NWB Nr. 29 vom Seite 2174

Die Überbrückungshilfe im neuen Corona-Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket

Steuerberater sind in das Online-Antragsverfahren fest eingebunden

Prof. Dr. Ralf Jahn *

Mit Milliarden-Hilfspaketen unterstützt die Bundesregierung in der Corona-Krise Unternehmen direkt – ob Kleinstunternehmen, Soloselbständige, Freiberufler, Mittelständler, Beschäftigte oder große Betriebe. Nun ist ein weiteres Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket geschnürt worden und am an den Start gegangen.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Corona-Hilfen – an alle soll gedacht werden

Nach dem Auftakt der Corona-Hilfen durch das Erste Nachtragshaushaltsgesetz v.  (BGBl 2020 I S. 566) folgt nun ein weiteres Hilfspaket.

1. Bisherige und zukünftige Hilfen

[i]SoforthilfenBereits am hat sich die Bundesregierung auf Soforthilfen für Soloselbständige, Freiberufler und Kleinunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten verständigt. Rechtsgrundlage waren das (erste) Nachtragshaushaltsgesetz 2020 (Gesetz v. , BGBl 2020 I S. 556) und eine Bund-Länder-Vereinbarung.

[i]WirtschaftsstabilisierungsfondsFür größere Firmen ab 250 Mitarbeiter gedacht ist der „Wirtschaftsstabilisierungsfonds“ des Bundes (Gesetz v. , BGBl 2020 I S. 543) – ergänzt durch das Nachtragshaushaltsgesetz v.  (BGBl 2020 I S. 556). Er soll mit Garantien und Staatsbeteiligungen in der Krise Insolvenzen vermeiden. Der am beschlossene Schnellkredit des Bundes mit einer 100 %-Haftungsfreistellung bei Krediten bis 800.000 € steht mittelständischen Unternehmen, die mehr als zehn Beschäftigte haben und mindestens seit dem am Markt aktiv sind, ergänzend zur Verfügung. S. 2175

[i]Corona-Überbrückungshilfe für KMUAm hat sich die Bundesregierung nun auf Eckpunkte für ein weiteres Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket „ Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken“ verständigt. Dieses beinhaltet u. a. ein Überbrückungshilfe-Programm, das nach coronabedingtem Umsatzausfall die Existenz von kleinen und mittelständischen Unternehmen sichern soll. Im zweiten Nachtragshaushalt 2020 wird zu diesem Zweck in Kapitel 6002 ein Titel mit der Zweckbestimmung „Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb im Zuge der Corona-Krise ganz oder zu wesentlichen Teilen einstellen müssen“, mit einem Ansatz von 24,6 Mrd. € geschaffen, der durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bewirtschaftet wird. Das Programm „Überbrückungshilfe“ fällt hierbei – wie das vorherige Soforthilfeprogramm – unter die geänderte Bundesregelung „Kleinbeihilfen 2020“.

Hinweis:

Durch die Inanspruchnahme von Überbrückungshilfe und anderen Soforthilfen des Bundes und der Länder darf der beihilferechtlich nach der Kleinbeihilfenregelung 2020 zulässige Höchstbetrag, ggf. kumuliert mit dem Höchstbetrag für Beihilfen nach der De-Minimis-Verordnung, nicht überschritten werden.

2. Rückblick und Manöverkritik: Erfahrungen mit dem Soforthilfeprogramm

[i]Teilweise keine eigenen zusätzlichen LandesprogrammeDas im März 2020 von der Bundesregierung beschlossene Soforthilfeprogramm des Bundes war auf Freiberufler, Soloselbständige und Kleinunternehmen bis einschließlich zehn Beschäftigte zugeschnitten. Hierbei konnten Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern maximal 9.000 €, Unternehmen mit mehr als fünf bis höchstens zehn Beschäftigte bis 15.000 € Sofortzuschuss beantragen. Keine eigenständigen zusätzlichen Landesprogramme zur Corona-Soforthilfe [i]Jahn, NWB 18/2020 S. 1342des Bundes an Unternehmen von einem bis zehn Beschäftigte gab es in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin-Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

[i]Antragsvolumen insgesamt bei ca. 14,2 Mrd. €Im Rahmen des Soforthilfeprogramms, das mit maximal 50 Mrd. € dotiert war, wurden bundesweit 2.279.200 Anträge mit einem Antragsvolumen von 14,205 Mrd. € gestellt. Von diesen Anträgen wurden 1.836.400 Anträge mit einem Gesamtausschüttungsvolumen von 14,079 Mrd. € bewilligt. Das höchste Ausschüttungsvolumen war in Nordrhein-Westfalen zu verzeichnen (406.900 Bewilligungen mit einem Ausschüttungsvolumen von 3,881 Mrd. €) gefolgt von den Ländern Baden-Württemberg (226.600 Bewilligungen mit einem Ausschüttungsvolumen von 1,807 Mrd. €) und Berlin (268.400 Bewilligungen mit einem Ausschüttungsvolumen von 1,781 Mrd. €) (Quelle: Corona-Pandemie Dashboard Wirtschaft Deutschland des BMWi/BMF, Stand: ).

Eigene Einschätzung:

Positiv zu bewerten war bei diesem Soforthilfeprogramm, dass der Bund auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie umgehend reagiert und ein üppig dotiertes Zuschussprogramm aufgelegt hat. Ein Ausschüttungsvolumen von 14,079 Mrd. € bundesweit bis zum Programmschluss am zeigt allerdings, dass die zur Verfügung stehenden Finanzmittel nur zu rund 28 % ausgeschöpft worden sind. Etliche Unternehmen haben die Antragsvoraussetzungen nicht erfüllt oder wegen einer möglichen Überzahlungsgefahr bei nicht bestehendem Liquiditätsengpass aus Angst vor einer Rückzahlung erst gar keinen Antrag gestellt. Und trotz aller gut gemeinten Absicht der beteiligten Stellen war ausgesprochen negativ, dass die Länder beim Vollzug des Bundesprogramms unterschiedliche Auslegungsmaßstäbe angelegt haben, was zu einer nicht gerechtfertigten Mittelverteilung geführt hat. Negativ war auch, dass in einigen Ländern das Online-Antragsverfahren mit etlichen Software-S. 2176Fehlern behaftet war und infolgedessen Anträge in vielen Fällen erst mit deutlicher Verzögerung bearbeitet und Soforthilfen ausgezahlt werden konnten.

