Finanzgericht Nürnberg Urteil v. - 5 K 1199/17 EFG 2019 S. 979 Nr. 12

Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung für angestellte Rechtsanwälte als steuerpflichtiger Arbeitslohn

Leitsatz

Die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung für angestellte Rechtsanwälte stellt steuerpflichtigen Arbeitslohn dar und führt somit zu einer Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers.

Gesetze: § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ; § 42d EStG ; § 191 Abs. 1 Satz 1 AO

Instanzenzug:

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig

Tatbestand

Streitig ist, ob die Übernahme von Beiträgen zur Berufshaftpflichtversicherung von bei dem Kläger angestellten Rechtsanwälten in voller Höhe zu Arbeitslohn und damit zu einer Lohnsteuerhaftung des Klägers führt.

Der Kläger ist Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in 1. Bis handelte es sich um eine Partnerschaftsgesellschaft, nach Ausscheiden des damaligen Partners entstand die Einzelkanzlei " Kläger & Kollegen".

Der Kläger hat unter " Kläger & Kollegen" eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung bei der A Versicherung AG, zuvor B Versicherung AG, abgeschlossen (vgl. die Versicherungsscheine vom , , , , und , xxx). Darin ist eine Versicherungssumme für Vermögensschäden je Versicherungsfall von 1 Mio. € und eine Jahreshöchstleistung von 2 Mio. € für die Kanzlei enthalten. Versicherte Personen sind im Streitzeitraum 2 - 4 Sozien (genannt werden der Kläger und Rechtsanwalt C, zusätzlich ab Rechtsanwältin D und ab Rechtsanwältin E) sowie jeweils 1 - 2 zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Mitarbeiter. Die Beiträge zu der Versicherung der angestellten Rechtsanwälte trug im Streitzeitraum in voller Höhe der Kläger, ohne sie der Lohnsteuer zu unterwerfen.

In der Zeit von 06. bis fand eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2014 statt (vgl. Prüfungsanordnung vom ). Hierbei wurde festgestellt, dass der Kläger für die bei ihm angestellten Rechtsanwälte C, D und E die Beiträge für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung wie folgt übernommen hatte (vgl. Prüfungsbericht vom , Tz. 1):


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Jahr
2011
2012
2013
2014
Herr C
1.206,58 €
1.206,58 €
1.206,58 €
1.206,58 €
Frau D
900,00 €
1.206,58 €
1.206,58 €
1.206,58 €
Frau E
-
300,00 €
1.206,58 €
1.206,58 €

Die Übernahme von Beiträgen zur Berufshaftpflichtversicherung angestellter Rechtsanwälte durch den Arbeitgeber führe zu Arbeitslohn, weil gemäß § 51 BRAO eine Pflicht zum Abschluss der Versicherung bestehe. Auch eine Versicherung über die Mindestdeckungssumme hinaus habe nicht zur Folge, dass das Interesse des einzelnen Arbeitnehmers am Abschluss der Berufshaftpflichtversicherung als unerheblich zu qualifizieren wäre. Die individuelle Versicherungspflicht nach § 51 BRAO werde auch durch eine vom Arbeitgeber geschlossene Gruppenversicherung erfüllt, bei der die angestellten Rechtsanwälte als versicherte Personen namentlich genannt seien. Eine Aufteilung der Versicherungssumme nach Mindestdeckungssumme und überschießender Summe sei nicht vorzunehmen. Die Nachversteuerung erfolge aufgrund der Vereinbarung mit dem Arbeitgeber im Rahmen der Lohnsteueraußenprüfung.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung, unterwarf die übernommenen Versicherungsbeiträge der Lohnsteuer und erließ am den angefochtenen Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2011 bis Dezember 2014. Darin wurden folgende Haftungsbeträge festgesetzt: Lohnsteuer 3.426 €, Solidaritätszuschlag 180,09 €, evangelische Kirchensteuer 132,88 €, insgesamt 3.738,97 € und der Kläger zur Zahlung dieses Betrages bis aufgefordert. Für die Lohnsteuer-Anmeldungen und die Steuerfestsetzungen für die Zeit von Januar 2011 bis Dezember 2014 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

Der Haftungsbescheid vom enthält u.a. folgende Erläuterungen:

"Für die Haftungsbeträge haften Sie gemäß § 42d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes und den entsprechenden Vorschriften des Kirchensteuergesetzes, der Kindergeldauszahlungsverordnung und des Gesetzes über Bergmannsprämien.

