Finanzgericht Düsseldorf  Urteil v. - 14 K 2436/14 E,G,U

Bemessungsgrundlage für private Kfz-Nutzung eines Taxi-Unternehmers – 1 %-Regelung, Preisempfehlung für das „Sondermodell Taxi” als Listenpreis im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG

Leitsatz

  1. Der Listenpreis für die Bemessung des Nutzungsvorteils aus der privaten Nutzung eines betrieblichen Kfz des Typs Daimler-Benz E 220 CDI durch einen Taxi-Unternehmer nach der 1 %-Regelung ist der Preisliste „Sondermodell Taxi” der Daimler Benz AG zu entnehmen, da diese Preisliste den allgemein am Neuwagenmarkt gültigen Preis für dieses nur durch Taxi- und Mietwagenunternehmer bestellbare spezielle Modell wiedergibt.

  2. Der sich aus dieser Preisliste ergebende Preis hat Vorrang gegenüber dem rechnerisch anhand der Fahrzeugidentnummer ermittelten Preis, da durch den Hersteller selbst eine neuer Listenpreis für bestimmte Modelle oder Modellreihen beworben und am Markt angeboten wird.

Gesetze: EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2, UStG § 3 Abs. 9a Nr. 1

Instanzenzug:

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der Bemessungsgrundlage für den Eigenverbrauch aus der privaten Nutzung des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen A für den Zeitraum von Juli 2009 bis Dezember 2010.

Der Kläger betreibt ein Taxiunternehmen. Anlässlich einer Außenprüfung (Bericht vom ) stellte der Prüfer - neben anderen nicht streitigen Punkten - fest, dass der Kläger das vom ihm im Juli 2009 (Rechnung vom ) erworbene und als Taxi eingesetzte Fahrzeug von Typ Daimler-Benz E 220 CDI, Fahrzeug-Identnummer ..., amtliches Kennzeichen A, auch privat nutzte. Für die Ermittlung des Eigenverbrauchs legte der Prüfer zur Anwendung der sog. 1%-Regelung einen Bruttolistenpreis von 48.100 € zugrunde, der ihm auf seine Nachfrage von der Mercedes-Benz Niederlassung Rhein-Ruhr mitgeteilt worden war. Ausgehend davon ging der Prüfer für die Einkommen- und Gewerbesteuer von einem Eigenverbauch von 2.886 € für das Jahr 2009 (6 Monate* 1% aus 48.100 € und 5.772 € für das Jahr 2010 (12 Monate * 1% aus 48.110 €). Für die Umsatzbesteuerung reduzierte der Prüfer die Bemessungsgrundlage auf 80% dieser Beträge.

Diesen Feststellungen folgte der Beklagte und erließ entsprechende Änderungsbescheide zur Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer.

In hiergegen gerichteten Einspruchsverfahren machte der Kläger geltend, dass der vom Beklagten angesetzte Bruttolistenpreis von 48.100 € zu hoch angesetzt sei. Entgegen der Auskunft der Mercedes-Benz Niederlassung betrage der Bruttolistenpreis 37.508,80 €, abgerundet 37.500 €. Als Bemessungsgrundlage sei der inländische Listenpreis des Herstellers anzusetzen. Dieser ergebe sich aus der Preisliste für Taxi und Mietwagen der Daimler Benz AG mit dem Stand vom . Der in dieser Preisliste ausgewiesene Preis sei als Listenpreis im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - anzusehen.

Mit Einspruchsentscheidungen vom wies der Beklagte die Einsprüche des Klägers als unbegründet zurück. Er hielt an seiner Ansicht fest, dass der Bruttolistenpreis in Höhe von 48.100 € zutreffend angesetzt sei. Dieser Preis sei durch den Hersteller anhand der Fahrgestellnummer des Fahrzeuges konkret errechnet worden und stelle damit den maßgeblichen Bruttolistenpreis im Sinne der der Eigenverbrauchsberechnung zugrunde zu legenden 1%-Regelung dar. Diese Regelung sei eine grundsätzlich zwingend anzuwendende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung. Individuelle Besonderheiten hinsichtlich der Art und Nutzung des Fahrzeuges blieben ebenso unberücksichtigt wie nachträgliche Änderungen des Fahrzeugwertes. Deshalb müsse auch die spezielle Preisliste für Taxi und Mietwagen außer Betracht bleiben.