II. Das neue Überbrückungshilfe-Programm

[i]Ziel ist u. a. das Auslösen eines ModernisierungsschubsMit dem weiteren umfangreichen Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket sollen nun nicht nur Maßnahmen zur Bekämpfung der unmittelbaren Auswirkungen der Krise fortgesetzt werden, sondern ein aktiv gestalteter Modernisierungsschub ausgelöst werden. Hierbei sollen insbesondere die Konjunktur gestärkt, Arbeitsplätze erhalten, wirtschaftliche und soziale Härten abgefedert sowie die in der Krise besonders belasteten Familien unterstützt werden. Dieses Konjunkturpaket wird finanziert über ein Zweites Nachtragshaushaltsgesetz, das der Bundestag am in erster Lesung (vgl. BT-Drucks. 19/20000, 19/20001 v. ) und der Bundesrat am behandelt hat (BR-Drucks. 330/20 v. ). Die zweite und dritte Lesung im Bundestag ist am erfolgt, der Bundesrat hat sich abschließend am mit dem Gesetz befasst (BR-Drucks. 388/20 v. ). Das Gesetz soll nach Verkündung noch im Juli 2020 in Kraft treten.

[i]Vollzugshinweise des BundesDer eigentlich für den vorgesehene Programmstart war wegen technischer Probleme bei der Entwicklung des Online-Antragsverfahrens für den geplant. Zu diesem Zeitpunkt sollten in Umsetzung der erfolgten Bund-Länder-Vereinbarungen Vollzugshinweise des BMWi veröffentlicht werden, die einen einheitlichen Verwaltungsvollzug gewährleisten sollen. Ergänzend hat das Ministerium noch an einer FAQ-Liste und dem einheitlichen Portal zur Beantragung der Überbrückungshilfen gearbeitet, damit die Anträge einheitlich für das ganze Bundesgebiet gestellt werden können. Die Bearbeitung der Anträge soll dann in den Ländern erfolgen, was wegen erforderlicher Schnittstellen in den Ländern (insbesondere zu den Zahlstellen) voraussichtlich nicht vor der zweiten Julihälfte der Fall sein wird.

1. Zielsetzung

[i]Hilfe für besonders von der Krise betroffene KMU in den Monaten Juni–August 2020Auch wenn inzwischen viele Beschränkungen wieder gelockert worden sind, ist der Geschäftsbetrieb zahlreicher Unternehmen aufgrund der Corona-Krise immer noch ganz oder teilweise eingeschränkt. Dies gilt insbesondere für Unternehmen der Veranstaltungslogistik, im Cateringbereich und bei der Veranstaltung von Messen. Betroffen sind aber auch Schausteller, Clubs und Bars, das Hotel- und Gaststättengewerbe, schließlich auch gemeinnützige Unternehmen wie Einrichtungen der Behindertenhilfe oder Inklusionsbetriebe, Profisportvereine, Reisebüros und Reisebusunternehmen (vgl. BMWi-Eckpunkte „Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen“). Zielsetzung der neuen Überbrückungshilfe ist es deshalb, kleinen und mittelständischen Unternehmen aus Branchen, die unmittelbar oder mittelbar durch coronabedingte Auflagen oder Schließungen besonders betroffen sind, für die Monate Juni–August 2020 eine weitergehende Liquiditätshilfe zu gewähren und dadurch zu ihrer Existenzsicherung beizutragen.

[i]ZielgruppeDie Überbrückungshilfe richtet sich dabei gezielt an die Unternehmen, die die Größenkriterien für Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds nicht erfüllen. Da die Möglichkeit vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen, Kredite zu beantragen und zu tilgen, begrenzt ist, gemeinnützigen Einrichtungen zudem nicht erlaubt ist, Rücklagen zu bilden und Gewinne zu erwirtschaften, gewährt die Überbrückungshilfe Zuschüsse zu deren betrieblichen Fixkosten. Vorgesehen ist eine abgestufte Fördersystematik, die bei besonders hohen Umsatzeinbußen eine anteilig höhere Übernahme der fixen Betriebskosten vorsieht. S. 2177

2. Rechtliche Grundlagen des Programms

Auf Basis des bereits genannten Eckpunktepapiers hat das BMWi eine Bund-Länder-Vereinbarung sowie Vollzugshinweise zur praktischen Umsetzung erarbeitet.

Die [i]Programmumsetzung in den LändernBund-Länder-Vereinbarung regelt Einzelheiten der Umsetzung des Überbrückungshilfe-Programms in den Ländern.

Hinweis:

Es handelt sich hierbei um ein Verwaltungsverfahren, auf das das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) Anwendung findet. Für die Durchführung der Förderung, insbesondere die Antragstellung, Prüfung, Bewilligung, Auszahlung und ggf. Rückzahlung der Mittel sind die Länder zuständig, die in Analogie zum Soforthilfeprogramm die Aufgaben insbesondere durch Bezirksregierungen, Förderinstitute, Kammern oder Kommunen erledigen lassen (Art. 4 Abs. 1, 2 Verwaltungsvereinbarung Bund-Länder „Überbrückungshilfe“ – Bund-Länder-VV).

[i]Verhinderung von Missbrauch und DatenschutzverstößenWegen der Missbrauchsfälle, die im Rahmen der Abwicklung des (ersten) Soforthilfeprogramms des Bundes aufgetreten sind, sieht die Verwaltungsvereinbarung ausdrücklich vor, dass die Länder für „angemessene und effektive Vorkehrungen zur Verhinderung von Missbrauch und die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben verantwortlich sind; die Bewilligungsbehörden stimmen sich insoweit mit den zuständigen Behörden und dem Landeskriminalamt auf Länderebene ab“ (Art. 4 Abs. 3 Bund-Länder-VV).

[i]Überbrückungshilfe als BilligkeitsleistungWie schon beim Soforthilfeprogramm wird die Überbrückungshilfe als sog. Billigkeitsleistung (vgl. § 53 BundeshaushaltsordnungBHO) gewährt.

