Erlösschätzung bei nicht ordnungsgemäßer Buchführung: Schätzungsmethode bei Nichtdurchführbarkeit einer Ausbeutekalkulation – Interner Betriebsvergleich auf der Grundlage vorgefundener Belege aus Folgejahren
Leitsatz
Eine Erlösschätzung für einen Gastronomiebetrieb wegen nicht ordnungsgemäßer Buchführung kann sachgerechter Weise über einen Zeitraum von 10 Jahren anhand der durchschnittlichen Tageserlöse vorgenommen werden, die aus zwei im Rahmen der Durchsuchung aufgefundenen, nicht zum Eingang in die „offizielle” Buchführung bestimmten Z-Bons für ein dem Prüfungszeitraum um zwei Jahre nachfolgendes Jahr abgeleitet worden sind, wenn Anhaltspunkte für eine Änderung der innerbetrieblichen Verhältnisse in den zurückliegenden Jahren nicht vorliegen und eine Ausbeutekalkulation wegen Nichtvorlage der verwendeten Tageskarten nicht möglich ist.
Unwägbarkeiten aufgrund von Preisanstiegen und etwaigen Umsatzschwankungen kann dabei durch Sicherheitsabschläge Rechnung getragen werden.
Eine solche innerbetriebliche Anknüpfung erscheint gegenüber einem externen Betriebsvergleich nach der Richtsatzsammlung oder den Verhältnissen eines Vergleichsbetriebs vorzugswürdig.
Wenn keine anderen Erkenntnisgrundlagen bestehen, ist der Schätzung des Wareneinkaufs durch retrograde Errechnung aus den geschätzten Erlösen der höchste Rohgewinnaufschlagsatz nach der Richtsatzsammlung zugrunde zu legen.
Gesetze: AO § 158, AO § 162 Abs. 2, FGO § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig
Tatbestand
Die Klägerin ist eine am von ihren Gesellschaftern A und B gegründete GbR. In den Streitjahren 2000 bis 2010 waren A und B jeweils zur Hälfte an der Klägerin beteiligt. Während dieser Zeit betrieb die Klägerin einen Gastronomiebetrieb mit dem Namen „C” in Z-Stadt. Dieser verfügte über 50 Sitzplätze und einen – nur im Sommer geöffneten – Außenbereich. Die C war von Montag bis Freitag jeweils mittags und abends sowie an Samstagen nur abends und gelegentlich am Sonntag geöffnet. Aus dieser Tätigkeit erzielte die Klägerin Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit im Sinne des § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und unterlag der Gewerbesteuer (§ 2 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--). Die Klägerin war zudem Unternehmerin im Sinne von § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) ordnete mit Prüfungsanordnung vom gem. § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) eine Betriebsprüfung (BP) bei der Klägerin für die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 2000 bis 2010 an. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein und machte geltend, der Prüfungszeitraum dürfe regelmäßig nur drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen. Den Einspruch wies das FA als unbegründet zurück. Die nachfolgende Klage beim Finanzgericht (FG) (Aktenzeichen 13 K 4630/12) sowie die dagegen beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hatten keinen Erfolg.
Das FA begann am mit der BP. Am selben Tag fand aufgrund eines zuvor eingeleiteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens eine Durchsuchung der Räumlichkeiten der Klägerin durch Beamte des FA für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung (Steufa) statt. Darüber hinaus wurde die in der C genutzte Kasse durch den Kassenfachprüfer D ausgelesen. Während der Durchsuchung wurde im Müll ein Z-Bon für Samstag, den , und in der Kasse ein Z-Bon für Montag, den , aufgefunden, die Bruttoumsätze von 4.615,60 € () und 5.249,30 € () auswiesen.
Im Rahmen der BP reichte die Klägerin die Buchführungsunterlagen für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010 beim FA ein.
Im September 2012 gelangte das FA aufgrund einer anonymen Anzeige in den Besitz von an die Klägerin adressierten Lieferscheinen, die es vermuten ließen, der Wareneinkauf sei in der Buchführung der Klägerin nicht vollständig erfasst.
Am fand eine Schlussbesprechung für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010 statt. In einem Teil-BP-Bericht vom betreffend diesen Zeitraum vertraten die Prüfer die Auffassung, dass die Buch- und Kassenführung der Klägerin Mängel aufweise. Deshalb hielten sie eine Hinzuschätzung für geboten, die sie anhand eines Zeitreihenvergleichs ermittelten. Hinzugeschätzt werden sollten Erlöse von netto 643.500 € (2008), 575.000 € (2009) und 532.000 € (2010).
Die BP für den gesamten streitbefangenen Zeitraum von 2000 bis 2010 wurde schließlich mit BP-Bericht vom (unter „Aufhebung” des Teil-BP-Berichts vom ) abgeschlossen. Darin kamen die Prüfer u.a. zu dem Ergebnis, dass die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zu versagen sei, da erhebliche materielle und formelle Buchführungsmängel vorlägen. Die Kassenführung sei ebenfalls für den gesamten Prüfungszeitraum nicht ordnungsgemäß. Die Auswertung der anonymen Anzeige und von Kontrollmitteilungen lasse darüber hinaus den Schluss zu, dass der Wareneinkauf unvollständig erklärt worden sei. Aufgrund dieser und weiterer Beanstandungen nahmen die Prüfer umfangreiche Hinzuschätzungen vor. Diese wurden nicht mehr auf der Basis eines Zeitreihenvergleichs, sondern auf der Basis der bei der Durchsuchung sichergestellten Z-Bons vorgenommen. Im BP-Bericht heißt es insoweit unter Textziffer 2.7.1:
Im Rahmen der erstmaligen Durchsuchung wurden im Müll der Bfa der Z-Bon für Samstag, den , und der Z-Bon für Montag, den , gefunden. Der Z-Bon für den wies einen Nettoumsatz von 3.878,66 € aus. Am wurde laut dem Z-Bon ein Umsatz von netto 4.411,18 € erzielt. Montags bis freitags hat die Bfa sowohl mittags als auch abends geöffnet. Am Samstag wird die C erst am Abend geöffnet. Sonntags ist zwar grundsätzlich Ruhetag. Es werden jedoch an mehreren Sonntagen im Jahr Erlöse erzielt. Unter Zugrundelegung, dass montags bis freitags ein Nettoerlös von 4.411,18 € und am Samstag ein Erlös von 3.878,66 € netto erzielbar ist, beträgt der durchschnittliche Tageserlös 4.322,42 € netto. Mangels Vorlage von Programmierprotokollen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die im Müll gefundenen Z-Bons die vollständigen Tageseinnahmen ausweisen. Zur Abwägung der Unsicherheit, die sich die Bfa zurechnen lassen muss, wird unter Anwendung eines Sicherheitszuschlags von 10 % von einem erzielten durchschnittlichen Tageserlös von abgerundet 4.700 € netto ausgegangen. Dies entspricht einem Nettoerlös von 94 € pro Tag und Stuhl. (…) Auf Nachfrage, ob Änderungen, Umstrukturierungen usw. in den Jahren 2000 bis 2010 vorgenommen worden sind, ist eine Beantwortung unterblieben. Es ist daher davon auszugehen, dass die Betriebsstruktur sich innerhalb des Prüfungszeitraums nicht verändert hat. Die Erlöse werden anhand der jeweiligen Öffnungstage der einzelnen Jahre und einem erzielbaren Nettoerlös von 4.700 € ermittelt. Die C bewegt sich im oberen Preissegment. Die Erreichung des höchsten Rohgewinnaufschlagsatzes aus der Richtwertsammlung aus 2010 und einem Sicherheitszuschlag von 10 % ist nach Ansicht der BP möglich. Aufgrund gleich bleibender Verhältnisse wird dieser Aufschlagsatz auf die Vorjahre angewendet. Auf die Anl. 1 wird verwiesen. Die hinzugeschätzten Umsatzerlöse unterliegen dem vollen Umsatzsteuersatz gemäß § 12 Abs. 1 UStG von 16 % bzw. 19 % ab dem Jahr 2007.
