Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil v. - 3 K 19/11 EFG 2015 S. 1150 Nr. 14

Entgeltlicher Erwerb einer Gesellschafterforderung und einer Forderung eines Dritten gegen die GmbH durch die Ehefrau eines hälftigen Anteilserwerbers im Rahmen eines sog. Mantelkaufs kein Gestaltungsmissbrauch

Leitsatz

Der entgeltliche Erwerb einer Gesellschafterforderung und einer Forderung eines Dritten gegen die GmbH durch die Ehefrau eines hälftigen Anteilserwerbers im Rahmen eines sog. Mantelkaufs ist nicht missbräuchlich i.S. des § 42 AO a.F. Gegenüber der Abtretung der Forderung stellt der entgeltliche Verzicht auf die Forderung keine angemessen, typische Gestaltung dar. Deshalb liegt in dem späteren Forderungsausgleich durch die GmbH auch keine verdeckte Gewinnausschüttung auf Seiten des an der GmbH beteiligten Ehemanns.

Gesetze: AO § 42

Instanzenzug:

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) in den Streitjahren.

Die Kläger wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Geschäftsführer der … GmbH (GmbH), deren Anteile er zu 50% hält. Seine Ehefrau, die Klägerin, erzielte in diesen Jahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Angestellte bei dieser GmbH.

Darüber hinaus hatte die Klägerin in den Streitjahren Einnahmen aus Forderungen gegenüber dieser Gesellschaft, die sie im Rahmen des 50 %-igen Anteilserwerbs ihres Mannes erworben hatte.

Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit notariellem Vertrag vom veräußerte Herr A einen durch Teilung entstandenen Geschäftsanteil im Nennbetrag von 25.000 DM an der Y GmbH an den Kläger zum Kaufpreis von 1 €. Nach der Anteilsveräußerung waren beide als Gesellschafter zu 50 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt. Die Gesellschaft hatte ihren aktiven Geschäftsbetrieb bereits mit Wirkung zum eingestellt. Das gesamte Anlage- und Umlaufvermögen war seinerzeit veräußert worden. Es bestanden lediglich Darlehensverbindlichkeiten der Gesellschaft gegenüber Herrn A und - dessen Vater - Herrn B. Diese hatten zur Vermeidung einer Insolvenzantragspflicht am 5. August 2002 den Rangrücktritt erklärt. Der Bilanzverlust zum betrug 924.826,99 €. Mit weiterem notariellem Vertrag vom wurde der Firmenname der Gesellschaft in X GmbH umbenannt, der Gegenstand des Unternehmens neu definiert und der Kläger zum alleinigen Geschäftsführer berufen. Auf Geschäftsführer-Bezüge verzichtete der Kläger.

Ebenfalls am verkauften Herr B seine gegen die GmbH bestehende Darlehensforderung in Höhe von € 546.968,29 an die Klägerin zum Kaufpreis von 23.668 € und am Herr A seine Darlehnsforderung über € 345.155,16 zum Kaufpreis von 16.332 €, so dass die Klägerin insgesamt - in Raten - 40.000 € aufzuwenden hatte. Gleichzeitig traten die Veräußerer ihre gegenüber der GmbH bestehenden Darlehnsforderungen an die Klägerin ab. Zur Vermeidung eines Insolvenzantrages erklärte diese am den Rangrücktritt für die von ihre erworbenen Darlehns-Rückzahlungsansprüche gegenüber der GmbH.

Mit Vertrag vom veräußerte der Kläger sein bis dahin allein geführtes gewinnträchtiges Einzelunternehmen mit allen Aktiva und Passiva an die GmbH. Der Kaufpreis betrug insgesamt 49.288,00 €. Die GmbH erwirtschaftete ab 2003 erhebliche Gewinne. Infolge der bestehenden Verlustvorträge waren - zumindest bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung Ende 2010 - keine Steuern zu leisten. Es wurden auch keine Gewinnausschüttungen beschlossen. Die Tilgung der Darlehen gegenüber der Klägerin erfolgte kontinuierlich ab 2003.

