BGH Urteil v. - IV ZR 2/21

Private Krankenversicherung: Prämienanpassung und Bildung der Alterungsrückstellung

Leitsatz

Der private Krankenversicherer kann sich nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen, soweit die auf eine gemäß § 203 Abs. 5 VVG unwirksame Prämienanpassung gezahlten Erhöhungsbeträge der Höhe nach den kalkulierten Beträgen für die Bildung der tariflichen Alterungsrückstellung, für den Beitragszuschlag nach § 149 Satz 1 Versicherungsaufsichtsgesetz und für die Zuschläge nach §§ 7, 8 Krankenversicherungsaufsichtsverordnung entsprechen.

Gesetze: § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 818 Abs 3 BGB, § 249 Abs 1 HGB, § 249 Abs 2 S 2 HGB, § 341f Abs 3 S 2 HGB, § 3 KVAV, § 7 KVAV, § 8 KVAV, § 146 Abs 1 Nr 2 VAG, § 149 S 1 VAG, § 160 S 1 Nr 1 VAG, § 203 Abs 2 S 1 VVG, § 203 Abs 5 VVG

Instanzenzug: Az: 9 U 18/20vorgehend Az: 23 O 210/19

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.

2Er unterhält in der Krankenversicherung bei der Beklagten unter anderem die Tarife      ,       und      . Die Beklagte informierte ihn mit Schreiben vom November 2012 nebst Anlagen über eine Beitragserhöhung im Tarif       um 10,99 € monatlich zum , mit Schreiben vom November 2014 nebst Anlagen über eine Beitragserhöhung im Tarif      um 14,93 € monatlich, im Tarif       um 14,52 € monatlich und im Tarif      um 4,55 € monatlich zum und mit Schreiben vom November 2015 nebst Anlagen über eine Beitragserhöhung im Tarif      um 26,73 € monatlich und im Tarif      um 20,97 € monatlich zum . Weitere Beitragserhöhungen erfolgten im Tarif      zum und im Tarif     zum sowie .

3In der Anlage zum Schreiben vom November 2012 - "Informationen zur Beitragsanpassung zum " - hieß es auszugsweise:

"Eine Krankentagegeldversicherung sichert im Krankheitsfall finanziell ab - bei Arbeitsunfähigkeit zahlen wir die tariflich vereinbarten Leistungen.

Darauf können Sie sich jetzt und in Zukunft verlassen!

Damit dies so bleibt, müssen wir wie alle privaten Krankenversicherer einmal jährlich die kalkulierten Leistungsausgaben mit den zukünftig erforderlichen vergleichen. Dies erfolgt für jeden einzelnen Tarif, getrennt nach Alter und Geschlecht. Weichen die Zahlen um mindestens 10 % nach oben oder unten voneinander ab, sind wir gesetzlich verpflichtet, die Beiträge anzupassen. Dies muss zum in den gekennzeichneten Tarifen erfolgen."

4Der Kläger hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Mit Anwaltsschreiben vom forderte er die Beklagte zur Rückzahlung überzahlter Beiträge sowie daraus gezogener Nutzungen auf. Die Beklagte wies die Ansprüche zurück.

5Soweit für die Revision noch von Interesse hat der Kläger mit seiner Klage zunächst die Rückzahlung der auf die genannten Erhöhungen entfallenden Prämienanteile nebst Zinsen, die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten sowie die Feststellung verlangt, dass diese Beitragserhöhungen unwirksam sind und er nicht zur Zahlung der jeweiligen Erhöhungsbeiträge verpflichtet ist. Mit Schriftsatz vom hat der Kläger diesen Feststellungsantrag für erledigt erklärt; die Beklagte hat dem widersprochen. Der Kläger hat daraufhin die Feststellung beantragt, dass der Feststellungsantrag zulässig und begründet war.

