NWB Nr. 12 vom Seite 851

Der neue Mindestlohn und „Transitfälle“

Wie weit reicht das MiLoG?

Jörg Steinheimer und Saskia Krusche *

[i]Krusche/Ratzesberger/Steinheimer, Das neue Mindestlohngesetz (MiLoG), NWB Verlag Herne, 2015, ISBN: 978-3-482-65851-8Seit dem erhält nun jeder Arbeitnehmer im Bundesgebiet mindestens 8,50 € brutto pro Zeitstunde. Geregelt wird im Mindestlohngesetz (MiLoG) unglücklicherweise relativ wenig, in Fachkreisen spricht man gar von einer „Detailarmut“ (so Sittard, NZA 2015 S. 78). Diese Unsicherheiten bilden den Nährboden für manchmal mehr und manchmal weniger sinnvolle Spekulationen. In jüngster Zeit sorgten die sog. Transitfälle für große Aufregung. Hintergrund ist, dass dank dem neuen MiLoG nun auch osteuropäische Transportunternehmen befürchten müssen, ihren Fahrern 8,50 € brutto pro Stunde für Transitfahrten durch Deutschland zahlen zu müssen. Nach Ansicht der Osteuropäer verstoße die Verpflichtung zur Zahlung des deutschen Mindestlohns für reine Transitfahrten gegen Unionsrecht, da dies eine unverhältnismäßige Belastung für ausländische Arbeitgeber darstelle. Die EU-Kommission hat nunmehr über diese Frage zu entscheiden. [i] www.der-mindestlohn-gilt.de Die Gemüter sind allseits erregt, die Fachliteratur – insbesondere nach der Pressemitteilung von Bundesarbeitsministerin Nahles – verwirrt. Im Folgenden daher ein Überblick.

Arbeitshilfen:

Zum Thema sind in der NWB Datenbank (Login über www.nwb.de) aufrufbar:

  • Mindestlohn: Handlungsmöglichkeiten für Unternehmen – Checkliste NWB MAAAE-71142

  • Mandanten-Information zum Mindestlohn ab NWB RAAAE-78080

  • Mindestlohn: Allgemeinverbindliche Tarifabschlüsse nach Branchen – Übersicht NWB UAAAE-70432

  • Arbeitsvertrag für geringfügig Beschäftigte – Mustervertrag NWB MAAAB-05382

  • Grundlagen, „Geringfügig entlohnte Beschäftigung (Minijob)“ NWB OAAAE-32435

Eine Kurzfassung dieses Beitrags finden Sie in .

I. Problemdarstellung: reine Transitfälle und Kabotage

Die Gefahr für ausländische Transportunternehmen, ihren Arbeitnehmern den deutschen Mindestlohn zahlen zu müssen, besteht immer dann, wenn die ausländischen Lkw-Fahrer durch Deutschland fahren, um Waren in andere europäische Länder zu transportieren (Transitfälle), oder wenn die Arbeitnehmer in Deutschland ihren Laster be- bzw. entladen (Kabotage). S. 852

[i]MiLoG enthält zu Kurzeinsätzen keine AussageDas MiLoG trifft diesbezüglich keinerlei Aussagen. Es ist lediglich normiert, dass jeder im Inland beschäftigte Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung des neuen Mindestlohns hat, gleichgültig, ob der Arbeitgeber seinen Sitz im In- oder Ausland hat (s. § 1 i. V. mit § 20 MiLoG).

[i]Längerfristige Entsendungen sind geklärtEinigkeit besteht jedenfalls dahingehend, dass der Arbeitnehmer im Hoheitsgebiet Deutschland tätig sein muss, um den neuen deutschen Mindestlohn verlangen zu können. Klar ist auch, wie der EuGH am entschieden hat, dass bei längerfristiger Entsendung der nationale Mindestlohn am Entsendeort die Basis bildet, und alle Zuschläge gesondert zu zahlen sind (, Fall polnischer Arbeitnehmer in Finnland, bisher nur Pressemitteilungen).

Fraglich ist jedoch, ob das neue MiLoG auch beim Kurzeinsatz in Deutschland Anwendung findet.