Erläuterung:

Haushaltsrechtlich sind Billigkeitsleistungen Zuschüsse, die die Verwaltung nach den für Zuwendungen (§ 23 BHO oder die entsprechenden Vorschriften in den Landeshaushaltsordnungen) geltenden Grundsätzen jedenfalls hinsichtlich ihrer Höhe nach ihrem Ermessen gewährt. Da die Länder und die von ihnen beauftragten Bewilligungsstellen die Corona-Soforthilfen des Bundes im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens gewähren, ist für Streitigkeiten über Bewilligungs-, Änderungs- oder Aufhebungsbescheide grds. der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO) eröffnet.

3. Kumulierung und Verhältnis zu anderen Förderprogrammen

[i]Erneute Antragsberechtigung Betroffener grds. möglichDas Überbrückungshilfe-Programm schließt zeitlich an das Soforthilfe-Programm der Bundesregierung an, das am endete. Finanzielle Härten, die vor Inkrafttreten des Programms – also im Zeitraum März–Mai 2020 – entstanden sind, werden folglich nicht ausgeglichen. Unternehmen, die Soforthilfen des Bundes und der Länder in Anspruch genommen haben, aber weiterhin von Umsatzausfällen im wesentlichen Umfang betroffen sind, sind erneut antragsberechtigt. Es ist aber für die Beantragung der Überbrückungshilfe nicht erforderlich, dass zuvor Soforthilfe beantragt wurde.

Hinweis:

Eine Inanspruchnahme der Soforthilfe schließt die zeitgleiche Inanspruchnahme der Überbrückungshilfe nicht aus; allerdings erfolgt bei Überschneidung des Förderzeitraums eine anteilige Anrechnung der Soforthilfe, wird also bei der Überbrückungshilfe monatsbezogen abgezogen. Eine Anrechnung erfolgt auch bei gewährten anderen Zuschüssen des Bundes und der Länder, soweit sich Leistungszweck und Leistungszeitraum mit der Überbrückungshilfe decken. Auch eine Kombination mit sonstigen staatlichen Hilfen (etwa Darlehen) zum Ausgleich der als unmittelbaren Folgen der Corona-Pandemie eingetretenen Liquiditätsengpässe ist grds. möglich, wenn trotz der sonstigen Hilfen weiterhin (oder wieder) eine existenzgefährdende Wirtschaftslage für ein Unternehmen und somit ein Liquiditätsengpass besteht.S. 2178

[i](Nur) Einmalige Erstattung von FixkostenFixkosten (s. näher dazu III, 3) können nur einmal erstattet werden. Eine Selbsterklärung des Antragstellers ist bei Antragstellung abzugeben. Weitere Einzelheiten zum Verhältnis der Überbrückungshilfe zu anderen coronabedingten Zuschussprogrammen des Bundes und der Länder sind in den Vollzugshinweisen zu den Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern geregelt.

III. Materielle Fragen zum Antragsverfahren

Neben der Frage, welche Unternehmen überhaupt für eine Überbrückungshilfe in Betracht kommen, kommt es auf die Höhe des Umsatzausfalls und die Kosten an. Nicht alle Kosten können geltend gemacht werden.

1. Antragsberechtigte

Das Überbrückungshilfe-Programm wählt einen branchenübergreifenden Ansatz, ist also nicht auf einzelne Wirtschaftsbranchen oder Unternehmen mit einer starren Begrenzung der Zahl der Beschäftigten beschränkt, was positiv zu bewerten ist.

a) Größe der antragsberechtigten Unternehmen

[i]Weniger als 250 MitarbeiterDie Überbrückungshilfe richtet sich gezielt an die Unternehmen, die die Größenkriterien für Hilfen aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds nicht erfüllen, also nicht mehr als 43 Mio. € Bilanzsumme und nicht mehr als 50 Mio. € Umsatzerlöse erzielen sowie nicht mehr als durchschnittlich 249 Beschäftigte haben. Für die Antragsberechtigung gilt, dass antragsberechtigt Unternehmen und Organisationen aus allen Wirtschaftsbereichen sind, soweit sie sich nicht für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds qualifizieren (ab 250 Mitarbeiter) und soweit sie ihre Geschäftstätigkeit infolge der Corona-Krise anhaltend vollständig oder zu wesentlichen Teilen einstellen mussten. Hierzu zählen auch Betriebe der landwirtschaftlichen Urproduktion (Art. 2 Abs. 1 Bund-Länder-VV).

b) Kreis der Antragsberechtigten

[i]Unterstützung besonders durch Corona betroffener BranchenDas Überbrückungshilfe-Programm will insbesondere den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der besonders betroffenen Branchen (s. bereits II, 1) angemessen Rechnung tragen (s. Ziff. 13 Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket), soweit der jeweilige Antragsteller sich am nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden hat.

[i]Soloselbständige und selbständige Angehörige freier BerufeSoloselbständige und selbständige Angehörige der freien Berufe sind nach den Eckpunkten des Programms ebenfalls antragsberechtigt, sofern die Tätigkeit im Haupterwerb ausgeübt wird (Art. 2 Abs. 1 Bund-Länder-VV). Ein Haupterwerb liegt vor, wenn das Gesamteinkommen zu mindestens 51 % aus der selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit erzielt wird (Ziff. I, 2 Abs. 1 der Vollzugshinweise).

Hinweis:

Das bedeutet m. E. im Umkehrschluss, dass bei Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft die Antragsberechtigung auch dann gegeben ist, wenn die gewerbliche Tätigkeit nicht im Haupterwerb, sondern im Nebenerwerb ausgeübt wird, so wie das auch bei der Soforthilfe der Fall war.

[i]Gemeinnützige Unternehmen und OrganisationenAntragsberechtigt sind auch von der Corona-Krise betroffene gemeinnützige Unternehmen und Organisationen, unabhängig von ihrer Rechtsform, die dauerhaft wirtschaftlich am Markt tätig sind (z. B. Jugendbildungsstätten, überbetriebliche Berufsbildungsstätten, Familienferienstätten). Bei diesen Unternehmen und Organisationen wird anstelle der Umsätze (s. III, 2) auf die Einnahmen (einschließlich Spenden und Mitgliedsbeiträge) abgestellt. S. 2179

[i]Im Grundsatz Ausschluss öffentlicher Unternehmen„Öffentliche Unternehmen“ sind von der Förderung grds. ausgeschlossen. Dies gilt allerdings nicht für Bildungseinrichtungen der Selbstverwaltung der Wirtschaft in der Rechtsform von Körperschaften des öffentlichen Rechts (Bildungseinrichtungen der Kammern, Kreishandwerkerschaften oder Innungen). Nach dem Eckpunktepapier des BMWi kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Bildungseinrichtungen ihrerseits rechtlich verselbständigt sind.

