BVerwG Urteil v. - 9 A 13/21

Kosten der Streckenkontrollen an Bundesfernstraßen in den Jahren 2012 bis 2020

Leitsatz

1. Bund-Länder-Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO im ersten und letzten Rechtszug entscheidet, sind nur Streitigkeiten, die sich ihrem Gegenstand nach einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es der Sache nach um eine Abgrenzung der beiderseitigen Hoheitsbefugnisse für einen bestimmten Bereich geht oder die Finanzverantwortung für Ausgaben im Streit steht, die Bund und Ländern aus der Wahrnehmung ihrer Befugnisse erwachsen.

2. Zu den vom Bund im Bereich der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 104a Abs. 2 GG zu tragenden Zweckausgaben gehören Personalkosten und Kosten von Verwaltungseinrichtungen, soweit sie sich von den übrigen Kosten absondern lassen und der entsprechenden Sachaufgabe wegen eines unmittelbaren Zusammenhangs eindeutig zurechenbar sind.

3. Die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG ist nicht auf Maßnahmen zum Bau und zur Unterhaltung von Bundesfernstraßen beschränkt, sondern umfasst das gesamte Straßenrecht für die Bundesfernstraßen und schließt Regelungen über die Streckenkontrollen ein.

Gesetze: Art 74 Abs 1 Nr 22 GG, Art 85 Abs 1 S 1 GG, Art 85 Abs 3 S 1 GG, Art 90 Abs 3 GG, Art 104a Abs 1 GG, Art 104a Abs 2 GG, Art 104a Abs 3 S 1 GG, Art 104a Abs 3 S 2 GG, Art 104a Abs 5 S 1 GG, Art 143e Abs 1 S 1 GG, Art 90 Abs 2 GG vom , § 6 Abs 3 S 1 BABG, § 6 Abs 3 S 2 BABG, § 10a Abs 1 S 1 BABG, § 10a Abs 1 S 2 BABG, § 10a Abs 2 S 1 BABG, § 10a Abs 2 S 2 BABG, § 6 Abs 3 S 1 BABG vom , § 6 Abs 3 S 2 BABG vom , § 50 Abs 1 Nr 1 VwGO

Tatbestand

1Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 16 743 696,75 €.

2Bei diesem Betrag handelt es sich um einen Teilbetrag der Pauschale in Höhe von 5 % der Baukosten für Bundesautobahnen im Jahr 2020, mit der der Bund den Ländern nach § 10a Abs. 2 Satz 1 und 2 des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs (im Folgenden: FStrVermG) in der Fassung des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2237) im Jahr 2021 die Zweckausgaben abzugelten hat, die bis zum bei der Entwurfsbearbeitung für Bundesautobahnen entstanden sind (im Folgenden: Zweckausgabenpauschale). Diese Pauschale beträgt für den Kläger 38 379 725,37 €.

3Die Länder verwalteten bis zum sämtliche Bundesfernstraßen, also sowohl Bundesstraßen als auch die Bundesautobahnen, im Auftrag des Bundes. Um die laufende Instandhaltung und die Verkehrssicherheit der Bundesfernstraßen zu gewährleisten, führte der Kläger unter anderem Streckenkontrollen durch. Diese erfolgten insbesondere als regelmäßige Kontrollfahrten, bei denen die Bundesstraßen und Bundesautobahnen nach einem festgelegten Turnus durch Streckenwarte befahren und aus dem Fahrzeug heraus einer Sichtkontrolle unterzogen wurden. Soweit möglich, beseitigten die Streckenwarte festgestellte Mängel oder Gefahrenquellen im Rahmen der Kontrollfahrt selbst. Andernfalls sicherten sie etwaige Gefahrenstellen ab und veranlassten die erforderlichen Arbeiten.

4In seiner Mitteilung vom über die Prüfung des Aufwands für den Betriebsdienst an Bundesfernstraßen in Hessen in den Jahren 2003 bis 2008 beanstandete der Bundesrechnungshof, dass der Kläger gegen die grundgesetzliche Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern verstoßen habe, indem er die mit der Streckenkontrolle verbundenen Personal- und Sachkosten dem Bund angelastet habe. Diese Kosten seien als Verwaltungsausgaben nicht vom Bund, sondern vom Land zu tragen, weil es sich bei den Kontrolltätigkeiten der Streckenwarte um Verwaltungstätigkeiten handele. Daraufhin forderte das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung den Kläger auf, die dem Bund in den Jahren 2003 bis 2011 angelasteten Streckenkontrollkosten in Höhe von 8 780 300,28 € zu erstatten.

5Der Kläger wies die Erstattungsforderung zurück. In Übereinstimmung mit den übrigen Bundesländern vertrat er die Auffassung, dass es sich bei den Kosten der Streckenkontrolle nicht um Verwaltungsausgaben, sondern um vom Bund zu tragende Zweckausgaben handele.

6Nach längeren erfolglosen Bemühungen um eine Einigung mit den Ländern machte das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit Schreiben vom einen Anspruch auf Erstattung der dem Bund in den Jahren 2012 bis 2020 angelasteten Streckenkontrollkosten in Höhe von 16 743 696,75 € gegenüber dem Kläger geltend und rechnete damit gegen dessen Anspruch auf Zahlung der Zweckausgabenpauschale für das Jahr 2021 in Höhe von 38 379 725,37 € auf.

7Die übrigen Bundesländer erhielten vergleichbare Schreiben. Sie verständigten sich mit dem Kläger, gegen die Aufrechnung in einem durch das Land Hessen zu führenden Musterprozess vorzugehen. Im Juli 2021 schlossen Bund und Länder eine Vereinbarung, nach der sie eine in diesem Musterprozess ergehende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Frage, ob es sich bei den Kosten der Streckenkontrolle um Verwaltungs- oder Zweckausgaben handele, als verbindlich anerkennen.