Sie haften für die festgesetzten Beträge, weil

Sie Lohnsteuer in unzutreffender Höhe einbehalten und abgeführt haben.

Sie werden als Haftender an Stelle des Arbeitnehmers in Anspruch genommen, weil ein Haftungsausschluss nicht vorliegt.

Ihre Inanspruchnahme ist nicht unbillig.

Es liegt kein entschuldbarer Rechtsirrtum vor.

Sie haben sich mit der Inanspruchnahme einverstanden erklärt.

Der Prüfungsbericht vom über die LSt-Außenprüfung ist beigefügt.

Wegen der Prüfungsfeststellungen wird auf den Prüfungsbericht vom hingewiesen."

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom (= Eingang beim Finanzamt) Einspruch ein.

Zur Begründung führte er aus, dass der Beitrag zur Berufshaftpflicht von angestellten Rechtsanwälten steuerpflichtigen Arbeitslohn darstelle, soweit es um den Mindestversicherungsbeitrag (Mindestdeckungssumme 250.000 €) gehe, der für die Zulassung als Rechtsanwalt erforderlich sei. Die Übernahme des Beitrages, der durch eine Höherversicherung bedingt sei (im Streitfall Versicherungssumme 1 Mio. €), sei kein steuerpflichtiger Arbeitslohn, da das Anstellungsverhältnis im Briefkopf der Kanzlei und sonstiger Veröffentlichungen durch den Zusatz "angestellter Rechtsanwalt" deutlich gemacht werde und ein überwiegendes eigenbetriebliches Interesse an der Höherversicherung bestehe.

Eine mögliche Außenhaftung der angestellten Rechtsanwälte als "Scheinsozien" sei - anders als im Fall des , BStBl II 2007, 892) - ausgeschlossen. Die angestellten Anwälte hätten nach den arbeitsrechtlichen Grundsätzen "gefahrgeneigter Tätigkeit" ggf. nur solche Schäden zu tragen bzw. für solche Schäden den Regressanspruch des zuvor vom Geschädigten in Anspruch genommenen Arbeitgebers zu erfüllen, die sie vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hätten. Bei mittlerer Fahrlässigkeit hätten sie nur einen Teil des Schadens zu tragen, bei leichter Fahrlässigkeit müsste der Kläger als Arbeitgeber alleine für den Schaden aufkommen. Der Mandant könne sich im Schadensfall immer zunächst an den Arbeitgeber halten, daher bestehe für diesen die Gefahr, bei Schäden, die die Deckung aufgrund der Mindestversicherungssumme überstiegen, haften zu müssen, wenn er die angestellten Anwälte nicht entsprechend höher versichere. Die "Höherversicherung" der angestellten Anwälte liege deshalb ganz überwiegend in seinem eigenbetrieblichen Interesse. Der angestellte Anwalt sei bereits durch die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs geschützt.

Laut telefonischer Auskunft des Vermögensschaden-Haftpflichtversicherers ergebe sich als Basisprämie für die Mindestversicherungssumme von 250.000 € ein Betrag von 540 € jährlich.

Der im Streitfall zu beurteilende Sachverhalt weiche entscheidend von dem des , EFG 2011, 973) ab, bei dem eine sog. Scheinsozietät vorgelegen habe. Seine, des Klägers, Kanzlei verwende keine Vollmachten, aus denen die beteiligten Rechtsanwälte zu erkennen seien. Zudem erhielten Mandanten in der Regel bei Mandatsbeginn und damit im Rahmen der Unterzeichnung der Vollmacht eine Kanzleiinformation, aus der sich ebenfalls der "Status" des jeweiligen Rechtsanwalts ergebe.