6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger seine Klage um die Feststellung erweitert, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen, die sie aus dem vom Kläger auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteil gezogen hat, verpflichtet ist und diese Nutzungen zu verzinsen hat. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil unter Abweisung der weitergehenden Klage dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von 3.985,67 € nebst Zinsen ab dem und zur Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 729,23 € verurteilt worden ist. Es hat außerdem festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit der Kläger ursprünglich die Feststellung beantragt hat, dass die Prämienerhöhungen im Tarif      zum , und , im Tarif       zum sowie im Tarif      zum und unwirksam waren und der Kläger nicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages verpflichtet ist. Weiter hat es festgestellt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen, die sie vom bis zum aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger auf die genannten Beitragserhöhungen gezahlt hat, und zur Verzinsung dieser Nutzungen ab dem verpflichtet ist.

7Mit der Revision begehrt die Beklagte die Aufhebung des Berufungsurteils und Klageabweisung, soweit zu ihrem Nachteil die Erledigung des Rechtsstreits im Hinblick auf die ursprünglich beantragte Feststellung der Unwirksamkeit und der fehlenden Zahlungsverpflichtung betreffend die Neufestsetzung im Tarif       zum , im Hinblick auf die ursprünglich beantragte Feststellung der Unwirksamkeit der Neufestsetzungen in den Tarifen      ,       und      zum und in den Tarifen      und      zum auch für die Zeit vor dem und im Hinblick auf die ursprünglich beantragte Feststellung der fehlenden Zahlungsverpflichtung des Klägers betreffend die Neufestsetzungen zum und in den Tarifen      und      insgesamt sowie betreffend die Neufestsetzung zum im Tarif      auch für die Zeit vor dem festgestellt worden ist, die Beklagte zur Zahlung von 3.985,67 € nebst Zinsen verurteilt worden ist, deren Verpflichtung zur Herausgabe gezogener Nutzungen bezogen auf die Beitragserhöhung zum im Tarif       sowie bezogen auf die Beitragserhöhungen zum und zum für die Zeit vor dem und über den hinaus festgestellt und die Beklagte zur Freistellung des Klägers von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 729,23 € verurteilt worden ist.

Gründe

8Die Revision hat teilweise Erfolg.

9I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist zunächst erforderlich, in der Mitteilung gemäß § 203 Abs. 5 VVG bezogen auf die konkrete Prämienanpassung die Rechnungsgrundlage zu nennen, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst habe. Die Mitteilungsschreiben für die Prämienerhöhungen im Tarif       zum , und zum , im Tarif       zum sowie im Tarif      zum und genügten nicht den zu stellenden Anforderungen. Hingegen genügten die Änderungsmitteilungen aus November 2016 und November 2018 den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung.

10Der Feststellungsantrag sei daher insoweit begründet, als die Klageanträge hinsichtlich der in formeller Hinsicht unwirksamen Prämienerhöhungen ursprünglich zulässig und begründet gewesen seien und sich erst durch die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung nach Rechtshängigkeit erledigt hätten. Die Prämienerhöhungen seien durch die Zustellung der Klageerwiderung am geheilt und zum wirksam geworden.

11Der Kläger habe einen Anspruch auf Rückzahlung rechtsgrundlos geleisteter Prämienbeiträge für den unverjährten Zeitraum vom bis zum in Höhe von 3.985,67 € sowie auf Herausgabe der in diesem Zeitraum gezogenen Nutzungen aus den von ihm gezahlten erhöhten Prämienanteilen. Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 729,23 € folge aus §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 257 BGB.

12II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nur zum Teil stand.

131. Das Berufungsgericht hat den erforderlichen Inhalt der nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden maßgeblichen Gründe zutreffend bestimmt. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom (IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56) entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben (Senatsurteil vom aaO Rn. 26).

142. Die Revision hat jedoch teilweise Erfolg, soweit das Berufungsgericht entschieden hat, dass die Begründungen der Prämienanpassungen nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen; das trifft nur zum Teil zu. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 38).

15a) Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei - und von der Revision zu Recht insoweit nicht angegriffen - entschieden, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhungen zum und die Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung nicht erfüllten.

