Lohnsteuernachforderung für Jubiläumszuwendungen: Überschreitung der Freigrenze von 110 € – Einbeziehung der An- und Abreisekosten zu auswärtiger Betriebsveranstaltung in die Berechnung des geldwerten Vorteils
Leitsatz
Bei dem durch den auswärtigen Ort einer Feier zur Ehrung der Jubilare notwendig gewordenen Bustransfer der Arbeitnehmer handelt es sich um Aufwendungen für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung ohne eigenen Konsumwert, die nicht in die Berechnung des geldwerten Vorteils einzubeziehen sind und daher nicht die Überschreitung der Freigrenze von 110 € nach R 19.5 LStR 2008 auslösen können.
Für die Beurteilung von Reisekosten zu einer solchen Betriebsveranstaltung als geldwerter Vorteil kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Arbeitgeber oder die Arbeitnehmer selbst die Anreise organisieren.
Derartige beruflich veranlasste Reisekosten führen bereits deshalb nicht zu einer Bereicherung der Arbeitnehmer, weil sie wie steuerfreier Werbungskostenersatz zu behandeln sind.
Gesetze: EStG § 3 Nr. 16, EStG § 8 Abs. 2 Satz 1, EStG § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, EStG § 40
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Die Klägerin wird durch Nachforderungsbescheid vom , geändert im Einspruchsverfahren am , für Lohnsteuern i.H.v. 42.035,54 Euro in Anspruch genommen. Der Einspruch blieb im Übrigen ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom ). Daraufhin hat die Klägerin am Klage erhoben.
Die Lohnsteuernachforderung beruht auf den Ergebnissen einer Lohnsteueraußenprüfung für den Zeitraum bis (Prüfungsbericht vom ). Streitig ist die Lohnversteuerung von Zuwendungen im Zusammenhang mit Ehrungen von Jubilaren (Prüfungsbericht Tz. 4a). Im Einspruchsverfahren wurde dem Einspruchsbegehren für 2007 abgeholfen. Für den noch streitbefangenen Zeitraum 2008 verblieb im Hinblick auf die Jubiläumszuwendungen eine Bemessungsgrundlage von 18.027,46 Euro.
Die vom Beklagten angenommenen zu versteuernden geldwerten Vorteile beziehen sich auf eine abendlichen Veranstaltung zur Ehrung der Jubilare im Saal () am . Hierzu war die ganze Belegschaft eingeladen. Von 248 Arbeitnehmern sagten 160 Arbeitnehmer ihre Teilnahme zu. Die Arbeitnehmer waren grundsätzlich darauf verwiesen selbständig an- und abzureisen. Es bestand jedoch die Möglichkeit, von der Hauptverwaltung der Klägerin zum Veranstaltungsort und für den späteren Rückweg (wahlweise zur Hauptverwaltung oder zum Hauptbahnhof) einen zeitweise halbstündlich verkehrenden „Shuttle-Bus” in Anspruch zu nehmen. Mit der Zusage, an der Veranstaltung teilnehmen zu wollen, war auch die beabsichtigte „Busbenutzung” getrennt für die Hin- und Rückfahrt kenntlich zu machen. Davon machten 54 (Hinfahrt) bzw. 49 (Rückfahrt) Arbeitnehmer Gebrauch.
Im Hinblick auf die Einbeziehung von Anreisekosten in die Bemessungsgrundlage des den Arbeitnehmern zugewendeten geldwerten Vorteils hat der Beklagte unter Bezugnahme auf das Tz. 2.b) und 6), Bundessteuerblatt (BStBl) I 2015, 832, die Gesamtkosten berechnet. Der Beklagte hat bei seiner Berechnung die gesamten Aufwendungen der Klägerin um Gemeinkosten und Sonderkosten gekürzt und den verbliebenen Betrag i.H.v. 18.027,46 Euro einschließlich eines Betrages von 499,80 Euro für den Shuttle-Bus auf die angemeldeten 160 Teilnehmer verteilt. Der daraus resultierende Betrag von 112,67 Euro lag über der sogenannten 110 Euro-Grenze (Lohnsteuerrichtlinien -LStR- 2008 R 19.5; ständige Rechtsprechung vgl. , juris Datenbank m.w.N.; § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a Satz 3 des Einkommensteuergesetzes -EStG- ab 2015) und führte zur Lohnversteuerung.