Im Zeitraum vom bis fand bei der GmbH eine Betriebsprüfung für die Veranlagungsjahre 2001 bis 2005 statt. Der Betriebsprüfer bewertete die Tilgungen der Darlehnsverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin, die über den Anschaffungspreis von 40.000 € hinausgingen, als verdeckte Gewinnausschüttungen. Der Beklagte schloss sich dieser Rechtsauffassung an und erließ für die Streitjahre geänderte Körperschaftsteuer-Bescheide, die im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens insoweit wieder aufgehoben wurden, sowie am die vorliegend angegriffenen, nach § 173 Abs.1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Einkommensteuer-Bescheide für die Jahre 2003 bis 2005. Darin wurden bei dem Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgrund angenommener vGA in Höhe von 122.808 € (2003), 56.896 € (2004) und 84.538 € (2005) - unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens jeweils hälftig - in die Besteuerung einbezogen. Auf den Inhalt der Bescheide im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen.

Gegen diese Bescheide legten die Kläger fristgemäß Einsprüche ein. Diese wurden mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Finanzamt u. a. Folgendes aus:

Die Darlehnsrückzahlungen der GmbH an Frau Klägerin stellten vGA (bei dem Kläger) dar, da die im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Übertragung der GmbH-Anteile erfolgte Abtretung der gegen die GmbH gerichteten Forderungen der Herren A und B an Frau Klägerin einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. des § 42 Satz 1 AO darstelle. Die gewählte Gestaltung diene einzig dem Zweck, den bei der GmbH bestehenden Verlustvortrag (im Wege des Mantelkaufs) ungeschmälert zu erhalten und gleichzeitig die gegen die GmbH gerichtete - ursprünglich wertlose - Forderung durch eine dem Anteilserwerber nahestehende Person in ihrem Privatvermögen (d. h. außerhalb der steuerlich erheblichen Einkünfteerzielung) zum Nominalbetrag zu realisieren. Um sicherzustellen, dass die GmbH nicht mehr mit Forderungen der Herren A und B belastet sein würde, hätte es keiner Abtretung der Forderungen bedurft. Vielmehr hätte dieser Zweck in einfacherer Weise dadurch erreicht werden können, dass die bisherigen Gläubiger gegen Zahlung der vereinbarten 40.000 € auf ihre Forderungen gegen die GmbH verzichtet hätten. Die Wahl des umständlicheren Weges der Abtretung sei allein zu dem Zweck erfolgt, Anteile an den Gewinnen der GmbH im Rechtskleid einer "Darlehnsrückzahlung" steuerfrei an die Eheleute auszahlen zu können.

Die einzelnen Rechtsakte seien nur im Zusammenhang zu begreifen, nachzuvollziehen und rechtlich zu beurteilen. Der Erwerb der Forderungen durch die Ehefrau des Gesellschafters habe der GmbH selbst nichts genützt. Wirtschaftlich nachvollziehbar wäre nur der Erwerb der GmbH-Anteile gewesen, der nicht mit einer Fremdverbindlichkeit dieses Ausmaßes belastet gewesen wäre. Ein fremder Dritter hätte die Anteile an der GmbH nur unter der Maßgabe eines wie auch immer erklärten Forderungsverzichtes erworben.

Das Handeln der Eheleute sei nur verständlich unter der Berücksichtigung des Umstandes, dass Herr Kläger das gesamte Geschehen wirtschaftlich und tatsächlich von vornherein beherrscht habe. So seien die GmbH-Anteile von Herrn Kläger gezielt zu dem Zweck erworben worden, ein gewinnträchtiges und relativ risikoarmes Geschäft auf die GmbH zu verlagern. Infolgedessen stelle der formal über seine Ehefrau abgewickelte Forderungserwerb ebenfalls ein relativ risikoarmes Geschäft dar. Denn es habe sich nicht um eine GmbH gehandelt, die sich mit eigenen Geschäftsideen erst neu am Markt behaupten und durchsetzen habe müssen, sondern es seien im Rahmen von Umstrukturierungen gezielt Teile eines bestehenden, am Markt bewährten Unternehmens auf die GmbH verlagert worden. Insofern stelle auch der Erwerb der Forderungen über nominal 892.123,46 € zu einem Kaufpreis von 40.000 € ein nahezu risikoloses Geschäft dar. In diesem Zusammenhang könne auch der Verzicht des Geschäftsführers auf Gehaltszahlungen verstanden werden.

