PiR Nr. 10 vom Seite 320

Rückstellung für sog. freiwillige Abschlussprüfung

WP/StB Prof. Dr. Wolf-Dieter Hoffmann, Freiburg

I. Gegenstand

Die Durchführung einer Jahresabschlussprüfung ist teilweise gesetzlich angeordnet (§ 316 Abs. 1 Satz 1 HGB), kann aber auch privat-autonom – durch Gesellschaftsvertrag oder als Teilbereich einer Kreditgewährung – vereinbart werden. Die bilanzrechtliche Frage geht dann dahin, ob die Kosten einer solchen „freiwilligen“ Abschlussprüfung für das vergangene Jahr einen Rückstellungsansatz erfordern.

II. Tatbestandsmerkmale …

1. … nach IFRS

Nach IAS 37.14 müssen zur Berechtigung des Rückstellungsansatzes förmlich drei, effektiv vier Tatbestandsmerkmale kumulativ vorliegen.

Das wichtigste Merkmal ist eine auf einem Vergangenheitsereignis beruhende gegenwärtig (am Bilanzstichtag) bestehende Verpflichtung (obligation). Eine solche Verpflichtung kann vertraglich oder gesetzlich begründet sein (IAS 37.10). Daneben kommen auch faktische Verpflichtungen (constructive obligations) mit dem Paradebeispiel des Kulanzobligos als rückstellungsbegründend in Betracht. Mit der „ obligation“ ist jedenfalls eine sog.  Außenverpflichtung gemeint, die gegenüber Dritten besteht und auf einem Vergangenheitsereignis beruht. Aufwendungen, die mit der künftigen Geschäftstätigkeit verknüpft sind, können nicht zurückgestellt werden.

2. … nach HGB/EStG

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung sind handelsrechtlich gebotene Verbindlichkeitsrückstellungen auch steuerbilanziell anzusetzen [1]. Voraussetzung der Rückstellungsbildung ist dabei u. a. das Bestehen einer der Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit, mit welcher der Schuldner (Bilanzierer) ernsthaft rechnen muss. Diese Verbindlichkeit muss den Anspruch eines Dritten repräsentieren (sog.  Außenverpflichtung), der vom Schuldner ein Tun oder Unterlassen verlangen kann. Daneben begründet auch ein faktischer Leistungszwang (wieder Musterfall die Kulanz), dem sich der bilanzierende Schuldner auch ohne Rechtsverpflichtung nicht entziehen kann, einen Bilanzansatz. Nicht ansatzsfähig sind dagegen sog. Aufwandsrückstellungen (§ 249 Abs. 2 HGB) mit spezifischen Ausnahmen in § 249 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HGB. Insgesamt sind die Ansatzvoraussetzungen nach IAS 37 und § 249 Abs. 1 HGB im entscheidenden Punkt – dem Erfordernis einer Rechtsverpflichtung gegenüber Dritten – identisch.

III. Die Rechtsverpflichtung der freiwilligen Abschlussprüfung

Der IV. BFH-Senat hatte jüngst die Aufgabe, das Rückstellungserfordernis für eine sog.  freiwillige Abschlussprüfung unter das Tatbestandsmerkmal der Außenverpflichtung zu subsumieren (BFH-Urteil IV R 26/11 a. a. O.). Für sog. Pflichtprüfungen, insbesondere nach § 316 Abs. 1 HGB, sind die Kosten unstreitig rückstellungsfähig [2], da es sich um eine vom Gesetz auferlegte Verpflichtung handelt. Im zitierten Urteil IV R 26/11 bestand die Verpflichtung auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrags. In dieser Fallkonstellation sieht das IDW [3] in den Gesellschaftern in ihrem Verhältnis zur Gesellschaft Dritte, was zu einer Außenverpflichtung führe (s. unter II.2). Das werde auch durch die Einklagbarkeit dieser Ansprüche belegt.

Der IV. BFH-Senat sieht die Gesellschaftsrechtslage anders: Seine Ansprüche auf Durchführung einer Abschlussprüfung könne der Gesellschafter nur „innerhalb des Gesellschafterverbunds“ geltend machen, weshalb keine Außenverpflichtung vorliege. Daran ändere auch die Einklagbarkeit des Anspruchs nichts. Durch die gesellschaftsvertraglich vereinbarte Abschlussprüfung hätten die Gesellschafter lediglich die Organisationsstruktur für das auf einen gemeinsamen Zweck ausgerichtete Handeln der Gesellschaft festgelegt. Anders verhielte es sich, wenn die Gesellschaft mit einzelnen Gesellschaftern Kauf-, Darlehens- oder Arbeitsverträge abschließe.

IV. Folgerungen für die Bilanzierungspraxis

Der Bilanzierer hat nun die Qual der Wahl, welcher der dargestellten gesellschaftsrechtlichen Interpretationen er als Ansatzgrundlage folgen soll. Eindeutig ist die Rechtslage für die Steuerbilanz; es gilt das Dictum des BFH. In der Handelsbilanz kann diesem nach dem Regelungsgehalt des subjektiven Fehlerbegriffs ebenfalls gefolgt werden – genauso wie der Vorgabe des IDW. Die Gültigkeit des subjektiven Fehlerbegriffs hat der BFH für Rechtsfragen der steuerlichen Bilanzierung abgelehnt. Handelsbilanziell wird diese Ansicht überwiegend abgelehnt [4], m. a. W.: Jeder nicht ganz abwegigen Auffassung im Schrifttum kann in der Handelsbilanz gefolgt werden – hier also entweder derjenigen des IDW oder des BFH.

Der letztdargestellte Befund gilt auch für die Anwendung von IAS 37.14. Spezifische Regeln zur Auslegung von Gesellschaftsrecht kann der IASB wegen der Internationalität des Rechnungslegungskonzepts nicht liefern. Hier ist ausschließlich die nationale Rechtsdogmatik als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen. Wenn zwei begründete Auffassungen vertreten werden, kann jeder von ihnen nach IFRS gefolgt werden.

Fundstelle(n):
PiR 10/2014 Seite 320
MAAAE-74496

1Grundlegend NWB UAAAA-90474, BStBl 1969 II S. 291; zuletzt NWB QAAAE-72211, DStR 2014 S. 1814, mit Anm. Hoffmann.

2Vgl. NWB PAAAA-91653, BStBl 1981 II S. 62.

3IDW Rechnungslegungshinweis vom , IDW/FN 2010 S. 354.

4Vgl. Hoffmann, StuB 2013 S. 797 NWB TAAAE-47716.