Annahmeverzugsvergütung - Reiserückkehrer aus Risikogebiet
Leitsatz
Der Arbeitgeber gerät in Annahmeverzug mit der angebotenen Arbeitsleistung, wenn er einem Arbeitnehmer, der aus einem SARS-CoV-2-Risikogebiet zurückkehrt, ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände erteilt, obwohl dieser gemäß den verordnungsrechtlichen Vorgaben bei der Einreise aufgrund der Vorlage eines aktuellen negativen PCR-Tests und eines ärztlichen Attests über Symptomfreiheit keiner Absonderungspflicht (Quarantäne) unterliegt. Der Arbeitgeber schuldet dann gemäß § 615 Satz 1, § 611a Abs. 2 BGB grundsätzlich Fortzahlung der Vergütung.
Gesetze: § 611a Abs 2 BGB, § 293 BGB, § 615 S 1 BGB, § 294 BGB, § 297 BGB, § 106 S 1 GewO, § 106 S 2 GewO, § 618 Abs 1 BGB, § 4 Nr 7 ArbSchG
Instanzenzug: Az: 39 Ca 13047/20 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 4 Sa 644/21 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten - soweit für die Revision relevant - über Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Zeitraum 17. August bis .
2Der Kläger ist bei der Beklagten, die Lebensmittel produziert, als Leiter der Nachtreinigung in ihrem Betrieb in B beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag zugrunde, der ua. bestimmt, dass „alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ... verfallen, wenn sie nicht binnen einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit in Textform gegenüber der anderen Partei geltend gemacht werden“.
3Mit einer schriftlichen Mitarbeiterinformation vom unterrichtete die Beklagte ihre Arbeitnehmer ua. wie folgt:
4Die Corona-Taskforce der Muttergesellschaft der Beklagten erstellte in Bezug auf Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes ein Hygienekonzept, das in allen Unternehmen umgesetzt wurde. Dieses beinhaltet mit Stand vom ua.:
5Die Elfte Verordnung zur Änderung der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vom (GVBl. S. 557 f.), in Kraft getreten am , regelt ua.:
6Der Kläger reiste während des ihm von der Beklagten gewährten Urlaubs vom 11. August bis zum aufgrund des Todes seines Bruders in die Türkei, die zu dieser Zeit vom RKI als Corona-Risikogebiet ausgewiesen war. Vor der Ausreise aus der Türkei unterzog er sich einem Corona-PCR-Test, der ebenso wie der erneute Test nach Ankunft in Deutschland einen negativen Befund aufwies. Der Arzt des Klägers attestierte diesem unter dem Datum des Symptomfreiheit.
7Am suchte der Kläger den Betrieb auf, füllte die von der Beklagten geforderte Selbstauskunft zur Gesundheitsfürsorge COVID-19 aus und erklärte, er sei am aus einem Risikogebiet zurückgekehrt. Darauf wurde er am Werkstor abgewiesen und durfte seinen Arbeitsplatz nicht aufsuchen. Mit Schreiben vom selben Tag wies der Kläger auf seine negativen Corona-Testergebnisse hin und bot seine Arbeitskraft an. Hierauf teilte die Beklagte mit Schreiben vom unter Verweis auf das Infektionsrisiko mit, der Kläger dürfe bis einschließlich das Werksgelände nicht betreten und habe der Arbeit fernzubleiben. Für diese Zeit habe er keinen Vergütungsanspruch, er könne aber Urlaub in Anspruch nehmen. Die Beklagte rechnete für den Monat August 2020 eine Vergütung iHv. 6.516,77 Euro brutto ab und zahlte den sich ergebenden Nettobetrag an den Kläger aus. Das Arbeitszeitkonto für den Monat August 2020 weist Abwesenheit des Klägers wegen Urlaubs in der streitgegenständlichen Zeit aus.
8Mit seiner der Beklagten am zugestellten Klage hat der Kläger - soweit für die Revision relevant - Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Zeitraum 17. August bis verlangt und geltend gemacht, die Beklagte habe zu Unrecht die Entgegennahme seiner Arbeitsleistung verweigert.
9Der Kläger hat - soweit für die Revision von Belang - zuletzt beantragt,
10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, dem Kläger sei es für die Dauer von zwei Wochen nach Rückkehr aus einem Risikogebiet nicht möglich gewesen, die Arbeitsleistung im Betrieb zu erbringen. Er habe sich dafür entschieden, für die Dauer der Nichtbeschäftigung Urlaub in Anspruch zu nehmen.