[i]Differenzierung zwischen Transitverkehr und KabotageNach dem großen Aufschrei osteuropäischer Transportunternehmer gab die Bundesarbeitsministerin bekannt, im reinen Transitverkehr (Durchfahrten) hätten die Lkw-Fahrer zunächst keinen Anspruch auf den deutschen Mindestlohn. Die Pflicht zur Zahlung von 8,50 € brutto werde in den Transitfällen zumindest so lange ausgesetzt, bis die EU-Kommission über die rechtliche Gültigkeit des MiLoG entschieden habe. Der Mindestlohn sei im Falle der Kabotage jedoch unstreitig zu bezahlen.

Das MiLoG wird gleich zu Anfang einer Feuertaufe unterzogen. Der für Verkehr zuständige EU-Kommissar forderte die Bundesregierung zur Erläuterung auf, welches überwiegende öffentliche Interesse denn die Verpflichtung ausländischer Transportunternehmen zur Zahlung des deutschen Mindestlohns rechtfertige, wenn deren Fahrer lediglich das Bundesgebiet durchquerten, ohne Waren zu entladen.

Teilweise wird tatsächlich die Ansicht vertreten, das MiLoG finde Anwendung, sobald der Arbeitnehmer Arbeitsleistungen – und damit auch Durchreisetätigkeiten – auf deutschem Hoheitsgebiet erbringe, eine Mindestaufenthaltsfrist gelte dagegen nicht.

Hinweis

Bei Anwendung des MiLoG auf diese Transitfälle und bei Unterstellung, auch alle anderen EU-Staaten bestünden auf Zahlung ihrer jeweils länderspezifischen Mindestlöhne, ergäbe sich nachfolgendes, abstruses Szenario: Transportiert der Lkw-Fahrer etwa Waren von Estland nach Portugal, unterliegt er bei seiner reinen Durchreisetätigkeit allen jeweils für anwendbar erklärten Mindestlohnregelungen. Der Arbeitgeber hat damit neben dem estnischen Lohn bis zu acht (Litauen, Lettland, Polen, Tschechien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal) verschiedene Mindestlöhne zu bezahlen. Eine solche Zahlungsverpflichtung kann weder rechtlich noch tatsächlich vertretbar sein. Es bleibt abzuwarten, wie sich EU-Kommission hinsichtlich des MiLoG positionieren wird.

II. Rechtliche Ausgangslage in Deutschland

[i]Definition ArbeitsortDas MiLoG trifft keinerlei Aussagen dazu, ob der deutsche Mindestlohn auch für Kurzeinsätze, geschweige denn für reine Transitfahrten oder für die Kabotage, Anwendung findet. Es wird vielmehr – wie bereits dargestellt – lediglich auf den Arbeitsort „Deutschland“ abgestellt. Arbeitsort ist grds. der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Verpflichtungen gegenüber dem Arbeitgeber in der Weise erfüllt, dass er dort die vereinbarte Tätigkeit tatsächlich ausübt. Der gewöhnliche Arbeitsort ist damit der Ort, an dem der Arbeitnehmer mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit verbringt.

Folglich ist Deutschland in den Transitfällen jedenfalls nicht der gewöhnliche Arbeitsort, da der Lkw-Fahrer schließlich nur durch deutsches Hoheitsgebiet fährt. Selbiges gilt eigentlich auch für die Kabotage. In diesem Fall be- oder entlädt der Fahrer lediglich seinen Laster und fährt sodann weiter. Problematisch bei Lkw-Fahrern ist S. 853jedoch, dass ihr gewöhnlicher Arbeitsort zumeist kein Land, sondern tatsächlich ihr Lkw ist, mit dem sie verschiedene Länder durchqueren. Das Abstellen auf den gewöhnlichen Arbeitsort kann also im Hinblick auf Kurzeinsätze keine Lösung sein.

