Verfahrensrecht | Organisation der Familienkassen im Bereich Inkasso (FG)
Das Niedersächsische FG hat entschieden, dass die Verwaltungsakte im Erhebungsverfahren in Kindergeldsachen der sachlich unzuständigen Agentur für Arbeit Recklinghausen - Familienkasse Inkasso auch dann rechtswidrig sind, wenn sie von dieser unter dem Briefkopf der zuständigen Familienkasse erlassen werden (; rechtskräftig).
Hintergrund: Schon seit mehreren Jahren wird im Verfahren über die Erhebung von Kindergeld, also insbesondere bei Entscheidungen über dessen Stundung und Erlass, der zentral bei der Agentur für Arbeit Recklinghausen eingerichtete sog. „Inkassoservice" tätig. Der Bundesfinanzhof hat jedoch inzwischen in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung entschieden, dass diese Behörde mangels entsprechender gesetzlicher Regelung hierfür sachlich unzuständig ist (s. z. B. ; ).
Dennoch scheint dieser „Inkassoservice" - wie das Niedersächsische FG jetzt herausgefunden hat - auch nach Ergehen dieser Entscheidungen weiterhin tätig zu werden. Allerdings nicht im eigenen Namen, sondern verdeckt unter dem Briefkopf der eigentlich zuständigen örtlichen Familienkasse. Dass diese Umgehung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs rechtswidrig ist und eine - wie die beklagte Familienkasse vorträgt - lediglich "virtuelle" Abordnung nicht den Zuständigkeitsanforderungen genügt hat nun der 3. Senat des Niedersächsischen FG entschieden.
Das FG führt hierzu aus:
Eine solche "virtuelle" Abordnung von Bediensteten einer Behörde an die eigentlich gesamtzuständige örtliche Familienkasse ist unbeachtlich, da sie nicht die Maßstäbe einer rechtsstaatlichen Verwaltungsorganisation erfüllt.
Das Demokratieprinzip erfordert eine klare Zuordnung von Verwaltungszuständigkeiten und verbietet das Tätigwerden einer anderen Behörde unter dem Briefkopf der materiell zuständigen Behörde.
Es ist trotz entsprechender technischer Möglichkeiten weiterhin erforderlich, dass die gesetzlich zuständige Behörde mit eigenem Personal tätig wird. Es besteht, im Rahmen des Verwaltungsrechts auch keine Befugnis einer Behörde, eine andere Behörde generell für ein Tätigkeitsfeld - wie etwa im Zivilrecht - „zu beauftragen" und im Außenverhältnis für sie als „Vertreter" tätig zu werden, da weder eine gesetzliche Vertretungsbefugnis vorhanden ist, noch eine rechtsgeschäftliche Vertretungsbefugnis mangels gesetzlicher Grundlage verfassungsrechtlich legitimiert ist.
Hinweis:
Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des Niedersächsischen FG veröffentlicht.
Quelle: (RD)
Fundstelle(n):
VAAAJ-22647