Am erließ das FA nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (2000 bis 2007) und nach § 164 Abs. 2 AO (2008 bis 2010) geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie nach § 35b Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (2000 bis 2008) und nach § 164 Abs. 2 AO (2009 und 2010) geänderte Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag, in denen es folgende Gewinne aus Gewerbebetrieb zugrunde legte:
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Jahr | Gewinn |
2000 | 1.577.333,35 DM |
2001 | 1.518.060,17 DM |
2002 | 740.908,21 € |
2003 | 699.414,52 € |
2004 | 664.550,52 € |
2005 | 765.076,29 € |
2006 | 764.251,35 € |
2007 | 742.400,89 € |
2008 | 955.513,89 € |
2009 | 914.206,79 € |
2010 | 959.642,49 € |
Darüber hinaus erließ das FA am selben Tag nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (2000 bis 2006) und nach § 164 Abs. 2 AO (2007 bis 2010) geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2000 bis 2010, in denen es die Umsatzsteuer auf folgende Beträge (in €) festsetzte:
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Jahr | Umsatzsteuer |
2000 | 207.655,57 |
2001 | 208.400,01 |
2002 | 206.322,20 |
2003 | 198.967,54 |
2004 | 191.817,77 |
2005 | 210.132,00 |
2006 | 212.143,83 |
2007 | 251.713,50 |
2008 | 259.104,08 |
2009 | 264.081,64 |
2010 | 254.028,67 |
Dagegen legte die Klägerin fristgemäß Einsprüche ein. Zur Begründung führte sie aus: Das FA habe die Höhe der Hinzuschätzungen auf der Grundlage eines geschätzten Tagesumsatzes für Werktage einerseits und Samstage andererseits ermittelt. Ferner habe es ergänzend für jedes Jahr Wareneinkäufe zugeschätzt, die rechnerisch aus der Höhe der Tagesumsätze und einem geschätzten Rohgewinnaufschlagsatz von 440 % ermittelt worden seien. Der vom FA angenommene Rohgewinnaufschlagsatz liege durchgängig deutlich über dem oberen Wert der amtlichen Richtsatztabelle. Die Höhe der hinzugeschätzten Umsätze für die Streitjahre 2000 bis 2010 liege zwischen 758.000 € und 941.800 €. Das FA habe die Hinzuschätzungen aufgrund der in Tz. 2.7 des BP-Berichts dargestellten, der Klägerin bislang unbekannten Schätzungsmethode unter Aufgabe des bisher durchgeführten Zeitreihenvergleichs ermittelt. Die vom FA zugrunde gelegte Schätzungsmethode führe nicht zu sachgerechten Ergebnissen und sei daher rechtswidrig. Sie lasse sich keiner der üblicherweise zur Anwendung kommenden Schätzungsmethoden zuordnen. Eine sachgerechte Schätzung sei hierin nicht zu sehen. Im Ergebnis werde eine Umsatzhinzuschätzung für insgesamt elf Veranlagungszeiträume in einem Gesamtumfang von 9.382.635 € auf zwei Kassenbons aus dem Jahr 2012 gestützt. Nach Auffassung der Klägerin sei eine sachgerechte Schätzung möglich, wenn man an die Prüfungsergebnisse der vergleichbaren Gastronomiebetriebe „E” und „F” anknüpfe. Ausgehend hiervon sei insgesamt eine Hinzuschätzung von Erlösen i.H.v. 100.000 € pro Jahr des Prüfungszeitraums bei gleichzeitiger Hinzuschätzung von 20.000 € für zusätzlichen Wareneinkauf pro Jahr verhältnismäßig und angemessen.
Mit Einspruchsentscheidung vom setzte das FA unter Änderung der Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheide für 2000 bis 2010 vom und vom folgende Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbeträge fest und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück (Beträge in €):
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Jahr | Umsatzsteuer | GewSt-Messbetrag |
2000 | 141.343,06 | 24.143,20 |
2001 | 142.684,69 | 22.721,81 |
2002 | 160.882,20 | 25.430,00 |
2003 | 156.087,54 | 24.205,00 |
2004 | 148.137,77 | 22.530,00 |
2005 | 163.892,60 | 27.215,00 |
2006 | 165.423,83 | 27.270,00 |
2007 | 196.233,50 | 26.365,00 |
2008 | 200.584,08 | 25.179,00 |
2009 | 206.321,64 | 24.041,00 |
2010 | 200.828,67 | 24.748,00 |
Zur Begründung seiner Teilabhilfe führte das FA in der Einspruchsentscheidung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, aus: Zunächst sei im Hinblick auf die Einwendungen der Klägerin gegen die Schätzung des FA anzumerken, dass die von der Klägerin vorgeschlagene Methode weder dem von ihr geforderten externen Betriebsvergleich auf Grundlage der Werte der amtlichen Richtsatzsammlung, noch einem internen Betriebsvergleich zugeordnet werden könne. Der Schätzungsvorschlag der Klägerin sei nicht aufgrund konkreter, betriebsbezogener Tatsachen ermittelt worden, sondern solle sich durch einen Vergleich mit anderen Betrieben ergeben. Ausführungen dazu, warum eine Vergleichbarkeit mit dem E oder dem F bestehe, die eine Vergleichbarkeit hinsichtlich des Rohgewinnaufschlagsatzes rechtfertigen könnten, habe sie aber nicht gemacht.
Zudem habe sich die Klägerin im Wesentlichen darauf beschränkt, Zweifel an der Schätzungsmethode des FA hervorzurufen. Sie habe Sachverhalte und darauf basierend Argumente vorgetragen, an deren Aufklärung sie bewusst nicht mitgewirkt habe. Insbesondere habe sie keine Anstrengungen unternommen, die vom FA gewonnene Überzeugung, dass Schwarzeinkäufe getätigt worden und Einnahmen nicht erklärt worden seien, zu entkräften. Angaben zu tatsächlich erzielten Umsätzen habe sie nicht gemacht.
Das FA halte es daher weiterhin für sachgerecht, die erzielbaren Erlöse mittels eines anzunehmenden durchschnittlichen Tageserlöses zu ermitteln. Bereits im endgültigen BP-Bericht habe das FA von einer Schätzung im Wege eines Zeitreihenvergleichs Abstand genommen und die Schätzungsmethode gewählt, die auf der Auswertung der im Rahmen der Durchsuchung am aufgefundenen Z-Bons für den und den basiere. Die daraus zu entnehmenden Tageserlöse hätten gezeigt, dass montags bis freitags Nettoerlöse von 4.411,18 € und samstags von 3.878,66 € erzielbar seien. Hiervon ausgehend habe die BP einen durchschnittlich erzielbaren Tageserlös von 4.322,42 € ermittelt. Mangels Vorlage von Programmierprotokollen sei die BP zunächst nicht davon ausgegangen, dass die im Müll gefundenen Z-Bons die vollständigen Tageseinnahmen ausgewiesen hätten. Sie habe daher einen Sicherheitszuschlag von 10% angewendet und sei von einem erzielten durchschnittlichen Tageserlös von abgerundet 4.700 € netto ausgegangen. Die Anzahl der geöffneten Tage habe die BP dem Konto „Kasse” entnommen. Die Nachfrage bei der Klägerin, ob sie in den Streitjahren Änderungen der Betriebsführung, Umstrukturierungen etc. vorgenommen habe, sei nicht beantwortet worden, so dass die BP davon ausgegangen sei, dass die Betriebsstruktur sich innerhalb des Prüfungszeitraums nicht verändert habe.