16b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war jedoch die Prämienanpassung im Tarif       zum formell wirksam. Die nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Angaben sind in der dazu erfolgten Mitteilung enthalten. Das Berufungsgericht hat insoweit nicht die von ihm selbst zutreffend bestimmten Maßstäbe angewendet. Die Prämienanpassung wird in dieser Mitteilung damit begründet, dass die Beklagte bei einer bestimmten Abweichung der erforderlichen von den kalkulierten "Leistungsausgaben", d.h. den Versicherungsleistungen, zur Anpassung der Beiträge verpflichtet sei und dies zum in den gekennzeichneten Tarifen erfolgen müsse. Dem kann der Versicherungsnehmer mit hinreichender Klarheit als Ergebnis der Überprüfung für den konkreten Tarif entnehmen, dass für diesen eine solche Abweichung eingetreten ist.

173. Demgegenüber hat das Berufungsgericht - anders als die Revision meint - in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Erledigung des Rechtsstreits hinsichtlich der Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen zum und sowie hinsichtlich der Feststellung der fehlenden Zahlungsverpflichtung betreffend die Prämienerhöhung zum im Tarif      festgestellt, ohne diese Feststellung im Urteilstenor auf den Zeitraum ab dem erledigenden Ereignis zu beschränken. Die Feststellung der Erledigung der Hauptsache setzt voraus, dass ein nach Klagezustellung eingetretenes Ereignis die ursprüngliche Klage unzulässig oder unbegründet werden lässt (vgl. , WM 2020, 853 Rn. 9 m.w.N.; st. Rspr.); daraus folgt aber keine rechtliche Notwendigkeit, den Erledigungszeitpunkt im Tenor festzustellen. Durch die Formulierung im Urteilstenor, dass die Klage "ursprünglich" zulässig und begründet war, hat das Berufungsgericht zweifelsfrei festgestellt, dass die Klage bei Klageerhebung noch nicht erledigt war, sondern sich, wie es in den Gründen weiter heißt, erst durch die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung nach Rechtshängigkeit erledigt hat. Die in der Klageerwiderung enthaltenen Angaben zu den Gründen der Prämienanpassung führten zu einer Heilung ex nunc (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 41 f.), so dass die Prämienerhöhungen gemäß § 203 Abs. 5 VVG ab dem zweiten auf die Zustellung der Klageerwiderung am folgenden Monat, d.h. zum , wirksam wurden.

184. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen angenommen, dass sich auch der Antrag auf Feststellung, dass der Kläger nicht zur Zahlung der Erhöhungsbeträge aus den Prämienanpassungen in den Tarifen      und      zum und verpflichtet ist, in der Hauptsache nach Rechtshängigkeit durch die Angaben in der Klageerwiderung erledigt hat.

19Die auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichtete Klage hat Erfolg, wenn die ursprüngliche Klage im Zeitpunkt des nach ihrer Zustellung eingetretenen erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war und durch dieses Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist (vgl. , WM 2020, 853 Rn. 9 m.w.N.; st. Rspr.). Der Antrag auf Feststellung, dass keine Pflicht zur Zahlung des Erhöhungsbetrages besteht, war dagegen schon vor Rechtshängigkeit der am zugestellten Klage erledigt und die Klage insoweit nicht ursprünglich zulässig und begründet (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 259/20, juris Rn. 15). Der Kläger war bereits ab dem in beiden Tarifen zur Zahlung des Prämienanteils, der betragsmäßig den zum und erfolgten Erhöhungen entsprach, verpflichtet. Ab der Prämienanpassung zum , die nach der Entscheidung des Berufungsgerichts auch zu diesem Zeitpunkt wirksam wurde, bestand ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Prämie in der durch diese letzte Anpassung festgesetzten neuen Gesamthöhe. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom (IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 55) entschieden hat, bildet eine spätere wirksame Prämienanpassung fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe.

205. Der Kläger kann daher die gezahlten und von der Verjährung nicht erfassten Erhöhungsbeträge in den Tarifen      und       nur für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum in Höhe von 806,16 € ((14,93 € + 26,73 € + 4,55 € + 20,97 €) x 12 Monate) zurückverlangen. Hinzu kommen die Zahlungen im Tarif       vom bis in Höhe von 624,36 € (14,52 € x 43 Monate), insgesamt daher 1.430,52 €.

