BGH Urteil v. - VIa ZR 176/22

Gesetze: § 826 BGB, § 852 S 1 BGB

Instanzenzug: Az: 15 U 1388/21vorgehend LG Trier Az: 5 O 4/21

Tatbestand

1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen im Zusammenhang mit der Abgasrückführung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Die Klägerin erwarb von einem Händler ein Neufahrzeug vom Typ VW Beetle 2,0 l TDI zum Kaufpreis von 24.000 € mit einem Kilometerstand von 1 km bei Übergabe im Januar 2015. Es ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 ausgestattet. Die verwendete Motorsteuerungssoftware erkannte das Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und bewirkte für diesen Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb, wodurch die Grenzwerte für Stickoxidemissionen der Abgasnorm Euro 5 auf dem Prüfstand eingehalten werden konnten.

3Die Klägerin hat mit der im Jahr 2021 erhobenen Klage von der Beklagten Zahlung des von ihr an den Händler geleisteten Kaufpreises in Höhe von 24.000 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 6.259,94 € zuzüglich Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.041,60 € verlangt. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 16.247,67 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs und zur Zahlung weiterer Zinsen verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Dabei ist es von einer linearen Reduktion des Anspruchs der Klägerin wegen der Weiternutzung des Fahrzeugs ausgegangen und hat auf dieser Grundlage den Zinsanspruch der Klägerin berechnet. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die gegen ihre Verurteilung gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren auf Abänderung des landgerichtlichen Urteils und vollumfängliche Klageabweisung weiter.

Gründe

4Die unbeschränkt zugelassene (vgl. VIa ZR 8/21, WM 2022, 731 Rn. 16 ff., zur Veröffentlichung bestimmt in BGHZ; Urteil vom - VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 7) und auch im Übrigen zulässige Revision hat in der Hauptsache nur in Höhe von 3.225,45 € zuzüglich der ausgeurteilten Zinsen aus diesem Betrag und wegen der weiter ausgeurteilten Zinsen, soweit sie aus einem höheren Betrag als 13.780,06 € und für einen anderen Zeitraum als vom bis zum zugesprochen worden sind, Erfolg. Außerdem wendet sie sich erfolgreich gegen die Feststellung des Annahmeverzugs.

I.

5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:

6Nach der Verjährung des Schadensersatzanspruchs aus §§ 826, 31 BGB gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB ergebe sich ein Restschadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB mindestens in Höhe der vom Landgericht zuerkannten 16.247,67 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. § 852 Satz 1 BGB finde auf den Kauf eines Neuwagens von einem (Vertrags-)Händler Anwendung. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung habe nicht etwa der zwischengeschaltete (Vertrags-)Händler, sondern die Beklagte den von der Klägerin gezahlten Kaufpreis erlangt, lediglich reduziert um die Händlermarge. Da es sich bei § 852 Satz 1 BGB um eine Rechtsfolgenverweisung auf das Bereicherungsrecht handele, bleibe der deliktische Anspruch grundsätzlich bestehen und beschränke sich nur der Höhe nach auf das Erlangte. Infolgedessen sei zunächst die Höhe des verjährten Anspruchs aus § 826 BGB festzustellen und danach, was die Beklagte durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Geschädigten erlangt habe. Hier übersteige das von der Beklagten in Gestalt des Händlereinkaufspreises (Kaufpreis in Höhe von 24.000 € abzüglich Händlermarge in Höhe von 16,5 %, das sind 20.040 €) Erlangte den verjährten Schadensersatzanspruch der Klägerin von mindestens der vom Landgericht ausgeurteilten 16.247,67 €, sodass letzterer den Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB der Höhe nach begrenze und die Beklagte nur diesen Betrag zu zahlen habe.

II.

7Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

81. Der Zahlungsantrag ist in der Hauptsache entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nur in Höhe von 13.022,22 € Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs begründet.

9a) Mit Recht ist das Berufungsgericht zu dem Schluss gelangt, dass die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des von ihr für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs habe, dem die Beklagte allerdings die Einrede der Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB entgegenhalten könne (vgl. VIa ZR 8/21, WM 2022, 731 Rn. 24 ff., 29 ff.). Dies wird von den Parteien im Revisionsverfahren auch nicht in Zweifel gezogen.

10b) Weiter rechtsfehlerfrei ist die Entscheidung des Berufungsgerichts zur Frage der Anwendbarkeit des § 852 Satz 1 BGB und zur Bestimmung des nach § 852 Satz 1 BGB Erlangten; sie entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ( VIa ZR 8/21, WM 2022, 731; Urteil vom - VIa ZR 57/21, WM 2022, 742; Urteil vom - VIa ZR 275/21, WM 2022, 745; Urteil vom - VII ZR 422/21, WM 2022, 1743). Dass dem Neuwagenkauf der Klägerin bei dem Händler eine Bestellung des Fahrzeugs durch den Händler bei der Beklagten zugrunde liegt, hat die Revision im Hinblick auf die Revisionserwiderung und den Inhalt der Rechnung vom in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht mehr in Frage gestellt.

11c) Unzutreffend hat das Berufungsgericht jedoch die Anspruchshöhe berechnet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat die Beklagte nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB erlangt und herauszugeben den Händlereinkaufpreis, den das Berufungsgericht unbeanstandet in Höhe des vom Kläger entrichteten Kaufpreises abzüglich der Händlermarge - hier 20.040 € - ermittelt hat. Von diesem Händlereinkaufspreis ist nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung der Wert der von der Klägerin gezogenen Nutzungen in Abzug zu bringen, den das Berufungsgericht gemäß § 287 ZPO in Höhe von 7.017,78 € geschätzt hat. Der Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB besteht mithin in Höhe von 13.022,22 €. Insoweit schuldet die Beklagte Restschadensersatz wiederum nur Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs (vgl. VIa ZR 57/21, WM 2022, 742 Rn. 16).

122. Die Klägerin kann von der Beklagten erst ab dem Prozesszinsen aus anfänglich 13.780,06 € nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB verlangen, weil die Klage der Beklagten erst am zugestellt worden ist (vgl. , NJW-RR 1990, 518, 519; , BAGE 96, 228, 233). Die lineare Reduktion des zu verzinsenden Betrags bis auf 13.022,22 € auf der Grundlage einer unterstellt gleichmäßigen Nutzung des erworbenen Fahrzeugs stellt die Revision nicht in Frage.

133. Keinen Bestand hat die Feststellung des Annahmeverzugs durch das Berufungsgericht. Die Klägerin hat das landgerichtliche Urteil mit ihrem Antrag auf Zurückweisung der Berufung in voller der Verurteilung der Beklagten entsprechenden Höhe - mithin in Höhe von 16.247,67 € - verteidigt. Sie hat damit über 20 % mehr beansprucht, als ihr bei richtiger rechtlicher Betrachtung zusteht. Die Forderung eines nicht nur unerheblich höheren als des geschuldeten Betrags schließt ein ordnungsgemäßes Angebot der Zug um Zug zu erbringenden Leistung aus. Der für diese Beurteilung maßgebliche Zeitpunkt ist der Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz (, WM 2021, 1560 Rn. 16 f.).

III.

14Das Berufungsurteil ist in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Da die teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Der Tenor des Senatsurteils vom wird aufgrund eines offensichtlichen Schreibversehens gemäß § 319 ZPO dahin berichtigt, dass es im dritten Absatz der Entscheidungsformel statt

"an den Kläger"

richtig lautet:

"an die Klägerin".

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:120922UVIAZR176.22.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-24016