[i]Verbundene UnternehmenAntragsberechtigte „verbundene Unternehmen“ sind z. B. solche, die einen konsolidierten Jahresabschluss erstellen, oder solche, bei denen ein Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens hält (siehe Ziff. I, 2 Abs. 5 der Vollzugshinweise).

[i]GründerunternehmenAuch Gründerunternehmen sind grds. antragsberechtigt, ein „Ausschluss-Gründungsdatum“ ist nicht vorgesehen. Da bei Unternehmen, die nach Juni 2019 gegründet worden sind, die Monate Dezember 2019–Februar 2020 als Referenzzeitraum heranzuziehen sind, werden aber viele Gründerunternehmen, die vor Dezember 2019 in der Startphase noch keine Umsätze, sondern Verluste erzielt haben, die Antragsvoraussetzungen nicht erfüllen.

Hinweis:

Saisonbetriebe, deren Saison erst im Juni beginnt und die derzeit keine Umsätze erzielen, sind nach Ansicht des BMWi grds. antragsberechtigt. In diesen Fällen ist der Umsatzrückgang im April und Mai 2020 zum Vorjahr ausschlaggebend.

2. Einstellung der Geschäftstätigkeit nach Umsatzausfall

[i]Umsatzeinbußen im April und Mai 2020 werden zusammen betrachtetDer Antragsteller muss durch die coronabedingte vollständige oder teilweise Schließung des Betriebs oder durch Auflagen der Behörden „erhebliche Umsatzausfälle“ erleiden. Umsatz ist der steuerbare Umsatz nach § 1 UStG (Ziff. I, 2 Abs. 7 der Vollzugshinweise). Davon wird ausgegangen, wenn der Umsatz in den Monaten April und Mai 2020 zusammengenommen (kumulativ) um mindestens 60 % gegenüber diesen Monaten im Vorjahr eingebrochen ist. Allerdings sieht nach entsprechender Intervention der Verbände das offizielle Eckpunktepapier des BMWi nunmehr vor, dass auch eine anteilige Fixkostenerstattung bei einem Umsatzeinbruch zwischen 40 und 50 % im Fördermonat im Vergleich zum Vorjahresmonat möglich ist.

Erläuterung:

Für das Antragsverfahren bedeutet das, dass im April und Mai 2020 ein (kumulierter) Umsatzausfall von mindestens 60 % nachgewiesen werden muss, andernfalls scheitert schon an dieser Stelle die Gewährung von Überbrückungshilfe. Ist aber diese Hürde überwunden, werden Zuschüsse zu den Fixkosten für die Monate Juni, Juli und August 2020 bereits dann gewährt, wenn in diesen Fördermonaten ein Umsatzausfall von mindestens 40 % vorliegt.

In der Praxis wird diese Regelung dazu führen, dass weit mehr potenzielle Antragsteller in den Genuss des Überbrückungshilfe-Programms kommen werden.

[i]Anknüpfung an Umsatzausfall im April/Mai teilweise problematischDemgegenüber dürfte die fixe Anknüpfung an den Umsatzausfall in den Monaten April und Mai 2020 als Antragsvoraussetzung in etlichen Wirtschaftsbranchen dazu führen, dass das Kriterium des Umsatzausfalls nicht erfüllt ist. Insbesondere im verarbeitenden Gewerbe haben viele Unternehmen im Zeitraum April und Mai 2020 noch von einem Auftragspolster profitiert, dessen Abarbeitung zu Umsatzerlösen geführt hat, wenn das Unternehmen zur Sicherung der eigenen Liquidität sofort fakturiert hat. Notleidend sind viele Unternehmen danach erst ab Juni 2020 aufgrund eines massiven Einbruchs beim Auftragseingang geworden. Für eine Vielzahl potenzieller Antragsteller verpufft das Überbrückungshilfe-Programm somit, obwohl eine existenzbedrohende Notlage besteht. S. 2180

Hinweis:

Fallen Umsätze nach Antragstellung wider Erwarten höher aus als erwartet, ist dies bei der Zuschussförderung zu berücksichtigen. Höhere Umsätze können also nach der Förderphase zu Rückforderungen führen.

3. Förderfähige Kosten

[i]Nicht einseitig veränderbare FixkostenFörderfähig sind fortlaufende, im Förderzeitraum anfallende vertraglich begründete oder behördlich festgesetzte und nicht einseitig veränderbare Fixkosten, die auch branchenspezifische Besonderheiten berücksichtigen sollen (vgl. im Einzelnen Ziff. I, 4 Abs. 1 der Vollzugshinweise). Die Fixkosten müssen vor dem begründet worden sein. Zahlungen für Fixkosten, die an verbundene Unternehmen oder Unternehmen gehen, die im Eigentum oder unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluss derselben Person oder desselben Unternehmens stehen, sind nicht förderfähig.

a) Mieten und Pachten, weitere Mietkosten

[i]Keine Kosten für PrivaträumeMieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens stehen, sind förderfähig. Kosten für Privaträume sind demgegenüber nicht förderfähig, jedoch „weitere“ Mietkosten, etwa für Fahrzeuge und Maschinen (Ziff. I, 4 der Vollzugshinweise).

Hinweis:

Das häusliche (berufliche) Arbeitszimmer ist berücksichtigungsfähig, wenn es im Jahr 2019 steuerlich abgesetzt wurde.

b) Aufwendungen für Kredite und Leasing

Förderfähige Kosten sind Zinsaufwendungen für Kredite und Darlehen, ferner der Finanzierungskostenanteil von Leasingraten. Nicht förderfähig sind hingegen Tilgungsaufwendungen.

c) Aufwendungen für Instandhaltung; Wartung

Förderfähige Kosten sind weiter Ausgaben für notwendige Instandhaltung, Wartung oder Einlagerung von Anlagevermögen und gemieteten Vermögensgegenständen einschließlich der EDV.

d) Aufwendungen für Versorgungsleistungen

Förderfähig sind Ausgaben für Elektrizität, Wasser, Heizung, Reinigung und Hygienemaßnahmen im Unternehmen.

e) Grundsteuern und Steuerberatungskosten

[i]Steuerberatungskosten nur im Zusammenhang mit der AntragstellungFörderfähig sind auch im vollen Umfang betriebliche Grundsteuern. Die im Zusammenhang mit der Beantragung der Überbrückungshilfe entstehenden Kosten des Steuerberaters können auch aus dem bewilligten Zuschuss bestritten werden.