11Das Arbeitsgericht hat der Zahlungsklage stattgegeben und weiterhin festgestellt, dass der Kläger aus dem Jahr 2020 noch einen Urlaubsanspruch von zehn Tagen hat. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision eingeschränkt in Bezug auf die Zahlung von Vergütung zugelassen. Insoweit verfolgt die Beklagte mit der Revision ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Gründe
12Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger kann für den Zeitraum 17. August bis gemäß § 615 Satz 1, § 611a Abs. 2 iVm. §§ 293 ff. BGB Vergütung wegen Annahmeverzugs der Beklagten verlangen.
13I. Der Kläger hat für die Zeit vom 17. August bis zum , während derer die Beklagte ihn nicht beschäftigt hat, Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs.
141. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass der Kläger seine Arbeitsleistung in ausreichender Weise angeboten hat.
15a) Der Arbeitgeber kommt gemäß § 293 BGB in Verzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung grundsätzlich tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers (§ 295 BGB) genügt, wenn der Arbeitgeber ihm zuvor erklärt hat, er werde die Arbeit nicht annehmen oder er sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen ( - Rn. 41, BAGE 151, 35; - 5 AZR 886/12 - Rn. 41, BAGE 151, 45). Für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich ( - Rn. 11 mwN). Zudem kann ein Angebot der Arbeitsleistung ausnahmsweise nicht erforderlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (st. Rspr., vgl. nur - Rn. 19, BAGE 168, 25) oder er aus offensichtlichen rechtlichen Gründen die geschuldete Leistung nicht annehmen kann (vgl. zu einem „Lockdown“ - Rn. 13).
16b) Davon ausgehend kann dahinstehen, ob das Angebot der Arbeitsleistung im Streitfall entbehrlich war, denn der Kläger hat seine Leistung tatsächlich angeboten, indem er am nach dem Ende des ihm gewährten Urlaubs seine Arbeit bei der Beklagten wiederaufnehmen wollte und hierzu persönlich am Betrieb erschienen ist. Dieses Angebot hat die Beklagte nicht angenommen, dem Kläger wurde der Zutritt zum Werksgelände verweigert. Mit Schreiben vom hat die Beklagte überdies ausdrücklich erklärt, sie werde die Arbeitsleistung des Klägers bis einschließlich nicht annehmen. Der Annahme eines wirksamen tatsächlichen Angebots steht das bei der Beklagten geltende Hygienekonzept nicht entgegen. Soweit danach Rückkehrer aus einem Risikogebiet einem 14-tägigen Zutrittsverbot zum Betrieb unterliegen, handelt es sich entgegen der Auffassung der Revision nicht um eine Weisung, welche die Arbeitsleistung betrifft (§ 106 Satz 1 GewO) und damit bei der Prüfung der Wirksamkeit des Arbeitsangebots zu berücksichtigen wäre. Die Anordnung bezieht sich vielmehr auf Ordnung und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb (§ 106 Satz 2 GewO). Denn hierzu gehören Weisungen zum arbeitsbegleitenden Verhalten, welche die reibungslose Zusammenarbeit, das ungestörte Zusammenleben der Arbeitnehmer im Betrieb sowie den Schutz der Betriebs- und Arbeitsmittel und der geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers gewährleisten sollen (BeckOGK/Maschmann Stand GewO § 106 Rn. 204; ähnlich AR-Kolbe 10. Aufl. § 106 GewO Rn. 39 f.; HWK/Lembke 10. Aufl. § 106 GewO Rn. 45). Das auf der Grundlage des betrieblichen Hygienekonzepts angeordnete Zutrittsverbot betrifft das Zusammenleben und die Zusammenarbeit der Arbeitnehmer im Betrieb, indem es bestimmt, wer unter bestimmten Voraussetzungen den Betrieb zum Schutz der Betriebs- und Arbeitsmittel und der geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers nicht betreten und mit den Arbeitskollegen zusammenarbeiten darf.
172. Der Kläger war - entgegen der Auffassung der Revision - im Streitzeitraum nicht außerstande, die geschuldete Leistung zu bewirken, § 297 BGB.