8Am hat der Kläger beim Bundesverwaltungsgericht Klage erhoben und geltend gemacht: Der Beklagten stehe kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu, mit dem sie gegen die Zweckausgabenpauschale habe aufrechnen können. Bei den Kosten der Streckenkontrolle handele es sich nicht um Verwaltungs-, sondern um Zweckausgaben, die der Bund zu Recht getragen habe. Auch soweit die Streckenkontrolle der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht diene, sei sie Teil der Ausübung der Straßenbaulast. Die damit einhergehenden Personal- und Sachkosten seien daher der Erfüllung dieser Sachaufgabe zuzurechnen.

9Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 16 743 696,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 8 371 848,38 € ab , aus 12 557 772,56 € ab und aus 16 743 696,75 € ab zu zahlen.

10Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11Sie führt im Wesentlichen aus: Die Klageforderung sei durch die Aufrechnung erloschen. Dem Bund seien die Streckenkontrollkosten zu Unrecht angelastet worden. Sie gehörten nicht zu den Zweck-, sondern zu den Verwaltungsausgaben. Die Streckenkontrolle sei keine mit der Unterhaltung zusammenhängende Aufgabe der Straßenbaulast. Kontrolltätigkeiten könnten keine Zweckausgaben auslösen. Dies verdeutliche § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG. Die Kosten der Bauaufsicht seien als Sonderfall einer Kontrolltätigkeit überwiegend Verwaltungsausgaben. Das Bundesverwaltungsgericht habe dieser Regelung eine gesetzgeberische Grundentscheidung entnommen, die zur Lösung ähnlicher Problematiken herangezogen werden könne. Zweckausgaben seien nur die unmittelbar durch die Erfüllung der eigentlichen Sachaufgabe verursachten Kosten. Der Aufgabenerfüllung lediglich mittelbar zurechenbare Kosten seien hingegen Verwaltungsausgaben. Art. 104a Abs. 3 Satz 1 GG zeige, dass nur die zu gewährenden Geldleistungen als Zweckausgaben vom Bund zu tragen seien, während die Kosten der Ermittlung der Leistungshöhe als Verwaltungsausgaben den Ländern zur Last fielen. Die Streckenkontrolle erfülle die den Ländern als originäre Landesaufgabe obliegende Verkehrssicherungspflicht, die nicht unmittelbar der Unterhaltung der Straße diene. Die Streckenkontrollkosten seien daher Verwaltungsausgaben. Sie seien aber auch dann nicht vom Bund zu tragen, wenn es sich dabei um Zweckausgaben handele. Denn der Bund habe für die Streckenkontrolle keine Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG, weil diese auf den Bau und die Unterhaltung der Bundesfernstraßen beschränkt sei. Da die Bundesauftragsverwaltung nicht weiter reiche als die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, habe dieser auch nicht das für seine Finanzverantwortung erforderliche Weisungsrecht nach Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG.

12Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich nicht an dem Verfahren beteiligt.

Gründe

13Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig (1) und begründet (2).

141. Die Klage ist zulässig. Insbesondere sind der Verwaltungsrechtsweg (a) und die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts (b) eröffnet.

15a) Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeben. Die öffentlich-rechtliche Streitigkeit ist nichtverfassungsrechtlicher Art.

16Verfassungsrechtlicher Art ist ein Rechtsstreit, wenn der geltend gemachte Anspruch in einem Rechtsverhältnis wurzelt, das maßgeblich durch Verfassungsrecht geprägt ist. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn um föderale Ansprüche, Verbindlichkeiten oder Zuständigkeiten gestritten wird, die auf Normen des Grundgesetzes gestützt werden, die gerade das verfassungsrechtlich geordnete Verhältnis zwischen Bund und Ländern betreffen. Da Bund und Länder im Bundesstaat stets in einem verfassungsrechtlichen Verhältnis zueinander stehen, ist für den Rechtsweg maßgeblich, ob der Klageanspruch seine Grundlage im verfassungsrechtlichen Grundverhältnis oder in einem engeren Rechtsverhältnis hat, das durch Normen des einfachen Rechts geprägt wird. Ist das Rechtsverhältnis zwischen Bund und Land einfachgesetzlich näher ausgestaltet, behält es diesen Charakter auch dann, wenn der Ausgang des Rechtsstreits maßgeblich von der Anwendung und Auslegung von Verfassungsnormen abhängig ist ( 9 A 16.15 - Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 28 Rn. 18 und 20 m. w. N.).

17Dies zugrunde gelegt, ist die Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Zwar geht der Klageanspruch auf Art. 104a Abs. 2 GG zurück, der die föderale Lastenverteilung im Bereich der Bundesauftragsverwaltung regelt und nach dem der Bund die Ausgaben trägt, die sich aus dem Handeln der Länder im Auftrag des Bundes ergeben. Unmittelbar gestützt ist er aber auf § 10a Abs. 2 FStrVermG, der die verfassungsrechtliche Lastenverteilung einfachgesetzlich näher ausgestaltet. Denn der Bund hat danach den Ländern Zweckausgaben, die bei der Entwurfsbearbeitung für Bundesautobahnen bis zum entstanden sind, in den Jahren 2021 bis 2023 durch die Zahlung von Pauschalen abzugelten.

18b) Das Bundesverwaltungsgericht ist für den Rechtsstreit nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zuständig.