Nunmehr gehe das FA davon aus, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass die zwei im Rahmen der Durchsuchung vorgefundenen Z-Bons solche mit dem tatsächlich erzielten Erlös des jeweiligen Tages sein könnten. Etwas Gegenteiliges sei auch bislang von der Klägerin nicht vorgetragen worden. Bei den Erlösen der Z-Bons handele es sich um interne Zahlen aus dem Betrieb der Klägerin und nicht um eine griffweise Schätzung des Beklagten. Die aus den Z-Bons zu entnehmenden Tageserlöse lägen auch nicht über den erklärten maximal erzielten Tageserlösen. Alle anderen Schätzungsmethoden führten im Fall der Klägerin auch nicht zu einem sachgerechteren Ergebnis.
In rechtlicher Hinsicht sei das FA bei der Wahl seiner Schätzungsmethode von folgenden Grundsätzen ausgegangen: In dem Umfang, in dem der Steuerpflichtige seine Buchführungs-, Aufzeichnungs-, Mitwirkungs-, Informations- und Nachweispflichten nach der AO verletze, reduziere sich die Ermittlungspflicht des FA und damit zugleich auch das Beweismaß. Dieses bestimme sich nämlich nach den Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Sachverhaltsgestaltung und Sachverhaltsermittlung; letztlich dürfe also ein Steuerpflichtiger aus der Verletzung von Mitwirkungspflichten keinen Vorteil ziehen. Zur Vermeidung eines solchen Ergebnisses seien deshalb auch nachteilige Schlüsse oder gar belastende Unterstellungen im Rahmen der Beweiswürdigung gerechtfertigt. Die Verantwortung des Steuerpflichtigen für die Aufklärung der Sachverhalte sei umso größer — die des FA folglich umso geringer – je mehr Tatsachen oder Beweismittel der von ihm beherrschten Informations- und/oder Tätigkeitssphäre angehörten. Insoweit indiziere das Verhalten eines „Beweisverderbers”, dass die Pflichtverletzung gerade bezwecke, ein für ihn nachteiliges Ermittlungsergebnis zu vermeiden. Würden grobe Pflichtverletzungen also darauf hindeuten, dass Einkünfte verheimlicht werden sollten, könne sich das FA an der obersten Grenze des Schätzungsrahmens orientieren. Daraus folge, dass die Ungewissheit, d.h. der Spielraum, innerhalb dessen das FA wegen Fehlens sicherer Anhaltspunkte zu mehr oder minder unsicheren Annahmen gezwungen sei, nicht dazu führen dürfe, nur den Betrag anzunehmen, der auch im ungünstigsten Falle als sicher vereinnahmt angesehen werden könne. Im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung habe ein Steuerpflichtiger, der Veranlassung zur Schätzung gebe, es vielmehr hinzunehmen, dass die im Wesen jeder Schätzung liegende Unsicherheits- und Fehlertoleranz gegen ihn ausschlage und das FA im Rahmen seines Schätzungsspielraums je nach Einzelfall bei steuererhöhenden Besteuerungsgrundlagen an der oberen, bei steuermindernden Besteuerungsgrundlagen aber an der untersten Grenze bleibe. Es liege im Wesen der Schätzung, dass die durch sie ermittelten Größen von den tatsächlichen Verhältnissen abweichen würden. Derjenige, der seine Mitwirkungspflichten nicht erfülle, habe in Kauf zu nehmen, dass er eventuell über das Maß seiner eigentlichen Steuerschuld hinaus bis zur oberen Grenze des Schätzungsrahmens belastet werde. Es müsse nämlich zum Schutz der ihre steuerlichen Pflichten erfüllenden Steuerpflichtigen ausgeschlossen werden, dass Steuerpflichtige durch grobe Verletzungen ihrer steuerlichen Pflichten im Ergebnis steuerlich besser gestellt würden.
Die Buchführung der Klägerin weise gravierende formelle und materielle Mängel auf. Es sei gegen zahlreiche Ordnungsvorschriften verstoßen worden Die Klägerin sei außerdem ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, indem sie z.B. die angeforderten Kassenunterlagen nicht vorgelegt und gestellte Anfragen nicht beantwortet habe. Die Ermittlungspflicht und das Beweismaß würden sich entsprechend der Pflichtverletzungen der Klägerin reduzieren. Die festgestellten Pflichtverletzungen deuteten zudem darauf hin, dass Einkünfte hätten verheimlicht werden sollen. Das FA sei daher gehalten, sich an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens zu orientieren.
Nach Abwägung aller Möglichkeiten habe sich das FA daher für die vorgenommene Hinzuschätzung mittels erzielbarer Tageserlöse entschieden. Um alle etwaigen Unsicherheiten abzugelten, werde nunmehr – anders als im BP-Bericht – zugunsten der Klägerin anstelle des Sicherheitszuschlags von 10 % ein Sicherheitsabschlag von 10 % auf die vorgefunden Z-Bons vorgenommen. Hierbei werde dem Umstand Rechnung getragen, dass Preiserhöhungen stattgefunden haben könnten und dass gegebenenfalls nicht an allen Tagen ein Umsatz in dem betreffenden Umfang habe erzielt werden können. Der durchschnittlich erzielte und anzusetzende Tageserlös berechne sich hiernach wie folgt: 4.322,42 € netto abzgl. 10 % Abschlag (432,24 €) = (gerundet) 3.800 € netto. Es werde weiterhin zugunsten der Klägerin angenommen, dass zu Zeiten der DM, d.h. in den Jahren 2000 und 2001, die Verkaufspreise tatsächlich niedriger gewesen seien. Für diesen Zeitraum werde von einem Netto-Umsatz von 3.400 € pro Tag ausgegangen. Dies entspreche einem Abschlag von 20 % auf den durchschnittlichen Tageserlös von 4.322 €. Die Höhe der Hinzuschätzung sei anhand der Öffnungstage pro Jahr ermittelt worden und entspreche dem ermittelten durchschnittlichen Tageserlös.
Bei 50 Sitzplätzen im Innenbereich und ohne Berücksichtigung des Außenbereichs ergebe dies einen Umsatz von netto 76 € pro Tag und pro Stuhl. Bei dem angesetzten Nettoumsatz von 3.800 € handele es sich keinesfalls um einen überhöhten Wert. Vielmehr bewege er sich noch nicht einmal am äußeren Rahmen. Die erklärten maximalen Umsätze beliefen sich auf (in 11 Jahren) durchschnittlich 4.920 € netto.