18a) Unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen gerät der Arbeitgeber gemäß § 297 BGB nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken. Die Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit des Arbeitnehmers sind vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (st. Rspr., vgl. nur - Rn. 9 mwN). Bei Anwendung des § 297 BGB ist zwischen den Fällen abzugrenzen, in denen die Nichtannahme der Arbeit ausschließlich auf dem Willen des Arbeitgebers beruht, so dass er gemäß § 615 Satz 1 BGB zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet ist, und den Konstellationen, in denen man-gels Leistungsbereitschaft oder Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers kein Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs besteht (HWK/Krause 10. Aufl. § 615 BGB Rn. 45). Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass der Arbeitnehmer zur Leistung objektiv außer Stande oder subjektiv nicht bereit war (vgl. - Rn. 15; - 5 AZR 543/20 - Rn. 11).
19b) Der Kläger war leistungswillig. Der Leistungswille hat sich auf die iSv. § 294 BGB zu bewirkende Beschäftigung zu beziehen (vgl. - Rn. 16 mwN). Der Kläger wollte am seine Tätigkeit als Leiter der Nachtreinigung bei der Beklagten nach seinem Urlaub wieder aufnehmen.
20c) Der Kläger war im Streitzeitraum auch leistungsfähig.
21aa) Leistungsfähigkeit setzt voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich und rechtlich zur geschuldeten Arbeitsleistung in der Lage ist (MüKoBGB/Henssler 8. Aufl. § 615 Rn. 32; MHdB ArbR/Tillmanns 5. Aufl. § 76 Rn. 31).
22(1) Ob Leistungsfähigkeit besteht, bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Grundsätzlich unerheblich ist die Ursache für eine Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Das Unvermögen kann auf tatsächlichen Umständen (wie zB Arbeitsunfähigkeit) beruhen oder seine Ursache im Rechtlichen haben, etwa wenn ein gesetzliches Beschäftigungsverbot besteht (st. Rspr., vgl. - Rn. 23, BAGE 157, 34) oder eine erforderliche Erlaubnis für das Ausüben der geschuldeten Tätigkeit fehlt (vgl. beispielsweise - zu I 1 der Gründe - Wegfall der Erlaubnis zur Ausübung des ärztlichen Berufs; - 2 AZR 34/86 - zu B II 2 der Gründe - Entzug der Fahrerlaubnis eines als Auslieferungsfahrer beschäftigten Arbeitnehmers; - 9 AZR 483/03 - zu I 2 der Gründe, BAGE 111, 97 - fehlende bergrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung; - 2 AZR 812/12 - Rn. 27 ff. - Entzug der missio canonica einer Gemeindereferentin; - 5 AZR 88/14 - Rn. 17, BAGE 152, 1 - Entzug der Ermächtigung zum Umgang mit Verschlusssachen nach dem Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes und den Schutz von Verschlusssachen [SÜG]; - 5 AZR 146/14 - Rn. 15 ff., BAGE 152, 327 - Entzug der für eine Tätigkeit bei den US-Streitkräften erforderlichen Einsatzgenehmigung). In diesen Fällen steht der Erbringung der Arbeitsleistung ein objektives Leistungshindernis entgegen.
23(2) Bei Hausverboten differenziert die Rechtsprechung: Ein den Verzugslohnanspruch des Arbeitnehmers ausschließendes Leistungshindernis auf Seiten des Arbeitnehmers kann vorliegen, wenn ihm der Auftraggeber seines Arbeitgebers ein Hausverbot erteilt hat ( - Rn. 18). Kann dagegen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur deshalb nicht einsetzen, weil er dem Kunden vertraglich ein Mitspracherecht bei der Auswahl der Arbeitnehmer eingeräumt hat, und widersetzt sich der Kunde dem Einsatz eines bestimmten Arbeitnehmers, begründet das grundsätzlich kein Unvermögen dieses Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Bei einem solchen „Einsatzverbot“ scheidet Annahmeverzug des Arbeitgebers erst aus, wenn ihm nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Arbeitslebens die Annahme der Arbeitsleistung unzumutbar ist ( - Rn. 24, BAGE 157, 34).