Es bestehe für den jeweils angestellten Rechtsanwalt ein Zwang zur Höherversicherung, da andernfalls keine Anstellung erfolgen würde. Der Kanzleiinhaber würde sonst versicherungstechnisch seine eigene Versicherung "torpedieren", da die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer grundsätzlich bei Schäden eine Zusammenrechnung machten, unabhängig davon, ob sich die Kanzlei im Außenverhältnis als Sozietät darstelle oder nicht. Es komme den Versicherern rein auf die Nennung im Briefkopf an. Der Kläger verwies auf § 12 II Nr. 1 der Allgemeinen und Besonderen Versicherungsbedingungen sowie Risikobeschreibungen zur Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte und Patentanwälte (AVB-WSR), wonach die Leistung auf die Haftpflichtsumme in der Weise zu berechnen sei, dass zunächst bei jedem einzelnen Versicherten festgestellt werde, wie viel er vom Versicherer zu erhalten habe (fiktive Leistung) und sodann die Summe dieser fiktiven Leistungen durch die Zahl aller Versicherten geteilt werde.

Es bestehe daher ein ganz wesentliches betriebliches Interesse des Klägers als Kanzleiinhaber, die von ihm angestellten Rechtsanwälte mit den gleichen Versicherungssummen zu versichern wie sich selbst. Die Höherversicherung eines angestellten Rechtsanwalts decke nur in wenigen Ausnahmefällen ein eigenes Schadensrisiko, nämlich dann, wenn der angestellte Rechtsanwalt einen Schaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht habe.

Im Streitfall könne die Inanspruchnahme eines angestellten Anwalts als Scheinsozius nahezu ausgeschlossen werden. Daher überwiege sein, des Klägers, eigenbetriebliches Interesse daran, nicht auf einem durch Unterversicherung und damit Unterdeckung verursachten Schaden "sitzen zu bleiben". Das mehr hypothetisch bestehende Eigeninteresse des angestellten Anwalts an einer dem "Gesamtkanzleirisiko" entsprechenden Versicherung aller Anwälte trete dahinter zurück.

Mit Einspruchsentscheidung vom wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.

Die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung der angestellten Rechtsanwälte durch den Kläger sei auch im eigenen Interesse der Arbeitnehmer erfolgt und deshalb Arbeitslohn anzunehmen.

Gemäß § 51 BRAO sei ein Anwalt gesetzlich verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Diese Versicherungspflicht könne auch durch eine vom Arbeitgeber abgeschlossenen Gruppenversicherung erfüllt werden, bei der die angestellten Rechtsanwälte als versicherte Personen namentlich genannt würden. Ein Verstoß gegen die Versicherungspflicht werde mit der Nichtzulassung zum Beruf (§ 12 Abs. 2 BRAO) oder der Entfernung aus diesem sanktioniert (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO). Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung sei damit unabdingbar für die Ausübung des Berufs eines (angestellten) Rechtsanwalts. Komme er dieser gesetzlichen Verpflichtung nach, handele er in typischer Weise im eigenen Interesse. Soweit der Arbeitgeber eines angestellten Rechtsanwalts im Hinblick auf die Haftungsrisiken aller angestellten Rechtsanwälte ein Interesse an einer die Mindestsumme von 250.000 € (vgl. § 51 Abs. 4 BRAO) übersteigenden Versicherungssumme habe, habe dies nicht zur Folge, dass das Interesse des einzelnen Arbeitnehmers am Abschluss der Berufshaftpflichtversicherung als unerheblich zu qualifizieren wäre.

