NWB-EV Nr. 2 vom Seite 47

Ausländische thesaurierende Investmentfonds und Abgeltungsteuer

Vermeidung von Doppelbesteuerungen

Oliver Schultze *

Insbesondere ausländische thesaurierende Investmentfonds sind auch in Zeiten der Abgeltungsteuer besonders zu beachten. Durch die nachgelagerte Erhebung der Kapitalertragsteuer beim Verkauf und die zusätzliche Besteuerung des Veräußerungsgewinns gilt es, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Bei Übernahme der Werte aus den Steuerbescheinigungen droht zudem der Verlust der anrechenbaren Quellensteuern.

I. Rechtslage bis 2009

Bei (ausländischen) thesaurierenden Investmentfonds waren auch bis 2008 die jährlichen Thesaurierungen zu versteuern. Zuflusstag war jeweils das Geschäftsjahresende des Investmentfonds (§ 2 Abs. 1 InvStG). Wurden die Investmentfonds verkauft, wurde auf die während der Halteperiode als zugeflossen geltenden Erträge die Kapitalertragsteuer einbehalten (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 InvStG), soweit die Fonds im Inland verwahrt wurden. Wenn der Anleger die jährlichen Thesaurierungen in den Vorjahren korrekt erklärt hatte, kam es durch den Kapitalertragsteuerabzug beim Verkauf zunächst zu einer Doppelbelastung.

Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Verkaufsjahr konnte der Anleger die korrekte Versteuerung in den Vorjahren allerdings nachweisen, die beim Verkauf einbehaltene Kapitalertragsteuer wurde dann angerechnet bzw. erstattet.

Soweit das Finanzamt für die Besteuerung der Vorjahre einen gesonderten Nachweis gefordert hat, konnte dieser exemplarisch mit einer Erträgnisaufstellung bzw. Jahresbescheinigung der Vorjahre geführt werden, in der die Thesaurierung enthalten war. Alternativ genügte auch eine Bescheinigung der Bank, dass die Thesaurierungen in den Erträgnisaufstellungen oder Jahresbescheinigungen grundsätzlich enthalten sind.

Soweit die Halteperiode des Investmentfonds kleiner als ein Jahr war und während dieser Zeit ein Geschäftsjahr des Fonds endete, konnte sich aber eine Doppelbelastung ergeben, da im Veräußerungserlös bereits die als Kapitaleinkünfte zu versteuernde Thesaurierung enthalten war. Hier war daher der Veräußerungsgewinn um die bei den Kapitaleinkünften berücksichtigte Thesaurierung zu kürzen.

II. Rechtslage ab 2009 und Problemfelder

1. Zwei Kapitalertragsteuertatbestände

An der grundsätzlichen Rechtslage dieser nachgelagerten Erhebung der Kapitalertragsteuer im Verkaufszeitpunkt hat sich auch durch die Einführung der Abgeltungsteuer nichts geändert. Mit Einführung einer generellen Veräußerungsgewinnbesteuerung müssen nun jedoch bei Käufen ab 2009 alle Thesaurierungen der Halteperiode bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns korrigiert werden. Hierdurch kann es jedoch u. U. zu einer falschen Ermittlung der Veräußerungsgewinne bzw. einer Doppelbesteuerung kommen.

Vom Grundsatz wird auch unter der Abgeltungsteuer eine Doppelbelastung vermieden, da gem. § 8 Abs. 5 InvStG im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugs vom „Brutto”-Veräußerungsgewinn die Thesaurierungen abgezogen werden. Beim Verkauf treten daher zwei Kapitalertragsteuertatbestände nebeneinander.

Zunächst wird – wie bisher – gem. § 7 Abs. 1 Nr. 3 InvStG auf die Thesaurierungen der Vorjahre die Kapitalertragsteuer erhoben. Ist der Veräußerungsgewinn höher als die Summe dieser Thesaurierungen wird auf den übersteigenden Betrag ebenfalls Kapitalertragsteuer einbehalten. Ist der Veräußerungsgewinn kleiner als die Thesaurierungen findet in Höhe der Differenz eine direkte Verrechnung der Kapitalertragsteuern über die Verlusttöpfe statt.

2. Ausweis vorläufiger oder falscher Thesaurierungen

Probleme können sich hier aber in mehrfacher Hinsicht durch den Ausweis vorläufiger oder falscher Thesaurierungen in den Steuerbescheinigungen ergeben. Die Erfahrung mit den Steuerbescheinigungen des ersten Jahrs unter der Abgeltungsteuer zeigt, dass in vielen Fällen die Angaben zu den S. 48thesaurierenden ausländischen Investmentfonds unvollständig sind.