24(3) Dieser Rechtsprechung liegt zugrunde, dass Annahmeverzug auch dann eintritt, wenn der Gläubiger die tatsächliche oder rechtliche Leistungsunfähigkeit des Schuldners herbeiführt. § 615 Satz 1 BGB soll immer, aber auch nur dann eingreifen, wenn die Ursache der Nichterbringung der Arbeitsleistung auf Seiten des Arbeitgebers liegt und dieser die ihm ordnungsgemäß angebotene Leistung des Arbeitnehmers nicht annehmen will oder kann (so auch Staudinger/Fischinger [2022] § 615 Rn. 91; aA wohl MHdB ArbR/Tillmanns 5. Aufl. § 76 Rn. 30; die Berufung des Gläubigers auf § 297 BGB entsprechend dem Rechtsgedanken des § 162 BGB für rechtsmissbräuchlich haltend Staudinger/Feldmann [2019] § 297 Rn. 2). Denn bereits der Wortlaut des § 615 Satz 1 BGB verlangt für die Aufrechterhaltung des Vergütungsanspruchs des Arbeitnehmers nur, dass der Arbeitgeber die vom leistungswilligen und leistungsfähigen Arbeitnehmer angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt. Aus welchen Grund dies geschieht und ob der Arbeitgeber dies verschuldet hat, ist - anders als beim Schuldnerverzug (§ 286 Abs. 4 BGB) - ohne Bedeutung ( - Rn. 16; MüKoBGB/Henssler 8. Aufl. § 615 Rn. 40). Die Annahme der Arbeitsleistung ist arbeitsvertraglich keine Pflicht, sondern lediglich eine Obliegenheit des Gläubigers (Arbeitgebers). Jedes den Erfüllungseintritt verhindernde Verhalten des Arbeitgebers ist letztlich eine Nichtannahme der Leistung (ErfK/Preis 22. Aufl. BGB § 615 Rn. 55). Ausreichend ist die „nackte Tatsache“ der Nichtannahme (Motive zum BGB 1888 Bd. 2 S. 68 f.; Mugdan Die gesammten Materialien zum BGB 1899 Bd. 2 S. 38). Das hat zur Konsequenz, dass nur dann, wenn der Arbeitnehmer wegen eines objektiven Leistungshindernisses außer Stande ist, die Leistung zu bewirken, Leistungsunvermögen iSv. § 297 BGB vorliegt. Vom Geltungsbereich dieser Bestimmung nicht erfasst werden Umstände auf Seiten des Gläubigers. Handelt es sich um Leistungshindernisse, die ihre Ursache in dem vom Arbeitgeber bereitzustellenden Sachsubstrat oder der von ihm zu regelnden Arbeitsorganisation haben, ist er deshalb grundsätzlich zur Zahlung der Annahmeverzugsvergütung verpflichtet (Staudinger/Fischinger [2022] § 615 Rn. 90).
25bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Einwand der Beklagten, der Kläger sei im Streitzeitraum nicht leistungsfähig gewesen, unbegründet.
26(1) Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 559 Abs. 2 ZPO) war der Kläger im Zeitraum 17. August bis in tatsächlicher Hinsicht imstande, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, auch die Beklagte hält keinen Vortrag zu einer etwaigen Erkrankung des Klägers, etwa an COVID-19.
27(2) Der Kläger war im Streitzeitraum auch rechtlich in der Lage, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Weder öffentlich-rechtliche Vorgaben einer Absonderungspflicht (sog. Quarantäne) noch das von der Beklagten ausgesprochene Betretungsverbot des Betriebs machten dem Kläger die Arbeitsleistung rechtlich unmöglich.
28(a) Der Kläger war nicht aufgrund gesetzlicher oder verordnungsrechtlicher Vorgaben verpflichtet, sich nach seiner Rückkehr aus der Türkei am in Quarantäne zu begeben, obwohl die Türkei zu diesem Zeitpunkt vom RKI als Risikogebiet ausgewiesen war.
29(aa) Eine bundesgesetzliche Vorgabe oder bundesweit geltende Verordnung zur Einhaltung einer Quarantäne nach Reiserückkehr aus einem Risikogebiet bestand unmittelbar vor und auch während des Streitzeitraums nicht. Die Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit zur Testpflicht von Einreisenden aus Risikogebieten vom (BAnz. AT V1), in Kraft getreten am , sah lediglich eine Pflicht zur Testung auf das SARS-CoV-2-Virus, jedoch keine Quarantänepflichten vor. Auch die Anordnungen des Bundesministeriums für Gesundheit betreffend den Reiseverkehr nach Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag vom (BAnz. AT B5), gültig ab dem , sahen lediglich Melde- und Auskunftspflichten bei der zuständigen Behörde vor.
30(bb) Der Kläger war nicht aufgrund landesrechtlicher Verordnung verpflichtet, sich nach Rückkehr aus der Türkei in Quarantäne zu begeben. Er erfüllte die Voraussetzungen der Ausnahme von der Quarantänepflicht aus der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin, zuletzt geändert durch die Elfte Verordnung zur Änderung vom (GVBl. S. 557 f.), in Kraft getreten am .