19Nach dieser Regelung entscheidet es über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern im ersten und letzten Rechtszug. Im Hinblick auf den Regelungszweck, von den sonst geltenden Zuständigkeitsregeln nur bestimmte, in ihrer Eigenart gerade durch die Beziehungen zwischen dem Bund und einem Land geprägte Streitigkeiten auszunehmen und dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung zuzuweisen, gilt dies allerdings nur für Bund-Länder-Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, die sich ihrem Gegenstand nach einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten entziehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es der Sache nach um eine Abgrenzung der beiderseitigen Hoheitsbefugnisse für einen bestimmten Bereich geht (stRspr, vgl. etwa 4 A 1.75 - Buchholz 310 § 50 VwGO Nr. 6 und vom - 3 A 2.05 - BVerwGE 128, 99 Rn. 18).

20Eine Bund-Länder-Streitigkeit entzieht sich einem Vergleich mit den landläufigen Verwaltungsstreitigkeiten aber auch dann, wenn nicht die Abgrenzung von Hoheitsbefugnissen, sondern die Finanzverantwortung für die Ausgaben im Streit steht, die Bund und Ländern aus der Wahrnehmung ihrer Befugnisse erwachsen (vgl. zu einem nur der Höhe nach streitigen Anspruch auf Erstattung von Zweckausgaben 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 10). Auch in solchen Fällen ist die Streitigkeit gerade durch die Beziehung zwischen dem Bund und einem Land geprägt.

21Danach ist das Bundesverwaltungsgericht für den Rechtsstreit in erster und letzter Instanz zuständig. Denn der Streit über den Anspruch auf Zahlung der Zweckausgabenpauschale für 2021 betrifft die Frage der Finanzverantwortung des Bundes für die Ausgaben, die dem klagenden Land bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben entstanden sind.

222. Die Klage ist auch in vollem Umfang begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch in Höhe von 16 743 696,75 € zu (a). Der Anspruch ist nicht durch Aufrechnung erloschen (b). Die Beklagte ist außerdem zur Zahlung der beantragten Zinsen verpflichtet (c).

23a) Der Kläger hat nach § 10a Abs. 2 Satz 1 und 2 FStrVermG gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung von 16 743 696,75 €.

24Gemäß § 10a Abs. 2 Satz 1 FStrVermG hat der Bund den Ländern Zweckausgaben, die bei der Entwurfsbearbeitung für Bundesautobahnen bis zum entstanden sind, in den Jahren 2021 bis 2023 jeweils durch Zahlung einer Pauschale abzugelten. Im Jahr 2021 beträgt die Höhe dieser Pauschale nach § 10a Abs. 2 Satz 2 FStrVermG 5 % der Baukosten für Bundesautobahnen im Jahr 2020.

25Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass sich danach für 2021 eine Pauschale von 38 379 725,37 € errechnet. Dem Kläger steht diese Pauschale auch in Höhe des Teilbetrags von 16 743 696,75 € zu, den die Beklagte im Hinblick auf ihre Aufrechnungserklärung vom bisher nicht gezahlt hat.

26b) Der Anspruch des Klägers nach § 10a Abs. 2 Satz 1 und 2 FStrVermG ist durch die Aufrechnung der Beklagten nicht in entsprechender Anwendung von § 389 BGB erloschen.

27Zwar sind die Regelungen der §§ 387 ff. BGB über die Aufrechnung auch im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar ( 3 C 6.82 - BVerwGE 66, 218 <221>). Die Beklagte hat jedoch keine Forderung, die sie in entsprechender Anwendung von § 387 BGB gegen den Anspruch nach § 10a Abs. 2 Satz 1 und 2 FStrVermG hätte aufrechnen können. Der behauptete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Höhe von 16 743 696,75 € besteht nicht.

28Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist ein gewohnheitsrechtlich anerkanntes, eigenständiges und aus Grundsätzen des Verwaltungsrechts, insbesondere der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Forderung nach wiederherstellender Gerechtigkeit abgeleitetes Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts. Er ist darauf gerichtet, Leistungen ohne Rechtsgrund oder sonstige rechtsgrundlose oder dem materiellen Recht nicht entsprechende Vermögensverschiebungen rückgängig zu machen. Seine Anspruchsvoraussetzungen entsprechen denen des in den §§ 812 ff. BGB geregelten Bereicherungsanspruchs ( 7 C 48.82 - BVerwGE 71, 85 <87 f.> und vom - 5 C 25.07 - BVerwGE 131, 153 Rn. 13; Beschluss vom - 9 B 9.07 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 27 Rn. 7).

29Danach hat die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung der ihr vom Kläger angelasteten Kosten der in Hessen in den Jahren 2012 bis 2020 durchgeführten Streckenkontrollen an Bundesfernstraßen. Denn sie hat diese von ihr auf 16 743 696,75 € bezifferten Kosten nicht ohne Rechtsgrund getragen.

30aa) Die Kostentragung durch den Bund findet ihre verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 104a Abs. 2 GG. Einfachgesetzlich beruhte sie in den Jahren 2012 bis 2017 für alle Bundesfernstraßen auf § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG in der bis zum geltenden Fassung des Gesetzes vom (BGBl. I S. 1426; im Folgenden: a. F.), in den Jahren 2018 bis 2020 auf § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG in der Fassung des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2237; im Folgenden: n. F.) für die Bundesstraßen und auf § 10a Abs. 1 Satz 1 FStrVermG für die Bundesautobahnen.