Unerheblich sei, ob der angestellte Rechtsanwalt als Außensozius auf dem Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei dargestellt oder im Briefkopf der Kanzlei mit der Berufsbezeichnung Rechtsanwalt "angestellt" geführt werde (Hinweis auf BFH-Beschlüsse vom , VI B 4/09, BFH/NV 2009, 1432 und vom , VI B 31/11 BFH/NV 2011, 1322).

Zwar habe der , BStBl II 2016, 621) entschieden, dass die eigene Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwalts-GbR nicht zu Arbeitslohn bei den angestellten Rechtsanwälten führe. Zudem habe er im Urteil vom (VI R 74/14, BStBl II 2016, 303) ausgeführt, dass die eigene Berufshaftpflichtversicherung einer Rechtsanwalts-GmbH nach § 59j BRAO nicht zu Lohn bei den angestellten Rechtsanwälten führe. Der Streitfall sei jedoch nicht mit den Sachverhalten in den Urteilsfällen vergleichbar, da dort die angestellten Rechtsanwälte eigene Haftpflichtversicherungen abgeschlossen hätten. Zudem sei ausdrücklich ausgeführt worden, dass die Entscheidungen nicht zu einer Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung führten.

Dass die angestellten Rechtsanwälte eine eigene Versicherung abgeschlossen hätten, habe der Kläger nicht nachgewiesen. Die Übernahme der Versicherungsbeiträge der Arbeitnehmer sei Arbeitslohn. Für den Abschluss der Versicherung sei kein anderer Grund ersichtlich als das Arbeitsverhältnis. Zwar habe der Kläger als Arbeitgeber ein Interesse daran, dass die Berufshaftpflichtversicherung der Arbeitnehmer für Vermögensschäden einstehe, die sie bei Ausübung ihrer anwaltlichen Tätigkeit verursachten. Das Interesse der Arbeitnehmer, dass durch die Zahlung der Versicherungsbeiträge die anwaltliche Zulassung erhalten bleibe, trete aber nicht hinter das Interesse des Klägers zurück. Die Höherversicherung sei dabei unbeachtlich.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom (= Eingang beim FG) Klage erhoben.

Zur Begründung ergänzt er sein Vorbringen dahingehend, dass es sich um jeweils eigenständige Versicherungen der einzelnen Rechtsanwälte handele, die lediglich aus organisatorischen Gründen im Rahmen eines Versicherungsscheins seitens des Vermögensschaden-Haftpflichtversicherers dargestellt würden.

Exemplarisch werde dies am Beispiel des Rechtsanwalts C dargestellt. Für diesen habe die B Versicherung am eine Bestätigung zur Vorlage bei der Rechtsanwaltskammer ausgestellt, dass sie ihm ab Zulassung entsprechenden Mindestdeckungsschutz gewähre. Hierzu sei Bezug genommen worden auf die Versicherungsnummer xxx, also die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung des Versicherungsnehmers " Kläger & Kollegen" bei dieser Versicherung, auf dem auch Rechtsanwalt C als versicherte Person aufgeführt sei (Versicherungsschein vom ).

Im Ergebnis gewähre der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer jedem der über den Versicherungsvertrag versicherten Rechtsanwälte eine eigene Versicherung, da anders eine Zulassung bzw. der Erhalt der Zulassung als Rechtsanwalt nicht möglich sei. Dies betreffe als Arbeitslohn aber nur den herausrechenbaren Anteil der Versicherungsprämie, der auf die für die Zulassung erforderliche Mindestdeckungssumme entfalle. Die Übernahme der für die Höherversicherung seitens des Arbeitnehmers arbeitsvertraglich aufzuwendenden Versicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber erfolge indessen nahezu ausschließlich eigenem betrieblichen Interesse. Es könne dabei keinen Unterschied machen, ob es sich abrechnungstechnisch seitens der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung um formal getrennte Verträge handele (Mindestversicherungsvertrag und gesonderte Höherversicherung) oder ob beides in einer Versicherungsurkunde zusammengefasst sei.

