revision der Familienkasse als teilweise begründet angesehen:

  • Ein Abrechnungsbescheid gem. § 218 Abs. 1 und Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO, der von einem Erlöschen der Kindergeldansprüche gem. § 47 AO i. V. mit § 74 Abs. 2 EStG, § 107 Abs. 1 SGB X ausgeht, ist rechtmäßig, wenn das Jobcenter wegen seiner Leistungen gegenüber der Familienkasse einen Erstattungsanspruch gem. §§ 102 ff. SGB X hat.

  • Im Streitfall kommt als Anknüpfungstatbestand für die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X nur ein Erstattungsanspruch gem. § 74 Abs. 2 EStG i. V. mit § 104 Abs. 1 und 2 SGB X in Betracht.

  • Ein Erstattungsanspruch gem. § 74 Abs. 2 EStG i. V. mit § 104 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 SGB X setzt voraus, dass ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Leistungen erbracht hat, die er bei rechtzeitiger Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers nicht erbringen hätte müssen. Dabei darf der vorrangig verpflichtete Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet haben, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 104 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB X).

  • Die Familienkasse hat von der Leistung des Jobcenters Kenntnis erlangt, sobald die Information, ab wann das Jobcenter Leistungen erbringt und es deshalb "Erstattung" gem. §§ 102 ff. SGB X begehrt, in ihren Geschäftsgang gelangt ist; die Kenntnis des Sachbearbeiters ist nicht erforderlich.

  • Die Unkenntnis des Jobcenters von der Festsetzung und Zahlung des Kindergelds ist unerheblich; § 107 SGB X i. V. mit § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X stellt allein auf die rechtzeitige Erfüllung der Leistungsverpflichtung durch die Familienkasse ab.

Quelle: ; NWB Datenbank (RD)

Fundstelle(n):
EAAAJ-24491