31In den Jahren 2012 bis 2020 verwalteten die Länder die Bundesfernstraßen zunächst nach Art. 90 Abs. 2 GG in der bis gültigen Fassung (im Folgenden: a. F.) und später nach Art. 90 Abs. 2 GG a. F. i. V. m. Art. 143e Abs. 1 Satz 1 GG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom (BGBl. I S. 2347) und Art. 90 Abs. 3 GG in der Fassung dieses Gesetzes (im Folgenden: n. F.) im Auftrag des Bundes (Bundesauftragsverwaltung), sodass nach Art. 104a Abs. 2 GG der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben als sogenannte Zweckausgaben (vgl. etwa 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 11) zu tragen hatte. Die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben hatten die Länder nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG hingegen selbst zu tragen.

32Einfachgesetzlich hatte der Bund nach § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG a. F. bis die Zweckausgaben aus der Wahrnehmung der Straßenbaulast und die Zweckausgaben im Zusammenhang mit der Erhaltung und Bewirtschaftung des bundeseigenen Vermögens für alle Bundesfernstraßen zu tragen. Vom bis zum hatte er diese Zweckausgaben für die Bundesstraßen nach § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG n. F. und für die Bundesautobahnen nach § 10a Abs. 1 Satz 1 FStrVermG zu tragen.

33bb) Dies zugrunde gelegt, hat der Bund die Kosten der Streckenkontrolle nicht rechtsgrundlos getragen. Denn es handelte sich bei diesen Kosten in den Jahren 2012 bis 2020 nicht um Verwaltungs-, sondern um Zweckausgaben, die nach Art. 104a Abs. 2 GG, § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG a. F., § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG n. F. und § 10a Abs. 1 Satz 1 FStrVermG vom Bund zu tragen waren.

34(1) Verwaltungsausgaben, die nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG den Ländern zur Last fallen, sind Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb des Verwaltungsapparats, also die Kosten des Verwaltungspersonals und die Kosten der Verwaltungseinrichtungen wie die Ausgaben für Dienstgebäude, Geräte, Fahrzeuge, Nachrichtenmittel und Geschäftsbedürfnisse, die die Tätigkeit der Verwaltung ermöglichen (BT-Drs. V/2861 S. 31 Nr. 122 und S. 52 Nr. 301). Zweckausgaben sind hingegen diejenigen Ausgaben, die bei der Verwirklichung des Verwaltungszwecks entstehen und durch die Erfüllung der eigentlichen Sachaufgabe im Auftrag des Bundes verursacht werden ( 3 A 2.95 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 5 S. 2).

35Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erfassen Zweckausgaben nicht nur die zweckgebundenen sächlichen Kosten, sondern auch personelle Kosten, die durch die Erfüllung der Sachaufgabe hervorgerufen werden, weil deren Zweck nicht ohne Einsatz von Personal erreicht werden kann. Personalkosten unterfallen den Zweckausgaben dabei, soweit sie sich von den übrigen Kosten absondern lassen und der entsprechenden, im Auftrag des Bundes zu erfüllenden und daher in dessen Verantwortungsbereich fallenden Sachaufgabe eindeutig zurechenbar sind ( 3 A 2.95 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 5 S. 2 f., vom - 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 11 und vom - 7 A 8.09 - juris Rn. 19). Dies ist der Fall, wenn die Personalausgaben in unmittelbarem Zusammenhang mit der übertragenen Aufgabe stehen ( 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 12). Ebenso können unter diesen Voraussetzungen Kosten der Verwaltungseinrichtungen, wie etwa die Ausgaben für Dienstfahrzeuge, die durch die Erfüllung der Sachaufgabe hervorgerufen werden, Zweckausgaben sein, weil der Aufgabenzweck ohne die Nutzung solcher Einrichtungen nicht erreicht werden kann. Dies entspricht dem Sinn und Zweck von Art. 104a Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 GG.

36Art. 104a Abs. 2 GG soll gewährleisten, dass der Bund, dessen Weisungen die Länder nach Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG im Bereich der Bundesauftragsverwaltung unterliegen und den deshalb die letzte Verwaltungsverantwortung für die in seinem Auftrag wahrzunehmenden Aufgaben trifft, dieser Letztverantwortung entsprechend die Sachausgaben trägt, die mit der Erfüllung der von seiner Weisungsbefugnis erfassten Aufgaben verbunden sind (vgl. BT-Drs. V/2861 S. 30 Nr. 116). Demgegenüber bezweckt Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG, den Ländern die mit der Einrichtung und Ausstattung der Behörden verbundenen Ausgaben im Hinblick darauf aufzuerlegen, dass nach Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GG die Einrichtung der Behörden grundsätzlich Angelegenheit der Länder bleibt und diese deshalb für die Einrichtung und Ausstattung der Behörden verantwortlich sind (vgl. BT-Drs. V/2861 S. 31 Nr. 122).