Am hat der Kläger Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und hält an seiner Ansicht fest, das für das - allein streitbefangene - Fahrzeug mit dem Kennzeichen A von einer Bemessungsgrundlage von 37.500 € auszugehen sei. Der Beklagte stelle zu Unrecht auf die Auskunft der Mercedes-Benz Niederlassung ab. Vielmehr handelte es sich dem in der Preisliste „Sondermodell Taxi” ausgewiesenen Listenpreis für das konkret erworbene Fahrzeug um den Bruttolistenpreis im Sinne der steuerrechtlichen Regelungen.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 vom in der Fassung der geänderten Bescheide vom sowie die Umsatzsteuersteuerbescheide 2009 und 2010 vom ebenfalls jeweils in der Fassung der Änderungsbescheide vom sowie die Gewerbesteuermessbescheide 2009 und 2010 in der zuletzt geänderten Fassung vom und die Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass bei der Berechnung der Steuerbeträge für das Fahrzeug A für den Zeitraum ab Juli 2009 bis Dezember 2010 als Bemessungsgrundlage des Eigenverbrauchs ein Betrag von 37.500 Euro zugrundegelegt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er beruft sich auf sein Vorbringen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend vertritt er die Ansicht, der anhand der Fahrzeugidentnummer von der Mercedes-Benz Niederlassung .. mitgeteilte Bruttolistenpreis sei die für die Ermittlung des Eigenverbrauchs maßgebliche Preisempfehlung. Die vom Kläger vorgelegte Preisliste für das „Sondermodell Taxi” könne nicht zugrunde gelegt werden. Sie gebe gerade nicht den allgemeinen Listenpreis wieder, sondern beinhalte einen auf einen bestimmten Kundenkreis bezogenen Rabatt. Preisnachlässe müssten jedoch bei der Ermittlung des Bruttolistenpreises außer Betracht bleiben.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Das Gericht hat Beweis erhoben zur Ermittlung des Bruttolistenpreises durch die Mercedes-Benz Niederlassung…durch Vernehmung der Zeugen B und C. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die angefochtenen Steuerfestsetzungen sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) soweit der Beklagte für die Berechnung des Eigenverbrauchs eine Bemessungsgrundlage von mehr als 37.500 Euro zugrunde gelegt hat.

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ist für die private Nutzung eines Kraftfahrzeugs, das zu mehr als 50 Prozent betrieblich genutzt wird, für jeden Kalendermonat ein Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer als Entnahmewert gewinnerhöhend anzusetzen. Die 1 %-Regelung ist insoweit eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung (ständige Rechtsprechung, , BStBl II 2003, 472; vom VI R 19/05, BStBl II 2007, 116; jeweils m.w.N.). Deshalb bleiben individuelle Besonderheiten hinsichtlich der Art und der Nutzung des Dienstwagens grundsätzlich ebenso unberücksichtigt wie nachträgliche Änderungen des Fahrzeugwertes (, BStBl II 2011, 361).