Hinweis:

Eine darüber hinausgehende Vollkompensation der Beratungskosten ist nicht vorgesehen.

Nicht im Katalog der förderfähigen Fixkosten genannt und damit nicht förderfähig sind regelmäßige Buchhaltungskosten, Lohnabrechnungen und andere regelmäßige Kosten.

f) Versicherungen und andere Ausgaben

Förderfähig sind betriebliche Versicherungen (also keine Privatversicherung), betriebliche Abonnements und andere feste Ausgaben des Unternehmens. Hierzu zählen bspw. S. 2181auch betriebliche Lizenzgebühren. Wiederkehrende jährliche Fixkosten dürfen anteilig berücksichtigt werden.

g) Personalaufwendungen

[i]Personalintensive Unternehmen profitierenAnders als noch im Soforthilfeprogramm sind im Rahmen der Überbrückungshilfe Personalaufwendungen im Förderzeitraum, die nicht von Kurzarbeitergeld erfasst sind, pauschal mit 10 % der vorgenannten Fixkosten förderfähig. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum Soforthilfeprogramm und ein positives Signal insbesondere für personalintensive Unternehmen. [i]Zur Kurzarbeit Jähne, NWB 13/2020 S. 925Zu den förderfähigen Personalaufwendungen zählen die Kosten für Auszubildende. Unberücksichtigt bleiben bei der Ermittlung der Fixkosten aber Mittel, die der Arbeitgeber bei der Aufstockung von Kurzarbeitergeld aufwendet. Und auch Lebenshaltungskosten oder ein Unternehmerlohn sind nicht förderfähig.

h) Reisebüro-Provisionen

Eine Besonderheit enthält das Eckpunktepapier für Reisebüros. Bei diesen sind auch Provisionen, die Inhaber von Reisebüros den Reiseveranstaltern aufgrund coronabedingter Stornierungen zurückgezahlt haben, erstattungsfähige Fixkosten (zu Einzelheiten Ziff. I, 4 Abs. 1 Nr. 13 der Vollzughinweise).

4. Förderzeitraum

[i]Juni–August 2020Der Förderzeitraum umfasst die Monate Juni–August 2020, d. h. ein Zuschuss ist maximal über drei Monate möglich. Damit schließt das Überbrückungshilfe-Programm zeitlich nahtlos an das Soforthilfeprogramm des Bundes an, das am endete. Wie bei der Soforthilfe setzt auch die Überbrückungshilfe nicht voraus, dass zunächst liquide betriebliche Mittel (z. B. Guthaben auf Geschäftskonten) aufgebraucht werden müssen.

5. Art und Höhe der Förderung

[i]Gestaffelte Förderung je nach UmsatzeinbruchNach dem Eckpunktepapier des BMWi wird im Rahmen der Überbrückungshilfe den Antragsberechtigten für die Monate Juni, Juli und August 2020 ein Anteil erstattet i. H. von

  • 80 % der Fixkosten bei mehr als 70 % Umsatzeinbruch,

  • 50 % der Fixkosten bei einem Umsatzeinbruch zwischen 50 % und 70 % oder

  • 40 % der Fixkosten bei einem Umsatzeinbruch zwischen 40 % und unter 50 %

im Fördermonat im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Hinweis:

Liegt der Umsatz im Fördermonat bei wenigstens 60 % des Umsatzes des Vorjahresmonats, entfällt die Überbrückungshilfe anteilig für den jeweiligen Fördermonat. Bei Unternehmen, die nach Juni 2019 gegründet worden sind, sind die Monate Dezember 2019–Februar 2020 als Referenzzeitraum heranzuziehen.

[i]Maximale FörderhöheDie maximale Förderung liegt bei 150.000 € für drei Monate. Rechtlich selbständige verbundene Unternehmen oder Unternehmen, die im Eigentum oder unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluss derselben Person oder desselben Unternehmens stehen, können die Überbrückungshilfe (auch nur) bis zu einer Höhe von 150.000 € für drei Monate beantragen, für einen Monat maximal 50.000 € (Ziff. I, 5 Abs. 2 der Vollzugshinweise).

Hinweis:

Dieses Konsolidierungsgebot gilt nicht für gemeinnützig geführte Übernachtungsstätten wie Jugendherbergen, Schullandheime, Träger des internationalen Jugendaustauschs oder Einrichtungen der Behindertenhilfe.S. 2182

Für Unternehmen mit bis zu fünf Beschäftigten beträgt der maximale Erstattungsbetrag 9.000 € für drei Monate (also maximal 3.000 € pro Monat), bei Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten 15.000 € für drei Monate (also maximal 5.000 € pro Monat).

[i]Überschreitung der max. Erstattungsbeträge „in begründeten Ausnahmefällen“Die maximalen Erstattungsbeträge können „in begründeten Ausnahmefällen“ überschritten werden. Nach dem Eckpunktepapier liegt ein „begründeter Ausnahmefall“ vor, wenn die Überbrückungshilfe auf Basis der erstattungsfähigen Fixkosten mindestens doppelt so hoch läge wie der maximale Erstattungsbetrag. In diesen Fällen bekommt der Antragsteller über den maximalen Erstattungsbetrag hinaus die hierbei noch nicht berücksichtigten Fixkosten zu 40 % erstattet, soweit das Unternehmen im Fördermonat einen Umsatzausfall zwischen 40 % und 70 % erleidet. Bei Umsatzausfällen über 70 % werden 60 % der noch nicht berücksichtigten Fixkosten erstattet. Die Höhe der maximalen Förderung von 150.000 € für drei Monate bleibt hiervon unberührt. Die Berechnungsmethodik lässt sich gut darstellen an folgendem

Beispiel:

Hat ein Schausteller mit zehn Beschäftigten und einem Umsatzausfall im Förderzeitraum von über 70 % 10.000 € nachgewiesene Fixkosten, beträgt die Überbrückungshilfe 8.000 €. Bei 20.000 € Fixkosten beträgt die Überbrückungshilfe 15.000 €, da der rechnerische Anspruch auf Erstattung von 80 % der Fixkosten (= 16.000 €) auf den maximalen Erstattungsbetrag gekürzt wird. Liegen die Fixkosten bei 50.000 €, beträgt die Überbrückungshilfe 33.750 €, da ein „begründeter Ausnahmefall“ vorliegt. Die Fixkosten werden bis zur Erreichung des maximalen Erstattungsbetrags von 80 % (18.750 € • 0,8 = 15.000 €) und der Anteil der nicht einbezogenen Fixkosten wird zu 60 % erstattet (31.250 € • 0,6 = 18.750 €).