37Kosten für Dienstkräfte und Verwaltungseinrichtungen, die bei der Wahrnehmung einer bestimmten Sachaufgabe im Auftrag des Bundes in Anspruch genommen werden, können danach sowohl Zweck- als auch Verwaltungsausgaben sein. Dass solche Ausgaben Zweckausgaben sind, soweit sie sich von den übrigen Kosten absondern lassen und der entsprechenden, im Auftrag des Bundes zu erfüllenden und daher in dessen Verantwortungsbereich fallenden Sachaufgabe eindeutig zurechenbar sind, entspricht dabei dem Sinn und Zweck von Art. 104a Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 GG gleichermaßen. Die erforderliche Abgrenzung von Zweck- und Verwaltungsausgaben erfolgt in einer Weise, die dem Regelungsziel beider Verfassungsbestimmungen so weit wie möglich Rechnung trägt. Zum einen ist gewährleistet, dass Ausgaben, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Aufgaben stehen, deren Erfüllung der Bund kraft seiner Weisungsbefugnis maßgeblich beeinflussen kann und für die ihn daher die Letztverantwortung trifft, nach Art. 104a Abs. 2 GG vom Bund getragen werden (vgl. Wulfhorst, DÖV 2021, 578 <581>). Zum anderen wird sichergestellt, dass die Kosten des Verwaltungspersonals und der Verwaltungseinrichtungen, soweit sie keiner im Auftrag des Bundes zu erfüllenden Sachaufgabe eindeutig zurechenbar sind, nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG den für die Einrichtung und Ausstattung der Behörden verantwortlichen Ländern zur Last fallen. Soweit das Bundesverwaltungsgericht Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG als gegenüber Art. 104a Abs. 2 GG spezielle Regelung bezeichnet ( 4 C 1.93 - BVerwGE 95, 188 <195> und vom - 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 11), betrifft dies daher nur diejenigen Kosten des Verwaltungsapparats, die sich keiner Sachaufgabe eindeutig zurechnen lassen. Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG verdrängt hingegen Art. 104a Abs. 2 GG nicht generell (vgl. dazu auch Wulfhorst, DÖV 2021, 578 <581>).

38(2) Auf dieser Grundlage stellten sich die Kosten der Streckenkontrollen in den Jahren 2012 bis 2020, die die Personalkosten für die kontrollierenden Streckenwarte und die Kosten der eingesetzten Fahrzeuge beinhalteten, als vom Bund zu tragende Zweckausgaben dar.

39(a) Die Streckenkontrollen waren eine im Auftrag des Bundes zu erfüllende Sachaufgabe. Dies gilt sowohl, soweit damit die Straßenbaulast wahrgenommen wurde (aa), als auch, soweit dadurch die Straßenverkehrssicherungspflicht erfüllt werden sollte (bb).

40(aa) Die Streckenkontrollen gehörten zu den Aufgaben der nach § 5 Abs. 1 Satz 1 FStrG dem Bund obliegenden Straßenbaulast für die Bundesfernstraßen, die die Länder in den Jahren 2012 bis 2020 im Rahmen der Verwaltung dieser Straßen nach Art. 90 Abs. 2 GG a. F. sowie Art. 90 Abs. 2 GG a. F. i. V. m. Art. 143e Abs. 1 GG und Art. 90 Abs. 3 GG n. F. im Auftrag des Bundes wahrgenommen haben. Die Straßenbaulast umfasst nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FStrG alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben.

41Die Streckenkontrollfahrten selbst waren zwar keine Unterhaltungsmaßnahme, da sie nicht physisch-real auf die Straße einwirken; sie stellten jedoch eine mit der Unterhaltung zusammenhängende Aufgabe im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 FStrG dar, die als von der Straßenbaulast umfasste Aufgabe im Auftrag des Bundes zu erfüllen war.

42Im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 FStrG hängen mit der Unterhaltung alle Aufgaben zusammen, die erfüllt werden müssen, damit die Straße in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand unterhalten werden kann, wie § 3 Abs. 1 Satz 2 FStrG dies vorsieht (Witting, in: Müller/Schulz, FStrG, 3. Aufl. 2022, § 3 Rn. 6; Grupp, in: Marschall, FStrG, 6. Aufl. 2012, § 3 Rn. 2).

43Danach stellten die Streckenkontrollen, deren Zweck unter anderem darin bestand, bauliche Mängel der Straße festzustellen und dadurch ihre Behebung zu ermöglichen, eine mit der Unterhaltung der Bundesfernstraßen zusammenhängende Aufgabe dar. Erst ihre regelmäßige Durchführung gewährleistete, dass die zur Mängelbeseitigung erforderlichen Unterhaltungsmaßnahmen durchgeführt und die Bundesfernstraßen in einem den Verkehrsanforderungen entsprechenden Zustand erhalten werden konnten.

44(bb) Auch soweit sie der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht dienten, stellten die Streckenkontrollen in den Jahren 2012 bis 2020 eine von den Ländern im Auftrag des Bundes zu erfüllende Sachaufgabe dar.

45(aaa) Die - weit auszulegende - Verkehrssicherungspflicht folgt aus dem allgemeinen, aus den §§ 823 und 836 BGB abgeleiteten Rechtsgrundsatz, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, diejenigen ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind. Die Straßenverkehrssicherungspflicht als Unterfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht ergibt sich daraus, dass von der Straße durch die Zulassung des öffentlichen Verkehrs Gefahren ausgehen können. Sie gebietet es, die öffentlichen Verkehrsflächen und alle sonstigen einem öffentlichen Verkehr eröffneten Räume und Sachen möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten und im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand der Verkehrsflächen drohen ( - BGHZ 60, 54 <55 f.>). Dazu ist eine regelmäßige Überprüfung der Straßen notwendig, um neu entstehende Schäden oder Gefahren zu erkennen und die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Der Pflichtige muss daher die Straßen regelmäßig beobachten und in angemessenen Zeitabschnitten befahren oder begehen ( - NJW 1965, 815).

46(bbb) Bei den Streckenkontrollen in den Jahren 2012 bis 2020 handelte es sich, auch soweit sie der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht dienten, um eine im Auftrag des Bundes zu erfüllende Sachaufgabe. Denn die Streckenkontrollen waren auch insoweit Teil der Verwaltung der Bundesfernstraßen, die durch die Länder im Auftrag des Bundes erfolgte.