31(aaa) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung sind Personen, die auf dem Land-, See- oder Luftweg aus dem Ausland in das Land Berlin einreisen und sich zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb von 14 Tagen vor Einreise in einem Risikogebiet aufgehalten haben, verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Häuslichkeit oder eine andere geeignete Unterkunft zu begeben und sich für einen Zeitraum von 14 Tagen ständig dort abzusondern. Abs. 4 Satz 2 der Regelung verweist auf die Einstufung als Risikogebiet ua. durch das Bundesministerium für Gesundheit.
32(bbb) Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war die Türkei, aus der der Kläger am in das Land Berlin eingereist ist, als Risikogebiet iSv. § 19 Abs. 4 SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung eingestuft. Damit hätte sich der Kläger grundsätzlich unverzüglich nach Einreise in eine 14-tägige Quarantäne begeben müssen, woraus ein rechtliches Unvermögen iSd. § 297 BGB aufgrund hoheitlicher Maßnahme resultiert hätte (vgl. Staudinger/Fischinger [2022] § 615 Rn. 88; HWK/Krause 10. Aufl. § 615 BGB Rn. 55; zu einem behördlichen Beschäftigungsverbot vgl. - Rn. 31, BAGE 153, 85 und zu einer Allgemeinverfügung in Bezug auf Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus - Rn. 12), die ihm die Leistung der geschuldeten Arbeit unmöglich gemacht hätte.
33(ccc) Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung sind jedoch Personen von der Quarantänepflicht befreit, die über ein ärztliches Zeugnis nebst aktuellem Laborbefund in deutscher oder in englischer Sprache verfügen, welches bestätigt, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorhanden sind. Nach § 20 Abs. 3 Satz 2 SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung muss sich das ärztliche Zeugnis auf eine molekularbiologische Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 stützen, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem sonstigen durch das RKI veröffentlichten Staat durchgeführt und höchstens 48 Stunden vor Einreise in die Bundesrepublik Deutschland vorgenommen worden ist. Darüber hinaus gilt ua. die Regelung in Abs. 3 nur, soweit die dort bezeichneten Personen keine Symptome aufweisen, die auf eine Erkrankung mit COVID-19 iSd. dafür jeweils aktuellen Kriterien des RKI hinweisen (§ 20 Abs. 5 Satz 1 SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung).
34(ddd) Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands nach § 20 Abs. 3 Sätze 1 und 2, Abs. 5 Satz 1 SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung. Er verfügte mit dem Testzertifikat vom über ein ärztliches Zeugnis sowie einen aktuellen Laborbefund in englischer Sprache, die ein negatives Testergebnis auf Basis einer molekularbiologischen Testung (PCR-Test) ausweisen. Das ärztliche Attest vom bestätigte das negative Testergebnis. Der PCR-Test wurde innerhalb der maßgeblichen Zeitspanne von höchstens 48 Stunden vor Einreise in die Bundesrepublik Deutschland vorgenommen. Der Abstrich erfolgte ausweislich des Dokuments am . Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts reiste der Kläger am in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die weitere Voraussetzung der Symptomfreiheit nach § 20 Abs. 5 Satz 1 SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung wird ebenfalls durch das ärztliche Attest vom bestätigt.
35(b) Der Kläger war während des von der Beklagten ausgesprochenen Betretungsverbots für das Werksgelände im Zeitraum 17. August bis nicht leistungsunfähig iSv. § 297 BGB.
36(aa) Die Beklagte hat dem Kläger für die Dauer von 14 Tagen untersagt, den Betrieb zu betreten. Ziff. 2 des Hygienekonzepts und die Mitarbeiterinformation vom geben den Arbeitnehmern ausdrücklich vor, nach der Rückkehr aus einem Risikogebiet - wie der Türkei - für die Dauer von 14 Tagen zu Hause zu bleiben. Unabhängig davon, dass die Beklagte als Arbeitgeberin keine Quarantäne für die Arbeitnehmer anordnen kann, weil eine solche Anweisung diese in ihrer Privatsphäre betrifft und durch das Direktionsrecht nach § 106 Satz 2 GewO nicht in den Bereich der privaten Lebensführung eingegriffen werden darf (vgl. - Rn. 23 f. mwN, BAGE 143, 62; HWK/Lembke 10. Aufl. § 106 GewO Rn. 47; ErfK/Preis 22. Aufl. BGB § 611a Rn. 730 ff.; MHdB ArbR/Reichold 5. Aufl. § 40 Rn. 26), beinhaltet diese Anordnung für den Kläger zugleich ein Betretungsverbot des Betriebs bzw. ein Hausverbot für die Dauer von 14 Tagen nach Rückkehr aus dem Risikogebiet Türkei.