[i]Sinn und Zweck des MiLoG als AusgangspunktMöglich wäre jedoch, auf Sinn und Zweck des MiLoG abzustellen. Oberstes Ziel des MiLoG ist, existenzgefährdende Niedriglöhne zu verhindern. Ein Arbeitnehmer, der den deutschen (relativ teuren) Lebenshaltungskosten unterliegt, muss auch in die Lage versetzt werden, diese finanziell zu „stemmen“. Der osteuropäische Lkw-Fahrer, der Deutschland auf seinen Fahrten lediglich durchquert, unterliegt dabei gerade nicht den innerländischen Lebenshaltungskosten. Doch das gilt eigentlich auch für die Kabotagefälle. Zumeist dürfte schließlich das Be- und Entladen des Lkws nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen. Dennoch scheint allgemein der Konsens zu bestehen, dass für die Kabotage auch deutscher Mindestlohn zu bezahlen ist, soweit diese im Staatsgebiet durchgeführt wird.

Hilft ein [i]Regelungen des Arbeitnehmerentsendungsgesetzes klammern Transitfälle nicht ausBlick in das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG)? Gem. § 2 Nr. 1 AEntG finden Rechtsvorschriften über Mindestentgeltsätze auch für ausländische Arbeitgeber mit im Inland beschäftigten Arbeitnehmern zwingend Anwendung. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses ist dabei irrelevant. Allerdings werden auch nach dem AEntG reine Transitfälle nicht ausgeklammert, da das AEntG für jede in Deutschland erbrachte Arbeit gelten soll.

III. Lösungsansatz nach Unionsrecht

Im Hinblick auf die Frage, was nun für Kurzeinsätze, insbesondere für Transitfälle und Kabotage gelten soll, kann eventuell das Unionsrecht Licht ins Dunkle bringen.

[i]Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch die Entsende-RichtlinieNach der Entsende-Richtlinie (Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen) kann jeder Mitgliedstaat die im Inland vorgesehenen Mindeststandards auch gegenüber ausländischen Arbeitgebern durchsetzen. Nach ständiger EuGH-Rechtsprechung (, NZA 2001 S. 554) ist darin grds. eine zulässige Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV zu sehen. Die Entsende-Richtlinie findet jedoch nur auf die in ihrem Art. 1 Abs. 3 normierten Entsendefälle Anwendung, bei denen ein inländischer Dienstleistungsempfänger eine vertraglich vereinbarte Leistung erhält. Damit sind zumindest die Kabotagefälle geregelt. Demnach ist also Mindestlohn zu bezahlen. Eine Erstreckung auf die Transitfälle ist allerdings auch in der Entsende-Richtlinie nicht vorgesehen.

[i]Rechtfertigungsgründe für die Einschränkung der DienstleistungsfreiheitDie Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV soll grds. vor Beschränkungen schützen, auch wenn diese für In- und Ausländer gleichermaßen gelten. Alle einschränkenden Regelungen bedürfen daher stets einer Rechtfertigung. Solch ein Rechtfertigungsgrund ist etwa die öffentliche Ordnung, worunter der EuGH auch die Wahrung von Arbeitnehmerinteressen subsumiert.

[i]Flächendeckende Mindestlöhne sind zulässigSeit der „Rüffert“-Entscheidung des NWB DAAAC-76423) ist allgemein anerkannt, dass für In- und Ausländer unterschiedslos wirkende flächendeckende Mindestlöhne zulässig sind. Allerdings ist davon auszugehen, dass diese Rechtsprechung zumindest auf die reinen Transitfälle nicht zu übertragen ist.

Stimmen in [i] www.lto.de der Literatur behaupten nun, der deutsche Gesetzgeber habe mit dem (extrem weitreichenden) MiLoG lediglich von seinem Ermessen Gebrauch gemacht und die Dienstleistungsfreiheit daher nicht verletzt. Die Höhe des Mindestlohns und für welchen Personenkreis dieser gelten solle, unterliege der freien Entscheidung der Mitgliedstaaten. Es müsse keinesfalls ein überwiegendes öffentliches Interesse für jede kleine Gruppe nachgewiesen werden. Der Mindestlohn gelte daher nicht nur für die S. 854Kabotagefälle, sondern auch für die umstrittenen Transitfälle (so Däubler, Legal Tribune ONLINE vom , abgerufen am ) .