47Zwar traf die Straßenverkehrssicherungspflicht für die Bundesfernstraßen ebenso wie die sich aus ihrer Verletzung ergebende Haftungsfolge in den Jahren 2012 bis 2020 grundsätzlich die Länder. Dies beruhte jedoch allein darauf, dass die Länder die Bundesfernstraßen im Auftrag des Bundes verwalteten und die Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht deshalb zu den im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung von den Ländern zu erfüllenden Aufgaben gehörte (vgl. - BGHZ 16, 95 <97 f.>). Die Frage der Haftung der Länder ist jedoch von der Verteilung der finanziellen Pflichten zu unterscheiden.

48(ccc) Offenbleiben kann danach, ob es sich bei den Streckenkontrollen, auch soweit sie der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht dienten, um eine Bewirtschaftung des bundeseigenen Vermögens für die Bundesfernstraßen handelte, deren Zweckausgaben vom Bund nach § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG a. F., § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG n. F. und § 10a Abs. 1 Satz 1 FStrVermG zu tragen gewesen wären. Denn da die Länder auch bei der Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht im Auftrag des Bundes handelten, waren die Zweckausgaben der Streckenkontrollen unabhängig davon nach Art. 104a Abs. 2 GG vom Bund zu tragen.

49(b) Die Personalkosten der eingesetzten Streckenwarte und die Sachkosten der für die Kontrollfahrten genutzten Fahrzeuge stellten auch Zweckausgaben dar.

50Sie waren der Sachaufgabe der Streckenkontrollen eindeutig zurechenbar, weil die Streckenkontrollen ohne die Streckenwarte und die eingesetzten Fahrzeuge nicht hätten durchgeführt werden können.

51Die Streckenkontrollkosten ließen sich auch von den übrigen Kosten absondern.

52Der jeweilige Bundeshaushalt enthielt für den Betriebsdienst an Bundesfernstraßen Titel zu Ausgaben für eingesetztes Betriebspersonal der Auftragsverwaltung (Titel 521 13 und 521 23) und zu Fahrzeugen, Geräten und Maschinen (Titel 521 14 und 521 24), auf deren Grundlage der Kläger die entsprechenden Mittel für die Streckenkontrolle innerhalb des festgelegten Verfügungsrahmens abrufen konnte. Die mit den Streckenkontrollen einhergehenden Personal- und Fahrzeugkosten hätten außerdem auf der Grundlage einer Erfassung der Dauer der Streckenkontrollen und der gefahrenen Kilometer ermittelt und von den übrigen Kosten abgegrenzt werden können. Eine Unterscheidung zwischen den reinen Kontrollkosten und den Kosten der im Verlauf der Kontrollfahrten vorgenommenen Wartungstätigkeiten war dabei allerdings entbehrlich, weil diese Wartungsarbeiten Unterhaltungs- oder Verkehrssicherungsmaßnahmen darstellten, deren Kosten ebenfalls als Zweckausgaben aus der Straßenbaulast nach § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG a. F., § 6 Abs. 3 Satz 1 FStrVermG n. F. und § 10a Abs. 1 Satz 1 FStrVermG oder aus der Verwaltung der Bundesfernstraßen im Bundesauftrag nach Art. 104a Abs. 2 GG vom Bund zu tragen waren.

53(3) Die Einwände der Beklagten gegen eine Belastung des Bundes mit den Kosten der Streckenkontrolle greifen nicht durch.

54(a) Aus § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG a. F., § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG n. F. und § 10a Abs. 1 Satz 2 FStrVermG, wonach der Bund den Ländern die Zweckausgaben, die bei der Entwurfsbearbeitung und der Bauaufsicht entstehen, durch eine Pauschale abgilt, lässt sich nicht folgern, dass die Kosten von Kontrolltätigkeiten wie Bauaufsicht und Streckenkontrolle anders als die Kosten der Bauausführung sowie der Streckenwartung und -unterhaltung keine Zweckausgaben sein können, sondern als Verwaltungsausgaben stets von den Ländern zu tragen sind.

55Bereits der Wortlaut der genannten Normen enthält für eine grundsätzliche Trennung zwischen Kontrolle und Ausführung keinen Anhaltspunkt. Er zeigt vielmehr, dass auch die Kosten der Bauaufsicht als Kontrolltätigkeit Zweckausgaben enthalten, die in Form einer Pauschale vom Bund abzugelten sind. Dies entspricht der Gesetzesbegründung zu Art. 3 des Finanzanpassungsgesetzes (im Folgenden: FAnpG), auf den § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG a. F. zurückgeht. Denn danach entstehen bei der Bauaufsicht für den Neubau von Bundesfernstraßen Kosten, die jedenfalls zu einem gewissen Teil als Zweckausgaben anzusehen sind (BT-Drs. VI/1771 S. 16).

56Als spezielle Regelungen zur pauschalen Abgeltung der bei der Entwurfsbearbeitung und Bauaufsicht entstehenden Zweckausgaben enthalten § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG a. F., § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG n. F. und § 10a Abs. 1 Satz 2 FStrVermG außerdem keine gesetzgeberische Grundentscheidung zur Abgrenzung von Zweck- und Verwaltungsausgaben, die Kontrollkosten stets den Verwaltungsausgaben zuordnet. Eine solche Grundentscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht auch nicht in seinem Urteil vom - 3 A 2.95 - (Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 5) angenommen. Vielmehr hat es dort gerade die Personalkosten, die mit der Überwachung eines Kampfmittelräumeinsatzes, also einer Kontrolltätigkeit, verbunden waren, in Anlehnung an Art. 3 FAnpG bzw. § 6 Abs. 3 Satz 2 FStrVermG a. F. den Zweckausgaben zugerechnet.