In Zahlen stelle sich die Hinzuschätzung wie folgt dar (in €):
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Jahr | Öffnungstage | Geschätzter Umsatz netto | Hinzuschätzungsbetrag netto | Umsatzsteuer |
2000 | 319 | 1.084.600,00 | 527.000,00 € | 84.320 |
2001 | 316 | 1.074.400,00 | 442.000,00 € | 70.720 |
2002 | 315 | 1.197.000,00 | 554.000,00 € | 88.640 |
2003 | 299 | 1.136.200,00 | 585.000,00 € | 93.600 |
2004 | 303 | 1.151.400,00 | 485.000,00 € | 77.600 |
2005 | 322 | 1.223.600,00 | 572.000,00 € | 91.520 |
2006 | 325 | 1.235.000,00 | 570.000,00 € | 91.200 |
2007 | 325 | 1.235.000,00 | 514.000,00 € | 97.660 |
2008 | 342 | 1.299.600,00 | 593.000,00 € | 112.670 |
2009 | 337 | 1.280.600,00 | 582.000,00 € | 110.580 |
2010 | 312 | 1.185.600,00 | 543.000,00 | 103.170 |
Darüber hinaus seien auch beim Wareneinsatz Hinzuschätzungen vorzunehmen. Den Hinzuschätzungsbetrag habe das FA aus den erzielten Erlösen unter Zugrundelegung eines Rohgewinnaufschlagsatzes von 440% ermittelt. Der Umstand, dass dieser über dem oberen Wert der amtlichen Richtsatzsammlung liege, sei hinnehmbar, da gerade im Bereich Z-Stadt auch höhere Aufschlagsätze erzielt würden. Eine Verringerung des Rohgewinnaufschlagsatzes würde (bei der hier vorgenommenen Art der Berechnung) lediglich zu einer Verringerung des hinzuzuschätzenden Wareneinkaufs führen. Die Klägerin rüge, dass für sie nicht erkennbar sei, warum eine Zuschätzung des Wareneinkaufs erfolge. Sie verkenne hierbei, dass das FA aufgrund der Vorgänge G, H und I von Schwarzeinkauf ausgehen müsse. Zudem habe die Klägerin in ihrem Schätzungsvorschlag selbst auch eine Hinzuschätzung beim Wareneinkauf von 20.000 € pro Jahr vorgenommen. Die vom FA angewendete Methode zur Ermittlung des hinzuzuschätzenden Wareneinkaufs habe den Vorteil, dass hierdurch eine ,,Glättung” des Wareneinkaufs und damit des Wareneinsatzes vorgenommen werde, so dass es nicht mehr zu den gravierenden, nicht erklärbaren Unregelmäßigkeiten beim Wareneinsatz komme. Änderungen in der Betriebsstruktur seien schließlich von Seiten der Klägerin nicht erklärt worden. In Zahlen ermittele sich der hinzuzuschätzende Wareneinkauf wie folgt:
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DM 2000 | DM 2001 | € 2002 | € 2003 | € 2004 | € 2005 | |
Erlöse It. Erklärung | 1.089.853 | 1.236.597 | 642.236 | 551.250 | 665.904 | 651.581 |
Zuschätzung | 1.031.400 | 864.700 | 554.000 | 585.000 | 485.000 | 572.000 |
Erlöse It. BP | 2.121.253 | 2.101.297 | 1.196.236 | 1.136.250 | 1.150.904 | 1.223.581 |
Rohgewinn-aufschlagsatz | 440% | 440% | 440% | 440% | 440% | 440% |
WES | 392.825 | 389.129 | 221.525 | 210.417 | 213.130 | 226.589 |
WES It. Erklärung | 357.378 | 367.692 | 155.865 | 118.018 | 174.225 | 190.144 |
WES Zuschätzung | 35.447 | 21.437 | 65.660 | 92.399 | 38.905 | 36.445 |
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€ 2006 | € 2007 | € 2008 | € 2009 | € 2010 | |
Erlöse lt. Erklärung | 664.672 | 720.878 | 706.306 | 697.341 | 642.050 |
Zuschätzung | 570.000 | 514.000 | 593.000 | 582.000 | 543.000 |
Erlöse It. BP | 1.234.672 | 1.234.878 | 1.299.306 | 1.279.341 | 1.185.050 |
Rohgewinn- aufschlagsatz | 440 % | 440 % | 440 % | 440 5 | 440 % |
WES | 228.643 | 228.681 | 240.612 | 236.915 | 219.454 |
WES lt. Erklärung | 203.494 | 188.795 | 182.067 | 171.673 | 158.382 |
WES Zuschätzung | 25.149 | 39.886 | 58.545 | 65.242 | 61.072 |
Aufgrund der Minderungen der Umsatzsteuer- und Gewerbesteuerverbindlichkeiten seien die Rückstellungen entsprechend angepasst worden.
Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Die Klägerin hält an ihrer bereits im Einspruchsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest und führt zur Begründung aus: Gegen eine Zuschätzung dem Grunde nach würden auch im Klageverfahren keine Argumente vorgetragen. Streitig sei indes die Höhe der seitens des FA vorgenommenen Hinzuschätzungen von Erlösen und Umsätzen. Die vom FA angewendete Schätzungsmethode führe aus ihrer Sicht nicht zu sachgerechten Ergebnissen. Bei einer schätzungsweisen Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen kämen regelmäßig die folgenden Schätzungsmethoden zur Anwendung:
1. Externer Betriebsvergleich durch
a. Vergleich mit geeigneten Vergleichsbetrieben,
b. Werte der amtl. Richtsatzsammlung.
2. Interner Betriebsvergleich durch
a. Nachkalkulation durch Ermittlung des durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes (Ausbeutekalkulation),
b. Ermittlung des Rohgewinnaufschlagsatzes anhand der Buchführung für einzelne Zeitabschnitte (Zeitreihenvergleich),
c. Geldverkehrs-, Vermögenszuwachs-, Einnahmen-/ Ausgabendeckungsrechnung.
Die vom FA gewählte Schätzungsmethode, sich auf zwei Z-Bons aus dem nicht von der BP umfassten Jahr 2012 zu stützen, lasse sich den genannten Schätzungsmethoden nicht zuordnen, so dass die grundsätzliche Geeignetheit der Methode bereits aus diesem Umstand zweifelhaft erscheine.
In diesem Zusammenhang sei ferner zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von betrieblichen Unterlagen der Klägerin bei dem zuständigen Steuerberater beschlagnahmt worden seien. Hierunter fielen insbesondere die Kassenaufzeichnungen 2002 bis 2010 sowie die Wareneinkaufsrechnungen 2004 bis 2007. Diese Aufzeichnungen seien, auch wenn sie zum Teil fehlerhaft seien, dennoch geeignet, um sie im Rahmen einer Schätzung der Höhe nach verwenden zu können. Hinzu komme, dass nach der eigenen Einlassung des FA nach Auslesung der Kasse ein zutreffender Getränkeanteil für das von dem Prüfungszeitraum umfasste Jahr 2009 habe ermittelt werden können. Unter gleichzeitiger Berücksichtigung der dem FA vorliegenden, aber fehlerhaft nicht verbuchten Wareneinkaufsrechnungen erscheine die Durchführung einer Ausbeutekalkulation durchaus möglich. Eine Getränkeausbeutekalkulation für 2009 habe das FA während der BP auch vorgenommen, das Ergebnis allerdings nicht seiner Schätzung zugrunde gelegt. Dagegen sei weiterhin nicht eindeutig nachvollziehbar, welche Erkenntnisse für den Prüfungszeitraum sich aus zwei Kassenbons ergeben würden, die beide von Tagen stammten, die außerhalb des Prüfungszeitraums lägen. Hinzu komme, dass lediglich zwei Z-Bons eine repräsentative Nachvollziehbarkeit von Umsätzen für einen Prüfungszeitraum, welcher ausweislich des Betriebsprüfungsberichts insgesamt 3.515 Werktage umfasse, nicht gewährleisten könnten. Dementsprechend seien die beiden Z-Bons insgesamt nicht als geeignetes Beweismittel und Grundlage für eine sachgerechte Schätzung für den gesamten Prüfungszeitraum zu beurteilen.
Es sei daher vorliegend fraglich, wo die obere Grenze des Schätzungsrahmens des FA zu ziehen sei. Stelle man insoweit auf die Richtsatzsammlung ab, sei aus Sicht der Klägerin bislang nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund der jeweils oberste Wert der Richtsatzsammlung einzig aufgrund der Lage des Betriebs und der örtlichen Gegebenheiten der Gastronomie der Stadt Düsseldorf keine Relevanz haben und offenbar zwingend in einem deutlichen Maße überschritten werden solle. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass bei einem Gastronomiebetrieb gehobenen Standards und Preissegments – wie dem der Klägerin – aufgrund des damit einhergehenden exklusiveren Speisen- und Getränkeangebots im Rahmen einer Aufschlagkalkulation zunächst auch deutlich höhere relative Wareneinkaufspreise zu berücksichtigen seien. Aus den höheren Abgabepreisen könnten bereits aufgrund dieses Umstands keine Rückschlüsse auf höhere Rohgewinnaufschlagsätze in der Weise gezogen werden, dass diese zwingend in deutlichem Maße über den oberen Richtsatzwerten lägen. Vielmehr sei nach allgemeiner Erfahrung und mathematischen Grundsätzen das Gegenteil der Fall: Erst die Konstellation geringer Wareneinsatzwerte bei zugleich überdurchschnittlich hohen Verkaufspreisen könne denklogisch im Ergebnis zu hohen bzw. erhöhten Rohgewinnaufschlagsätzen führen. Auf Basis dieser Grundvoraussetzung erscheine es daher aus Sicht der Klägerin ausgeschlossen, dass der vom FA durchgängig berücksichtigte Aufschlagsatz von 440% bei der erforderlichen realitätsnahen Schätzung erreicht werden könne.