37(bb) Das vorübergehende Betretungsverbot, das die Beklagte dem Kläger erteilt hat, führt nicht zu einem Unvermögen iSd. § 297 BGB zur Erbringung der Arbeitsleistung. Die Beklagte hat hiermit - ebenso wie bei einer Freistellung während der Kündigungsfrist - selbst die Ursache dafür gesetzt, dass der Kläger nicht an seinen Arbeitsplatz gelangen konnte, ohne das Hausrecht zu verletzen. Das Leistungshindernis hat damit seine Ursache in der von ihr geregelten Arbeitsorganisation. Auch wenn die Beklagte vertretbare arbeitsschutzrechtliche Gründe für das Betretungsverbot angeführt hat, schließt das die Verpflichtung zur Vergütungsfortzahlung nicht aus, denn für Ansprüche aus § 615 Satz 1 iVm. § 611a Abs. 2 BGB ist grundsätzlich unerheblich, aus welchem Grund dies geschieht und ob der Arbeitgeber dies verschuldet hat. Der Arbeitgeber ist deshalb auch dann, wenn er aus Präventionsgründen - ohne infektionsschutzrechtliche behördliche Anordnung - den Arbeitnehmer freistellt, diesem für die Zeit der Freistellung zur Vergütungsfortzahlung verpflichtet (Maties FS 50 Jahre Juristische Fakultät Augsburg 2021 S. 425, 431).
383. Die Annahme der Arbeitsleistung war der Beklagten nicht ausnahmsweise unzumutbar.
39a) Der Arbeitgeber kommt trotz Nichtannahme der Arbeitsleistung nicht in Annahmeverzug, wenn ihm nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Arbeitslebens die Annahme der Arbeitsleistung unzumutbar ist (st. Rspr. seit - zu II 3 der Gründe, BAGE 3, 66; zuletzt - Rn. 34 mwN, BAGE 153, 85).
40b) Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihr die Annahme der Arbeitsleistung aufgrund der konkreten betrieblichen Umstände unzumutbar war.
41aa) Sie hat keinen Vortrag dazu gehalten, dass die konkreten betrieblichen Umstände am Arbeitsplatz des Klägers als Leiter der Nachtreinigung die Annahme der Arbeitsleistung mit Blick auf das Infektionsrisiko unzumutbar gemacht hätten. Auf die konkrete betriebliche Situation kam es der Beklagten nicht an. Das von der Konzernmutter erlassene und im Betrieb der Beklagten in B geltende Hygienekonzept schließt vielmehr generell und unabhängig von den konkreten Gegebenheiten vor Ort nach Rückkehr aus einem Risikogebiet eine Beschäftigung für die Dauer von 14 Tagen aus.
42bb) Diese Regelung des Hygienekonzepts ist nicht geeignet, die Unzumutbarkeit der Annahme der Arbeitsleistung zu begründen. Der Beklagten standen in Bezug auf Reiserückkehrer aus Risikogebieten andere, mildere Mittel zur Verfügung, das Risiko eines Eintrags des Virus in ihren Betrieb deutlich zu verringern und so den erforderlichen Arbeitsschutz zu gewährleisten.
43(1) Nach § 618 Abs. 1 BGB hat der Arbeitgeber Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. Diese Pflichten des Arbeitgebers werden durch die Normen des europäischen und des nationalen Arbeitsschutzrechts konkretisiert (vgl. - Rn. 22 mwN). Zu den Pflichten des Arbeitgebers aus § 618 Abs. 1 BGB gehört es auch, die Arbeitnehmer davor zu schützen, dass sie durch Ansteckungen anderer Arbeitnehmer in ihrer Gesundheit gefährdet werden. Der Arbeitgeber hat - soweit dies erforderlich und zumutbar ist - das Ansteckungsrisiko auch für andere Arbeitnehmer bei der Arbeit möglichst gering zu halten (vgl. - Rn. 23 mwN).