Kein angestellter Anwalt in der Kanzlei des Klägers sei im Übrigen verpflichtet, seine Versicherung bei der B abzuschließen. Soweit er einen anderen Versicherer wähle, habe er nur den Abschluss der Höherversicherung nachzuweisen.

Der Beklagte unterscheide nicht zwischen einer Sozietät bzw. Scheinsozietät und einer Einzelkanzlei mit angestellten Rechtsanwälten und der daraus resultierenden völlig anderen Interessenlage. Anders als im Fall der Scheinsozietät hafte der angestellte Rechtsanwalt nicht für durch andere Anwälte der Kanzlei verursachte Schäden mit. Daher trete sein Eigeninteresse hinter das Kanzleiinteresse an der Höherversicherung nahezu vollständig zurück.

Durch das Bestehen der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung werde im Streitfall unstreitig die Innenhaftung des angestellten Rechtsanwalts gegenüber ihm, dem Kläger, als Arbeitgeber arbeitsrechtlich ausgeschlossen. Dieser Ausschluss bestehe jedoch unabhängig von der Höhe der Versicherung. Der Arbeitgeber habe allerdings, wie bereits dargelegt, ein erhebliches Unterversicherungsrisiko, dass er nur über die entsprechende Höherversicherung der angestellten Rechtsanwälte ausgleichen könne.

Rechtsanwalt C sei nie Sozius gewesen, sondern stets angestellt. Er sei in den Versicherungsscheinen als Sozius (Scheinsozius) geführt worden, weil seinerzeit noch keine Differenzierung auf Briefköpfen und anderen Medien zwischen Sozien und angestellten Rechtsanwälten gemacht worden sei. Das sei nie geändert worden und habe keinen fiskalischen Unterschied gemacht. Auch später sei die Bezeichnung des Versicherers nicht einheitlich hinsichtlich der Bezeichnung von Rechtsanwälten als Sozien oder angestellten Anwälten.

Die Versicherungsverträge seien in der Regel nicht unterschrieben worden. Lediglich den Erstantrag habe er, der Kläger, unterschrieben, ebenso eine Änderung vom . Bei der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung handele es sich um eine einheitliche Versicherung, die jeweils die berufsrechtlich erforderliche eigene Mindestversicherung des jeweils angestellten Rechtsanwalts und die Höherversicherung umfasse. Laut telefonischer Auskunft der A-Versicherung handele es sich um eine sog. Kanzleiversicherung, die ausreichend sei, um das Bestehen einer Versicherung im Sinne von § 51 BRAO nachzuweisen. Der Begriff Sozius würde dabei in den Versicherungsscheinen nicht im gesellschaftsrechtlichen Sinne verwendet.

Der Kläger beantragt, den Lohnsteuerhaftungsbescheid vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abzuändern, dass die Haftungsbeträge auf Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungsprämien herabgesetzt werden, soweit die Beträge auf höheren Prämien als 540 € pro Rechtsanwalt und Jahr beruhen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung darauf, dass es unterschiedlich zu beurteilen sei, ob ein angestellter Rechtsanwalt selbst eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen und der Arbeitgeber ihn im Rahmen seiner eigenen Versicherung zusätzlich höher versichert habe oder ob der Arbeitgeber einen einheitlichen Vertrag über eine Haftpflichtversicherung für den Arbeitnehmer abgeschlossen habe, welche die Mindestdeckungssumme und eine Höherversicherung enthalte. Er verweist dazu auf das , a.a.O.). Dass im Falle einer Sozietät eine höhere Versicherungssumme im Interesse jedes einzelnen Sozius liege, habe der BFH in diesem Urteil nur als ergänzenden Aspekt angesehen. Es finde deshalb nicht nur für Scheinsozien Anwendung.

