Betriebsaufgabe
Abgrenzung zur Betriebsunterbrechung und Betriebsverpachtung
Leitsatz
1) Verpachtet ein Freiberufler (Tierarzt) ausschließlich die Räumlichkeiten einer freiberuflichen Praxis an den Nachfolger, kann eine Betriebsverpachtung im Ganzen nur vorliegen, wenn diese Räumlichkeiten die alleinigen wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellen.
2) Wesentliche Betriebsgrundlage einer Tierarztpraxis sind auch der Praxiswert und der Patientenstamm. Werden diese immateriellen Werte anlässlich der Praxisübergabe an den Nachfolger veräußert, liegt weder eine Betriebsverpachtung im Ganzen noch eine Betriebsunterbrechung vor, sondern eine Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG.
Gesetze: EStG § 18 Abs 3 Satz 2; EStG § 16 Abs 3 Satz 1
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Aufgabegewinn für seine Tierarztpraxis zu versteuern hat. Streitjahr ist 2013.
Der Kläger war seit dem Jahr 2002 am Standort P-Straße im Gewerbegebiet S-Stadt als Tierarzt im Bereich Großtiere in eigenen Räumlichkeiten tätig. Einen Teil der Räume vermietete er ab dem an Frau V. G., die sie bis heute als Tierärztin im Bereich Kleintiere nutzt.
Am schloss der Kläger mit der weiteren Tierärztin, Frau V. N., einen „ Vertrag über die Übergabe/Übernahme einer Praxis” (nachfolgend „Praxisübergabevertrag”). Ausweislich § 1 des Praxisübergabevertrages, der überschrieben ist mit „Übergabe/Übernahme einer Praxis”, übergab der dort als „Verkäufer” bezeichnete Kläger seine Tierarztpraxis in S-Stadt zum an die dort als „Käufer” bezeichnete Frau N.. Mit dem Tage der Übergabe sollten sämtliche mit der Führung der Praxis verbundenen Rechte und Pflichten von dem Verkäufer auf den Käufer übergehen, soweit nachstehend nichts anderes vereinbart wurde und soweit nicht zwingende Rechtsnormen entgegenstanden. In § 2 des Praxisübergabevertrages kamen der Kläger und Frau N. überein, dass sie die in den Anlagen 1 und 2 zum Vertrag aufgeführten Arzneimittel und Apothekengeräte bzw. das Instrumentarium und die Einrichtungsgegenstände der Praxis käuflich erwerben sollte, sowie das Praxisauto, einen PKW 1. § 2 Nr. 2 des Praxisübergabevertrages lautete wörtlich: „Der Kaufpreis für das Praxisauto, sowie Instrumentarium und Einrichtungsgegenstände beträgt pauschal 7.000 € (Da es sich um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen handelt, ist der Umsatz nicht steuerbar, es fällt keine Umsatzsteuer an.” Für den ideellen Wert der Praxis wurde keine Ablösung verlangt, § 3 des Praxisübergabevertrages. Bezüglich der laufenden Behandlungs- und sonstigen Aufträge sah § 4 des Praxisübergabevertrages den Eintritt von Frau N. in diese Rechtsbeziehungen vor. Die bis zum Übergabezeitpunkt entstandenen Honoraransprüche und sonstigen Ansprüche aus laufenden Aufträgen sollten dem Kläger zustehen. Für Verbindlichkeiten, die er bis zum Tage der Praxisübergabe eingegangen war, sollte er allein aufkommen, § 5 des Praxisübergabevertrages. Die der Praxis dienenden Räume im Hause sollte der Kläger gemäß § 6 des Praxisübergabevertrages an die Käuferin per gesondertem Vertrag vermieten.
Eine Betriebsaufgabe hinsichtlich der Tierarztpraxis erklärte der Kläger nicht. Zum meldete er einen Bio-Fleischhandel an.