6. Berechnung der Beschäftigtenzahl

[i]Zählweise des BMWiBei der Berechnung der Beschäftigtenzahl ist nach BMWi-Ansicht der Betriebsinhaber nicht miteinzubeziehen, ein angestellter Geschäftsinhaber hingegen schon. Die Mitzählung von Auszubildenden soll dem Antragsteller überlassen bleiben.

Hinweis:

Das ins Belieben des Antragstellers gestellte Mitzählen von Auszubildenden kann sich durchaus finanziell auswirken. Denn zählt ein Betrieb ohne Auszubildende einschließlich des angestellten Geschäftsinhabers insgesamt fünf Beschäftigte, führt die Hinzurechnung eines Auszubildenden dazu, dass der maximale Zuschussbetrag nicht (nur) bis zu 9.000 €, sondern bis zu 15.000 € beträgt. So betrachtet ist die Zählweise des BMWi kaum nachvollziehbar.

[i]Berechnung der VollzeitäquivalenteBei der Berechnung der Vollzeitäquivalente wird die Zahl der Mitarbeiter am zugrunde gelegt (Ziff. I, 2 Abs. 6 der Vollzugshinweise). Bei verbundenen Unternehmen werden die Beschäftigten der einzelnen Unternehmen zusammen berücksichtigt. Beschäftigte mit einer Arbeitszeit bis zu 20 Wochenstunden werden bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl mit dem Faktor 0,5, Beschäftigte mit einer Arbeitszeit bis zu 30 Wochenstunden mit dem Faktor 0,75, Beschäftigte über 30 Stunden und Auszubildende mit dem Faktor 1 und Beschäftigte auf 450 €-Basis mit dem Faktor 0,3 berücksichtigt (Ziff. I, 2 Abs.6 der Vollzugshinweise). Für bestimmte Arbeitnehmergruppen (Arbeitnehmer in Elternzeit, Saisonarbeitskräfte) gilt das Stichtagsprinzip.

IV. Formelle Fragen zum Antragsverfahren

[i]Schwab, NWB 24/2020 S. 1737Das Antragsverfahren ist so ausgestaltet, dass ohne die Einschaltung eines Steuerberaters oder eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers eine Antragstellung nicht möglich ist. S. 2183

1. Zuständige Stellen

[i] Übersicht der Behörden folgt auf den Websites des Bundes Anträge im Überbrückungshilfe-Programm können nur online bei den nach Landesrecht zuständigen Behörden gestellt werden. Eine Übersicht der Behörden wird auf den Websites des Bundes zur Verfügung gestellt.

Hinweis:

In Bayern ist auf der Grundlage einer Verordnung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums (Verordnung zur Änderung der Zuständigkeitsverordnung v. , BayGVBl 2020 S. 306) die Zuständigkeit für die Entgegennahme und Prüfung der Anträge, den Erlass der Bescheide und die Auszahlung der Überbrückungshilfen landesweit für alle Kammern und alle Antragsteller – unter Einbindung u. a. der Steuerberater im Vorprüfungsverfahren – zentral der IHK für München und Oberbayern übertragen worden. Die Verordnung ist am in Kraft getreten und bis zum befristet, weil bis dahin das Überbrückungshilfeprogramm vollständig abgewickelt sein dürfte.

2. Online-Antragsverfahren

[i]Ausschließlich digitale Abwicklung in Länderverantwortung Die Länder administrieren das Bundesprogramm in eigener Verantwortung. In der ersten Stufe (Antragstellung) sind die Antragsvoraussetzungen und die Höhe der erstattungsfähigen Fixkosten mithilfe eines Steuerberaters (Wirtschaftsprüfers/v. Buchprüfers) glaubhaft zu machen. Das Antragsverfahren wird ausschließlich digital durchgeführt, die erforderlichen Angaben über eine digitale Schnittstelle direkt an die EDV der Bewilligungsstellen der Länder übermittelt. Erst dann kann die weitere Prüfung (Plausibilitätsprüfung, Datenabgleich, Ausschluss von Betrugsfällen), Bewilligung und schließlich Auszahlung erfolgen. In der zweiten Stufe ist (erneut) mithilfe eines Steuerberaters (Wirtschaftsprüfers/v. Buchprüfers) nachträglich der Nachweis des tatsächlichen Umsatzeinbruchs zu führen.

Hinweis:

Bei der Überbrückungshilfe führt der erste Weg also immer zum Steuerberater (Wirtschaftsprüfer/v. Buchprüfer). Die Bewilligungsstellen müssen die Voraussetzungen des Umsatzeinbruchs nicht eigenständig prüfen, sondern dürfen auf die Mitteilungen der steuerberatenden Berufe „vertrauen, soweit es keine Anhaltspunkte für Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Angaben gibt“. Allerdings sollen die Bewilligungsstellen bei mindestens 5 % der Begünstigten eine stichprobenartige Kontrolle durchführen (Art. 4 Abs. 4 Bund-Länder-VV). Der Steuerberater wird in diesem Fall im Auftrag des Antragstellers tätig. Nach Mitteilung der Bundessteuerberaterkammer stehen bundesweit rund 40.000 Steuerberater zur Verfügung. Für den Steuerberater besteht aber kein Kontrahierungszwang!