Die typisierende Erfassung des Nutzungsvorteils anhand des inzwischen in der Praxis vom tatsächlichen Anschaffungspreis abweichenden abstrakt ermittelten Listenpreises durch die 1 %-Regelung wird vom BFH in st. Rspr., der sich das Gericht anschließt, als verfassungsmäß angesehen (, BStBl II 2000, 273; v. IV R 27/00, BStBl II 2001, 403; v. X R 23/01, BStBl II 2003, 472; vom IV R 59/06, BFH/NV 2009, 1617; Beschluss vom VI B 5/04, BFH/NV 2005, 336; v. VI R 51/11, BStBl II 2013, 385. jeweils m.w.N.). Nach der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung der Senate des BFH nutzt der Gesetzgeber mit der 1 %-Regelung den ihm insbesondere im Steuerrecht für Typisierungen zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum, wenn er auf diese Weise die betriebliche und private Kfz-Nutzung typisierend und pauschalierend erfasst. Die BFH-Rechtsprechung stützt sich insoweit auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Geltungsgrund und zu den Gestaltungsgrenzen der Typisierung und Pauschalierung im Steuerrecht durch den Gesetzgeber (, BVerfGE 96, 1, 6; , BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162, m.w.N.).

Im Streitfall ist zwischen den Beteiligten dem Grunde nach nicht streitig, dass für die private Nutzung des Fahrzeuges „A” ein privater Nutzungsvorteil anhand der 1%-Prozent-Regelung zu ermitteln ist. Ebenso gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass für die Bemessung des Vorteils auf den „Listenpreis” abzustellen ist.

Entgegen der Annahme des Beklagten ist „Listenpreis” für das Fahrzeug „A” nicht der von der Mercedes-Benz Niederlassung anhand der Fahrzeugidentnummer ermittelte Betrag, sondern der sich bei Anwendung der Preisliste „Sondermodell Taxi” der Daimler Benz AG ergebende Listenpreis.

Der Begriff des Listenpreises ist im Gesetz nicht definiert. Maßgebend ist die zum Zeitpunkt der Erstzulassung des Fahrzeugs gültige Preisempfehlung des Herstellers, die für den Endverkauf des tatsächlich genutzten Modells auf dem inländischen Neuwagenmarkt gilt (, BStBl II 2005, 563). Die Preisempfehlung muss sich danach auf das am Neuwagenmarkt erhältlich Fahrzeugmodell beziehen. Welche Fahrzeuge auf dem Neuwagenmarkt erhältlich sind, ergibt sich aus der Angebotspalette in Verbindung mit den den Endkunden zur Verfügung gestellten Preislisten oder aus den im Wege der Konfiguration errechenbaren Preisvorgaben des Herstellers. Da danach auf den abstrakten Preis eines am Markt erhältlichen Modells abzustellen ist, beruht der Listenpreis also auf einer Festlegung durch den Hersteller. Dem dient typischerweise eine veröffentlichte Preisliste. Die zum „Sondermodell Taxi” herausgegebene Preisliste der Daimler-Benz AG gibt den allgemein am Neuwagenmarkt gültigen Preis für dieses spezielle Modell wieder. Die Liste richtet sich auch nicht an der Kläger, sondern an einen anonymen Interessentenkreis. Für jeden Kunden, der dieses Fahrzeug erwerben will, kommt diese Preisliste zur Anwendung. Dies hat der Zeuge C bestätigt. Der Zeuge hat - und insoweit hat das Gericht keine Veranlassung dessen Darstellung in Zweifel zu ziehen - auch geschildert, dass bei Eingabe des im Prospekt und in der Preisliste angegebenen Fahrzeugcodes in den elektronischen Bestellvorgang automatisch der in der Preisliste angegebene Preis des Fahrzeuges in die Berechnung des Kaufpreises einbezogen wird und etwaige Zusatzausstattungen - ebenfalls aus der Liste - dem Preis jeweils hinzugerechnet werden.

Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht im Hinblick darauf, dass das „Sondermodell Taxi” nur für einen bestimmten Kundenkreis bestellbar ist, nämlich für Taxi- und Mietwagenunternehmer, die diese Eigenschaft beider Bestellung nachweisen müssen. Zwar geht auch das Gericht davon aus, dass es sich - wie es der Zeuge C formuliert hat - um einen „rabattierten Festpreis” handelt, der auch der Kundenbindung des begünstigten Kundenkreises dient. Dieser „rabattierte Festpreis” unterscheidet sich von einem Individualrabatt jedoch maßgebend dadurch, dass er Eingang in eine für den Vertrieb der Fahrzeuge maßgebliche Liste gefunden hat - dieser spezielle Preis ist damit zum Listenpreis für dieses spezielle Modell erstarkt.