Der Beklagte führte beim Kläger eine Betriebsprüfung für die Jahre 2011 bis 2013 durch, die u.a. die Einkommensteuer betraf. Hierbei hielt der Betriebsprüfer fest, dass Aufgabe eines Großtierarztes u.a. die ärztliche Versorgung und die medikamentöse Behandlung des (Mast-)tierbestandes von Landwirten sei. Aus ethischen Gründen sei der Kläger nach eigener Aussage nicht mehr gewillt, den enormen Medikamentenhandel zu betreiben. Das sei einer der Gründe für die Abgabe der Großtierpraxis an Frau N. zum und die Anmeldung des Bio-Fleischhandels zum gewesen. Nachdem Frau N. im Jahr 2016 die Großtierpraxis eingestellt habe, nutze die Kleintierpraxis die Räumlichkeiten der Großtierpraxis mit. Es hätten Umbauten stattgefunden (Rückbau OP für Großtiere). Der Betriebsprüfer kam zu dem Ergebnis, dass eine Zwangsbetriebsaufgabe zum , hilfsweise zum , nach Abwicklung aller Geschäftsvorfälle, vorliege. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Betriebsprüfungsbericht vom .
Der Beklagte folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ am einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuerbescheid 2013, in dem er einen Betriebsaufgabegewinn von 67.347,13 EUR berücksichtigte. Den hiergegen eingelegten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom zurück. Gleichzeitig erhöhte er den Aufgabegewinn nach § 174 Abs. 4 AO auf insgesamt 69.128,44 EUR, als Folge einer auf Antrag des Steuerpflichtigen geänderten Umsatzsteuerfestsetzung, die nunmehr eine Geschäftsaufgabe im Ganzen berücksichtigte. Zur Begründung führte er aus, der Kläger habe seinen Betrieb im Jahr 2013 aufgegeben und nicht lediglich unterbrochen. Eine Betriebsunterbrechung ohne Betriebsaufgabe setze voraus, dass die zurückbehaltenen Wirtschaftsgüter dem Steuerpflichtigen oder seinem Rechtsnachfolger jederzeit die Wiederaufnahme des Betriebs ermöglichen und der stillgelegte und der wieder aufgenommene Betrieb wirtschaftlich identisch seien. Der Kläger habe dargelegt, dass er nicht beabsichtige, genau die von ihm zuvor ausgeübte Tätigkeit wieder aufzunehmen. Er habe sie aus persönlichen Gründen aufgegeben, u.a. weil er die Medikamentenvergabe in der Großtierhaltung ablehne. Lediglich das Betriebsgrundstück habe er zurückbehalten. Die wesentlichen Betriebsgrundlagen, insbesondere Kundenstamm, OP-Bereich und das mit Medikamenten und Instrumenten ausgestattete betriebliche Fahrzeug, habe er an Frau N. übertragen.
Der Kläger legt im Klageverfahren dar, er habe der Tierärztin Frau N. die in seinem Eigentum stehenden Tierarztpraxisräume und damit auch die für seine Tierarztpraxis typischen Vorrichtungen für den Betrieb ihrer Tierarztpraxis (Bereich Großtiere) überlassen. Er habe zwar keinen schriftlichen Mietvertrag mit Frau N. geschlossen. Diese habe ihm aber ab dem Miete überwiesen für die Praxisräume und die Physiotherapieräume. Die Räumlichkeiten seien für die Ausübung einer Tierarztpraxis erforderliche, typische Räumlichkeiten. Beispielsweise verfüge der Großtierbereich über eine Gitterbox und sei zweckmäßigerweise mit Fliesen ausgestattet. Die Bodenfliesen seien besonders rutschfest, um sachgerechte und für den Arzt sichere Behandlungen zu ermöglichen. Das Gebäude sei baulich zweigeteilt konzipiert. Es gebe einen sog. weißen Bereich (Kundenzugang, sauber, freundlich-ansprechend) und einen grauen Bereich (Ver- und Entsorgungszugänge für den Tierarzt, optimiert für die tierärztliche Arbeit beispielsweise mit Entsorgungs- bzw. Reinigungsmöglichkeiten für verschmutzte Kleidung und Gebrauchsartikel). Darüber hinaus erfüllten die Räumlichkeiten die baulichen Voraussetzungen für das Führen einer tierärztlichen Hausapotheke, die er mit behördlicher Zustimmung vom dort betrieben habe. Das sei für Frau N. ein wichtiges Kriterium gewesen. Frau N. habe die Räumlichkeiten branchengleich genutzt. Sie habe die Räume für die Großtierpraxis zum gekündigt, weil sie die Großtierpraxis beendet habe; dementsprechend habe er ihr ab Februar 2016 bis heute lediglich den Physiotherapiebereich vermietet. Das gesamte Gebäude sei von Anfang an darauf ausgerichtet worden, dass es optimale betriebliche Räumlichkeiten für eine Tierarztpraxis (neben einer im steuerlichen Privatvermögen gehaltenen Betriebswohnung im Obergeschoss) biete. Als er Anfang der 2000er Jahre begonnen habe, die neue Tierarztpraxis zu errichten, sei er sich zunächst nicht ganz sicher gewesen, ob er beide Praxisfelder, Groß- und Kleintier, selbst ausüben sollte. Die gesamte Tierarztpraxis, auch den räumlichen Bereich der Kleintierpraxis, habe man seinerzeit dem betrieblichen Vermögen (§ 18 des Einkommensteuergesetzes – EStG-) zugeordnet. Er habe sich offenhalten wollen, ggf. selbst noch wieder in den Kleintierbereich einzusteigen. Zudem habe man Foyer und Empfang gemeinsam genutzt. Am habe er mit Frau G. vereinbart, dass sich die von ihr mit Mietvertrag vom über Gewerberaum gemieteten Flächen ab dem auch auf die Büroräume und die Apotheke erstrecken sollten. Hierzu erläutert er, es handele sich im Wesentlichen um das Büro, die Teeküche, die Abstellkammer sowie den Eingangs- und Apothekenbereich, ggf. auch um weitere kleinere Räumlichkeiten. Insgesamt seien damit derzeit (fast) alle Räumlichkeiten an Tierärzte vermietet.
