BBK Nr. 6 vom Seite 281

Rückstellungen für Jahresabschluss-, Prüfungs- und Beratungskosten

BFH widerspricht dem IDW

Frank Zeidler und Wolfgang Schmatz *

Mit [i]BFH, Urteil vom 5. 6. 2014 - IV R 26/11 NWB QAAAE-72211 rechtskräftigem Urteil vom hat der BFH entschieden, dass für freiwillige Prüfungen von Jahresabschlüssen keine Rückstellungen gebildet werden dürfen, wenn das Unternehmen lediglich nach seinem Gesellschaftsvertrag zur Prüfung verpflichtet ist. [1] Nach Ansicht der höchsten Finanzrichter stellt dies eine reine Selbst- und Innenverpflichtung dar, die trotz ihrer Einklagbarkeit keine rückstellungspflichtige Außenverpflichtung begründen könne. Der BFH folgt damit der Vorinstanz. [2] Das Urteil steht im Gegensatz zur Ansicht des IDW [3] und damit der gängigen handelsbilanziellen Praxis.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Definition und Ansatz

Für [i]Ausweis von Verbindlichkeitsrückstellungen Unternehmen bestehen gesetzliche Verpflichtungen zur Bilanzerstellung, Jahresabschlussprüfung und zur Abgabe von Steuererklärungen. Die damit im Zusammenhang anfallenden Aufwendungen gehören wirtschaftlich in das Jahr, für das die Bilanz oder Steuererklärung erstellt wird, so dass in der Handels- und Steuerbilanz Verbindlichkeitsrückstellungen auszuweisen sind. Rückstellungsfähige Aufwendungen sind:

  • Externe [i]Rückstellungsfähige Aufwendungen und interne Kosten für die Aufstellung des Jahresabschlusses und ggf. des Lageberichts. [4] Soweit eine Verpflichtung zur Aufstellung eines Konzernabschlusses besteht, ist u. E. auch hierfür (bei der Konzern-Obergesellschaft) eine Rückstellung zu bilden sowie bei den Tochtergesellschaften ggf. eine Rückstellung für die Anfertigung der entsprechend notwendigen Reporting-Packages.

  • Kosten der gesetzlich vorgeschriebenen Prüfung des Jahresabschlusses durch einen Abschlussprüfer und Veröffentlichung des Jahresabschlusses im Bundesanzeiger. [5]

  • Kosten für die Erstellung betrieblicher Steuererklärungen: Gewerbesteuererklärung, Umsatzsteuererklärung, bei Kapitalgesellschaften auch für die Körperschaftsteuererklärung, Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung (nicht rückstellbar in der Steuerbilanz), Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage.S. 282

  • Kosten der Erstellung des Geschäfts- und Lageberichts.

  • Kosten für Buchführungsarbeiten nach dem Bilanzstichtag für Geschäftsvorfälle des abgelaufenen Wirtschaftsjahres. [6]

II. Bewertung

In [i]Bewertung zum Erfüllungsbetrag der Handelsbilanz sind Rückstellungen mit dem Erfüllungsbetrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung erforderlich ist (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB). Soweit die Restlaufzeit der Rückstellung am Bilanzstichtag größer als ein Jahr ist, ist der Betrag nach den im allgemeinen Teil dargestellten Grundsätzen abzuzinsen. Dies dürfte aber aufgrund der zeitlich eng begrenzten Aufstellungs- und Erklärungsfristen im Regelfall nicht gegeben sein, z. B. § 264 Abs. 1 HGB, § 149 Abs. 2 AO.

Hinweis:

Werden [i]Externe Kosten die Arbeiten von Dritten durchgeführt (z. B. Steuerberater, Wirtschaftsprüfer), sind die zu erwartenden externen Kosten maßgebend, z. B. Honorar des Steuerberaters. Ohne Bedeutung ist es, ob der Auftrag bereits am Bilanzstichtag erteilt ist. [7]

Soweit [i]Interne Kosten einzelne Arbeiten im Unternehmen selbst erbracht werden, sind die voraussichtlich anfallenden internen Einzelkosten zu berücksichtigen, z. B. anteiliger Bruttoarbeitslohn des Buchhalters, Löhne für noch ausstehende Inventurarbeiten, Aufwendungen für Vordrucke etc., sowie der angemessene Anteil der notwendigen Gemeinkosten. In der Handelsbilanz sind die Vollkosten zu berücksichtigen.

III. Auswirkungen der jüngsten BFH-Rechtsprechung

[i]Nicht rückstellungsfähige Aufwendungen Folgende Aufwendungen sind dem Grunde nach in der Steuerbilanz nicht rückstellungsfähig: [8]

  • Kosten für nichtbetriebliche Steuererklärungen, z. B. Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung des Gewinns einer Personengesellschaft. [9]

  • Kosten für die Prüfung und Offenlegung, wenn ihnen keine rückstellungspflichtige Außenverpflichtung zugrunde liegt.