57Soweit nach der Gesetzesbegründung und der Ansicht der Bundesregierung zu Art. 3 FAnpG Ausgaben für Personal und Sachmittel, die in den Behörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben vorgehalten werden, als Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb des Verwaltungsapparats unabhängig davon Verwaltungsausgaben sind, ob sie durch die Erfüllung der eigentlichen Sachaufgabe verursacht würden (vgl. BT-Drs. VI/1771 S. 15), sodass Personalkosten der Länder durch den Bund nach Art. 104a Abs. 2 GG nicht erstattet werden können (BT-Drs. VI/1771 S. 37), hat dies im Wortlaut von § 6 Abs. 3 FStrVermG a. F. ebenso wenig seinen Niederschlag gefunden wie in § 6 Abs. 3 FStrVermG n. F. und § 10a Abs. 1 FStrVermG. Dies ist außerdem verfassungsrechtlich unzutreffend und durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ( 3 A 2.95 - Buchholz 11 Art. 120 GG Nr. 5 S. 2 f., vom - 7 A 2.07 - Buchholz 451.171 § 9a AtG Nr. 2 Rn. 11 f. und vom - 7 A 8.09 - juris Rn. 19) überholt, die, wie ausgeführt, gerade hinsichtlich der Personalkosten die Zweck- und Verwaltungsausgaben im Einklang mit dem Sinn und Zweck von Art. 104a Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 GG voneinander abgrenzt.

58(b) Nach Art. 104a Abs. 3 Satz 1 GG können von den Ländern ausgeführte Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren, bestimmen, dass die Geldleistungen ganz oder teilweise vom Bund getragen werden. Bestimmt ein solches Gesetz, dass der Bund die Hälfte der Ausgaben oder mehr trägt, wird es nach Art. 104a Abs. 3 Satz 2 GG im Auftrag des Bundes durchgeführt. Auch diese Regelung schließt es nicht aus, die Kosten der Streckenkontrollen als Zweckausgaben einzuordnen. Denn Art. 104a Abs. 3 Satz 1 und 2 GG ist eine spezielle Regelung für Geldleistungsgesetze (vgl. Kment, in: Jarass/Pieroth, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 104a Rn. 12; Siekmann, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 104a Rn. 35), die keine Vorgabe für die Abgrenzung von Zweck- und Verwaltungsausgaben in sonstigen Fällen der Bundesauftragsverwaltung enthält.

59(c) Die Kosten der Streckenkontrolle waren auch nicht nach Art. 104a Abs. 1 GG von den Ländern zu tragen.

60Die allgemeine Lastenverteilungsregelung des Art. 104a Abs. 1 GG, nach der Bund und Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, kam nicht zur Anwendung. Abweichend davon hatte der Bund, wie ausgeführt, nach Art. 104a Abs. 2 GG und den ihn näher ausgestaltenden einfachrechtlichen Bestimmungen die Streckenkontrollkosten als Zweckausgaben zu tragen, die sich aus der Verwaltung der Bundesfernstraßen und insbesondere der Wahrnehmung der Straßenbaulast im Auftrag des Bundes ergaben. Entgegen der Ansicht der Beklagten verfügte der Bund auch über die für ein Handeln im Bundesauftrag nach Art. 104a Abs. 2 GG erforderliche Gesetzgebungskompetenz (aa) und Weisungsbefugnis (bb).

61(aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes die äußerste Grenze für seine Verwaltungstätigkeit dar ( - BVerfGE 12, 205 <229>), so dass in den Jahren 2012 bis 2020 die Bundesauftragsverwaltung nach Art. 90 Abs. 2 GG a. F., Art. 90 Abs. 2 GG a. F. i. V. m. Art. 143e Abs. 1 Satz 1 GG oder Art. 90 Abs. 3 GG n. F. nicht weiter reichte als die damit korrespondierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes für den Bau und die Unterhaltung von Landstraßen für den Fernverkehr nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG (vgl. - BVerfGE 102, 167 <174> zu Art. 90 Abs. 2 GG a. F.). Die Streckenkontrolle war von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG umfasst.

62(aaa) Die Begriffe "Bau" und "Unterhaltung" im Sinne dieser Verfassungsbestimmung beschränken sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht auf die eigentlichen physisch-gestaltenden Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen zur Herstellung, Instandhaltung und Instandsetzung der Bundesfernstraßen. Die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG erstreckt sich vielmehr insbesondere auch auf Regelungen über die Planfeststellung (vgl. - BVerfGE 26, 338 <377>), den Gemeingebrauch und die Sondernutzung, die Bestimmung des Trägers der Straßenbaulast, die Festlegung seiner Aufgaben und die Straßenaufsicht ( 7 C 77.68 - BVerwGE 35, 326 <328>). Sie umfasst letztlich neben Regelungen zu allen baulichen und sonstigen Maßnahmen von der Planung bis zur Kostentragung (Seiler, in: Epping/Hillgruber, GG, Stand , Art. 74 Rn. 84) das gesamte Straßenrecht für die Bundesfernstraßen (Degenhart, in: Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 74 Rn. 97) und ermächtigt auch zu Regelungen über die Streckenkontrolle. Dies gilt unabhängig davon, ob diese der Feststellung und Behebung baulicher Mängel oder der Wahrnehmung der Verkehrssicherungspflicht im Übrigen dient.