Im Grunde sei er selbst weiterhin „mit Leib und Seele” Tierarzt. Er sei approbiert und seit langem Mitglied der Gesellschaft für ganzheitliche Tiermedizin. U.a. mit Vorträgen und veröffentlichten Beiträgen im Rahmen dieser Mitgliedschaft und darüber hinaus sei er mit seinem Fachgebiet verbunden. Seine Entscheidung, die Praxisräume zunächst einmal Berufskollegen zu überlassen, habe nicht bedeutet, dass er seine tierärztliche Tätigkeit grundsätzlich und für alle Zeiten in seinen Praxisräumen nicht mehr habe ausüben wollen. Er habe den überdimensionierten Einsatz von Antibiotika in der Tiermast nicht mehr mittragen wollen und zugleich die mit einer erheblichen Reduzierung der Medikamentenvergabe einhergehende Einkommensreduzierung vermeiden wollen. Die Wiederaufnahme seiner Praxis unter Beachtung einer alternativen Herangehensweise sei nie ausgeschlossen gewesen. Sie biete möglicherweise angesichts des allgemeinen Umdenkens über die konventionelle Tierhaltung lukrative Perspektiven.
Objektiv stehe ihm weiterhin problemlos die Möglichkeit offen, als Tierarzt in den von ihm erbauten Räumlichkeiten tätig zu sein, denn die wesentlichen Betriebsgrundlagen, die Praxisräume, befänden sich weiterhin in seinem Eigentum und seien baulich unverändert. Außerdem meint er, dass die Absicht, die eingestellte Tätigkeit eines Tages wieder aufzunehmen, zu vermuten sei, solange dies objektiv möglich sei und keine Betriebsaufgabe erklärt sei. Wie im vom , BStBl II 2010, 222) entschiedenen Fall zur Verpachtung eines Handwerksbetriebes, bei dem der neue Betreiber auch sicherlich – wie es üblich sei und wie es bei Frau N. im Streitfall erfolgt sei – in die bestehenden Kundenbeziehungen eingetreten sei, müsse doch gerade dieser Umstand dazu führen, dass die Identitätswahrung des Betriebes erhalten bleibe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2013 vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit kein Aufgabegewinn bzgl. der Tätigkeit als Tierarzt berücksichtigt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ergänzt seine Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren dahingehend, dass im Praxisübergabevertrag der Wille des Klägers zur Übertragung und nicht zur Verpachtung des Betriebes zum Ausdruck komme. Außerdem habe der Kläger bis heute, fünf Jahre später, seine Tätigkeit als Tierarzt nicht wieder aufgenommen. Man könne zwischenzeitlich nicht mehr von einem überschaubaren Zeitraum seit der Einstellung der tierärztlichen Tätigkeit sprechen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2013 vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 FGO.
Der Beklagte hat zu Recht einen Aufgabegewinn in Höhe von 69.128,44 EUR wegen Betriebsaufgabe der Tierarztpraxis angesetzt (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 1 HS 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG).