Soweit die Veröffentlichung der steuerlichen Ergebnisse der Investmentfonds zum Zeitpunkt der Erstellung der Steuerbescheinigung noch nicht vorlagen, wird in der Steuerbescheinigung nur ein Kreuz gesetzt, das darauf hinweist, das thesaurierende Fonds vorhanden sind und steuerliche Werte noch fehlen.

Bei mehreren thesaurierenden Fonds im Bestand ergibt sich aus der Steuerbescheinigung aber regelmäßig nicht, welche Fonds berücksichtigt sind und welche fehlen. Da der Betrag der Thesaurierungen nur in einer Summe in der Steuerbescheinigung ausgewiesen wird, ist eine Kontrolle durch den Steuerpflichtigen daher nur sehr schwer möglich.

3. Bank übernimmt zunächst nur vorläufige Werte

Hinzu kommt, dass viele Investmentfonds zur Vermeidung eines überhöhten Kapitalertragsteuerabzugs beim Verkauf der Fonds zunächst vorläufige Werte an die Datendienstleister übermitteln. Die Veröffentlichung im e-Bundesanzeiger kann hiervon u. U. deutlich abweichen. Übernimmt die Bank nur die vorläufigen Werte in ihre Steuerbescheinigung, ist eine Kontrolle ohne ergänzende Unterlagen nicht mehr möglich.

Beim Verkauf sind die Kreditinstitute zwar verpflichtet, die richtigen Werte für die Thesaurierungen bei der Veräußerungsgewinnermittlung abzusetzen. Wenn aber in den Vorjahren nur vorläufige Werte oder keine Werte in den Steuerbescheinigungen ausgewiesen wurden, ist zu prüfen, ob überhaupt bzw. diese vorläufigen Werte bei der Veräußerungsgewinnermittlung von der Bank abgezogen wurden oder die richtigen, im Bundesanzeiger veröffentlichten Werte. Da z. Z. nach unseren Erfahrungen einige Institute keine Korrekturen der Jahressteuerbescheinigungen bei Änderungen der Fondsveröffentlichungen vornehmen, kommt es ohne Korrekturen im Rahmen der Veranlagungen durch den Anleger regelmäßig zu fehlerhaften Steuerveranlagungen.

Eine effektive Kontrolle durch den Anleger ist aber auch hier aus den o. g. Gründen kaum möglich, da wiederum nur eine Gesamtsumme zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns abgesetzt wird. Ist diese Summe höher als die (richtig erklärten) Thesaurierungen, wird ein zu niedriger Veräußerungsgewinn ausgewiesen und umgekehrt.

Bei Investmentfonds, die in ausländischen Depots des Anlegers geführt werden, kommt es zwar nicht zu einer Doppelbelastung durch den Kapitalertragsteuerabzug beim Verkauf, da die ausländische Bank keine Abgeltungsteuer einbehält.

Der Anleger muss jedoch hier den Veräußerungsgewinn selbst ermitteln und erklären. Ausgehend von den Verkaufs- und Kaufabrechnungen abzüglich der darin ausgewiesenen Zwischengewinne ergibt sich der Bruttogewinn der sich noch leicht ermitteln lässt. Zusätzlich muss hier aber dem Finanzamt aber u. U. über mehrere vergangene Jahre nachgewiesen werden, dass die Thesaurierungen erklärt und nachträglich versteuert wurden. Akzeptiert das Finanzamt diese Ausführungen nicht als Nachweis, kann es hier tatsächlich eine Doppelbesteuerung geben.

4. Zwischengewinn wird häufig falsch berücksichtigt

Wurden die Fondsanteile von einem inländischen Depot zu einer anderen inländischen Bank übertragen, kommt es in der Praxis zu einem weiteren Problem. Dieses Problem betrifft alle in- und ausländischen Investmentfonds und ist von der Thesaurierung unabhängig.

Da die Datensätze der verschiedenen Institutsgruppen offenbar unterschiedlich aufgebaut sind, wird der beim Kauf gezahlte Zwischengewinn bei der Veräußerungsgewinnermittlung häufig falsch berücksichtigt. Während manche Institute die übermittelten Anschaffungskosten als um den Zwischengewinn gekürzte Netto-Werte interpretieren, erfolgt bei anderen Instituten eine Interpretation als Brutto-Werte, die noch um den Zwischengewinn zu kürzen sind.

III. Nachweis der jährlichen Besteuerung

Um bei einem Verkauf der thesaurierenden Fonds, bei denen der Veräußerungsgewinn der Abgeltungsteuer unterliegt, auch nach Jahren noch die korrekte jährliche Versteuerung nachweisen zu können, sollte der jährlichen Steuererklärung jeweils ein fortgeführter „Ausgleichsposten” beigefügt werden. Im Rahmen der Gewinnermittlung im Betriebsvermögen ist dieser steuerliche Ausgleichsposten bei Investmentfonds bereits gängige Praxis.