44(2) Bei den Anordnungen, die der Arbeitgeber zur Umsetzung der ihn treffenden Schutzpflichten zu erteilen hat (§ 4 Nr. 7 ArbSchG), handelt es sich - wie oben ausgeführt (Rn. 16) - um Weisungen iSv. § 106 Satz 2 GewO, welche die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betreffen. Die arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bilden in diesen Fällen nach § 106 Satz 2 iVm. Satz 1 GewO die Grundlage des Weisungsrechts. Mit diesen Weisungen setzt der Arbeitgeber die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzanforderungen um. Soweit sie keine klar definierten Maßnahmen zwingend vorgeben, hat die Umsetzung unter Beachtung billigen Ermessens (§ 106 Satz 1 GewO) zu erfolgen (vgl. - Rn. 25 f. mwN). Eine Bestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Einzelfalls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. - Rn. 36, BAGE 151, 45). Erforderlich ist eine Abwägung nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit (vgl. - Rn. 27 mwN). Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB. Den Tatsacheninstanzen steht bei der Kontrolle des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts iSv. § 106 Satz 2 iVm. Satz 1 GewO, § 315 BGB ein Beurteilungsspielraum zu, der die revisionsrechtliche Prüfung einschränkt (vgl. - Rn. 69).
45(3) Danach war die Anweisung der Beklagten, nach Rückkehr aus einem Corona-Risikogebiet für die Dauer von 14 Tagen unter Verlust des Vergütungsanspruchs den Betrieb nicht betreten zu dürfen, unwirksam. Dies kann der Senat endentscheiden, obwohl das Landesarbeitsgericht die Ermessensausübung der Beklagten nicht im Lichte des § 618 Abs. 1 BGB iVm. § 106 Satz 2 GewO geprüft hat. Dem Senat ist eine eigene Prüfung und Interessenabwägung möglich, weil die für eine Endentscheidung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen sind (§ 559 Abs. 1 ZPO) und weiterer Sachvortrag der Parteien nicht zu erwarten ist.
46(a) Die Anordnung eines 14-tägigen Betretungsverbots für den Betrieb bei gleichzeitigem Verlust des Vergütungsanspruchs ist unverhältnismäßig. Der Beklagten standen mildere Mittel zur Verfügung, um den nach § 618 Abs. 1 BGB erforderlichen und angemessenen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer zu erreichen, einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicherzustellen und zugleich die berechtigten Interessen der Arbeitnehmer zu wahren. Die Beklagte hätte etwa ein Betretungsverbot unter Fortzahlung der Vergütung aussprechen können. Das hat sie abgelehnt, weil dies ihrer Auffassung nach die Arbeitnehmer dazu eingeladen hätte, in Risikogebiete zu reisen und anschließend auf ihre - der Beklagten - Kosten zu Hause weiteren „Urlaub“ in Form bezahlter Freistellung zu erhalten. Ob dies in dieser Allgemeinheit zutrifft, kann letztlich dahinstehen, denn die Beklagte hätte ihr Interesse, einen Eintrag des Coronavirus in ihren Betrieb zu verhindern, durch ein anderes milderes Mittel erreichen können, das nicht zu einem 14-tägigen Vergütungsverlust geführt hätte. So hätte sie für Reiserückkehrer aus Risikogebieten vor der Arbeitsaufnahme die Vorlage eines weiteren aktuellen negativen PCR-Tests verlangen können, der zusätzlich zu den öffentlich-rechtlich durch die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin verlangten Tests hätte durchgeführt werden müssen (zur Zulässigkeit solcher Tests - Rn. 34 ff.). Dadurch hätte sie das Risiko eines Eintrags des Virus in ihren Betrieb weitgehend ausschließen können. Auch im Jahr 2020 war es bereits wissenschaftlich anerkannt, dass wiederholte bzw. zeitversetzte PCR-Testungen deren Aussagekraft erhöhen und das Restrisiko der Nichterkennung einer Infektion reduzieren (vgl. Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutsches Bundestages WD 9 - 3000 - 086/20 S. 6 unter Verweis auf das RKI).