Durch die Einstellung der Großtierpraxis des Klägers, verbunden mit der Weitergabe seiner Praxis an Frau N. mit Wirkung zum , hat der Kläger zum trotz fehlender Betriebsaufgabeerklärung seine selbständige Tätigkeit als Tierarzt aufgegeben. Es handelt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht lediglich um eine Betriebsverpachtung bzw. -unterbrechung, sondern um eine zwangsweise Betriebsaufgabe i.S.v. § 16 Abs. 3 i.V.m. § 18 Abs. 3 Satz 2 EStG, die zur Aufdeckung der stillen Reserven führt.
Eine Betriebsaufgabe liegt vor, wenn die bisher im Betrieb entfaltete Tätigkeit aufgrund eines Entschlusses des Steuerpflichtigen, den Betrieb aufzugeben, endgültig eingestellt wird, alle wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang, d.h. innerhalb kurzer Zeit, entweder insgesamt klar und eindeutig, äußerlich erkennbar in das Privatvermögen überführt bzw. anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt oder insgesamt einzeln an verschiedene Erwerber veräußert oder teilweise veräußert und teilweise in das Privatvermögen überführt werden und dadurch der Betrieb als selbständiger Organismus des Wirtschaftslebens zu bestehen aufhört (, BStBl II 2001, 798; vom IV R 36/09, BFH/NV 2011, 2092). Dies gilt grundsätzlich auch für die der Betriebsaufgabe gleichgestellte Aufgabe einer freiberuflichen Praxis (§ 18 Abs. 3 Satz 2 EStG i.V.m. § 16 Abs.3 EStG). Bei der Veräußerung oder Aufgabe einer Praxis ist zusätzlich erforderlich, dass die freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit eingestellt wird (, BFH/NV 2008, 1478, m.w.N.).
Von einer Betriebsaufgabe zu unterscheiden ist eine Betriebsunterbrechung. Eine Betriebsunterbrechung lässt den Fortbestand des Betriebs unberührt. Sie kann darin bestehen, dass der Betriebsinhaber die wesentlichen Betriebsgrundlagen verpachtet oder darin, dass er die Tätigkeit ruhen lässt (letzteres wird als Betriebsunterbrechung im engeren Sinne bezeichnet – vgl. , BStBl II 1996, 276). Für die Anerkennung einer Betriebsverpachtung reicht es nach diesen Grundsätzen aus, wenn alle wesentlichen, dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgegenstände verpachtet werden (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. , BStBl II 2016, 710.). Welche Betriebsgegenstände in diesem Sinne als wesentliche Betriebsgrundlagen in Betracht kommen, bestimmt sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung der spezifischen Verhältnisse des betreffenden Betriebes. Maßgebend ist dabei auf die sachlichen Erfordernisse des Betriebes abzustellen (sog. funktionale Betrachtungsweise; vgl. z.B. , BStBl II 1989, 1014; vom VIII R 2/95, BStBl II 1998, 388), und zwar bezogen auf die Verhältnisse des verpachtenden Unternehmens (vgl. z.B. , BFH/NV 2014, 1038; vom X R 11/16, BStBl II 2017, 992). Funktional wesentlich sind „die wesentlichen dem Betrieb das Gepräge gebenden Betriebsgrundlagen” (vgl. , BStBl II 2008, 220).
Nach diesen Maßstäben liegt in der gegebenen Konstellation, in welcher ausschließlich die Räumlichkeiten einer freiberuflichen Praxis an die Nachfolgerin verpachtet worden sind, nur dann eine Betriebsverpachtung im Ganzen vor, wenn diese Räumlichkeiten die alleinigen wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellten. Das war hier aber gerade nicht der Fall. Wesentliche Betriebsgrundlage der Tierarztpraxis des Klägers war – zumindest auch – der Praxiswert/Patientenstamm. Bei einer freiberuflichen Praxis gehören immaterielle Wirtschaftsgüter wie der Praxiswert/Patientenstamm regelmäßig zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen (vgl. , BFH/NV 2008, 1478; , BStBl II 1986, 335; ebenso Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 18 D 13; Hutter in Blümich, EStG, § 18 Rz. 243). Es sind nach Aktenlage und nach dem Vortrag der Beteiligten keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass dies im Streitfall ausnahmsweise anders gewesen wäre. Für das Geschäftsmodell eines Tierarztes sind typischerweise seine persönliche Leistung und das damit aufgebaute Vertrauensverhältnis zu seinen Kunden/Patienten ganz wesentlich. Die bestehenden Beziehungen und Kontakte zu Kunden/Patienten sind jeweils die maßgebende Grundlage für neue Behandlungsverträge. Für die Praxis des Klägers kommt hinzu, dass gerade die Spezialisierung auf Großtiere für ihn Einsätze außerhalb der Praxisräume mit sich brachte (Patientenbesuche). Denn zu seinem Geschäftsfeld gehörte, dass er den Masttierbestand von Landwirten betreute. Auch vor diesem Hintergrund konnten die Räumlichkeiten – anders als dies möglicherweise bei vielen Gewerbebetrieben der Fall sein mag – nicht die einzigen wesentlichen Betriebsgrundlagen für die Praxis des Klägers sein, hinter denen sämtliche andere Betriebsgrundlagen funktional als unwesentlich zurücktreten könnten.