Es bedürfe daher vorliegend der Ermittlung eines realitätsnahen Rohgewinnaufschlagsatzes für den Gastronomiebetrieb der Klägerin, um hierdurch ein sachgerechtes Schätzungsergebnis erreichen zu können. Zur Erreichung dieser Zielsetzung werde weiterhin die Berücksichtigung der seinerzeit unter dem schriftlich fixierten Vereinbarung zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und den zeichnungsberechtigten Vertretern des FA für den Gastronomiebetrieb der A B & B GbR „E” als Vergleichsbetrieb unter Berücksichtigung folgender Maßgaben für sachgerecht gehalten: Im Rahmen der für diese Betriebe durchgeführten Schlussbesprechungen sei eine Einigung über pauschale Hinzuschätzungsbeträge beim Umsatz von netto 200.000 € pro Jahr zwischen den Beteiligten erzielt worden. Bei den dortigen Zuschätzungsbeträgen sei von einem Rohgewinnaufschlagsatz von durchschnittlich 285% ausgegangen worden. Aus den Gewinnermittlungen der Klägerin lasse sich entnehmen, dass diesen für den elf Jahre umfassenden Prüfungszeitraum Rohgewinnaufschlagsätze von durchschnittlich 272,73% zugrunde gelegen hätten. Die erklärten Aufschlagsätze lägen damit in den meisten Jahren des Prüfungszeitraums bereits über den jeweils geltenden Mittelwerten der amtlichen Richtsatztabelle. Vor diesem Hintergrund bedürfe es geringerer Hinzuschätzungsbetrage pro Jahr, um die o.g. Zielsetzung einer sachgerechten Hinzuschätzung auf Grundlage der Werte der amtlichen Richtsatzsammlung auch für die Klägerin – unter Berücksichtigung der als angemessenen Ausgangswerte zu beurteilenden Aufschlagsätze der E GbR – zu erreichen. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen werde weiterhin eine Hinzuschätzung von Erlösen in Höhe von € 100.000 pro Jahr des Prüfungszeitraums bei gleichzeitiger Hinzuschätzung von € 20.000 für zusätzlichen Wareneinkauf pro Jahr als verhältnismäßig und angemessen angesehen. Bei diesem Ansatz werde in einigen der von der BP umfassten Jahre der obere Wert der amtlichen Richtsatzsammlung erreicht. Insgesamt führe eine solche Hinzuschätzung zu einem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 286%, welcher im Ergebnis in etwa einem mittleren Wert zwischen Mittel- und Höchstwert der amtlichen Richtsatzsammlung für den Prüfungszeitraum entspreche und für einen Gastronomiebetrieb gehobenen Standards mit den dargelegten üblichen Gegebenheiten angemessen sei.
Die vorstehend aufgezeigte Möglichkeit zur Durchführung einer sachgerechten Hinzuschätzung von Umsätzen und Wareneinkauf entspreche entgegen der Auffassung des FA auch der anerkannten Schätzungsmethode eines externen Betriebsvergleichs mit einem hierzu geeigneten Vergleichsbetrieb. Voraussetzungen einer hierzu erforderlichen Gleichartigkeit seien entsprechend der einschlägigen Rechtsprechung insbesondere die folgenden Merkmale:
• Branchengleichheit,
• vergleichbare Betriebsgröße,
• Lage,
• Organisation,
• Kundenstamm.
Aufgrund der gleichzeitigen Durchführung einer BP bei der E GbR seien dem FA die dortigen Gegebenheiten bekannt. Es handele sich ebenso wie bei dem Betrieb der Klägerin um ein Speiselokal mit italienischen Speisen und Getränken. Die Lage in dem bekannten Z-Stadt Zentrum führe dazu, dass ein vergleichbares Publikum wie vom Betrieb der Klägerin angesprochen werde. Das Platzangebot entspreche ebenfalls der Größenordnung der Klägerin. Aufgrund der identischen beteiligten Gesellschafter an beiden Betrieben sei ferner von einer vergleichbaren Betriebsorganisation auszugehen, was auch dadurch zum Ausdruck gebracht werde, dass beide Betriebe von italienischen Betriebsleitern geführt würden. Mithin werde insgesamt eine Berücksichtigung der Vergleichswerte im Rahmen der Höhe der Hinzuschätzungsbeträge weiterhin für sachgerecht gehalten.
Die Klägerin beantragt,
die Gewerbesteuermess- sowie die Umsatzsteuerbescheide für 2000 bis 2010 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abzuändern, dass die Steuerermittlung auf der Grundlage erfolgt, dass lediglich ein zusätzlicher Erlös bzw. Umsatz von netto 100.000 € und ein Wareneinkauf von 20.000 € je Kalenderjahr als Hinzuschätzungsbetrag in Ansatz gebracht wird,
hilfsweise im Unterliegensfalle die Revision zuzulassen
sowie die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA trägt ergänzend vor: Nach seiner Auffassung könne das E nicht als Vergleichsbetrieb herangezogen werden, da ähnliche Speisen bei der Klägerin durchgängig zu höheren Preisen angeboten worden seien. Eine Vergleichbarkeit sei daher nicht gegeben.
Gründe
Die Klage ist teilweise begründet.
Die Umsatzsteuerbescheide für 2000 bis 2010 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Gewerbesteuermessbescheide für 2000 bis 2010 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom sind hinsichtlich der vom FA hinzugeschätzten Einnahmen rechtmäßig (vgl. II.). Sie sind allerdings insoweit rechtswidrig, als das FA im Rahmen seiner Schätzung zu niedrige Aufwendungen für den Wareneinsatz geschätzt hat. Der Senat macht insoweit von der ihm selbst zustehenden Schätzungsbefugnis Gebrauch und schätzt einen Wareneinsatz in Höhe des aus dem Tenor ersichtlichen Umfangs (vgl. III.).
I. Die Schätzungsbefugnis folgt im Streitfall aus § 162 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO. Die Finanzbehörde – und ebenso das FG (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz FGO) – hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit diese nicht ermittelt oder berechnet werden können (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Gleiche gilt u.a. dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO).
Die Voraussetzungen des § 162 Abs. 2 AO liegen im Streitfall vor. Die BP hat u.a. festgestellt, dass die Klägerin keine ordnungsgemäße Buchführung und keine ordnungsgemäße Kasse geführt hat (vgl. Tz. 2.2 und 2.3 des BP-Berichts). Weitere Mängel der Buchführung sowie Verstöße gegen die Mitwirkungs- und Aufzeichnungspflichten hat das FA in der Einspruchsentscheidung vom aufgelistet. Die vom FA festgestellten formellen Mängel geben Anlass, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses zu bezweifeln. Die Klägerin hat die entsprechenden Ausführungen des FA nicht bestritten und gesteht zu, dass eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach besteht.
II. Im Hinblick auf die Höhe der Schätzung schließt sich das Gericht auf der Einnahmenseite der vom FA ausgewählten Schätzungsmethode einschließlich der daraus resultierenden Hinzuschätzungsbeträge an.
1. Eine vom FA vorgenommene Schätzung wird vom FG im Rahmen seiner Aufklärungspflicht (§ 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) in vollem Umfang überprüft und gegebenenfalls durch eine eigene Schätzung ersetzt (vgl. etwa , Bundessteuerblatt --BStBl-- II 1987, 412). Die Auswahl zwischen verschiedenen Schätzungsmethoden steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (vgl. , Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH --BFH/NV-- 1999, 290). Im Rahmen dieses Ermessens muss das Gericht die Schätzungsmethode so wählen, dass die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Schätzungen müssen insgesamt in sich schlüssig sein. Ihre Ergebnisse müssen darüber hinaus wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (, BStBl II 1986, 226).