    Es gibt Rückstellungspflichten, die nicht gesetzlich geregelt sind, aber zulässig, da sie auf außenverpflichtende Vertragsgrundlagen beruhen, z. B. Rückstellungen für Prüfungskosten aufgrund von vertraglichen Verpflichtungen bei gegebenen Landesbürgschaften.

Hier [i]BFH, Urteil vom 5. 6. 2014 - IV R 26/11 NWB QAAAE-72211 setzt auch das Urteil des IV. Senats des [10] an, dem folgender Sachverhalt zugrunde lag: Die Klägerin, eine gesetzlich nicht prüfungspflichtige Personengesellschaft, hat eine Rückstellung für die freiwillige Jahresabschlussprüfung gebildet. Grund für die Rückstellung war die gesellschaftsrechtliche Verpflichtung, wonach (zusammengefasst) der Jahresabschluss von einem Angehörigen der wirtschafts- oder steuerberatenden Berufe zu prüfen sei und dieser geprüfte Jahresabschluss die Grundlage für die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung und die zu treffenden Gewinnverwendungsbeschlüsse darstelle.

Die [i]IDW: Außenverpflichtung Passivierung einer Rückstellung dieser Aufwendungen war gemäß § 249 Abs. 1 HGB geboten, da die Gesellschafter aufgrund der Einklagbarkeit ihres Anspruchs auf Prüfung des Jahresabschlusses im Verhältnis zur Gesellschaft ebenfalls Dritte waren [11] und insofern eine Außenverpflichtung bestand. S. 283

In [i]BFH: Innenverpflichtung seinem Urteil verneint der BFH die Rückstellungsfähigkeit der Aufwendungen für die freiwillige Jahresabschlussprüfung aus folgenden Gründen:

  • Die gesellschaftsvertragliche Verpflichtung geht über die gesetzlichen Anforderungen hinaus und dient ausschließlich den Kontrollrechten und Ansprüchen der Gesellschafter. Es besteht insofern keine gesetzliche Verpflichtung und keine Außenverpflichtung.

  • Die Einklagbarkeit der Verpflichtung ist für sich gesehen nicht geeignet, die freiwillige Selbstverpflichtung als Außenverpflichtung zu qualifizieren. Die Gesellschafter und die Personengesellschaft stehen sich nicht als fremde Dritte gegenüber.

  • Der Gesellschaftsvertrag ist zwar auch ein Schuldverhältnis, dadurch werden aber lediglich Rechte und Pflichten im Innenverhältnis begründet, weil eine Organisationsstruktur für das auf den gemeinschaftlichen Zweck ausgerichtete Handeln der Gesellschaft festgelegt wird. Dieses „Schuldverhältnis im Innenverhältnis“ ist zu unterscheiden vom „Schuldverhältnis im Außenverhältnis“, in dem die Gesellschaft als Einheit den einzelnen Gesellschaftern gegenübersteht, wie z. B. bei Kauf-, Darlehens- und Arbeitsverträgen.

Hinweis:

Im [i]Aufwandsrückstellung Ergebnis liegt eine freiwillige Selbstverpflichtung vor, die als Aufwandsrückstellung nicht rückstellungsfähig ist.

IV. Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz

Zu [i]Preis- und Kostensteigerungen Abweichungen der Höhe nach zwischen Handels- und Steuerbilanz kommt es dadurch, dass in der Steuerbilanz für die Rückstellungsbewertung allein die Preisverhältnisse am Bilanzstichtag maßgebend und künftige Preis- und Kostensteigerungen nicht zu berücksichtigen sind.

Hat [i]Abzinsung die Rückstellung am Bilanzstichtag eine Restlaufzeit von mehr als einem Jahr, beträgt der Zinssatz für die Abzinsung in der Steuerbilanz 5,5 % gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG, während in der Handelsbilanz der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Durchschnittszins anzusetzen ist.

Beispiel

Die [i]Beispielsfall Firma AB-OHG betreibt eine Spedition. In der Bilanz 01 werden folgende Rückstellungen ausgewiesen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
(a) Kosten für die Erstellung von Steuererklärungen
Gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung (01)
5.000 €
Umsatzsteuererklärung (01)
3.000 €
Gewerbesteuererklärung (01)
2.000 €
(b) Kosten für den Jahresabschluss
Lohnkosten der eigenen Buchhaltung (Nachbuchungen für 01)
2.000 €
Kosten für den Steuerberater
12.000 €
(c) Kosten für die gesellschaftsvertraglich vorgesehene freiwillige Jahresabschlussprüfung
Kosten für den Steuerberater
10.000 €

Rückstellbar sind in der Steuerbilanz die Aufwendungen für betriebliche Steuererklärungen (Umsatzsteuer, Gewerbesteuer) sowie die Kosten für die Erstellung des Jahresabschlusses einschließlich der Kosten für die Verbuchung der Geschäftsvorfälle des Vorjahres, mithin 19.000 €.