Ein erhebliches Interesse des Arbeitnehmers an einer Haftpflichtversicherung werde in der Literatur auch aus Haftungsgründen gesehen. Das Eigeninteresse des Arbeitnehmers wiege ebenso schwer wie das Interesse des Arbeitgebers (Hinweis auf Peetz, Haftpflichtversicherungsbeiträge und Arbeitslohn, DStZ 2011, 413). Dies sei für das Vorliegen von Arbeitslohn ausreichend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom , die Schriftsätze der Beteiligten sowie den Akteninhalt verwiesen.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Haftungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2011 bis Juni 2015 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der Beklagte hat den Kläger zu Recht gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 42d EStG für die auf die von ihm im Streitzeitraum für die angestellten Rechtsanwälte C, D und E gezahlten Beträge zur Berufshaftpflichtversicherung entfallende Lohnsteuer als Haftenden in Anspruch genommen.

1. Der Haftungsbescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere war der Beklagte als Betriebsstättenfinanzamt für den Lohnsteuerabzug und damit auch für den Erlass des angefochtenen Haftungsbescheids zuständig, § 41a Abs. 1 EStG.

Der Haftungsbescheid ist auch materiell rechtmäßig, da die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Klägers vorlagen und der Beklagte das ihm zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Der Kläger hatte seiner Inanspruchnahme zugestimmt.

Gemäß § 191 Abs. 1 AO kann, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden. Der Kläger haftet als Arbeitgeber nach § 42d EStG für die Lohnsteuerschuld der im Streitzeitraum bei ihm angestellten Rechtsanwälte C, D und E.

In Höhe der festgesetzten Haftungsschuld besteht eine Steuerschuld von Herrn C, Frau D und Frau E, für die der Kläger haftet.

2. Die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung für die angestellten Rechtsanwälte im Streitzeitraum stellt steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal "für" ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden.

Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen (vgl. , a.a.O.). Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden (vgl. , und vom VI R 58/14, a.a.O.).

Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann (vgl. , BStBl. II 2014, 278 und vom VI R 58/14, a.a.O.).

Ist aber – neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers – ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung (vgl. , BStBl. II 2006, 691, vom VI R 64/06, a.a.O., vom VI R 26/06, BStBl. II 2008, 378, vom VI R 32/08, BStBl. II 2009, 462 und vom VI R 58/14, a.a.O.).

b) Im Hinblick auf diese Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, und unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Streitfalls führt die Übernahme der Beiträge zur Berufshaftpflichtversicherung für die drei angestellten Rechtsanwälte durch den Kläger im Streitzeitraum zu steuerpflichtigem Arbeitslohn.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 BRAO ist jeder Rechtsanwalt verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden mit einer Mindestdeckungssumme von 250.000 € abzuschließen und diese während der Dauer seiner Zulassung aufrechtzuerhalten. Ein Verstoß gegen diese Pflicht wird mit der Nichtzulassung zum Beruf (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 BRAO) oder der Entfernung aus diesem sanktioniert (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO). Der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung ist damit unabdingbar für die Ausübung des Berufs eines (angestellten) Rechtsanwalts. Kommt er oder sie dieser gesetzlichen Verpflichtung nach, handelt er oder sie in typischer Weise im eigenen Interesse (vgl. , a.a.O.).

Zwar besteht auch ein Interesse des Arbeitgebers daran, dass die Berufshaftpflichtversicherung des Arbeitnehmers für Vermögensschäden einsteht, die dieser bei Ausübung seiner anwaltlichen Tätigkeit verursacht. In erster Linie schützt sie jedoch den Versicherten selbst. Sein Eigeninteresse an der Versicherung überwiegt daher das des Arbeitgebers.

Soweit der Arbeitgeber eines angestellten Rechtsanwalts im Hinblick auf die Haftungsrisiken aller weiteren Sozien bzw. weiterer angestellter Rechtsanwälte ein Interesse an einer die Mindestdeckungssumme übersteigenden Versicherungssumme hat, hat dies nicht zur Folge, dass das Interesse des einzelnen Arbeitnehmers am Abschluss der Berufshaftpflichtversicherung als unerheblich zu qualifizieren wäre (vgl. , a.a.O.).

