Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen: statische Berechnungen einer anderen Firma als Teil der Handwerkerleistungen für den Austausch von Dachstützen
Leitsatz
1. Gutachterliche Tätigkeiten, wie z.B. Tätigkeiten, die der Wertermittlung dienen, die Erstellung eines Energiepasses oder Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer Finanzierung, stellen grundsätzlich keine Handwerkerleistungen i.S.v. § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG dar.
2. Sollen die schadhaften Holzpfosten, die das Dach des zu eigenen Wohnzwecken genutzten Hauses stützen, durch Stahlstützen ersetzt werden und verlangt die beauftragte Firma eine statische Berechnung der einzusetzenden Stahlpfosten, so gehören die Aufwendungen für die von einer anderen Firma erstellten statischen Berechnungen zu den Handwerkerleistungen für den Austausch der Dachstützen; dass die mit dem Austausch der Stützen beauftragte Firma die statischen Berechnungen – aus welchen Gründen auch immer – nicht selbst ausführen wollte oder konnte, spricht nicht gegen das Vorliegen einer aus Austausch der Stützen und statischen Berechnungen bestehenden einheitlichen Handwerkerleistung (gegen sowie gegen ).
3. Wird ein Vororttermin zur Besichtigung des Daches durchgeführt, so gelten die statischen Berechnungen als „im Haushalt” des Steuerpflichtigen im Sinne des § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG durchgeführt (gegen ). Eine Aufspaltung danach, an welchem Ort welcher Teil der Handwerkerleistung erbracht wurde, hält der Senat für „gekünstelt”. Der Gesetzeszweck würde konterkariert, wenn man – dem bloßen Zufall folgend – eine Handwerkerleistung danach aufspaltet, wo die Teile der Arbeitsleistung erbracht wurden, soweit sie letztlich der Wohnung des Steuerpflichtigen zugutekommen (vgl. , EFG 2018 S. 1270; gegen ).
Gesetze: EStG § 35a Abs. 3 S. 1, EStG § 35a Abs. 4 S. 1, EStG § 35a Abs. 5 S. 2
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Streitig ist eine Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen.
1. Die verheirateten Kläger werden zusammenveranlagt. Sie wohnen in einem Einfamilienhaus, das in ihrem jeweils hälftigen Miteigentum steht.
Das Dach des Wohnhauses wurde durch Holzpfosten abgestützt, welche sich im Laufe der Zeit verdrehten. Zudem bildeten sich zahlreiche tiefe Risse in der Holzstruktur. Die schadhaften Holzpfosten sollten von der Firma K., Metallbau, X. (nachfolgend: K.) durch Stahlstützen ersetzt werden. Zur Ausführung des Auftrages hielt K. allerdings eine zuvorige statische Berechnung der einzusetzenden Stahlpfosten für „unbedingt erforderlich”, da die Last des „sehr weit überstehenden Hausdaches” durch lediglich drei Stützen getragen werden muss (Bestätigung des K vom , Gerichtsakte, Bl. 67). Diese statische Berechnung führte die Firma […] (nachfolgend: M-GmbH) durch, welche zu dem Ergebnis kam, dass jeweils ein Quadratrohr QR 100 × 5,0 die Dachlasten aus der Dachkonstruktion in die Balkonplatte bzw. das Fundament standsicher übertragen kann (Berechnung vom 21. Juli 2015, S. 2, Gerichtsakte, Bl. 62). „Gemäß statischer Berechnung” wurden sodann die Holzpfosten durch K. im Jahr 2016 ausgetauscht (Rechnung vom , Gerichtsakte, Bl. 66).
Für die statische Berechnung stellte die M-GmbH dem Kläger eine Rechnung i.H. von 535,50 Euro (einschließlich Umsatzsteuer) aus, mit der ausschließlich Arbeitskosten geltend gemacht wurden (Rechnung vom , ESt-Akte, Bl. 3). Hierin wurden eine Besprechung der Aufgabenstellung vor Ort am , das Erstellen einer statischen Berechnung sowie Nebenkosten abgerechnet. Der Rechnungsbetrag wurde von den Klägern auf das Konto der M-GmbH überwiesen.
2. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr vom begehrten die Kläger den Abzug von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Moder- nisierungsmaßnahmen „Kaminfeger, Statiker”) im eigenen Haushalt i.H. von insgesamt 564 Euro (brutto).
3. Im Einkommensteuerbescheid des Streitjahres vom erkannte der Beklagte davon lediglich 28 Euro brutto an „Kaminfeger”) und ließ (gerundet) 6 Euro (20 % von 28 Euro) als Ermäßigungsbetrag für Handwerkerleistungen zum Abzug von der festzusetzenden Einkommensteuer zu (ESt-Akte, Bl. 30).