2. Im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens schließt sich der Senat der Auffassung des FA an, dass eine Schätzung der in den Streitjahren erzielten Verkaufserlöse anhand der durchschnittlichen Tageserlöse, abgeleitet aus den im Rahmen der Durchsuchung aufgefundenen Z-Bons, sachgerecht ist. Dabei lässt sich das Gericht von folgenden Erwägungen leiten:
a) Im Streitfall scheiden bestimmte andere – typische – Schätzungsformen von vornherein aus.
aa) Eine Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung ist vorliegend nicht durchführbar. Die Vermögenszuwachsrechnung und Geldverkehrsrechnung beruhen auf dem Grundgedanken, dass ein Steuerpflichtiger während eines bestimmten Zeitraums so viele Einkünfte – aus welcher Quelle auch immer – erzielt haben muss, wie er während dieses Zeitraums an Vermögen gebildet und Werten verbraucht hat. Um diesen Grundgedanken zu verwirklichen, müssen im Wege der Verprobung die Geldflüsse innerhalb des Haushalts des Steuerpflichtigen nachvollzogen werden (, BStBl II 1990, 268). Die Anwendung dieser Schätzungsmethode setzt voraus, dass das FA bzw. des FG in der Lage sind, die hierzu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen (, BStBl II 1986, 732). Im Streitfall kann die Höhe der Mehrerlöse der Klägerin nicht anhand einer Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung geschätzt werden. Die Klägerin ist keine natürliche Person, sondern eine GbR, an der zwei Gesellschafter beteiligt sind. Für eine Ermittlung der Mehrerlöse der Klägerin müssten nicht die Vermögenszuwächse und Geldflüsse der Klägerin, sondern die Vermögenszuwächse und Geldflüsse innerhalb der Haushalte der beiden Gesellschafter (und deren Familien) überprüft werden. Dazu ist das Gericht anhand der ihm vorliegenden Steuerakten nicht imstande. Zu einer Beiziehung weiterer Steuerakten der Gesellschafter ist das Gericht nicht verpflichtet.
bb) Eine Ausbeutekalkulation (für Speisen und Getränke) scheidet im Streitfall ebenfalls aus. Hinsichtlich des Speisenangebots lässt sich für keines der Streitjahre ein hinreichend genauer Anknüpfungspunkt finden, da die Klägerin die von ihr verwendeten Tageskarten nicht vorgelegt hat und daher weder die Art der verkauften Speisen noch deren Verkaufspreis nachträglich festgestellt werden kann. Entgegen der Darlegung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sieht sich der Senat auch nicht imstande, eine solche Kalkulation anhand von Vergleichspreisen vorzunehmen, zu denen angeblich vergleichbare Speisen im E verkauft wurden. Dem Senat liegen die Speisekarten des E, die in den einzelnen Prüfungsjahren gültig waren, nicht vor. Darüber hinaus hat das FA bestritten, dass in beiden Restaurants ein vergleichbares Preisniveau bestand. Nach dem Vortrag des FA sollen die Speisen in der C der Klägerin durchweg zu höheren Preisen verkauft worden sein.
Der Versuch einer Gesamtausbeutekalkulation durch Übertragung der Ergebnisse einer Getränkeausbeutekalkulation auf den Speisenbereich wurde vom FA unternommen, aber nicht weiter verfolgt, da das Kalkulationsergebnis nach der Ansicht des FA nicht als Grundlage einer Schätzung herangezogen werden konnte. Zur Begründung hat das FA in der Einspruchsentscheidung (Seite 16 unter „Getränkekalkulation”) darauf hingewiesen, dass die ermittelte negative Kalkulationsdifferenz dafür spreche, dass entweder der angenommene Getränkeanteil unzutreffend gewesen sei oder aber ein Schwarzeinkauf im Bereich der Getränke stattgefunden haben müsse. Ob diese Einschätzung zutrifft, kann aus Sicht des Senats dahingestellt bleiben. Der Senat erachtet eine Getränkekalkulation im Streitfall jedenfalls deshalb als nicht durchführbar, da hierfür die Getränkekarten der jeweiligen Streitjahre benötigt werden. Diese liegen im Streitfall aber nicht vor. Das FA hat sich bei den verschiedenen Versuchen einer Getränkekalkulation, die es angestellt hat, offenbar damit beholfen, dass es die Preise einer Getränkekarte der C aus dem Jahr 1998, aus einer Karte des E oder aus dem PLU-Bericht, der im Zusammenhang mit der Auslesung der Kasse im Jahr 2012 zur Verfügung stand, angesetzt hat. Nach Auffassung des Senats ist diese Vorgehensweise – wovon offenbar auch das FA selbst ausgegangen ist – von zu vielen Unwägbarkeiten abhängig, um als sachgerechte Alternative angesehen werden zu können, zumal das FA selbst im Hinblick auf das E davon ausgeht, dass dort niedrigere Verkaufspreise bestanden.
Hinzu kommt, dass im Rahmen des Gastronomiebetriebs E, an dem ebenfalls A und B beteiligt waren, nachweislich Getränke schwarz eingekauft wurden. Dass dies bei der Klägerin ebenfalls der Fall war, hat das FA zwar nicht positiv festgestellt, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden.
cc) Davon, dass ein Zeitreihenvergleich im Streitfall zu keinem zuverlässigen Schätzungsergebnis führen kann, gehen die Beteiligten – anders als noch das FA im Teil-BP-Bericht vom – nunmehr selbst aus. Das Gericht teilt diese Einschätzung.
b) Unter den verbleibenden Schätzungsmethoden, nämlich der von der Klägerin vorgeschlagene Vergleich mit dem E, einer Schätzung nach Richtsätzen und dem Abstellen auf die im Rahmen der Durchsuchung aufgefundenen Z-Bons hat – wovon das FA zu Recht ausgegangen ist – die letztgenannte Schätzungsmethode die größtmögliche Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich.
aa) Das von der Klägerin vorgeschlagene Alternativkonzept für eine Schätzung hat das FA mit Recht nicht übernommen. Die Klägerin hat im Rahmen des Einspruchs- und Klageverfahrens einen Schätzungsvorschlag vorgelegt, in dem sie selbst von einem Schwarzeinkauf und verkürzten Einnahmen ausgeht. Deren Höhe wird nicht aufgrund konkreter, betriebsbezogener Tatsachen ermittelt, sondern soll sich durch einen Vergleich mit einem anderen Restaurantbetrieb ergeben, an dem die Gesellschafter der Klägerin beteiligt waren, nämlich dem E. Bei diesem Vergleichsbetrieb wurde, wie aus dem von der Klägerin eingereichten Aktenvermerk vom hervorgeht, im Rahmen einer Einigung mit dem FA von einem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 285% sowie jährlichen Schwarzeinkäufen von 20.000 € ausgegangen, was zu einer Hinzuschätzung von Einnahmen in Höhe von (netto) 200.000 € pro Jahr führte. Ausgehend hiervon hält die Klägerin in ihrem Fall eine moderatere Hinzuschätzung auf Einnahmeseite in Höhe von 100.000 € pro Jahr für angemessen, da sich bereits aus ihren Erklärungen ein höherer durchschnittlicher Rohgewinnaufschlagsatz als beim E ergebe.
