Dienstleistung; Mehrwertsteuer; Umsatzsteuer; Verjährung; Vorsteuerabzug; Zeitpunkt
Rechtsfrage
1. Steht Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem einer nationalen Regelung entgegen, nach der das Recht zum Vorsteuerabzug auch dann bereits im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes entsteht, wenn der Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer nach nationalem Recht erst bei Vereinnahmung des Entgelts entsteht und das Entgelt noch nicht gezahlt worden ist?
2. Für den Fall, dass die erste Frage verneint wird: Steht Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem einer nationalen Regelung entgegen, wonach das Recht zum Vorsteuerabzug nicht für den Besteuerungszeitraum geltend gemacht werden kann, in dem das Entgelt bezahlt worden ist, wenn der Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer erst bei Vereinnahmung des Entgelts entsteht, die Leistung bereits in einem früheren Besteuerungszeitraum erbracht worden ist und eine Geltendmachung des Vorsteueranspruchs für diesen früheren Steuerzeitraum nach nationalem Recht wegen Verjährung nicht mehr möglich ist?
Gesetze: UStG § 13 Abs 1 Nr 1 Buchst b, UStG § 15 Abs 1 S 1 Nr 1, UStG § 20, EGRL 112/2006 Art 167, AEUV Art 267
Instanzenzug (anhängig gemeldet seit 19.02.2020): , Vorabentscheidungsersuchen
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- Urteil
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des , C-9/20 (Grundstücksgemeinschaft K) geht es um den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs bei Leistungen durch einen Ist-Versteuerer. Das FG hat dem EuGH folgende Fragen gestellt: Steht Art. 167 MwStSysRL einer nationalen Regelung entgegen, nach der das Recht zum Vorsteuerabzug auch dann bereits im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes entsteht, wenn der Steueranspruch gegen den Leistenden nach nationalem Recht erst bei Vereinnahmung des Entgelts entsteht? Für den Fall, dass die erste Frage verneint wird: Steht Art. 167 MwStSystRL einer nationalen Regelung entgegen, wonach das Recht zum Vorsteuerabzug nicht für den Besteuerungszeitraum geltend gemacht werden kann, in dem das Entgelt bezahlt worden ist, wenn der Steueranspruch gegen den Lieferer oder Dienstleistungserbringer erst bei Vereinnahmung des Entgelts entsteht, die Leistung bereits in einem früheren Besteuerungszeitraum erbracht worden ist und eine Geltendmachung des Vorsteueranspruchs für diesen früheren Steuerzeitraum nach nationalem Recht wegen Verjährung nicht mehr möglich ist?
Die Beteiligten streiten darum, ob der Vorsteuerabzugsanspruch des Leistungsempfängers nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bereits mit der Ausführung der Leistung oder erst mit der Entrichtung des Entgelts entsteht, wenn der Leistungserbringer die Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet (sogenannter Istversteuerer).
Die Klägerin erzielte in den Streitjahren Umsätze mit der Vermietung eines Gewerbegrund-stücks. Die Klägerin hatte dieses Grundstück ihrerseits gemietet. Sowohl die Klägerin als auch ihre Vermieterin hatten wirksam auf die Steuerbefreiung für derartige Vermietungsumsätze verzichtet und somit zur USt optiert. Beiden war von der Finanzverwaltung gemäß § 20 UStG gestattet worden, die Steuer nicht nach vereinbarten Entgelten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen.
Ab dem Jahr 2004 wurden die Mietzahlungen der Klägerin teilweise gestundet. Dies hatte zur Folge, dass die Klägerin in den Streitjahren 2013 bis 2016 Zahlungen für die Grundstücksüberlassung in den Jahren 2009 bis 2012 leistete. In den Zahlungen waren jeweils 19% USt enthalten. Die Klägerin machte ihren Vorsteuerabzugsanspruch - unabhängig von dem Mietzeitraum, für den die Zahlungen bestimmt waren - immer in dem Voranmeldezeitraum bzw. Kalenderjahr geltend, in dem die Zahlung erfolgte.
Das beklagte FA beanstandete dieses Vorgehen und erließ im Anschluss an eine Um-satzsteuersonderprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2013 bis 2016. Nach Auffassung des FA war der Vorsteuerabzug bereits mit der Ausführung des Umsatzes - hier der monatsweisen Überlassung des Grundstücks - entstanden und hätte daher jeweils für den entsprechenden Zeitraum geltend gemacht werden müssen.