Dieser Ausgleichsposten dient dem Anleger zugleich als korrekte Erklärung der Thesaurierungen seiner ausländischen Fonds und damit auch als Kontrolle der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in der Steuerbescheinigung.

Da die jährliche Erhöhung des jeweiligen Ausgleichspostens den vom Anleger ohnehin zusätzlich zu versteuernden Einkünften entspricht und der Ausgleichsposten auf den Werten des jeweiligen Vorjahres aufsetzt, liegt dem Finanzamt ein kompletter Nachweis über die Besteuerung vor. Hat das Finanzamt Zweifel, kann es auf die Unterlagen der Vorjahre verwiesen werden und hat somit eine lückenlose Kette der erklärten Thesaurierungen für alle noch nicht vernichteten Jahre.

Sofern der Gesetzgeber nicht „nachbessert” und z. B. auf die jährliche Erklärung der Thesaurierungen verzichtet und auf eine echte nachgelagerte Besteuerung umstellt, bleibt dem Anleger u. E. keine Alternative, will er eine Doppelbesteuerung wirksam und sicher vermeiden.

IV. Anrechenbare Quellensteuern

Ein weiteres Problem ergibt sich bei Fonds mit anrechenbaren Quellensteuern. Da keine deutsche Steuer auf die jährliche Thesaurierung von der Depotbank einbehalten wird, kann die ausländische Quellensteuer nicht von Seiten der Bank angerechnet werden.S. 49

Diese Quellensteuern müssen daher – wie die jeweilige Thesaurierung – über die Einkommensteuererklärung geltend gemacht werden. Für das Kalenderjahr 2009 wurden diese Quellensteuern aber nur von wenigen Banken als noch nicht angerechnete Quellensteuern in der Steuerbescheinigung ausgewiesen. Der Steuerpflichtige muss daher selbst den e-Bundesanzeiger durchsuchen, um an diese Werte zu kommen.

Ob damit eine Anrechnung ohne Probleme gelingt, ist aufgrund der Praxis der Finanzämter u. E. fraglich. Aus der Steuerbescheinigung ist regelmäßig nicht ersichtlich, ob die Quellensteuer ausländischer Thesaurierungsfonds in den ausgewiesenen Werten enthalten ist.

Da keine Einzelaufstellung der angerechneten und der noch anrechenbaren Quellensteuern mit der Steuerbescheinigung geliefert wird, ist der Anleger auf ergänzende Unterlagen angewiesen, um zu prüfen, ob die Quellensteuer seiner thesaurierenden, ausländischen Investmentfonds ausgewiesen wird.

Von der Aussagekraft dieser Unterlagen hängt es dann ab, ob das Finanzamt eine Anrechnung vornimmt. Für den steuerlichen Laien, der entsprechende Fonds hält, ist dies kaum noch zu überblicken.

Fazit
1.

Anleger, die thesaurierende Investmentfonds halten, die nach 2008 gekauft wurden, sollten die Thesaurierungen jährlich in Form eines Ausgleichspostens fortschreiben, um die korrekte Besteuerung gewährleisten zu können und eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.

2.

Bei in ausländischen Depots verwahrten thesaurierenden Investmentfonds führt der Verzicht auf eine Fortführung des Ausgleichspostens bei langen Haltedauern zu einem deutlichen Mehraufwand bei der Veräußerungsgewinnermittlung.

3.

Wer die Angaben zu den thesaurierenden Investmentfonds nicht kontrolliert, verschenkt die Anrechnung von ausländischen Quellensteuern.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Finanzamt XY
Steuer-Nr.: XX/XXX/XXXXX
Steuerpflichtiger
Anlage zur Anlage KAP
Steuerlicher Ausgleichsposten zum
ISIN
Anzahl
Name
Bank
Stand
Einkünfte 2009
Stand
LU0201071890
1.000,00
Gartmore Continental European
Direktbank A
0,00
56,70
56,70
FR0010135103
10,00
Carmignac Patrimoine A
Sparkasse Musterstadt
0,00
430,87
430,87
1.010,00
0,00
487,57
487,57

Autor

Dipl.-Kfm. StB Oliver Schultze
ist Gesellschafter der S&V Steuern und Vermögen GmbH & Co. KG Steuerberatungsgesellschaft in Pinneberg und Mitglied im DVVS e.V. Ein Schwerpunkt seiner Beratung liegt in der strategischen Vermögensplanung.

Fundstelle(n):
NWB-EV 2/2011 Seite 47
NWB YAAAD-60316