4. Hiergegen legten die Kläger am Einspruch ein.
Sie machten geltend, dass die statische Berechnung der M-GmbH erforderlich gewesen sei, um die Holzpfosten austauschen zu können. Um einen drohenden Schaden durch einen möglichen Dacheinsturz vorzubeugen und eine vertragsgerechte Ausführung des Auftrags sicherzustellen, sei K. auf die Mithilfe eines Statikers angewiesen gewesen. Insoweit handele es sich um eine einheitliche Handwerkerleistung, die nicht aufgeteilt werden könne. Im Übrigen hätten auch zwei weitere Schlossereibetriebe, bei denen die Kläger wegen einer möglichen Beauftragung angefragt gehabt hätten, vor einer Auftragsdurchführung jeweils auf eine statische Berechnung bestanden. Somit liege auch insoweit ein begünstigter Renovierungsaufwand vor (Schreiben vom , Rb-Akte, Bl. 1; vom , Rb-Akte, Bl. 11 und vom , Rb-Akte, Bl. 18).
5. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück.
Die M-GmbH habe eine reine Gutachterleistung erbracht, so dass ein Abzug als Handwerkerleistung nicht in Betracht komme. Denn die M-GmbH habe nicht den Istzustand und den Schaden der Stützbalken festgestellt und deren Funktionsfähigkeit überprüft, sondern die statischen Berechnungen für den Austausch der Balken vorgenommen. Der Mangelzustand der Balken und die Notwendigkeit eines Austausches seien bereits durch K festgestellt worden. K habe dann lediglich noch eine statische Berechnung für die Dimensionierung der Metallpfosten benötigt. Die Durchführung von statischen Berechnungen zähle jedoch nicht zu den Handwerkerleistungen (Rb-Akte, Bl. 29 ff.).
6. Hiergegen erhoben die Kläger am Klage und beantragen sinngemäß (Gerichtsakte, Bl. 3 f.),
die Aufwendungen für das statische Gutachten i.H. von 535,50 Euro als Handwerkerleistungen anzuerkennen.
Den bisherigen Vortrag vertiefend weisen sie darauf hin, dass die Berechnung der M-GmbH das Schicksal der eigentlichen Handwerkerleistung durch K. teile. Es handele sich um eine unselbständige Nebenleistung, die untrennbar mit der Hauptleistung verbunden sei. Ohne die statische Berechnung der M-GmbH hätte K. den Auftrag nicht ausführen können. Eine Aufteilung der insgesamt angefallenen Kosten in einen begünstigten und einen nicht begünstigten Anteil sei nicht statthaft. Gleiches gelte auch, wenn sich ein Handwerker für einen Auftrag zuvor eine Zeichnung oder Skizze selbst erstelle und darin Material und Maße vermerke. Auch in diesem Fall liege eine einheitliche Handwerkerleistung vor und keiner käme auf die Idee, die Erstellung der Zeichnung oder Skizze als nicht begünstigte, selbständige Nebenleistung zu betrachten.
7. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten (Gerichtsakte, Bl. 43).
Ergänzend zu seiner Einspruchsentscheidung weist der Beklagte auf die Urteile des Sächsischen , rkr., juris und des , EFG 2018, 42 (Revision anhängig, Aktenzeichen des Bundesfinanzhofs –BFH– VI R 50/17) hin.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Unterlagen sowie auf die Behördenakten (ESt und Rb-Akte) und die Gerichtsakten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
1. Der Einkommensteuerbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Er wird dahingehend geändert, dass die festgesetzte Einkommensteuer um einen Betrag i.H. von 107,10 Euro (20 % von 535,50 Euro) ermäßigt wird (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO).
a) Die statische Berechnung der M-GmbH stellt eine Handwerkerleistung dar.
Nach § 35a Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um 20 Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um 1.200 Euro, für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Die Steuerermäßigung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn die Handwerkerleistung nach § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht wird. Der Abzug von der tariflichen Einkommensteuer gilt nach § 35a Abs. 5 Satz 2 EStG nur für Arbeitskosten. Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung ist zudem gemäß § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG, dass der Steuerpflichtige für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten hat und die Zahlung auf das Konto des Erbringers der Leistung erfolgt ist.