Das gilt auch dann, wenn zur Abdeckung des Haftungsrisikos des angestellten Anwalts allein aus "seinen Streitwerten" eine niedrigere als die vereinbarte Versicherungssumme ausreichend erschiene. Aufgrund der "Briefkopfhaftung" hat jeder "Briefkopfanwalt" ein eigenes Interesse an einer am Haftungsrisiko der Kanzlei ausgerichteten, ausreichend hohen Versicherungssumme. Wegen dieses erweiterten Haftungsrisikos liegt eine höhere Versicherungssumme somit im Interesse jedes einzelnen Sozius bzw. Mitarbeiters (vgl. , Juris, nachfolgend , a.a.O., , Juris, nachfolgend , BFH/NV 2009, 1431, ebenso , BFH/NV 2011, 1322).

Dies gilt nicht nur im Falle von Scheinsozien, sondern auch wenn im Briefkopf, Internet etc. stets auf das Angestelltenverhältnis hingewiesen wird (vgl. , a.a.O.). Eine Außenhaftung des angestellten Rechtsanwalts mag damit zwar weniger wahrscheinlich sein, ist aber nicht ausgeschlossen. Damit besteht kein das Interesse des Arbeitnehmers überwiegendes Interesse des Arbeitgebers.

c) Schließlich ist im Streitfall darauf hinzuweisen, dass nach dem Sachvortrag des Klägers für eine Anstellung der Rechtsanwälte in dessen Kanzlei der Abschluss einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung mit der Mindestdeckungssumme nicht ausreichend war, sondern nur unter der Bedingung einer Höherversicherung erfolgte. Auch hieraus ergibt sich das Eigeninteresse der Arbeitnehmer.

3. Schließlich folgt eine andere Beurteilung der Rechtslage auch nicht aus der jüngeren BFH-Rechtsprechung.

a) Dem , a.a.O.) lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein Krankenhaus angestellte Klinikärzte in der eigenen Betriebshaftpflichtversicherung mitversicherte. Beiträge für private, auf angestellte Ärzte persönlich lautende Berufshaftpflichtversicherungen hatte die Arbeitgeberin nicht übernommen. Bei seiner Entscheidung stellte der BFH darauf ab, dass der von der Arbeitgeberin erworbene Versicherungsschutz zur Deckung des mit dem Betrieb des Krankenhauses erwachsenden Haftungsrisikos und damit ihrem eigenen Versicherungsschutz gedient habe. Damit habe sie den Arbeitnehmern in lohnsteuerrechtlicher Hinsicht nichts zugewandt; deren Einbeziehung folgte allein aus der gesetzlichen Regelung in § 102 Abs. 1 VVG. Soweit die angestellten Ärzte keinen eigenen Haftpflichtversicherungsschutz mehr erwerben mussten, habe es sich um bloße Reflexwirkungen der originär eigenbetrieblichen Betätigung der Arbeitgeberin gehandelt.

b) Im Urteilsfall, welcher der BFH-Entscheidung vom (VI R 74/14, a.a.O.) zugrunde lag, war eine Rechtsanwaltsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH alleinige Versicherungsnehmerin der streitgegenständlichen Berufshaftpflichtversicherung. Jeder angestellte Anwalt der GmbH unterhielt zudem die nach § 51 BRAO für die Zulassung als Rechtsanwalt notwendige persönliche Berufshaftpflichtversicherung mit den Mindestversicherungssummen des § 51 Abs. 4 BRAO. Die GmbH hatte die Versicherungsbeiträge für diese persönlichen Berufshaftpflichtversicherungen übernommen und vollständig der Lohnsteuer unterworfen. Die Beiträge für ihre eigene Haftpflichtversicherung hatte die Klägerin nicht lohnversteuert. Dieses Vorgehen hielt der BFH für zutreffend, denn die Versicherung der Rechtsanwalts GmbH habe insbesondere nicht der Verpflichtung zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung der bei ihr tätigen Rechtsanwälte gemäß § 51 Abs. 1 BRAO gedient, sondern habe eine Haftpflichtversicherung nach §§ 59j, 51 Abs. 1 BRAO dargestellt.