63Bei dem gebotenen weiten Verständnis seines Wortlauts lässt Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG alle Regelungen zu, die für den Bau und die Unterhaltung der Bundesfernstraßen erforderlich sind. Geregelt werden kann neben den notwendigen Planungen und Zulassungsentscheidungen auch eine Überwachung der Straße, die wie die Streckenkontrolle darauf abzielt, die Notwendigkeit von Unterhaltungsmaßnahmen zu erkennen. Unter "Unterhaltung" lässt sich bei weitem Sprachgebrauch zudem die durch die Straßenverkehrssicherungspflicht gebotene Beseitigung von Verschmutzungen oder Hindernissen einschließlich der sie erst ermöglichenden Straßenüberwachung verstehen, wie sie im Rahmen der Streckenkontrolle erfolgt.

64Ein solches Verständnis entspricht auch dem Sinn und Zweck von Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG, Regelungen für die Schaffung und Aufrechterhaltung eines zusammenhängenden Verkehrsnetzes zu ermöglichen, das einem weiträumigen Verkehr in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand dauerhaft zur Verfügung steht (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 1 Satz 2 FStrG). Denn ein den Verkehrsbedürfnissen auch hinsichtlich der Anforderungen an die Verkehrssicherheit genügender Straßenzustand kann nur mit regelmäßigen Kontrollen gewährleistet werden, wie sie die Streckenkontrollen darstellen.

65Bei dieser Auslegung steht die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG schließlich auch in systematischer Hinsicht mit Art. 90 Abs. 2 GG a. F., Art. 90 Abs. 2 GG a. F. i. V. m. Art. 143e Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 90 Abs. 3 GG n. F. im Einklang. Denn sie erstreckt sich dann auf die gesamte Verwaltung der Bundesfernstraßen, die sowohl die Hoheits- als auch die Vermögensverwaltung beinhaltet und sich außer auf die Planung des Neu- und Umbaus der Bundesfernstraßen, den Rechtsstatus, die Benutzung, die Straßenaufsicht und die Behördenorganisation auch auf den Schutz der Bundesfernstraßen und die Erfüllung der Straßenbaulast erstreckt ( - BVerfGE 102, 167 <173>; 4 C 3.74 - BVerwGE 52, 226 <229> und vom - 9 A 16.15 - Buchholz 11 Art. 104a GG Nr. 28 Rn. 20).

66(bbb) Einer Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die Streckenkontrolle nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG steht auch nicht entgegen, dass die Verkehrssicherungspflicht und die sich aus ihrer Verletzung ergebenden Schadenersatzansprüche ihre Grundlage im Zivilrecht haben ( - BGHZ 60, 54 <55 f.>), für das dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zusteht. Denn dies schließt jedenfalls straßenrechtliche Vorschriften zur Streckenkontrolle nicht aus, die auf der Grundlage von Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG Einzelheiten der Verwaltung der Bundesfernstraßen regeln, ohne Bestimmungen über die Haftung für eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu treffen, soweit diese auf einer unzureichenden Streckenkontrolle beruht (vgl. - BGHZ 60, 54 <60> zur offengelassenen Frage, ob der Bund im Bereich der Bundesfernstraßen auch den Inhalt und die Trägerschaft der Pflicht zur Verkehrssicherung regeln kann).

67(bb) Damit unterlag die Streckenkontrolle in den Jahren 2012 bis 2020, selbst soweit sie der Wahrnehmung der Straßenverkehrssicherungspflicht diente, auch der Weisungsbefugnis des Bundes nach Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG (so auch - BGHZ 16, 95 <97 f.>). Dass der Bundesgesetzgeber Regelungen über die Streckenkontrolle bisher nicht in das Bundesfernstraßengesetz aufgenommen hat, steht der Annahme einer Weisungsbefugnis des Bundes nicht entgegen. Art. 85 Abs. 3 Satz 1 GG gilt nicht nur für die Ausführung der Bundesgesetze im Auftrag des Bundes, sondern auch für die nicht gesetzesausführende "gesetzesfreie" Bundesauftragsverwaltung nach Art. 90 Abs. 2 GG a. F., Art. 90 Abs. 2 GG a. F. i. V. m. Art. 143e Abs. 1 Satz 1 GG oder Art. 90 Abs. 3 GG n. F. ( - BVerfGE 12, 205 <246 f.>).

68(4) Soweit sich die Beteiligten schließlich mit der 2. Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für die Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen, dem Allgemeinen Rundschreiben 25/1993 des Bundesministeriums für Verkehr vom und den dadurch eingeführten Hinweisen zur Durchführung der gemeinsamen Unterhaltung der Bundes-, Landes- (Staats-) und Kreisstraßen und zur Abrechnung des Direkt- und Gemeinschaftsaufwands, dem Leistungsheft für den Straßenbetriebsdienst auf Bundesfernstraßen vom Dezember 2004, dem Maßnahmenkatalog Straßenunterhaltung und Betrieb MK 6 d, der DIN 1076 zur Überwachung und Prüfung der Ingenieurbauwerke im Zuge von Straßen und Wegen und dem Merkblatt der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen für die Kontrolle, Wartung und Pflege von Straßentunneln auseinandersetzen, schließen diese Vorgaben die Einordnung der Kosten der Streckenkontrolle als vom Bund zu tragende Zweckausgaben nicht aus. Abgesehen davon, dass sie die Frage, ob es sich bei diesen Kosten um Verwaltungs- oder Zweckausgaben handelt, nicht übereinstimmend und zweifelsfrei beantworten, stellen sie keine Rechtsnormen dar, an die das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung gebunden wäre.

69c) Der geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich aus § 291 Satz 1 Halbs. 1 und 2 sowie § 291 Satz 2 i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Diese Bestimmungen sind im Verwaltungsprozess entsprechend anzuwenden, wenn wie hier das Fachrecht keine abweichenden Regelungen enthält (vgl. etwa 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 47).

70Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2022:020622U9A13.21.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-23848