Die Klägerin geht von einer Bemessungsgrundlage von nur 17.527,66 Euro aus, mit der Folge, dass pro Teilnehmer weniger als 110 Euro aufgewandt wurden nämlich nur 109,55 Euro und damit die 110 Euro-Grenze unterschritten wäre. Eine Nachversteuerung wäre dann insoweit nicht durchzuführen.
Die Klägerin meint, dass die Kosten des Bus-Shuttles von 499,80 Euro als Teil des äußeren Rahmens der Veranstaltung nicht in die Berechnung des geldwerten Vorteils einzubeziehen seien. Es handele sich um im Arbeitgeberinteresse liegende Transferkosten, die der Tatsache geschuldet seien, dass die Veranstaltung an einem anderen Ort stattfinde. Schon aus Gründen des Versicherungsschutzes im Falle des Alkoholausschanks bei einer Betriebsfeier treffe den Arbeitgeber im Hinblick auf die Abfahrt eine erhöhte Fürsorgepflicht. Die An- und Abreise habe keinerlei Erlebnischarakter, so dass sich eine Qualifizierung als geldwerter Vorteil verbiete. Die Steuerfreiheit der Reisekosten sei zudem in § 3 Nr. 16 EStG gesetzlich anerkannt. Die Reisekosten könnten daher nicht über einen Umweg entgegen der gesetzlichen Regelung besteuert werden. Die gesetzliche Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 2 EStG 2015 könne hingegen nicht so verstanden werden, dass ausnahmslos alle Aufwendungen des Arbeitgebers den Arbeitnehmer bereicherten und ein Zuwendungswille des Arbeitgebers vorliege.
Die Klägerin beantragt,
den Lohnsteuernachforderungsbescheid vom in der Gestalt des Änderungsbescheides vom und der Einspruchsentscheidung vom in der Weise zu ändern, dass die Nachforderung um insgesamt 6.068,30 Euro auf 41.518,22 Euro herabgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, Reisekosten, also Fahrt- und Übernachtungskosten, seien weiterhin in die zu berücksichtigenden Zuwendungen einzubeziehen, wenn sie während der Betriebsveranstaltung anfielen, auch wenn z.B. die Fahrt keinen Erlebniswert habe. Dies sei der Fall, wenn, wie hier, die Arbeitgeberin die Fahrt von und zu der Betriebsveranstaltung organisiere. Nur, wenn dem Arbeitnehmer die Organisation der Anreise obliege und wenn die Veranstaltung außerhalb der ersten Betriebsstätte stattfinde, handele es sich um steuerfreien Werbungskostenersatz.
Gründe
Die Klage ist begründet. Die Klägerin ist dadurch in ihren Rechten verletzt, dass der Beklagte Zuwendungen anlässlich der Betriebsveranstaltung am als Arbeitslohn qualifiziert und hieraus die lohnsteuerlichen Folgerungen gezogen hat.
1. Die Nachforderung von Lohnsteuer beim Arbeitgeber durch Steuerbescheid kommt in Betracht, wenn die Lohnsteuer vorschriftswidrig nicht angemeldet worden ist und es sich um eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers handelt. Eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers liegt auch vor, wenn die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 EStG gegeben sind (, BFHE 225, 58, BStBl II 2009, 726).
2. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Unter welcher Bezeichnung und in welcher Form die Einnahmen gewährt werden ist unmaßgeblich.