In der Handelsbilanz sind darüber hinaus die Kosten für die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung und die S. 284Kosten für den Steuerberater für die gesellschaftsvertraglich vorgesehene freiwillige Jahresabschlussprüfung in die Rückstellungsberechnung aufzunehmen, mithin 34.000 €.

Hinweis:

Die [i]Übertragbar auf andere Rechtsformen vom BFH vorgebrachte Argumentation ist – über die dem Sachverhalt des BFH-Urteils zugrunde liegende Personengesellschaft hinaus – auch auf Gesellschaften aller Rechtsformen übertragbar, die sich einer freiwilligen Jahresabschlussprüfung unterziehen, wie z. B. kleine Kapitalgesellschaften.

[i]Aktive latente Steuern Handels- und Steuerbilanzen fallen damit in einem weiteren Punkt auseinander, was wiederum das Wahlrecht zur Bilanzierung von aktiven latenten Steuern nach § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB eröffnet, da der Unterschied zwischen Handels- und Steuerbilanz auf dem Ansatz von steuerlich nicht passivierungsfähigen Rückstellungen der Handelsbilanz beruht.

Fazit

[i]Hoffmann, Rückstellung für sog. freiwillige Abschlussprüfung, PiR 10/2014 S. 320 NWB MAAAE-74496 Das BFH-Urteil steht im Gegensatz zur langjährigen Bilanzierungspraxis. U. E. ist die Argumentation des IDW sachgerecht und aufgrund der Einklagbarkeit des Anspruchs der Gesellschafter auf freiwillige Jahresabschlussprüfung eine Außenverpflichtung anzunehmen. [12] Nichtsdestotrotz muss für Zwecke der Steuerbilanz das Urteil der obersten Finanzrichter in Zukunft beachtet werden.

Obwohl der BFH das Interesse der Gesellschafter an der freiwilligen Jahresabschlussprüfung hervorhebt, wird die grundsätzlich betriebliche Veranlassung der entsprechenden Aufwendungen nicht in Frage gestellt. Die Aufwendungen als solche bleiben im Veranlagungszeitraum der tatsächlich durchgeführten freiwilligen Jahresabschlussprüfung als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG abzugsfähig und stellen keine Entnahme und keine verdeckte Gewinnausschüttung dar. In der Steuerbilanz werden die Aufwendungen somit erst in der Folgeperiode aufwandswirksam (Phasenverschiebung).

Weiterhin in der Steuerbilanz rückstellungsfähig bleiben Aufwendungen für die freiwillige Jahresabschlussprüfung, wenn freiwillige Jahresabschlussprüfungen aufgrund vertraglicher Regelungen mit externen Dritten, insbesondere Banken im Rahmen von Fremdfinanzierungen, durchgeführt werden müssen.

Autoren

Frank Zeidler,
Dipl.-Kfm., ist als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater bei Bergemann Schönherr & Partner in München als Partner tätig. Zu den Schwerpunkten seiner Tätigkeit gehören die nationale und internationale Bilanzierung, das Unternehmenssteuerrecht sowie die Umsatzsteuer (www.bbsz.de).

Wolfgang Schmatz,
Steuerberater, ist angestellt bei Bergemann Schönherr & Partner in München. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der laufenden steuerlichen Beratung im Unternehmenssteuerrecht, der Erstellung von Steuererklärungen sowie der Jahresabschlussprüfung (www.bbsz.de).

Fundstelle(n):
BBK 2015 Seite 281 - 284
MAAAE-86199

1, BStBl 2014 II S. 886 NWB QAAAE-72211.

2 NWB AAAAD-90651.

3In der Form des IDW RH HFA 1.009.

4, BStBl 1980 II S. 297 NWB XAAAA-91497.

5, BStBl 1981 II S. 62 NWB PAAAA-91653.

6Vgl. Zeidler/Mißbach (Hrsg.), Rückstellungen von A-Z: Buchführung NWB TAAAC-42505; , BStBl 1992 II S. 1010 NWB HAAAA-93896.

7, BStBl 1984 II S. 301 NWB JAAAA-91911.

8H 5.7 Abs. 4 EStH.

9, BStBl 1984 II S. 301 NWB JAAAA-91911.

10, BStBl 2014 II S. 886 NWB QAAAE-72211.

11Vgl. IDW RH HFA 1.009, Rn. 6.

12Vgl. IDW RH HFA 1.009, Rn. 6.