Die Listenpreiseigenschaft geht auch nicht durch den eingeschränkten Kundenkreis verloren. Es ist dem Listenpreisbegriff nicht zu entnehmen, dass sich die Preisliste an „Jedermann” richten muss. Stellt man mit dem BFH auf das „spezielle Modell” ab, reicht es aus, wenn die Preisliste (nur) für einen bestimmten Kundenkreis Anwendung findet, sofern - wie im Bereich der Taxen und Mietwagen - jedenfalls eine größere Menge an potentiellen Kunden angesprochen wird.

Der sich aus der Preisliste ergebende Preis hat auch Vorrang gegenüber dem rechnerisch anhand der Fahrzeugidentnummer ermittelten Preis. Dieser errechnet sich - wie beide Zeugen übereinstimmend angegeben haben - anhand der in den Grundpreislisten des Herstellers angegebenen Schlüsselkennziffern der einzelnen Ausstattungsmerkmale. Sondermodelle sind ebenso wenig berücksichtigt wie im Rahmen von Sonderaktionen allgemein am Markt angebotene Ausstattungspakete. Es handelt sich also - insoweit ist dem Beklagten zu folgen - um den rechnerischen Listenpreis des nach den allgemeinen Preisvorgaben konfigurierten Fahrzeuges. Dieser rechnerische Listenpreis kann jedoch dann nicht der für die Anwendung der 1%-Regelung maßgebliche Listenpreis sein, wenn - wie im Streitfall - durch den Hersteller selbst eine neuer Listenpreis für bestimmte Modelle oder Modellreihen beworben und am Markt angeboten wird. In diesen Fällen - wobei das Gericht offen lässt - ob das für jede Form von „Sondermodellen” gilt, gibt der am Markt bekannt gemachte Preis die Bemessungsgrundlage für den individuellen Vorteil realitätsnäher wieder.

Die Ermittlung des Listenpreises für das Sondermodell steht auch unter dem Aspekt einer erschwerten Betragsermittlung nicht im Widerspruch zur pauschalierenden gesetzlichen Regelung. Denn - wie auch der Streitfall zeigt - lässt sich der Listenpreiswert durch einfaches Ablesen der in der Liste enthalten Preisangaben ermitteln.

Über die Höhe des anhand der Preisliste Sondermodell Taxi ermittelten „Listenpreises” von 37.500 Euro besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

Der so ermittelte Betrag ist auch bei der Ermittlung der unentgeltlichen Wertabgabe für die Zwecke der Umsatzbesteuerung (§ 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG) zugrunde zu legen. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung, dass der Unternehmer zur Ermittlung der Kosten, die auf die nichtunternehmerische Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeugs entfallen, aus Vereinfachungsgründen den Wert der Nutzungsentnahme nach der sog. 1 %-Regelung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bei der Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der nichtunternehmerischen Nutzung zugrunde legen kann, sofern er für Ertragsteuerzwecke von diesen Werten ausgegangen ist. Für die nicht mit Vorsteuern belasteten Kosten kann ein pauschaler Abschlag von 20 % vorgenommen werden; der so ermittelte Betrag ist der sog. Nettowert, auf den die Umsatzsteuer mit dem allgemeinen Steuersatz aufzuschlagen ist (vgl. , DStR 1999, 848; BStBl I 2014, 896).

Das Gericht hält es für sachgerecht, die Berechnung der Steuerbeträge gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten zu übertragen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BB 2016 S. 2133 Nr. 36
BB 2016 S. 2581 Nr. 43
NWB-Eilnachricht Nr. 38/2016 S. 2842
XAAAF-82507