Arbeitslohn liegt allerdings dann nicht vor, wenn die Arbeitnehmer durch Sachzuwendungen des Arbeitgebers zwar bereichert werden, der Arbeitgeber jedoch mit seinen Leistungen ganz überwiegend ein eigenbetriebliches Interesse verfolgt (vgl. z.B. , BFHE 228, 80, BStBl II 2010, 639; VI R 51/08, BFHE 228, 85, BStBl II 2010, 700, jeweils m.w.N).
Auch Zuwendungen des Arbeitgebers aus Anlass von Betriebsveranstaltungen können, wie hier, im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen. Betriebsveranstaltungen sind Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter, bei denen die Teilnahme grundsätzlich allen Betriebsangehörigen offensteht. Das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Durchführung solcher Veranstaltungen ist in der Förderung des Kontakts der Arbeitnehmer untereinander und in der Verbesserung des Betriebsklimas zu sehen. Rechtsprechung und Verwaltung haben hierzu typisierend festgelegt, ab wann den teilnehmenden Arbeitnehmern geldwerte Vorteile von solchem Eigengewicht zugewendet werden, dass von einem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers nicht mehr ausgegangen werden kann. Danach waren im Streitjahr erst bei Überschreiten einer Freigrenze von 110 € die Zuwendungen des Arbeitgebers in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren (vgl. , BFH/NV 2013, 637).
Die Bewertung der Leistungen bestimmt sich nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. Bei diesem Wert handelt es sich um den Betrag, den ein Fremder unter gewöhnlichen Verhältnissen für Güter gleicher Art im freien Verkehr aufwenden muss. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht zu beanstanden, wenn der Wert der dem Arbeitnehmer anlässlich einer Betriebsveranstaltung zugewandten Leistungen anhand der entstandenen Kosten geschätzt wird (z.B. , BFHE 241, 519, BStBl II 2015, 186).
In die Schätzungsgrundlage zur Bemessung des dem Arbeitnehmer zugewandten Vorteils sind jedoch nur solche Kosten des Arbeitgebers einzubeziehen, die geeignet sind, beim Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil auszulösen. Dem entsprechend werden Leistungen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betriebsveranstaltung stehen und durch die der Arbeitnehmer deshalb nicht bereichert ist, nicht als Lohn beurteilt und folglich auch nicht bei der Prüfung, ob die Freigrenze überschritten ist, einbezogen. Deshalb werden z.B. Kosten der Buchhaltung oder für die Beschäftigung eines Eventmanagers ausgenommen. Dies gründet darin, dass Arbeitgeber häufig nicht in der Lage sind, selbst eine Betriebsveranstaltung auszurichten und sich deshalb der Hilfe eines Eventmanagers bedienen müssen. Die Organisation einer Betriebsfeier durch ein fremdes Unternehmen erhöht zwar die Kosten des Arbeitgebers hierfür, nicht aber den Vorteil, der dem Arbeitnehmer zufließt.
Allein das Abhalten einer Betriebsveranstaltung in fremden statt in eigenen Räumen des Arbeitgebers begründet für sich betrachtet regelmäßig noch keinen geldwerten Vorteil des Arbeitnehmers. Nur wenn hierbei Leistungen an die Arbeitnehmer erbracht werden, die einen marktgängigen Wert haben, kann bei den Arbeitnehmern eine objektive Bereicherung und damit Arbeitslohn angenommen werden. Zu einer objektiven Bereicherung führen typischerweise nur solche Leistungen, die die teilnehmenden Arbeitnehmer unmittelbar konsumieren können, also vor allem Speisen, Getränke und Musikdarbietungen. Aufwendungen des Arbeitgebers, die die Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung selbst betreffen, bewirken bei den Teilnehmern dagegen keinen unmittelbaren Wertzugang; sie bleiben daher bei der angesprochenen Gesamtkostenermittlung grundsätzlich außer Betracht.