Nach erfolglosem Einspruch gegen die geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen hatte die Klägerin Klage beim FG Hamburg erhoben. Sie machte geltend, dass die angegriffenen Bescheide gegen die MwStSystRL verstießen und die Auffassung des FA, wonach das Vorsteuerabzugsrecht immer schon mit der Ausführung des Umsatzes entstehe, nicht zutreffend sei. Wenn der Leistende seine Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechne, entstehe der Vorsteueranspruch des Leistungsempfängers vielmehr erst dann, wenn der Leistungsempfänger das Entgelt entrichtet habe.
Im Hinblick auf das nationale Recht folgt das FG Hamburg der Rechtsauffassung des FA. Das FG hat jedoch Zweifel, ob die nationale Rechtslage vereinbar mit Art. 167 der MwStSystRL ist. Nach dem Wortlaut dieser Norm entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, „wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht“.
In seiner Vorlage beschäftigt das FG sich mit der Frage, welchen Spielraum die Mitglied-staaten bei der Umsetzung des Art. 167 MwStSystRL haben und ob hinsichtlich der Bedeutung des Vorsteuerabzugs im gemeinsamen Mehrwertsteuersystem in Fällen der Fest-setzungsverjährung der Vorsteuerabzug verwehrt werden kann.
Nach nationalem Recht erweist sich die Auffassung des FA als zutreffend. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG entsteht das Recht zum Vorsteuerabzug, wenn die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, wann der Steueranspruch gegen den Leistungserbringer entsteht. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Leistungserbringer die Umsatzsteuer gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 UStG nach vereinbarten Entgelten berechnet (Soll-Versteuerer) oder ob er sie gemäß § 20 UStG nach vereinnahmten Entgelten berechnet (Ist-Versteuerer). Zwar entsteht der Steueranspruch gegen den Leistungserbringer in den Fällen des § 20 UStG (Ist-Versteuerer) gemäß § 13 Abs. 1 lit. b UStG erst, wenn der Leistungserbringer das Entgelt vereinnahmt. Die Vorschrift des § 20 UStG hat aber keine Auswirkungen auf den Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass sich das Recht zum Vorsteuerabzug aus § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nur auf die "gesetzlich geschuldete Steuer" bezieht. Hieraus folgt nicht, dass der Vorsteueranspruch voraussetzt, dass der Steueranspruch gegen den Leistungserbringer bereits entstanden sein muss. Durch dieses Merkmal wird im Wesentlichen klargestellt, dass ein nach dem UStG steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz vorliegen muss und eine unzutreffend ausgewiesene Steuer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Für den Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers ist es auch unerheblich, ob er selbst nach vereinbarten oder nach vereinnahmten Entgelten besteuert wird.
Von der in Art. 167a MwStSysRL vorgesehenen Möglichkeit, den Vorsteuerabzug bei Ist-Versteuerern von der Entrichtung des Entgelts abhängig zu machen, hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch gemacht. Nach nationalem Recht entsteht der Vorsteueranspruch des Leistungsempfängers somit auch dann schon mit der Ausführung des Umsatzes, wenn der Leistungserbringer ein Ist-Versteuerer ist und das Entgelt noch nicht erhalten hat. Der Leistungsempfänger erwirbt dann einen Vorsteueranspruch, obwohl der Leistungserbringer die entsprechende USt noch nicht schuldet.
Nach Auffassung des FG könnte sich aus Art. 167 MwStSysRL eine abweichende Bewertung ergeben. Nach dieser Vorschrift entsteht der Vorsteueranspruch des Leistungsempfängers erst, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Nach Art. 66 Buchst b MwStSysRL können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Steueranspruch gegen bestimmte Steuerpflichtige erst mit der Vereinnahmung des Entgelts entsteht. Von dieser Möglichkeit hat der nationale Gesetzgeber in § 13 Abs. 1 Buchst. b UStG Gebrauch gemacht. Auch in diesen Fällen entsteht der Vorsteueranspruch nach nationalem Recht aber bereits dann, wenn die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist. Bei strikter Anwendung könnte Art. 167 MwStSysRL somit in Widerspruch zum nationalen Recht stehen, da das in Art. 167 MwStSysRL geregelte Junktim zwischen Steueranspruch und Vorsteueranspruch aufgehoben wird.