Handwerkerleistungen sind einfache wie qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt. Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden, z.B. das Streichen und Tapezieren von Innenwänden, die Beseitigung kleinerer Schäden, die Erneuerung eines Bodenbelags (Teppichboden, Parkett oder Fliesen), die Modernisierung des Badezimmers oder der Austausch von Fenstern. Hierzu gehören auch Aufwendungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf dem Grundstück, z.B. Garten- und Wegebauarbeiten, aber auch die Reparatur, Wartung und der Austausch von Gas- und Wasserinstallationen. Insbesondere unterscheidet das Gesetz weder nach Wortlaut noch nach Entstehungsgeschichte oder Sinn und Zweck zwischen sachlich begünstigten und nicht begünstigten Handwerkerleistungen. § 35a Abs. 3 EStG gilt vielmehr ausnahmslos für alle handwerklichen Tätigkeiten. So ist es beispielsweise nicht erforderlich, dass der Leistungserbringer in die Handwerksrolle eingetragen ist (, BStBl II 2015, 481 Rn. 11 f.).
Gutachterliche Tätigkeiten, wie z.B. Tätigkeiten, die der Wertermittlung dienen, die Erstellung eines Energiepasses oder Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer Finanzierung, stellen damit grundsätzlich keine Handwerkerleistungen i.S.v. § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG dar ( BStBl I 2016, 1213 Rn. 20).
Der Senat ist unter Anwendung dieser Grundsätze allerdings davon überzeugt, dass die Kläger die von K. im Jahr 2016 unstreitig erbrachten Handwerkerleistungen nicht ohne eine zuvorige statische Berechnung hatte durchführen lassen können. K. hat bestätigt, dass diese Berechnung „unbedingt erforderlich” war, um die Holz- gegen Metallpfosten austauschen zu können. Bei einer solchen engen sachlichen Verzahnung ist es nicht rechtserheblich, dass K diese Berechnungen –aus welchen Gründen auch immer– nicht selbst ausführen wollte oder konnte. Dass letztendlich ein Ingenieur der M-GmbH die Erstellung des Gutachtens übernahm, spricht aus Sicht des Senats nicht gegen das Vorliegen einer einheitlichen Handwerkerleistung (a.A. , rkr., juris Rn. 24 und des , EFG 2018, 42 Rn. 38, Revision anhängig, Aktenzeichen des BFH VI R 50/17).
b) Zudem wurden die Leistungen der M-GmbH in einem Haushalt erbracht.
Der Haushaltsbegriff ist räumlich-funktional auszulegen. Deshalb werden die Grenzen des Haushalts nicht ausnahmslos durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt. Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze erbracht werden, begünstigt sein. Es muss sich dabei allerdings um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen (, BStBl II 2014, 882 Rn. 15).
Die hier streitige Leistung der M-GmbH diente der ordnungsgemäßen und sicheren Durchführung des Austausches von tragenden Stützelementen für das Dach des Wohnhauses der Kläger. Ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang zu einem Haushalt i.S. des § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG liegt damit ebenso vor, wie ein Dienen in Form der Aufrechterhaltung der (statischen) Wohneigenschaften des Familienheims (a.A. , rkr., juris Rn. 24).
Überdies wurde ein nicht unwesentlicher Teil der Leistungen der M-GmbH durch eine Besprechung der Aufgabenstellung vor Ort und eine Inaugenscheinnahme des Hauses erbracht. Eine Aufspaltung danach, an welchem Ort welcher Teil der Handwerkerleistung erbracht wurde, hält der Senat für „gekünstelt”. Denn das in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/753, S. 11 und 15/91, S. 19) zum Ausdruck gebrachte gesetzgeberische Ziel, der Förderung der privaten Haushalte als Beschäftigungsfeld durch Begünstigung der Handwerkerarbeitsleistungen für die eigene Wohnung sowie die damit einhergehende Bekämpfung der Schwarzarbeit, wird konterkariert, wenn man –dem bloßen Zufall folgend– eine Handwerkerleistung danach aufspaltet, wo die Teile der Arbeitsleistung erbracht wurden, soweit sie letztlich der Wohnung des Steuerpflichtigen zugutekommen (, EFG 2018, 1270, Revision anhängig, Aktenzeichen des BFH VI R 7/18; a.A. , rkr., juris).
2. Der Senat hält es für zweckmäßig, gemäß § 90a FGO durch Gerichtsbescheid zu entscheiden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
4. Die Revision ist gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, da –wie ausgeführt– zur streitigen Frage unterschiedliche Finanzgerichte zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind und eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/PR 2020 S. 6 Nr. 8
DStR 2019 S. 8 Nr. 47
DStRE 2019 S. 1517 Nr. 24
EFG 2019 S. 1833 Nr. 22
EStB 2020 S. 188 Nr. 5
KÖSDI 2020 S. 21552 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 44/2019 S. 3195
YAAAH-32372