Vorzugswürdig [i]Verstoß auch gegen die Warenverkehrsfreiheiterscheint jedoch die Ansicht, wonach eine Regelung, die durch kurzzeitige Mindestlohnansprüche Transportunternehmen erheblichen finanziellen Belastungen aussetzt, die außer jedem Verhältnis stehen, jedenfalls im Hinblick auf die reinen Transitfälle nicht zu rechtfertigen ist. Dies muss zumindest dann gelten, wenn der Arbeitnehmer sowieso nicht den deutschen Lebenserhaltungskosten unterliegt (Sittard, NZA 2015 S. 78). Im Übrigen verletzt das MiLoG bei unterstellter Anwendbarkeit auf die Transitfälle nicht nur die Dienstleistungsfreiheit, sondern zudem auch die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 ff. AEUV. Denn durch die Verpflichtung der Abrechnung diverser europäischer Mindestlöhne werden grenzüberschreitende Transportdienstleistungen erheblich erschwert und verlieren immens an Attraktivität. Im Ergebnis wäre daher eine Mindestlohnzahlungspflicht auch hinsichtlich der Transitfälle europarechtswidrig.

IV. Stellungnahme

[i]Regelung einer Mindestaufenthaltsdauer wäre sinnvoll gewesenDer Gesetzgeber wäre sicherlich gut beraten gewesen, im MiLoG mehr als tatsächlich geschehen zu regeln. Insbesondere wäre es wünschenswert gewesen, den Anspruch auf Mindestlohn von einer Mindestaufenthaltsdauer abhängig zu machen. Wer berufsbedingt lediglich durch Deutschland fährt, ansonsten aber z. B. tschechischen Lebenshaltungskosten unterliegt, ist eigentlich nicht zwingend auf den (hohen) deutschen Mindestlohn angewiesen. Ferner bedeutet eine Mindestlohnzahlungsverpflichtung bei Kurzeinsätzen einen erheblichen Eingriff in die Dienstleistungs-, wenn nicht sogar auch die Warenverkehrsfreiheit, der in keinem Nutzen-Lasten-Verhältnis mehr steht.

Die Ansicht, der Mindestlohn sei auch im Hinblick auf den reinen Transitverkehr zu bezahlen, ist salopp gesagt lebensfremd.

1. Mindestaufenthaltsfrist

[i]Karenzfrist für die Anwendung des Mindestlohns?Nach der hier vertretenen Ansicht ist der Mindestlohn keinesfalls für reine Transitfahrten und auch nicht für die Kabotage zu bezahlen. Zu klären ist dann jedoch noch, innerhalb welcher Zeitspanne von einer den Mindestlohnanspruch ausschließenden Kurzfristigkeit ausgegangen werden darf. Lösung könnte hier eine Analogie zu § 6 Abs. 1 Satz 1 AEntG sein (so auch Sittard , NZA 2015 S. 78). Dort wird für den Fall grenzüberschreitender Montage- und Einbauarbeiten eine Karenzfrist von acht Tagen vorgesehen. Zieht man diese Analogie, wäre mit dem neunten Tag der Beschäftigung im Bundesgebiet sodann 8,50 € brutto rückwirkend ab dem ersten Tag der Beschäftigung zu bezahlen. Eine entsprechende Anwendung dieser Regelung erscheint u. E. sachgerecht sowohl im Hinblick auf die Transitfälle als auch auf die Kabotage.

2. Weitgehende Dokumentationspflichten

Ausländische [i]Einhaltung von MeldepflichtenArbeitgeber müssen zudem gem. § 16 MiLoG bestimmten Meldepflichten nachkommen, soweit sie Arbeitnehmer in den Wirtschaftszweigen des § 2a SchwarzArbG beschäftigen. Der Arbeitgeber hat demnach vor Beginn jeder Werk- oder Dienstleistung eine schriftliche Anmeldung in deutscher Sprache bei der zuständigen Behörde der Zollverwaltung vorzulegen, die nachfolgende Angaben enthalten muss (§ 16 Abs. 1 MiLoG):

  1. Familienname, Vorname, Geburtsdatum,

  2. Beginn und voraussichtliche Dauer der Beschäftigung,

  3. Ort der Beschäftigung,

  4. Ort im Inland, an dem die nach § 17 MiLoG erforderlichen Unterlagen bereitgehalten werden,S. 855

  5. Familienname, Vorname, Geburtsdatum und Anschrift der oder des verantwortlich Handelnden in Deutschland und

  6. Familienname, Vorname und Anschrift einer oder eines Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland, soweit diese oder dieser nicht mit der oder dem in Nr. 5 genannten verantwortlich Handelnden identisch ist.