Der EuGH hat sich zu dieser Problematik bisher noch nicht geäußert. In seinem Urteil v. , C-169/12, TNT Express Worldwide (Poland), hate er lediglich entschieden, dass die Mitgliedstaaten keinen anderen Zeitpunkt der Steuerentstehung festlegen können, als er sich aus Art. 66 Buchst. a bis c MwStSystRL ergibt, wenn von den Möglichkeiten nach Art. 66 MwStSystRL Gebrauch gemacht wird. Nach Art. 66 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Steueranspruch zu einem der drei folgenden Zeitpunkte entsteht: spätestens bei der Ausstellung der Rechnung, spätestens bei der Vereinnahmung des Preises oder, im Fall der Nichtausstellung oder verspäteten Ausstellung der Rechnung, binnen einer bestimmten Frist nach dem Eintreten des Steuertatbestands. Andere als diese drei Steuerentstehungszeitpunkte sind nach dem Urteil nicht möglich. Ein Mitgliedstaat kann daher insbesondere keinen Steuerentstehungszeitpunkt durch Kombination einer oder mehrerer Tatbestände nach Art. 66 MwStSystRL vorsehen. Somit ist es insbesondere nicht zulässig, eine Steuerentstehung nach vereinnahmten Entgelten (Istversteuerung) noch mit weiteren Tatbeständen zu versehen.
Nach Auffassung des FG kann für eine konsequente Anwendung des Art. 167 MwStSysRL neben dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift auch Art. 226 Nr. 7a MwStSysRL sprechen, der mit der RL 2010/45/EU hinsichtlich der Rechnungsstellungsvorschriften eingeführt worden ist. Danach muss eine Rechnung die Angabe "Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten" enthalten, wenn sich die Steuerentstehung nach Art. 66 lit. b MwStSysRL richtet und das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Durch diese zusätzliche Rechnungsangabe werde der Empfänger darüber informiert, dass der Leistungserbringer nach vereinnahmten Entgelten besteuert wird, und könne hieraus die mit Blick auf den Vorsteuerabzug gebotenen Konsequenzen ziehen. In der Literatur werde vertreten, dass sich aus Art. 226 Nr. 7a MwStSysRL ergebe, dass der in Art. 167 MwStSysRL geregelte Zusammenhang zwischen Steueranspruch und Vorsteueranspruch nunmehr zwingend sei (Frye in Rau/Dürrwächter, UStG, § 20 Rn. 47.1, Stand Oktober 2016; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 15 Rn. 81, Stand Mai 2019; ders., UStG, 3. Aufl. 2015, § 15 Rn. 14).
Die RL 2010/45/EU wäre bis zum in das nationale Recht umzusetzen gewesen; gleichwohl hat der deutsche Gesetzgeber Art. 226 Nr. 7a MwStSysRL nicht umgesetzt. Vor dem Hintergrund der inländischen Rechtslage erscheint dies nach Auffassung des FG folgerichtig; danach benötigt der Rechnungsempfänger keine Information, ob der Rechnungsteller nach vereinnahmten Entgelten besteuert wird, da der Vorsteuerabzug hierdurch nicht berührt wird.
Die Rechtslage nach nationalem Recht ist nach Auffassung des FG indes mit Art. 167 MwStSysRL vereinbar, wenn es sich bei Art. 167 MwStSysRL nicht um eine zwingende Vorgabe, sondern lediglich um eine "Leitidee" handelt. Dass es sich bei Art. 167 MwStSysRL nur um eine Leitidee handelt, könnte sich nach Auffassung des FG aus der Protokollerklärung des Rates und der Kommission zu Art. 17 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie ergeben. Diese ist die wortgleiche Vorgängervorschrift des Art. 167 MwStSysRL. Nach der Protokollerklärung können die Mitgliedstaaten von dem in Art. 17 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie vorgesehenen Grundsatz abweichen, wenn der Lieferant oder der Erbringer von Dienstleistungen nach seinen Einnahmen besteuert wird.
Ob diese Protokollerklärung zur Auslegung der MwStSystRL verwendet werden kann, erscheint dem FG jedoch fraglich. Zwar können Protokollerklärungen grundsätzlich zur Auslegung von Rechtsakten der EU herangezogen werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH gilt dies jedoch nicht, wenn der Inhalt der Protokollerklärung im Wortlaut der fraglichen Regelung keinen Ausdruck gefunden hat. Demnach kommt es nach Auffassung des FG darauf an, ob der Inhalt der Protokollerklärung Eingang in die Regelungen der MwStSystRL gefunden hat. Der Wortlaut des Art. 167 MwStSysRL sieht eine Einschränkung, wie sie der Protokollerklärung zu entnehmen ist, nicht vor. Die Protokollerklärung könnte jedoch Ausdruck in der neuen Vorschrift in Art. 226 Nr. 7a MwStSysRL gefunden haben. So hängt die Anwendbarkeit dieser Vorschrift nach ihrem Wortlaut von zwei Voraussetzungen ab. Zum einen muss der Steueranspruch gemäß Art. 66 lit. b MwStSysRL zum Zeitpunkt des Eingangs der Zahlung entstehen. Zum anderen muss das Recht auf den Vorsteuerabzug entstehen, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Mit der zweiten Voraussetzung wird somit der Wortlaut des Art. 167 MwStSysRL wiederholt. Wenn Art. 167 MwStSysRL strikt und ohne Ausnahme anzuwenden wäre, wäre diese zweite Voraussetzung nach Auffassung des FG gänzlich überflüssig. Somit ergeben sich für das FG aus dem Zusammenspiel von Art. 167 MwStSysRL und Art. 226 Nr. 7a MwStSysRL systematische Gründe, die dafür sprechen, dass es sich bei Art. 167 MwStSysRL nicht um eine strikte Vorgabe, sondern um eine Leitidee handelt, von der die Mitgliedstaaten abweichen können.