[i]Einmaliger AntragDer Antragsprozess sieht keine monatliche Antragstellung, sondern einen einmaligen Antrag vor. Der Antragsteller kann dabei wählen, ob er einen Zuschuss für einen, zwei oder drei Monate beantragt; die Überprüfung der Antragsvoraussetzungen – auch zur Vermeidung einer Überzahlung – erfolgt dann durch den Steuerberater (Wirtschaftsprüfer/v. Buchprüfer). Der Antrag ist in dem Bundesland zu stellen, in dem der Antragsteller ertragsteuerlich geführt wird (Ziff. II, 9 Abs. 3 der Vollzugshinweise).

3. Erforderliche Nachweise

[i]Identität, Antragsberechtigung und Beschäftigtenzahl prüft der StBZur Identität und Antragsberechtigung des Antragstellers, die der Steuerberater (Wirtschaftsprüfer/v. Buchprüfer) überprüfen muss, sind insbesondere erforderlich Name und Firma, Steuernummer oder Steuer-ID, IBAN der beim Finanzamt hinterlegten Kontoverbindung, Anschrift des inländischen Betriebssitzes und Angabe der Wirtschaftsbranche (Ziff. I, 6 Abs. 2 der Vollzughinweise). Als Beschäftigtenzahl wird die S. 2184Zahl der Mitarbeiter in Vollzeitäquivalenten zum Stichtag zugrunde gelegt. Bei verbundenen Unternehmen werden die Beschäftigten der einzelnen Unternehmen zusammen berücksichtigt. Dieser Nachweis ist bei Antragstellung durch den beauftragten Steuerberater zu erbringen.

[i]Glaubhaftmachung des Umsatzeinbruchs und der FixkostenDer Nachweis des anspruchsbegründeten Umsatzeinbruchs und der erstattungsfähigen Fixkosten erfolgt nach dem Eckpunktepapier durch Glaubhaftmachung in einem zweistufigen Verfahren:

Stufe 1:

  • [i]Stufe 1 der GlaubhaftmachungDie Unternehmen geben bei Antragstellung über den Steuerberater eine Abschätzung ihres Umsatzes im April und Mai 2020 sowie eine Prognose ihres Umsatzes für den beantragten Förderzeitraum ab;

  • die Unternehmen geben bei Antragstellung eine Abschätzung ihrer voraussichtlichen Fixkosten an, deren Erstattung beantragt wird.

[i]Berücksichtigung der USt-Voranmeldung 2019 und des JahresabschlussesDer Steuerberater berücksichtigt im Rahmen des Antragsverfahrens die Umsatzsteuervoranmeldungen des Jahres 2019 sowie den Jahresabschluss 2019 und die Einkommen- oder Körperschaftsteuererklärung 2019. Soweit der Jahresabschluss aus dem Jahr 2019 oder andere erforderliche Kennzahlen noch nicht vorliegen, können der Jahresabschluss 2018 oder andere erforderliche Kennzahlen aus 2018 vorgelegt werden.

Stufe 2:

  • Bei [i]Stufe 2 der GlaubhaftmachungVorliegen der endgültigen Umsatzzahlen über den tatsächlich entstandenen Umsatzeinbruch im April und Mai 2020 werden diese durch den Steuerberater an die Bewilligungsstellen der Länder übermittelt. Zudem teilt dieser bei Vorliegen der endgültigen Umsatzzahlen den Bewilligungsstellen der Länder den tatsächlich entstandenen Umsatzeinbruch in dem jeweiligen Fördermonat mit. Diese Mitteilung kann auch nach Programmende erfolgen.

  • Die Steuerberater übermitteln zudem die endgültige Fixkostenabrechnung an die Bewilligungsstellen der Länder. Auch diese Mitteilung kann nach Programmende erfolgen.

[i]Berücksichtigung der USt-VoranmeldungDer Steuerberater berücksichtigt auch bei der Bestätigung der endgültigen Umsatzzahlen die Umsatzsteuervoranmeldungen der antragstellenden Unternehmen. Ergeben sich Abweichungen von der Umsatz- oder der Kostenprognose, sind zu viel gezahlte Zuschüsse zurückzuzahlen oder werden nachträglich aufgestockt.

4. Antrags- und Auszahlungsfristen

Die Antragsfristen enden jeweils am , die Auszahlungsfristen am . Auszahlungen sollen unverzüglich nach der Bewilligung erfolgen.

5. Schlussabrechnung

[i]Spätestens zum 31.12.2021Nach Ablauf des letzten Fördermonats, spätestens zum , muss der Antragsteller über den beauftragten Steuerberater eine detaillierte Schlussabrechnung über die empfangenen Leistungen und den tatsächlichen Umsatzausfall vorlegen (Ziff. I, 6 Abs. 5 der Vollzugshinweise). Hierbei sind sämtliche Nachweise vollständig vorzulegen; die Bewilligungsstellen prüfen die Schlussabrechnung.

Hinweis:

[i]Beyer,  NWB 24/2020 S. 1778Die Nachweis- und Versicherungspflichten des Antragstellers sind bürokratisch und umfangreich und wirken daher abschreckend. Zudem droht bei falscher Versicherung von antragsrelevanten Angaben, dass die Überbrückungshilfe vollständig zurückzuzahlen ist (Ziff. I, 7 Abs. 4 der Vollzugshinweise). Falsche subventionserhebliche Angaben können zudem eine Straftat (§ 264 Strafgesetzbuch) begründen. S. 2185

V. Rückforderung von Zuschüssen

[i]GründeEbenso wie für die Antragstellung, Prüfung, Bewilligung und Auszahlung sind auch für die etwaige Rückforderung der Mittel die Länder zuständig (je nach Landesentscheidung Bezirksregierungen, Förderinstitute oder Kammern). Überzahlte Überbrückungshilfen sind im Rahmen der Schlussabrechnung der Bewilligungsstellen zurückzuzahlen. Ferner sind die Zuschüsse zurückzuzahlen, [i]Zur temporären Aussetzung der Insolvenzantragspflicht Pape, NWB 15/2020 S. 1053sollte das beantragende Unternehmen nicht bis August 2020 fortgeführt werden. Auch ist eine Auszahlung der Zuschüsse an Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb eingestellt oder die Insolvenz angemeldet haben, ausgeschlossen. Die Überbrückungshilfe ist auch dann zurückzuzahlen, wenn der Antragsteller die Geschäftstätigkeit vor dem einstellt (Ziff. I, 5 Abs. 7 der Vollzugshinweise).