216. Das Berufungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass der Rückgewähranspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Erhöhungsbeträge, die er ohne wirksame Prämienanpassung gezahlt hat, der Höhe nach uneingeschränkt umfasst.

22a) Im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung kommt eine Anrechnung des genossenen Versicherungsschutzes nicht in Betracht, wenn sich bei einem wirksamen Versicherungsvertrag als Rechtsgrund der erbrachten Leistungen nur eine Prämienerhöhung als unwirksam erweist (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 46). Soweit die Revision geltend macht, die Beklagte sei durch die empfangenen Zahlungen in Höhe der kalkulierten Risikoprämien nicht bereichert, da diese der Erbringung von Versicherungsleistungen gedient hätten, trifft das nicht zu. Der weiterhin bestehende wirksame Versicherungsvertrag verpflichtete die Beklagte zur Erbringung von Versicherungsleistungen (vgl. Senatsurteil vom aaO). Eine Entreicherung durch die Tilgung eigener Verbindlichkeiten kommt aber nur in Betracht, wenn der Bereicherungsschuldner deshalb freiwerdende Mittel ersatzlos verbraucht; unter diesen Umständen fehlt es an der Ursächlichkeit der rechtsgrundlosen Zahlung für den (zunächst) durch Tilgung der Verbindlichkeiten entstehenden Vermögensvorteil (vgl. , WM 2016, 2319 Rn. 15 m.w.N.). Das behauptet die Beklagte jedoch nicht.

23Auch Billigkeitserwägungen stehen der Pflicht zur Rückzahlung rechtsgrundlos empfangener Erhöhungsbeträge, auch soweit sie betragsmäßig der kalkulierten Risikoprämie entsprechen, nicht entgegen. Solange die Prämie nicht in dem nach § 203 Abs. 2 und 5 VVG vorgeschriebenen Verfahren wirksam angepasst wurde, ist ein gegebenenfalls materiell erhöhter Wert des Versicherungsschutzes nicht zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 47). Gerade die Vorschriften zur Prämienanpassung bezwecken es, die Einhaltung des Äquivalenzprinzips und die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen zu gewährleisten (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 49). Es ist daher entgegen der Ansicht der Revision nicht unbillig, den formal nicht wirksam gewordenen Erhöhungsbetrag ungeachtet seiner materiell richtigen Berechnung nicht zu zahlen und gleichzeitig den vertraglich vereinbarten Versicherungsschutz in Anspruch zu nehmen.

24b) Die Beklagte kann sich auch nicht auf einen Wegfall der Bereicherung berufen, soweit die gezahlten Erhöhungsbeträge der Höhe nach den kalkulierten Beträgen für die Bildung der tariflichen Alterungsrückstellung, für den Beitragszuschlag nach § 149 Satz 1 VAG und für die Zuschläge nach §§ 7, 8 Krankenversicherungsaufsichtsverordnung (KVAV) entsprechen.

25Entreicherung liegt vor, wenn der erlangte Vorteil nicht mehr im Vermögen des Empfängers enthalten ist und auch sonst kein auf die Zuwendung zurückzuführender Vermögensvorteil mehr vorhanden ist (, WM 2016, 2319 Rn. 13). Vermögensnachteile des Bereicherungsschuldners sind dabei nur berücksichtigungsfähig, wenn sie bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise adäquat-kausal auf der Bereicherung beruhen (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 513/14, VersR 2016, 33 Rn. 36). Die Berechnung der Alterungsrückstellung aufgrund gesetzlicher Vorgaben unabhängig von der Wirksamkeit der Prämienanpassungen nach geänderten Rechnungsgrundlagen kann aber kein Vermögensnachteil sein, der auf der Prämienanpassung und der rückabzuwickelnden Prämienzahlung der Klägerin beruht (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 109/20, juris Rn. 27).

26Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens fest. Die Vorschriften über die Berechnung und Bilanzierung der Alterungsrückstellung, auf die sich die Revision beruft, führen nicht dazu, dass rechtsgrundlos empfangene Zahlungen des Versicherungsnehmers, die nicht als Prämie geschuldet waren, aus dem Vermögen des Versicherers ausscheiden und nicht zurückerstattet werden können, soweit sie der Höhe nach dem Sparanteil der Prämie oder dem Beitragszuschlag nach § 149 Satz 1 VAG entsprechen. Zwar ist es für die Neukalkulation der Prämie ohne Bedeutung, ob und wann eine aus der Neukalkulation folgende Prämienanpassung gegenüber dem Versicherungsnehmer wirksam wird und in welcher Höhe später Prämienzahlungen geleistet werden. Da die Berechnung der Alterungsrückstellung gemäß § 146 Abs. 1 Nr. 2 VAG, § 341f Abs. 3 Satz 2 HGB in Verbindung mit § 160 Satz 1 Nr. 1 VAG, § 3 KVAV mit den der Beitragsberechnung zugrundeliegenden Rechnungsgrundlagen durchzuführen ist, gilt dies auch für die aus dieser Berechnung folgenden künftigen Verpflichtungen, die der Versicherer als Alterungsrückstellung in seiner Handelsbilanz bei den Passiva abzubilden hat, § 146 Abs. 1 Nr. 2 VAG, §§ 341f Abs. 3, 249 Abs. 1 HGB. Aber aus diesen Vorschriften zur Berechnung und Bilanzierung der Alterungsrückstellung folgt nicht, dass nicht geschuldete Prämienzahlungen diesen Berechnungen folgend wie geschuldete Prämienzahlungen zu verwenden sind und auf diese Weise einen nicht umkehrbaren Vermögensverlust des Versicherers verursachen, der sich deswegen gegenüber dem Versicherungsnehmer auf Entreicherung berufen könnte. Durch die Vorschriften zur Berechnung der Alterungsrückstellung und weiterer Zuschläge und ihre Einstellung in die Bilanz wird der Versicherer im Verhältnis zum Versicherungsnehmer nicht berechtigt, ohne Rechtsgrundlage erlangte Beträge, die nicht der Prämienschuld entsprechen, zu vereinnahmen und der Alterungsrückstellung - oder auch den Zuschlägen nach §§ 7, 8 KVAV - zuzuordnen.

27Durch den Verweis auf die aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur Prämienkalkulation in § 203 Abs. 1, § 203 Abs. 2 Satz 4 VVG hat der Gesetzgeber zwar den materiellen Kern dieser Bestimmungen im Vertragsrecht abgebildet (vgl. , BGHZ 220, 297 Rn. 42; vom - IV ZR 117/02, VersR 2004, 991 unter II 1 a aa [juris Rn. 9]). Aber § 203 Abs. 5 VVG enthält eine versicherungsvertragliche Regelung zum Wirksamwerden der Prämienanpassung im Verhältnis zum einzelnen Versicherungsnehmer, die nicht von den aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur Prämienkalkulation verdrängt wird. Entgegen der Ansicht der Revision kann daher die materiell richtige Neukalkulation der Prämie allein nicht zur Geltung der Neufestsetzung im Vertragsverhältnis führen, wenn die Voraussetzungen des Wirksamwerdens der Prämienanpassung nach § 203 Abs. 5 VVG nicht erfüllt sind.

28Auch mit Billigkeitserwägungen kann daher ein Bereicherungsanspruch des Klägers nicht eingeschränkt werden. Einem Bereicherungsanspruch könnte es allenfalls entgegenstehen, wenn der Schutzzweck der Norm, auf deren Anwendung die Unwirksamkeit der Verträge beruht, eine etwaige Rückabwicklung verhindern will (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 35/96, VersR 1997, 1213 unter I 4 c [juris Rn. 25]). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die Vorschrift über das Wirksamwerden der Prämienanpassung in § 203 Abs. 5 VVG dient dem Informationsrecht des Versicherungsnehmers (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 44) und nicht einem Interesse des Versicherers - oder auch des Versichertenkollektivs - am Behaltendürfen nicht geschuldeter Prämien.