Die zweite Frage des FG stellt sich nur dann, wenn die Mitgliedstaaten in der oben beschriebenen Weise von der Regelung des Art. 167 MwStSysRL abweichen dürfen. Sie dient der Klärung, ob der Unternehmer das Vorsteuerabzugsrecht in diesen Fällen jedenfalls dann auch in dem Besteuerungszeitraum geltend machen darf, in dem das Vorsteuerabzugsrecht unter strikter Beachtung des Art. 167 MwStSysRL entstanden wäre, wenn eine Geltendmachung in dem nach nationalem Recht zutreffenden früheren Besteuerungszeitraum nicht mehr möglich ist. Hat der Unternehmer den Vorsteuerabzug unterlassen, ist es nach nationalem Recht nicht möglich, das Vorsteuerabzugsrecht für einen späteren Besteuerungszeitraum geltend zu machen. Ist eine rückwirkende Geltendmachung der Vorsteuer - wie im Ausgangsfall wegen eingetretener Festsetzungsverjährung - nicht mehr möglich, kann das Recht nicht mehr ausgeübt werden. Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG müssen Vorsteuerbeträge in dem Besteuerungszeitraum abgesetzt werden, in den sie fallen. Danach sind die Vorsteuerbeträge in dem Besteuerungszeitraum abzuziehen, in dem die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. In einem späteren Besteuerungszeitraum kann der Vorsteuerabzug nicht mehr vorgenommen werden. Unterlässt der Unternehmer den Vorsteuerabzug im zutreffenden Besteuerungszeitraum, kann er den Vorsteuerabzug nur nachholen, wenn die Steuerfestsetzung für diesen Besteuerungszeitraum noch geändert werden kann. Eine Änderung der Festsetzung ist aber jedenfalls dann nicht mehr zulässig, wenn für diesen Zeitraum bereits die Festsetzungsverjährung eingetreten ist.
Art. 167 MwStSysRL könnte nach Auffassung des FG eine andere Bewertung in den Fällen gebieten, in denen das nationale Recht den Entstehungszeitpunkt des Vorsteuerabzugsrechts abweichend von Art. 167 MwStSysRL in einen früheren Besteuerungszeitraum verlagert, der Anspruch in diesem Besteuerungszeitraum nicht geltend gemacht worden ist und eine nachträgliche Geltendmachung - wie unter den Umständen des Ausgangsfalls - nach nationalem Recht ausgeschlossen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH handelt es sich bei dem Vorsteuerabzugsrecht um ein Grundprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, durch das die Neutralität der MwSt gewährleistet werden soll. Das Recht zum Vorsteuerabzug ist ein integraler Bestandteil des Mechanismus der MwSt und kann grundsätzlich nicht eingeschränkt werden. Gemäß Art. 179 MwStSysRL ist das Vorsteuerabzugsrecht auch nach dem Unionsrecht grundsätzlich für den Besteuerungszeitraum auszuüben, in dem es entstanden ist. Zwar können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 180 MwStSysRL einen Vorsteuerabzug gestatten, der nicht nach Art. 179 MwStSysRL vorgenommen worden ist; der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit aber keinen Gebrauch gemacht. Gleichwohl könnte es nach Auffassung des FG die grundlegende Bedeutung des Vorsteuerabzugsrechts notwendig machen, dem Unternehmer die Möglichkeit zu geben, die Vorsteuer unter Umständen wie denen des Ausgangsfalls auch dann für den sich nach Art. 167 MwStSysRL ergebenden Besteuerungszeitraum geltend zu machen, wenn das nationale Recht von Art. 167 MwStSysRL abweicht. Dies könnte nach Auffassung des FG jedenfalls dann geboten sein, wenn die Geltendmachung in dem nach nationalem Recht zutreffenden Besteuerungszeitraum nicht mehr möglich ist, um auch in diesem Fall die Neutralität des Mehrwertsteuersystems sicherzustellen. Denn in dieser Konstellation wirkt sich die - für den Unternehmer an sich vorteilhafte - Abweichung von Art. 167 MwStSysRL zu dessen Nachteil aus.
Fundstelle(n):
ZAAAH-42861