Da nach § 42 Satz 2 AO der Steueranspruch bei einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten so entstehe, wie er bei einer den wirtschaftlichen Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung, d. h. hier durch Verzicht der Herren A und B auf die Darlehnsrückforderungs-Ansprüche gegen Zahlung von 40.000 €, seien die in den Streitjahren erfolgten "Darlehnsrückzahlungen" nicht als Tilgung einer Verbindlichkeit der GmbH zu behandeln, sondern als eine nicht auf einem Gewinnverteilungsbeschluss beruhende Gewinnausschüttung, d. h. vGA.

Dies stehe auch nicht der Rechtsprechung des I. Senats des BFH entgegen, da hier nicht § 42 AO auf den Mantelkauf als solchen, sondern (nur) auf die zusätzlich zu dem Anteilskauf vorgenommene Forderungsabtretung angewendet werde. Somit sei auch nicht auf die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit eines Erwerbs der GmbH-Anteile im Falle des Forderungsverzichts und der Frage, was mit dem Verlustvortrag insoweit geschehe, abzustellen. Auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen.

Hiergegen haben die Kläger fristgemäß Klage erhoben. Sie tragen im Wesentlichen folgendes vor:

Gemäß Richtlinie 36 KStR sei eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG eine Vermögensminderung bzw. eine verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirke und nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluss beruhe. Der durch die Tilgung erfolgte Geldabfluss stelle auf Seiten der Aktiva eine Vermögensminderung dar. Jedoch verringere sich auch der Bestand der Verbindlichkeiten gegenüber der GmbH, so dass sich im Endeffekt das Vermögen der Gesellschaft (Kapital) nicht verändere. Eine Vermögensminderung läge auch nicht vor, soweit die Zahlungen die Anschaffungskosten von 40.000,00 € überstiegen.

Für das Vorliegen einer vGA müsse sich weiterhin eine vorhandene Vermögensminderung auf den Unterschiedsbetrag im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auswirken. Dieser Unterschiedsbetrag sei der Gewinn des jeweiligen Wirtschaftsjahres. Die Verbuchung der Darlehenstilgungen sei - wie handels- und steuerrechtlich geboten - gewinnneutral über Bestandskonten erfolgt. Eine Beeinflussung des Gewinns sei damit ausgeschlossen. Die Voraussetzungen einer vGA seien somit nicht erfüllt.

Die Darlehensverbindlichkeit sei auch mit einem Wert in Höhe von 892.123,45 € bei der GmbH passiviert worden, da eine tatsächliche zivilrechtliche Verpflichtung der GmbH gegenüber ihrer Gläubigerin bestanden habe. Die Verbindlichkeit müsse sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich mit ihrem Rückzahlungsbetrag passiviert werden (§ 253 Abs. 1 HGB, § 6 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG). Da die Klägerin gegenüber der GmbH keinen Verzicht ausgesprochen habe, sei zwingend in der Bilanz eine Summe von 892.123,45 € in Ansatz zu bringen gewesen und auch in Ansatz gebracht worden.

Im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens der GmbH sei nachgewiesen worden, dass die in der Bilanz ausgewiesene Darlehensverbindlichkeit in voller Höhe zivilrechtlich und steuerrechtlich bestehe und somit keine verdeckte Gewinnausschüttung vorläge. Demnach könne im Veranlagungsverfahren zur Einkommensteuer diese Aussage nicht wieder negiert werden. Ein und derselbe Sachverhalt könne in zwei Veranlagungsverfahren/Rechtsbehelfsverfahren nicht unterschiedlich ausgelegt werden. Eine Umqualifizierung der steuerneutralen Tilgungsleistungen bei der GmbH in steuerpflichtige Einnahmen aus Kapitalvermögen beim Anteilseigner sei rechtlich nicht möglich und würde zu einer widerstreitenden Steuerfestsetzung führen.