Nach Auffassung des Senats kann vorliegend dahinstehen, ob tatsächlich, wie von der Klägerin im Klageverfahren behauptet, eine vergleichbare Betriebsgröße und Organisation zwischen dem E und der von der Klägerin betriebenen C gegeben ist. Die Klägerin hat jedenfalls nicht hinreichend dargelegt, dass in den Streitjahren zwischen beiden Betrieben eine Vergleichbarkeit hinsichtlich des Kundenstamms und des Preisgefüges bestand. Insbesondere hinsichtlich des letztgenannten Punktes hätte aus Sicht des Senats dargelegt werden müssen, dass die angebotenen Speisen und Getränke in beiden Restaurants vergleichbar waren und das Angebot auch zu im Wesentlichen deckungsgleichen Preisen erfolgte. Eine solche Darlegung ist weder erfolgt noch kann das Gericht die insoweit aufgestellte Behauptung der Klägerin anhand der Aktenlage nachvollziehen. Das FA geht jedenfalls davon aus, dass das Preisniveau der Klägerin durchgehend höher gewesen sei, was naturgemäß auch für einen höheren Rohgewinnaufschlagsatz sprechen würde, wenn der Wareneinkauf vergleichbar strukturiert gewesen sein sollte.
bb) Zutreffend hat das FA zudem von der im Streitfall ebenfalls in Betracht kommenden Möglichkeit einer Schätzung nach der Richtsatzsammlung abgesehen. Die aus den Gewinnermittlungen der Klägerin ableitbaren durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsätze schwanken stark und weisen im Hinblick auf die einzelnen Streitjahre ungewöhnlich hohe Abweichungen auf. Während sich der Rohgewinnaufschlagsatz im Jahr 2000 auf lediglich 205% belief, war er nur zwei Jahre später auf 312% gestiegen, überschritt im Jahr 2003 mit 367% sogar den obersten Wert der Richtsatzsammlung und fiel dann in den Folgejahren wieder deutlich unter 300%. Eine Erklärung für die Schwankungen hat die Klägerin nicht gegeben. Darüber hinaus ist bei einer Schätzung ein interner Betriebsvergleich dem externen Betriebsvergleich vorzuziehen. Hinzu kommt, dass ein etwaiger Schwarzeinkauf bei einer reinen Richtsatzschätzung keine (gesonderte) Berücksichtigung fände.
cc) Vor diesem Hintergrund hält der Senat es für sachgerecht, dass das FA bei seiner Erlösschätzung an die im Rahmen der Durchsuchung aufgefundenen Z-Bons aus dem Jahr 2012 angeknüpft und hiervon ausgehend eine Schätzung anhand eines durchschnittlich erzielbaren Tageserlöses vorgenommen hat.
Für diese Vorgehensweise spricht zunächst, dass es sich bei den betreffenden Z-Bons vom und vom möglicherweise, wie vom FA angenommen, tatsächlich um Einnahmenursprungsaufzeichnungen handelt, die noch nicht manipuliert wurden. Hierfür könnte der Umstand sprechen, dass jedenfalls der Z-Bon vom im Müll aufgefunden wurde und daher wohl nicht dazu bestimmt war, in die Buchführung einzugehen. Wie das FA zutreffend dargelegt hat, sprechen im Streitfall verschiedene Gesichtspunkte dafür, dass die in der Buchführung zugrunde gelegten Z-Bons manipuliert wurden. So hat die Klägerin, ungeachtet einer entsprechenden Aufforderung durch das FA, zunächst für keines der Streitjahre Z-Bons vorgelegt. Erst im Rahmen einer Durchsuchung bei dem früheren Bevollmächtigten der Klägerin wurden Z-Bons für die Jahre 2007 bis 2010 aufgefunden. Da die Klägerin die zur Kasse gehörenden Organisationsunterlagen einschließlich der Programmieranleitungen sowie der Programmierprotokolle (vgl. zu deren Aufbewahrungspflicht und den Folgen eines hiergegen gerichteten Verstoßes , BStBl II 2015, 743) nicht vorgelegt hat, bieten diese Z-Bons indes keine Gewähr der Richtigkeit. Ohne die Programmierprotokolle lassen sich vor allem die Einstellungen zu den Stornomöglichkeiten nicht nachvollziehen. Auffällig ist, dass auf den beschlagnahmten Z-Bons für die Jahre 2007 bis 2010 kein Ausweis von Stornobuchungen erfolgt ist. Tatsächlich konnte das FA aber im Rahmen der Auslesung der Kasse in Bezug auf das Jahr 2012 feststellen, dass gehäufte Stornierungen während der Nacht (vgl. den Zeitzonenbericht vom , BP-Handakte Band 1 Bl. 152) oder für bestimmte Tische (vgl. die Aufstellung in der BP-Handakte Bd. 1 Bl. 157) durchgeführt wurden. Dies legt es aus Sicht des Senats nahe, dass bei den Z-Bons, die tatsächlich zur Buchführung genommen wurden, die Einnahmen bereits durch ihre teilweise Stornierung verfälscht wurden. Zugleich lässt sich hieraus die – offenbar auch vom FA gezogene – Schlussfolgerung ableiten, dass die beiden Z-Bons vom und vom lediglich zur Feststellung des zutreffenden Ergebnisses gezogen und daher auch nicht zum Eingang in die „offizielle” Buchführung bestimmt waren.
Der vom FA gewählten Schätzungsmethode kann auch nicht entgegengehalten werden, dass die beiden Z-Bons aus einem Jahr stammen, das zeitlich nach dem Prüfungszeitraum liegt. Nach der Auffassung des Senats ist es sehr wohl möglich, aus den innerbetrieblichen Verhältnissen von Folgejahren auf die Verhältnisse in den Streitjahren Rückschlüsse zu ziehen. Das gilt umso mehr, wenn sich die betrieblichen Verhältnisse nicht ändern, was hier mangels eines gegenteiligen Vorbringens der Klägerin zu unterstellen ist.
Gegenüber einer Schätzung nach der Richtsatzsammlung oder einem Abstellen auf einen Vergleichsbetrieb kann diese Schätzmethode zudem für sich in Anspruch nehmen, die tatsächlichen betrieblichen Verhältnisse widerzuspiegeln. Eine solche innerbetriebliche Anknüpfung erscheint dem Senat gegenüber einem externen Betriebsvergleich vorzugswürdig.
3. Der Höhe nach sind die vom FA hinzugeschätzten Erlöse nicht zu beanstanden. Das FA hat den Z-Bon vom , einem Montag, zutreffend als Schätzungsgrundlage für die von montags bis freitags und den Z-Bon vom für den samstags erzielbaren Tageserlös angesehen. Hieraus hat das FA zutreffend einen durchschnittlich erzielbaren Tageserlös ermittelt, mit einem Sicherheitsabschlag versehen und auf die Öffnungstage hochgerechnet. Diese Vorgehensweise ist nach Auffassung des Senats in sich schlüssig und wird auch den tatsächlichen Verhältnissen gerecht. Wie dem ebenfalls am ausgelesenen „Finanzbericht monatlich” zu entnehmen ist, beliefen sich die Nettoerlöse für den Monat August bis zu diesem Tag auf 79.105 €. Bezogen auf 25 Öffnungstage ergibt sich hieraus ein durchschnittlicher täglicher Nettoerlös von 3.164 €. Ausgehend davon, dass die darin eingegangenen Tageserlöse bereits durch Manipulationen vermindert wurden, ist die Annahme des FA, dass die Klägerin in der Lage war, einen durchschnittlichen Tageserlös von 3.400 € (2000 und 2001) und 3.800 € (2002 bis 2010) zu erzielen, nachvollziehbar und angemessen.