47(b) Das angeordnete 14-tägige Betretungsverbot für den Betrieb bei gleichzeitigem Verlust des Vergütungsanspruchs erweist sich hiernach auch unter Berücksichtigung des an sich anerkennenswerten Ziels, den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer zu optimieren und den Betrieb aufrechtzuerhalten, als nicht erforderlich, jedenfalls aber als nicht verhältnismäßig im engeren Sinne und daher unbillig iSv. § 106 Satz 2 iVm. Satz 1 GewO. Die Beklagte hat hierdurch einseitig und mit weitreichenden Folgen für die Arbeitnehmer ihr Interesse an der Aufrechterhaltung eines ungestörten Betriebsablaufs durchgesetzt, ohne berechtigte Interessen der Arbeitnehmer angemessen zur Geltung zu bringen. Da der Beklagten andere, mildere Mittel zur Erreichung ihrer arbeitsschutzrechtlichen Ziele zur Verfügung standen, als den Kläger unter Ausschluss der Entgeltansprüche 14 Tage nicht zu beschäftigen, war ihr die Annahme der Arbeitsleistung des Klägers nicht objektiv unzumutbar.
484. Rechtsfolge des Annahmeverzugs nach § 615 Satz 1 BGB ist die Aufrechterhaltung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs (st. Rspr., zuletzt - Rn. 37 mwN, BAGE 153, 85), der Arbeitnehmer hat trotz Nichtleistung der Arbeit Anspruch auf die vereinbarte Vergütung. Deren Höhe ist für den Zeitraum 17. August bis zwischen den Parteien nicht streitig, die Beklagte führt insoweit keine Revisionsangriffe.
495. Der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs ist nicht durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB), indem die Beklagte dem Kläger für den Streitzeitraum Urlaubsentgelt nach § 1 BUrlG iVm. § 611a Abs. 2 BGB gezahlt hat. Die Beklagte hat dem Kläger für die Zeit vom 17. August bis zum nicht wirksam Urlaub erteilt.
50a) Die Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub setzt voraus, dass der Arbeitnehmer im Voraus durch eine unwiderrufliche Freistellungserklärung des Arbeitgebers zu Erholungszwecken von einer sonst bestehenden Arbeitspflicht befreit wird (st. Rspr., vgl. nur - Rn. 15). Eine Freistellungserklärung ist nur geeignet, das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu bewirken, wenn der Arbeitnehmer erkennen kann und muss, dass der Arbeitgeber ihn zur Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub von der Arbeitspflicht freistellen will. Andernfalls ist nicht feststellbar, ob der Arbeitgeber als Schuldner des Urlaubsanspruchs eine Erfüllungshandlung bewirken (§ 362 Abs. 1 BGB), den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers ausschließen oder aus sonstigen Gründen als Gläubiger der Arbeitsleistung auf deren Annahme mit den in § 615 BGB bezeichneten Folgen verzichten will. Das kann auch dadurch geschehen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistellt (st. Rspr., vgl. - Rn. 19, BAGE 150, 355).
51b) Eine Freistellungserklärung, die diesen Anforderungen gerecht wird, hat die Beklagte gegenüber dem Kläger nicht abgegeben. Sie hat keinen Vortrag dazu geleistet, dass mit der Abweisung des Klägers am Werkstor am eine entsprechende Freistellung erklärt worden sei. Auch ihr Schreiben vom enthält lediglich die Aussage, der Kläger habe „die Möglichkeit, … Lohnfortzahlung durch Urlaubstage … zu kompensieren“. Darin liegt keine erkennbare Freistellungserklärung unter Einbringung von Urlaubsansprüchen.
526. Der Kläger hat die Ausschlussfrist des § 6 Abs. 1 Arbeitsvertrag für die erhobenen Ansprüche auf Vergütung gewahrt. Danach verfallen ua. alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht binnen einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit in Textform gegenüber der anderen Partei geltend gemacht werden. Da die Fälligkeit im Vertrag nicht geregelt ist, findet § 614 Satz 1 und Satz 2 BGB Anwendung. Die Vergütung für den Monat August 2020 wurde am fällig. Mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am zugestellten Zahlungsklage liegt eine rechtzeitige Geltendmachung vor.
53II. Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB stehen dem Kläger ab dem Tag nach Eintritt der Fälligkeit zu (vgl. - Rn. 38, BAGE 153, 85), mithin wie beantragt seit dem .
54III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2022:100822.U.5AZR154.22.0
Fundstelle(n):
BB 2022 S. 2419 Nr. 42
BB 2022 S. 3003 Nr. 51
BB 2022 S. 3008 Nr. 51
DB 2022 S. 2675 Nr. 45
DB 2022 S. 3056 Nr. 51
DB 2022 S. 3056 Nr. 51
NJW 2022 S. 3462 Nr. 47
ZIP 2022 S. 2512 Nr. 49
ZIP 2022 S. 5 Nr. 33
FAAAJ-23513