c) In gleicher Weise sah der BFH in den Beiträgen zu einer von einer GbR in ihrem Namen und für ihre Rechnung abgeschlossenen Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, die neben den nach § 51 BRAO vorgeschriebenen Vermögenschaden-Haftpflichtversicherungen der dort angestellten Rechtsanwälte, die keine Gesellschafter waren, bestand, keinen Arbeitslohn der Angestellten (vgl. , a.a.O.).

d) Der Streitfall unterscheidet sich von den diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Sachverhalten dadurch, dass der Kläger durch die Zahlung der streitgegenständlichen Versicherungsbeiträge nicht seine eigene Berufstätigkeit versichert hatte, sondern Aufwendungen tätigte, welche ausschließlich die gesetzlich vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung von Herrn C, Frau D und Frau E betrafen, die jeweils die versicherten Personen waren. Den BFH-Entscheidungen vom (VI R 74/14, a.a.O.) und vom (VI R 58/14, a.a.O.) lagen dagegen Konstellationen zugrunde, in denen sowohl die Gesellschaft (GmbH bzw. GbR) als auch die angestellten Rechtsanwälte jeweils gesonderte Haftpflichtversicherungen zur Erlangung eigenen Versicherungsschutzes zur Deckung der sich aus ihrer Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abgeschlossen hatten. Der BFH sah darin, dass die Gesellschaft jeweils die Beiträge zu ihrer eigenen Haftpflichtversicherung trug, keinen lohnsteuerlichen Vorteil der Anwälte.

Hieraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass der BFH auch den vorliegenden Fall, in dem der Arbeitgeber die Beiträge zu der nach § 51 BRAO gesetzlich vorgeschriebenen Berufshaftpflichtversicherung der bei ihm angestellten Rechtsanwälte trägt, in gleicher Weise entscheiden würde. Im Gegenteil hat der BFH in den am ergangenen Entscheidungen sowie dem Urteil vom jeweils ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in der Übernahme der Beiträge zu der eigenen Berufshaftpflichtversicherung eines angestellten Rechtsanwalts, zu deren Abschluss dieser nach § 51 BRAO verpflichtet ist, die Zuwendung lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteile des Arbeitgebers liege, die zu Arbeitslohn führe (vgl. , a.a.O. Rz. 16, vom VI R 74/14, a.a.O. Rz. 16 und vom VI R 58/14, a.a.O. Rz. 19, ebenso , Juris).

4. Der Beklagte hat die vom Kläger für die angestellten Rechtsanwälte im Streitzeitraum übernommenen Beiträge zu der Berufshaftpflichtversicherung der Buchführung des Klägers entnommen. Die Beiträge wurden in der Höhe zutreffend zugrunde gelegt. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die darauf entfallende Lohnsteuer ist zutreffend berechnet.

5. Die Klage ist daher abzuweisen.

II. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Das Urteil stellt eine Einzelfallentscheidung auf der Basis der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung dar. Auch eine Divergenz zu dem Urteil des , EFG 2018, 954, Rev. zugel. und anhängig unter VI R 12/18) liegt nicht vor, da dieses die Zahlung von Beiträgen zu einer im eigenen Namen und auf eigene Rechnung abgeschlossenen Berufshaftpflichtversicherung (Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung) einer Rechtsanwalts-GbR für deren eigene "Tätigkeit als Rechtsanwalt" betraf und damit einen anderen Sachverhalt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
EFG 2019 S. 979 Nr. 12
EStB 2019 S. 512 Nr. 12
XAAAH-15157