Änderungen dieser Angaben sind unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern gem. § 16 Abs. 1 Satz 2 MiLoG zu melden.

Ferner ist dieser Anmeldung eine Versicherung beizufügen, dass der Arbeitgeber den Mindestlohn auch bezahlt (§ 16 Abs. 2 MiLoG).

Hinweis

Bei ausschließlich mobiler Tätigkeit sieht die Mindestlohnmeldeverordnung Erleichterungen insoweit vor, als dass nicht jede Werk- oder Dienstleistung auf dem deutschen Staatsgebiet bereits vorab beim Zoll gemeldet werden muss, sondern der Arbeitgeber „lediglich“ verpflichtet ist, eine sog. Einsatzplanung vorzulegen.

[i]Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit?Nach einer Ansicht würde es sich auch bei diesen Meldepflichten um eine nicht zu rechtfertigende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit handeln, wenn sie auch bei Kurzeinsätzen Anwendung fänden. Denn wirklich jeder noch so kurzfristig oder unvorhergesehen in Deutschland tätige Arbeitnehmer wäre erfasst. Der bürokratische Aufwand wäre immens und stünde in keiner Relation zum eigentlichen Zweck der Meldepflichten (Sittard, NZA 2015 S. 78). Lösung könnte hier sein, dass die Meldepflicht von der Mindestlohnzahlungspflicht abhängig gemacht wird. Muss der Arbeitgeber aufgrund der Kurzfristigkeit des Aufenthalts seiner Arbeitnehmer in Deutschland keinen Mindestlohn zahlen, muss er auch nicht irgendwelchen Meldepflichten nachkommen.

Bisher gibt es jedoch zu den o. g. Lösungsansätzen weder eine gerichtliche Entscheidung noch eine Positionierung der EU-Kommission, geschweige denn eine Korrektur des deutschen Gesetzgebers. Es bleibt also weiterhin spannend.

Fazit

Weder Transit- noch Kabotagefälle dürfen nach Sinn und Zweck des MiLoG zu einer Verpflichtung des ausländischen Transportunternehmens führen, den deutschen Mindestlohn zu zahlen und die deutschen Dokumentationspflichten zu erfüllen. De lege lata ist hierzu schlicht nichts geregelt und hilft nur eine Analogie zum Arbeitnehmerentsendegesetz. De lege ferenda ist eine klarstellende Nachbesserung des MiLoG dringend geboten. Es muss eine zeitliche Freigrenze eingeführt werden. Diese sollte bei acht Tagen liegen. Ab dem neunten Tag ist rückwirkend Mindestlohn zu gewähren, einschließlich der nötigen Dokumentation. Nur so kann Rechtssicherheit im Bereich der Kurzzeiteinsätze geschaffen werden. Eine Aussetzung durch „Nichtanwendungserlass“ des Bundesarbeitsministeriums reicht hierfür nicht aus.

Autoren

Jörg Steinheimer,
ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie für Strafrecht. Er leitet das Nürnberger Büro der Kanzlei LIEB.Rechtsanwälte. Seine fachlichen Schwerpunkte liegen im Arbeitsrecht, in der wirtschaftsrechtlichen Dauerberatung von kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie im Wirtschaftsstrafrecht.

Saskia Krusche,
ist Rechtsanwältin bei LIEB.Rechtsanwälte Nürnberg. Sie ist dort schwerpunktmäßig im Arbeitsrecht und im Immobilienrecht tätig und promoviert berufsbegleitend zu einem arbeitsrechtlichen Thema.

Fundstelle(n):
NWB 2015 Seite 851 - 855
CAAAE-85845