29c) Falls die Beklagte aus den Zahlungen des Klägers ohne gesetzliche Grundlage Beträge der Alterungsrückstellung zugeführt haben sollte, kommt es für die Entreicherung auf die Möglichkeiten einer Rückbuchung oder späteren Verrechnung gegenüber dem Kläger an. Eine Bereicherung ist nicht weggefallen, soweit der Bereicherte seine eigene Verfügung über den empfangenen Vermögensvorteil wieder rückgängig machen kann (Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 52). Dass dies nicht möglich wäre, hat die für den Wegfall der Bereicherung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte in den Vorinstanzen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht geltend gemacht. Aber auch das Revisionsvorbringen führt zu keiner anderen Bewertung. Entgegen der Ansicht der Revision ist die Rückzahlung von Leistungen des Versicherungsnehmers, die der Versicherer ohne Rechtsgrund empfangen, aber nach seiner Behauptung wie eine geschuldete Prämienzahlung zum Teil der Alterungsrückstellung zugeführt haben will, keine Auflösung einer Rückstellung im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 2 HGB und daher nicht von deren Voraussetzungen abhängig. Die Auflösung einer Rückstellung in diesem Sinne bedeutet vielmehr die Entfernung der ungewissen Verbindlichkeiten als Passiva aus der Bilanz und damit einen wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen oder die Ausweisung als Verbindlichkeit, wenn die Ungewissheit über das Bestehen der Verpflichtung entfällt (vgl. Beck Bilanz-Komm./Schubert, 13. Aufl. HGB § 249 Rn. 390). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

30d) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die in der Klageerwiderung hilfsweise erklärte Aufrechnung der Beklagten mit vom Kläger erlangten Vermögensvorteilen abgelehnt. Sind die Gegenforderungen schon nicht bestimmbar und damit nicht hinreichend individualisierbar, hat das die Unzulässigkeit der Hilfsaufrechnung zur Folge (vgl. , BauR 2018, 145 Rn. 12). Das war hier der Fall, da die Beklagte keine Angaben zum Aufrechnungsbetrag oder dessen Zusammensetzung gemacht hat. Mit der erstmaligen Bezifferung der Aufrechnungsforderung in Gestalt der Beträge, die sie der Alterungsrückstellung zugeführt oder als Zuschläge nach §§ 7, 8 KVAV verbucht haben will, trägt die Beklagte mit der Revision neue Tatsachen vor, die gemäß § 559 Abs. 1 ZPO in dritter Instanz ausgeschlossen sind.

317. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht eine Pflicht zur Herausgabe von Nutzungen auch insoweit festgestellt, als diese im Jahr 2016 aus den nicht geschuldeten Erhöhungsbeträgen gezogen wurden. Der mit der Ziehung der Nutzungen 2016 entstandene Anspruch verjährte mit dem Ablauf des , bevor die Verjährung des Nutzungsherausgabeanspruchs durch die am anhängig gewordene Klageerweiterung gehemmt wurde. Entgegen der Ansicht der Revision erfasst die Verjährung dagegen nicht den Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen, die ab dem aus den im Jahr 2016 gezahlten Erhöhungsbeträgen gezogen wurden, da die Verjährungsfrist erst mit der Anspruchsentstehung durch die Nutzungsziehung zu laufen begann.

32Unzutreffend hat das Berufungsgericht außerdem einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen insoweit angenommen, als sie in demselben Zeitraum, für den dem Kläger auch Zinsen aus den zurückzuzahlenden Prämienanteilen zugesprochen worden sind, gezogen wurden. Der Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen ist vielmehr auf die Zeit vor Eintritt der Verzinsungspflicht für die Hauptforderung beschränkt. Prozess- und Verzugszinsen sollen den Nachteil ausgleichen, den der Gläubiger dadurch erleidet, dass er infolge nicht rechtzeitiger Zahlung des Schuldners daran gehindert ist, einen ihm zustehenden Geldbetrag zu nutzen (Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 58). Dieser Nachteil wird durch einen Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen vollkommen ausgeglichen. Daher besteht neben dem Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen kein Anspruch auf Prozess- oder Verzugszinsen (vgl. Senatsurteil vom aaO). Eine Pflicht der Beklagten zur Herausgabe gezogener Nutzungen ist daher nur für die Zeit vor dem Verzinsungsbeginn am festzustellen. Darüber hinaus greift die Revision die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Feststellung der Pflicht zur Herausgabe der Nutzungen hinsichtlich dieser Prämienerhöhungen nicht an. Insoweit richtet sie sich auch nicht gegen die festgestellte Pflicht zur Verzinsung der herauszugebenden Nutzungen.