3. Daran gemessen haben die Beteiligten mit Ausnahme der Shuttle-Transfer Kosten eine der Rechtsprechung entsprechende Aufteilung der entstandenen Kosten vorgenommen. Hierzu wird ergänzend auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die Klägerin die Reisekosten zu Recht nicht in die Berechnung einbezogen. Bereits im Ausgangspunkt unzutreffend hat der Beklagte die Transferkosten allen 160 teilnehmenden Arbeitnehmern zugerechnet, die jedoch nur den Arbeitnehmern zu Gute kamen, die sich hierfür angemeldet hatten (vgl. , BFHE 240, 44, BFH/NV 2013, 637, am Ende: Taxikosten). Aber auch diese Arbeitnehmer waren durch die von der Klägerin verauslagten Aufwendungen für die Beförderung nicht bereichert. Bei dem durch den auswärtigen Ort der Feier notwendig gewordenen Bustransfer handelt es sich vielmehr um einen Teil der Aufwendungen für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung ohne eigenen Konsumwert (anders bei Beförderungen mit eigenem Erlebniswert). Überdies waren die betreffenden Arbeitnehmer dadurch schon deshalb nicht bereichert, weil die Teilnahme an der Veranstaltung beruflich veranlasst war. Die Reisekosten sind wie steuerfreier Werbungskostenersatz (§ 3 Nr. 16 EStG) zu behandeln.
Die Freigrenze von 110 Euro pro Arbeitnehmer wird damit im Ergebnis zwar nur knapp unterschritten. Es besteht jedoch kein Grund, gleichwohl von einem zu versteuernden geldwerten Vorteil auszugehen. Zwar musste die im Streitjahr (noch) nicht gesetzlich fixierte Grenze nicht zwingend trennscharf angewandt werden, da es sich letztlich um eine Schätzung handelte. Allerdings hatte der BFH (aaO. BFH/NV 2013, 637) bereits zum Veranlagungszeitraum 2007 geäußert, „dass die Finanzverwaltung erwägen sollte, alsbald den Höchstbetrag, ..., neu und auf der Grundlage von Erfahrungswissen zu bemessen”. Für 2008 bestand daher erst Recht kein Anlass von der Grenze zu Lasten der Klägerin abzuweichen. Die später getroffene restriktive gesetzliche Regelung in § 19 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist für das Streitjahr in keiner Weise maßgeblich.
4. Das Gericht teilt nicht die Auffassung des Beklagten, es komme für die Beurteilung von Reisekosten als geldwerter Vorteil entscheidend darauf an, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer selbst die Anreise organisiere, mit der Folge, dass bei der Organisation durch den Arbeitgeber die Betriebsveranstaltung mit der „Abreise” beginne und daher die „Reise” notwendig, unabhängig vom Erlebniswert, Teil der Betriebsveranstaltung sei. Der Beklagte hat sich hierzu auf das BStBl I 2015, 832, unter Nr. 6 „Reisekosten” berufen. Die dort unter Beispiel 2 und 3 geschilderten Fälle betreffen aber gemeinsame Betriebsausflüge, die sich von dem hier zu beurteilenden Fall des schlichten Transferangebots unterscheiden. Die Veranstaltung zur Ehrung der Jubilare hat sicher nicht im Transferbus an der Zentrale der Klägerin begonnen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:FGD:2018:0222.9K580.17L.00
Fundstelle(n):
BB 2018 S. 1110 Nr. 20
BBK-Kurznachricht Nr. 15/2018 S. 702
DB 2018 S. 1444 Nr. 24
DStR 2018 S. 6 Nr. 51
DStRE 2019 S. 337 Nr. 6
EFG 2018 S. 966 Nr. 11
KSR direkt 2018 S. 12 Nr. 6
KÖSDI 2018 S. 20781 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 22/2018 S. 1582
StB 2018 S. 163 Nr. 6
YAAAG-82252