Hinweis:

Keine dauerhafte Einstellung des Geschäftsbetriebs liegt vor, wenn der Antragsteller nach coronabedingter Betriebsschließung beabsichtigt, den Betrieb wieder aufzunehmen, sich die Wiedereröffnung aber verzögert.

VI. Steuerpflicht der Überbrückungshilfe

[i]Berücksichtigung im Rahmen der GewinnermittlungWie schon beim Soforthilfeprogramm ist in den Vollzugshinweisen zu den Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern geregelt, dass die Überbrückungshilfe als Einnahme steuerbar ist und kein Rechtsanspruch auf Gewährung besteht (Ziff. I, 1 Abs. 2 der Vollzughinweise), die Bewilligung also in das Ermessen der Bewilligungsbehörde gestellt ist. Auch wenn die Überbrückungshilfe ein nicht rückzahlbarer Zuschuss des Bundes ist, ist er gleichwohl nach den allgemeinen steuerrechtlichen Regelungen im Rahmen der Gewinnermittlung zu berücksichtigen. Die Bewilligungsbehörde informiert hierbei auf elektronischem Wege die Finanzbehörden von Amts wegen über die Höhe der gewährten Überbrückungshilfe. Allerdings ist die Überbrückungshilfe bei der Festsetzung von Steuervorauszahlungen für 2020 nicht zu berücksichtigen (Art. 7 Bund-Länder-VV).

VII. Rechnungslegung der Länder

[i]Schlussbericht bis spätestens 31.7.2022Der Bund hat die erforderlichen Mittel im Volumen von knapp 25 Mrd. € im Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz zur Verfügung gestellt. Die Länder rufen diese nach Bedarf beim Bund ab (Art. 1 Abs. 2 Bund-Länder-VV) und legen hierüber innerhalb von sechs Monaten nach Abruf Rechnung (Art. 3 Abs. 3 Bund-Länder-VV). Hierbei sind Angaben über die Anzahl der gestellten und bewilligten Anträge, ferner über die Höhe der bewilligten und ausgezahlten Mittel zu machen. Bis spätestens haben die Länder einen Schlussbericht vorzulegen (Art. 5 Abs. 2 Bund-Länder-VV) und ggf. nicht verbrauchte Mittel an den Bund zurückzuüberweisen.

VIII. Rechtsschutzfragen

[i]Streitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten zu klärenBei der Überbrückungshilfe handelt es sich haushaltsrechtlich um eine Subvention (§ 23 BHO). Diese wird zwar als „Billigkeitsleistung“ ohne Rechtsanspruch in Form eines verlorenen Zuschusses ausgezahlt. Streitigkeiten über einen Anspruch auf Überbrückungshilfe nach Grund und Höhe sind aber dennoch justiziabel. Für Streitigkeiten hierüber ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Vor einem Klageverfahren eines Antragstellers findet ein Widerspruchsverfahren (§§ 68 ff. VwGO) nur noch in den Ländern statt, die ein vorgeschaltetes Widerspruchsverfahren vor einer Klage (§ 42 Abs. 1 VwGO) vorsehen. S. 2186

IX. Ausblick

[i]Negative Erwartungen der UnternehmenNach einer vom BMWi beauftragten Umfrage zur Betroffenheit deutscher Unternehmen durch die Corona-Pandemie rechnen rund 72 % der befragten Unternehmen mit Umsatzrückgängen im zweiten Quartal 2020 als Folge der Corona-Krise. Aus diesem Kreis der betroffenen Unternehmen rechnen wiederum 9 % mit Umsatzrückgängen zwischen 51 %–75 % und 28 % der Unternehmen mit Umsatzrückgängen von 76 % und mehr. Rechnet man diese Zahlen hoch auf die Gesamtheit aller Unternehmen, ergeben sich Anteile von 6,5 % und 20,2 %. Hieraus ergibt sich, dass nach den Umfrageergebnissen des BMWi aus der Gesamtheit aller Unternehmen im zweiten Quartal 2020 rund 21,5 % der Unternehmen einen Umsatzrückgang von mehr als 70 % (dies entspricht einer Fixkostenerstattung von 80 %) und 2,6 % der Unternehmen einen Umsatzrückgang zwischen 60 % und 70 % erwarten (dies entspricht einer Fixkostenerstattung von 50 %). Die übrigen 75,9 % der Unternehmen befürchten Umsatzeinbrüche, die im April und Mai 2020 unter 60 % liegen. Da ein erheblicher Teil der Unternehmen aber deutliche Umsatzeinbrüche zwischen 40 % und 50 % im Fördermonat im Vergleich zum Vorjahresmonat zu verzeichnen haben, ist es auf Initiative der Wirtschaftsverbände gelungen, die maßgeblichen Grenzen für eine anteilige Fixkostenerstattung bei Umsatzeinbrüchen auf 40 % zu reduzieren. Hiervon wird eine Vielzahl von Unternehmen und potenziellen Antragstellern profitieren (s. dazu bereits III, 2).

Fazit

Die Voraussetzungen für die Beantragung und Gewährung von Überbrückungshilfe sind sehr komplex und aufwendig zu administrieren. Die Zugangsvoraussetzungen sind eng gesteckt und viele Unternehmen werden den erforderlichen Umsatzausfall im Referenzzeitraum April/Mai 2020 nicht nachweisen können, obwohl sie inzwischen nachfolgend einen Liquiditätsengpass haben. Der Aufwand der Beantragung ist insbesondere für die einzuschaltenden Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer, über die ausschließlich Anträge gestellt werden können, erheblich. Diese haben bereits mit der Zusatzbelastung der reduzierten Mehrwertsteuersätze durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz, das am zeitlich bis zum Jahresende befristet in Kraft getreten ist, genug zu tun. Dies dürfte zu einer erheblichen Überlastung und infolgedessen zu einer Verzögerung bei der Bearbeitung des Überbrückungshilfe-Programms führen. Mit Spannung abzuwarten bleibt, wieviel Unternehmen mit Rücksicht auf den immensen bürokratischen Antragsaufwand überhaupt einen Antrag stellen und Überbrückungshilfe beanspruchen werden.

Autor

Prof. Dr. Ralf Jahn,
Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt; Honorarprofessor an der Universität Würzburg.

Fundstelle(n):
NWB 2020 Seite 2174 - 2186
ZAAAH-53177