338. Bezüglich der Pflicht der Beklagten, den Kläger von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen, hat die Revision insoweit Erfolg, als der Kläger lediglich die Freistellung von Kosten in Höhe von 201,71 € verlangen kann.

34a) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings einen Schadensersatzanspruch wegen vertraglicher Pflichtverletzung aus §§ 280, 257 BGB angenommen.

35Das Berufungsgericht hat die nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Begründung der Prämienanpassungen als Vertragsverletzung der Beklagten angesehen. Ungeachtet dessen, ob dies bereits eine zum Schadensersatz verpflichtende Pflichtverletzung darstellt, liegt eine solche jedenfalls in der unberechtigten Geltendmachung der nicht geschuldeten Erhöhungsbeträge aus den unwirksamen Prämienanpassungen bei der Beitragsabrechnung der Beklagten (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 291/20, VersR 2022, 503 Rn. 26). Entgegen der Ansicht der Revision kann diesem Anspruch nicht entgegengehalten werden, dass der Gesetzgeber als Folge einer unzureichenden Begründung in § 203 Abs. 5 VVG allein das Nichtwirksamwerden der Prämienanpassung vorgesehen habe. Eine Vertragspartei, die von der anderen Vertragspartei etwas verlangt, das ihr nach dem Vertrag nicht geschuldet ist, verletzt ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (Senatsurteil vom aaO m.w.N.). Wenn ein Partner eines gegenseitigen Vertrags aus diesem Vertrag Ansprüche gegen den anderen Partner ableitet, die ihm nicht zustehen, kommt daher ein Anspruch aus der Verletzung vertraglicher Pflichten aus § 280 Abs. 1 BGB in Betracht (vgl. Senatsurteil vom aaO m.w.N.).

36b) Von dem Vorwurf des nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermuteten Verschuldens hat sich die Beklagte nicht entlastet. Soweit sich die Revision darauf beruft, die Beklagte habe ihren Rechtsstandpunkt bis zu einer höchstrichterlichen Klärung der Begründungsanforderungen aus § 203 Abs. 5 VVG für plausibel halten dürfen, beruft sie sich auf einen Rechtsirrtum, der im Allgemeinen nicht entschuldigt (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 27 m.w.N.). Insoweit werden an die Sorgfaltspflicht strenge Anforderungen gestellt; es reicht nicht aus, dass sie sich ihre Meinung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat; entschuldigt wäre sie erst, wenn mit der Möglichkeit des Unterliegens im Rechtsstreit nicht zu rechnen war (vgl. Senatsurteil vom aaO). Davon ist hier nicht auszugehen. Der Versicherer hat die Gestaltung seiner Mitteilungen zu Prämienanpassungen selbst in der Hand und kann auch angesichts der Auslegungsbedürftigkeit einer Vorschrift, zu der noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, im Zweifel eine rechtssichere Formulierung wählen (Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 37).

37c) Der Anspruch ist aber nur in Höhe von 201,71 € begründet. Der zugrunde zu legende Gegenstandswert entspricht dem begründeten Rückforderungsanspruch von 1.430,52 € abzüglich einer zur Zeit der anwaltlichen Tätigkeit noch nicht fälligen Prämienrate von 14,52 € für Juli 2019. Bei Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr errechnet sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in der bis zum geltenden Fassung ein Betrag von 201,71 € (115 € Gebühr x 1,3 + 20 € Pauschale + 32,21 € Umsatzsteuer).

38III. Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG und berücksichtigt die einseitige Teilerledigungserklärung des Klägers.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2022:210922UIVZR2.21.0

Fundstelle(n):
NJW 2022 S. 13 Nr. 43
NJW-RR 2022 S. 1544 Nr. 22
DAAAJ-23570