Dem Einwand der Klägerin, dass die zwei Bons keine Basis für eine repräsentative Nachvollziehbarkeit der Tageserlöse des gesamten Prüfungszeitraums bilden könnten, vermag sich der Senat, auch wenn dies unter statistischen Grundsätzen zutreffen mag, für Zwecke der steuerlich gebotenen Schätzung nicht anzuschließen. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es sich bei den an den besagten Tagen erzielten Erlösen um „Ausreißer”, also im Vergleich zu anderen Tagen um außergewöhnlich hohe Erlöse, gehandelt hätte. Wäre dies so gewesen, hätte die Klägerin dies leicht anhand einer Zusammenstellung der Tageserlöse für den Monat August 2012 aufzeigen können. Dass Tageseinnahmen aus dem Monat August generell nicht geeignet wären, um hieraus eine Schätzung für die Tageseinnahmen eines gesamten Jahres abzuleiten, ist ebenfalls weder vorgetragen noch den vorgelegten Akten zu entnehmen. Den vom FA angestellten statistischen Untersuchungen ist nicht zu entnehmen, dass der Monat August im Jahresvergleich überdurchschnittliche Umsätze aufweisen würde. Aus den in der BP-Handakte Band IV abgehefteten Tabellen „Monatsverhältnisse” lassen sich folgende Umsatzanteile des Monats August am Jahresumsatz entnehmen:
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2001 | 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 |
9% | 10% | 7% | 8% | 8% | 4% | 7% | 7% | 8% | 4% |
Da der durchschnittliche Umsatzanteil eines Monats (bei gleichmäßiger Verteilung der Umsätze) bei 8% läge, hat die C jedenfalls in den Streitjahren ab 2003 im August tendenziell einen unter dem Schnitt der anderen Monate liegenden Umsatzanteil erwirtschaftet.
Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass der Z-Bon vom , dessen Tageserlös vom FA für sämtliche Tage von Montag bis Freitag zugrunde gelegt wurde, von einem Montag stammte. Der in der BP-Handakte Band IV abgehefteten Analyse „Entwicklung des Wochentagsdurchschnitts” lassen sich folgende Anteile von Erlösen, die die Klägerin an einem Montag erzielt hat, im Verhältnis zu den an allen Wochentagen erzielten Erlösen entnehmen:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
2001 | 2002 | 2003 | 2004 | 2005 | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 |
19% | 14% | 13% | 13% | 12% | 10% | 12% | 12% | 12% | 12% |
Die durchschnittlich an Montagen erzielten Tageserlöse liegen daher, mit Ausnahme des Jahres 2001, tendenziell deutlich unter dem Schnitt der übrigen Wochentage.
Der Senat hat allerdings erwogen, ob die Schätzung des FA dahingehend zu modifizieren ist, dass die durchschnittlich in jedem Jahr erfolgte Preissteigerung im Zeitraum zwischen dem ersten Streitjahr (2000) und dem Basisjahr (2012) zu ermitteln und nach Art einer Indexierung zu berücksichtigen ist. Im Ergebnis hat der Senat dies angesichts der besonderen Verhältnisse des Streitfalls jedoch nicht als erforderlich angesehen. Unwägbarkeiten aufgrund von Preisanstiegen und etwaigen Umsatzschwankungen gegenüber dem Ergebnis der aufgefundenen Z-Bons hat das FA dadurch Rechnung getragen, dass es Sicherheitsabschläge von 20% für 2000 und 2001 sowie von 10% für die weiteren Streitjahre berücksichtigt hat. Für diese – gegenüber einer Indexierung gröbere – Schätzungsmethode spricht nach Auffassung des Senats der Umstand, dass die Schätzung im Streitfall erforderlich geworden ist, weil die Klägerin in gravierender Weise gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buch- und Kassenführung verstoßen hat. Dies rechtfertigt es, dass sich das FA bei seiner Schätzung an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientiert, denn es liegt nahe, dass die Klägerin Einkünfte verheimlichen wollte (vgl. zum Schätzungsrahmen in diesen Fällen , BFH/NV 2002, 1415 und vom I R 50/00, BStBl II 2001, 381). Der Klägerin hat daher keinen Anspruch darauf, dass sich die Schätzung bei Einnahmen, Umsätzen etc. im unteren oder mittleren Rahmenbereich bewegt. Der seine Mitwirkungspflicht verletzende Steuerpflichtige soll nicht besser stehen als derjenige, der die Besteuerungsgrundlagen ordnungsgemäß aufzeichnet Sicherheitsabschlag als ausreichend an, um etwaigen Unsicherheiten – etwa einem niedrigeren Preisniveau gegenüber den Verhältnissen des Basisjahres 2012 – angemessen Rechnung zu tragen.
III. Hinsichtlich der Höhe des zusätzlich zu berücksichtigenden Wareneinkaufs macht der Senat – abweichend von der Schätzung des FA – von seiner eigenen Schätzungsbefugnis Gebrauch. Das FA ist bei seiner Schätzung von einem Schwarzeinkauf ausgegangen und hat die Höhe des insgesamt anzusetzenden Wareneinkaufs (retrograd) aus dem als Ergebnis der Schätzung feststehenden Jahreserlös und einem angenommenen Rohgewinnaufschlagsatz von 440% errechnet. Der Senat hält diese Vorgehensweise zwar im Grundsatz für zutreffend, geht bei seiner Schätzung jedoch zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass der zusätzliche Wareneinkauf unter Zugrundelegung des höchsten Rohgewinnaufschlagsatzes nach der Richtsatzsammlung zu ermitteln ist (317% für 2000 bis 2006, 335% für 2007 bis 2009, 400% für 2010). Zwar geht auch der Senat, ebenso wie das FA, davon aus, dass es in der Z Stadt im Einzelfall grds. möglich sein kann, dass ein Restaurant einen über dem obersten Wert der Richtsatzsammlung liegenden Rohgewinnaufschlagsatz zu erzielen vermag. Da vorliegend aber keine übliche Schätzung nach Richtsätzen erfolgt, sondern die Einnahmen anhand der tatsächlichen betrieblichen Verhältnisse geschätzt werden, hält es der Senat für vorzugswürdig, auf Ausgabenseite die Erfahrungssätze zugrunde zu legen, die sich in den Werten der Richtsatzsammlung niedergeschlagen haben. Soweit die Klägerin selbst in dem Streitjahr 2003 einen über dem obersten Wert laut Richtsatzsammlung liegenden Rohgewinnaufschlagsatz erklärt hat, spricht aus Sicht des Senats Vieles dafür, dass dies nicht auf höheren Preisen, sondern auf einem erheblichen Schwarzeinkauf beruhte. Der für 2003 erklärte Wareneinsatz ist jedenfalls, ohne dass dies erklärbar wäre, deutlich niedriger als der Wareneinsatz der Vor- und Folgejahre.
Die Ersetzung der Schätzung des FA durch eine eigene Schätzung des Senats wirkt sich lediglich beim Gewinn aus Gewerbebetrieb im Sinne des § 7 GewStG aus. Die Erhöhung des Aufwands hat keine Auswirkungen auf den umsatzsteuerlichen Vorsteuerabzug gem. § 15 UStG, da insoweit mangels ordnungsgemäßer Rechnungen i.S.v. § 14 UStG kein Vorsteuerabzug möglich ist (vgl. , BFH/NV 2008, 416).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Kosten waren vorliegend nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens zu verteilen.
V. Die Übertragung der Berechnung der festzustellenden Gewerbesteuermessbeträge auf den Beklagten erfolgt gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO. Die Übertragung ist gerechtfertigt, da die Ermittlung dieser Beträge einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert. Dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt wurde, folgt aus § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
VI. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Eine Entscheidung des BFH ist zur Fortbildung des Rechts in der Frage geboten, ob vorgefundene Belege aus Folgejahren als besondere Form des internen Betriebsvergleichs für eine Schätzung der Umsätze und Erlöse im Prüfungszeitraum herangezogen werden können oder ob in einem solchen Fall eine Schätzung auf der Grundlage eines externen Betriebsvergleichs (z.B. durch eine Schätzung nach Maßgabe der Richtsatzsammlung oder Heranziehung eines Vergleichsbetriebs) durchzuführen ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:FGD:2017:1124.13K3811.15G.U.00
Fundstelle(n):
BB 2018 S. 277 Nr. 6
NWB-Eilnachricht Nr. 11/2018 S. 680
NWB-Eilnachricht Nr. 8/2018 S. 460
StuB-Bilanzreport Nr. 10/2018 S. 372
YAAAG-71962