Der Kläger hat sich mit Vertrag vom wesentlicher Betriebsgrundlagen seiner Praxis vollständig entäußert, indem er Frau N. den ideellen Praxiswert (§ 4 des Praxisübergabevertrages) und den Kunden/Patientenstamm (§§ 1, 4 des Praxisübergabevertrages) überlassen hat. Indem er Frau N. in die laufenden Behandlungsverträge und sonstigen Aufträge eintreten ließ (§ 4 des Praxisübergabevertrages), konnte sie die bestehenden Kunden-/Patientenkontakte einschließlich der zugehörigen Daten für sich nutzen. Die Nutzung des vorhandenen Praxiswertes und des Patientenstammes war auch so konzipiert, dass er sie auf Dauer aufgab und nicht – beispielsweise nach einer bestimmten Zeit oder nach Ablauf eines Vertrages – zurückerhalten sollte. Der Praxisübergabevertrag bezeichnet den Kläger als „Verkäufer” und die Nachfolgerin Frau N. als „Käufer”. Es sollte eine „Geschäftsveräußerung im Ganzen” (§ 2 Nr. 2 des Praxisübergabevertrages) erfolgen, bei der, wie es in § 1 des Praxisübergabevertrages formuliert ist, im Grundsatz „sämtliche mit der Führung der Praxis verbundenen Rechte und Pflichten von dem Verkäufer auf den Käufer” übergehen sollten. Vor diesem Hintergrund ist § 3 des Praxisübergabevertrages als reine Entgeltregelung für den ideellen Wert der Praxis zu verstehen und §§ 4, 5 des Praxisübergabevertrages, die Honorare und Verbindlichkeiten bis zur Praxisübergabe allein dem Kläger zuweisen und Frau N. in bestehende Vertragsverhältnisse eintreten lassen, als praktikable Gestaltung, mit deren Hilfe Frau N. Zugang zu sämtlichen Kunden/Patienten erhielt und die gleichzeitig vermied, dass mit hohem bürokratischen Aufwand alle bisherigen Vertragspartner des Klägers sich mit einer formellen Auswechslung ihres Vertragspartners durch Frau N. hätten einverstanden erklären müssen.
Da dem Kläger nach dem Praxisübergabevertrag auf Dauer nicht mehr alle wesentlichen Betriebsgrundlagen zur Verfügung standen, scheidet auch eine Betriebsunterbrechung im engeren Sinne aus. Der Kläger hat seine Tätigkeit nicht schlichtweg ruhen lassen.
Dem bei freiberuflichen Tätigkeiten zusätzlichen Erfordernis (s.o.), dass die freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlichen Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit eingestellt worden sein muss, ist im Streitfall genügt. Der Kläger hat seine Tätigkeit als Tierarzt über einen Zeitraum von inzwischen mehr als fünf Jahren nicht mehr ausgeübt und seine Kunden- bzw. Patientenbeziehungen vollständig abgegeben.
Gegen die festgesetzte Höhe des Aufgabegewinns hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Nach Aktenlage bestehen insoweit auch keine Bedenken. Insbesondere waren von der Betriebsaufgabe auch die Wirtschaftsgüter umfasst, die an Frau G. zwecks Ausübung der Kleintierpraxis verpachtet waren und die der Kläger steuerlich seiner freiberuflichen Praxis zugeordnet hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
ECLI:DE:FGMS:2018:1120.2K398.18E.00
Fundstelle(n):
DStR 2019 S. 6 Nr. 18
DStRE 2019 S. 681 Nr. 11
EFG 2019 S. 362 Nr. 5
EStB 2019 S. 283 Nr. 7
XAAAH-07190