BGH Beschluss v. - VI ZB 27/22

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrunds mit Bezugnahme auf eine nicht beigefügte eidesstattliche Versicherung

Leitsatz

An einer Glaubhaftmachung der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO fehlt es, wenn in dem Wiedereinsetzungsantrag auf eine eidesstattliche Versicherung Bezug genommen wird, deren Beifügung versäumt und auch auf gerichtlichen Hinweis hin nicht nachgeholt wird.

Gesetze: § 85 Abs 2 ZPO, § 236 Abs 2 S 1 ZPO, § 294 Abs 1 ZPO, § 520 ZPO

Instanzenzug: OLG Celle Az: 5 U 198/21 Beschlussvorgehend LG Verden Az: 8 O 4/21

Gründe

I.

1Die Beklagte hat gegen ein fristgerecht Berufung eingelegt. Nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum verlängert worden war, ist die Berufungsbegründung vom am beim Berufungsgericht eingegangen. Am hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu durch ihre Prozessbevollmächtigte ausführen lassen, dass und aufgrund welcher Vorgänge in der Rechtsanwaltskanzlei die Versendung der Berufungsbegründung vorab per Telefax am versehentlich an das Landgericht erfolgt sei. Sie hat zum Beweis auf die informatorische Anhörung der Prozessbevollmächtigten sowie auf eidesstattliche Versicherungen der Prozessbevollmächtigten und deren Mitarbeiter gemäß Anlagen A 1 bis A 3 verwiesen, die dem Antrag aber nicht beigefügt waren.

2Mit Schreiben vom hat das Berufungsgericht die Prozessbevollmächtigte der Beklagten darauf hingewiesen, dass die in Bezug genommenen Anlagen fehlten. Mit Beschluss vom hat es den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen seien nicht glaubhaft gemacht worden, weil die in dem Wiedereinsetzungsantrag in Bezug genommenen eidesstattlichen Versicherungen fehlten. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe in dem Wiedereinsetzungsantrag den Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung auch nicht anwaltlich versichert; ein einfacher Schriftsatz reiche für die Glaubhaftmachung nicht aus. Die angebotene Anhörung der Prozessbevollmächtigten sei gemäß § 294 Abs. 2 ZPO unstatthaft.

3Mit Schriftsatz vom hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten die im Wiedereinsetzungsantrag in Bezug genommenen eidesstattlichen Versicherungen nachgereicht.

4Gegen die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

5Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Insbesondere ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verletzt der angefochtene Beschluss nicht den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfG, NJW 2003, 281 mwN) und auf ein faires Verfahren.

6Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die den Wiedereinsetzungsantrag tragenden Tatsachen seien nicht glaubhaft gemacht worden, ist nicht zu beanstanden.

71. Gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO muss der Wiedereinsetzungsantrag die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Hierzu kann sich der Antragsteller gemäß § 294 ZPO aller präsenten Beweismittel und der Versicherung an Eides statt bedienen.

82. Vorliegend hat die Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Tatsachen, die nach ihrer Ansicht die Wiedereinsetzung begründen sollen, weder bei der Antragstellung noch im Wiedereinsetzungsverfahren, das mit dem zurückweisenden Beschluss des Berufungsgerichts vom abgeschlossen worden ist, glaubhaft gemacht.

9a) Aus dem Wiedereinsetzungsantrag ergibt sich, dass sich die Prozessbevollmächtigte der Beklagten zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags ihrer eigenen eidesstattlichen Versicherung sowie der eidesstattlichen Versicherungen ihrer Mitarbeiter bedienen wollte, die sie dem Antrag als Anlagen beifügen wollte. Eine Glaubhaftmachung durch anwaltliche Versicherung der Richtigkeit der Angaben eines Rechtsanwalts unter Bezugnahme auf seine Standespflichten, die - für die eigenen Wahrnehmungen des Rechtsanwalts - grundsätzlich genügen würde (vgl. , FamRZ 2017, 1704 Rn. 14 mwN), wurde dem eindeutigen Wortlaut des Antrags zufolge nicht angeboten. Der Umstand, dass die Prozessbevollmächtigte der Beklagten es versäumt hat, dem Antrag die eidesstattlichen Versicherungen beizufügen, erlaubt es nicht, in den Antrag eine anwaltliche Versicherung hineinzulesen. So stellt es schon keine Glaubhaftmachung der vorgetragenen Tatsachen dar, wenn ein Rechtsanwalt auf die "beiliegende" anwaltliche Versicherung Bezug nimmt, eine solche aber nicht beigefügt ist (vgl. , aaO Rn. 13). Dies gilt erst recht, wenn nicht auf eine anwaltliche Versicherung, sondern auf eidesstattliche Versicherungen Bezug genommen wird, deren Beifügung versäumt worden ist. Denn es fehlt dann schon ersichtlich an dem Willen, sich des Mittels der anwaltlichen Versicherung überhaupt zu bedienen. Hinzu kommt, dass sich allein dem Antrag Inhalt und Umfang der Versicherung nicht entnehmen lassen; die Richtigkeit welcher Tatsachen versichert werden soll, ließe sich erst der - nicht beigefügten - eidesstattlichen Versicherung entnehmen.

10Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Beklagtenvertreterin zusätzlich als "Beweis" ihre informatorische Anhörung angeboten hat, zumal es sich dabei, wie vom Berufungsgericht zutreffend angemerkt, um ein Mittel handelt, das für eine Glaubhaftmachung gemäß § 294 Abs. 2 ZPO unstatthaft ist.

11b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Berufungsgericht nicht gemäß § 139 ZPO verpflichtet, bei der Prozessbevollmächtigten der Beklagten nachzufragen, wie ihre Beweisangebote zu verstehen sind. In dem Antrag wurden neben der unstatthaften informatorischen Anhörung der Beklagtenvertreterin eindeutig eidesstattliche Versicherungen angeboten; an der Eindeutigkeit änderte sich nichts dadurch, dass diese Versicherungen nicht beigefügt waren.

12c) Der Hinweis des Berufungsgerichts vom , dass die im Wiedereinsetzungsantrag in Bezug genommenen Anlagen fehlten, war, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht "völlig nichtssagend", sondern geeignet und ausreichend, die Beklagtenvertreterin zur Nachreichung der Anlagen zu veranlassen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war das Berufungsgericht nicht gehalten, der Beklagtenvertreterin eine Frist zur Nachreichung der Anlagen zu setzen. Es genügte das Abwarten einer angemessenen Frist, innerhalb derer das Nachreichen der Anlagen erwartet werden konnte. Das Berufungsgericht hat einen Monat abgewartet, bevor es über das Wiedereinsetzungsgesuch entschieden hat, und damit der Beklagtenvertreterin zweifellos genügend Zeit zur Übersendung der eidesstattlichen Versicherungen eingeräumt.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:200922BVIZB27.22.0

Fundstelle(n):
NJW 2022 S. 9 Nr. 45
NJW-RR 2022 S. 1577 Nr. 22
AAAAJ-24316