Die Kläger beantragen,

die geänderten Einkommensteuer-Bescheide für die Jahre 2003 bis 2005 jeweils vom und die dazu ergangene, die Einsprüche verbindende Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt der Beklagte aus:

Entgegen der Auffassung der Kläger sei eine unterschiedliche Beurteilung der Zahlungen durch die GmbH auf die Forderungen der Klägerin möglich. Bei dem Rechtsbehelf der X GmbH sei es um die Auswirkung des Vorgangs bei dieser Gesellschaft, die auf die Ausgestaltung des Veräußerungsgeschäftes zwischen den Gesellschaftern A/B und Kläger keinen Einfluss nehmen konnte, da sie nur Objekt der Veräußerung war, gegangen. Die Gesellschaft konnte sich also grundsätzlich nicht gegen die Forderung wehren. Nichtsdestotrotz hätten die Gesellschafter und/oder die nahen Angehörigen eine angemessene Gestaltung wählen können.

Die beanstandete Gestaltung läge im Streitfall darin, dass die Tilgung der Forderung bei der Klägerin zu einem steuerfreien Vermögenszuwachs geführt habe, während sich die vorangegangene Wertminderung der Forderung bei den Herren A und B steuermindernd ausgewirkt habe und sich der angemessene Forderungsverzicht im Rahmen der steuerlich erheblichen Einkunftserzielung ausgewirkt hätte.

Den steuerlichen Vorteil aus dieser missbräuchlichen Gestaltung ziehe die Klägerin. Während der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer über gar keine Einkünfte aus dieser Gesellschaft (weder als angestellter Geschäftsführer noch als Gesellschafter) verfüge, erhalte die Klägerin letztlich neben einem geringen Gehalt einen Betrag von 892.123,45 € steuerfrei aus einer Forderung, für die sie lediglich 40.000 € aufgewendet habe.

Dass in diesem Fall ein Dritter die Forderung erworben hätte, werde angezweifelt. Nur der Kläger bzw. seine Ehefrau kannten die sehr gute wirtschaftliche Lage des eingebrachten Einzelunternehmens. Ein Dritter hätte wohl eine solche Information nicht erhalten. Und ohne die Aussicht auf Tilgung, die bei der Veräußerung der Anteile der Gesellschaft ohne das Wissen, dass hier in absehbarer Zeit mir erheblichen Gewinnen zu rechnen sei, unwahrscheinlich gewesen sei, hätte niemand diese Forderung erwerben wollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogene Rechtsbehelfsakte ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die angegriffenen geänderten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2005 jeweils vom und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das Finanzamt ist zu Unrecht von dem Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen (vGA) in den Streitjahren ausgegangen. Dem Kläger sind insoweit keine Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zuzurechnen.

Eine vGA i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 156, 126, BStBl II 1989, 419; vom VIII R 24/03, BFH/NV 2005, 1266). Eine vGA kann auch anzunehmen sein, wenn der Vorteil einer dem Gesellschafter nahe stehenden Person zugewendet wird; das "Nahestehen" in diesem Sinne kann auf familienrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen, schuldrechtlichen oder rein tatsächlichen Bindungen beruhen (, BFHE 182, 184, BStBl II 1997, 301, unter II.A.1.a der Gründe; vom VIII R 24/03, BFH/NV 2005, 1266; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 33. Aufl., § 20 Rz. 56).

Bei Anwendung dieser Grundsätze sind vGA vorliegend nicht gegeben.

Dies folgt, entgegen der Rechtsauffassung der Kläger, allerdings nicht bereits daraus, dass die für die GmbH nach erfolgter Betriebsprüfung ergangenen Körperschaftsteuer-bescheide im Rechtsbehelfsverfahren insoweit wieder geändert bzw. aufgehoben wurden, weil der Beklagte die Annahme des Betriebsprüfers, bei der GmbH lägen vGA vor, wieder fallengelassen hat. Denn die Annahme einer vGA auf Seiten der GmbH und andererseits ihrer Gesellschafter ist materiell-rechtlich voneinander unabhängig; zwischen den Bescheiden der Gesellschaft und der Gesellschafter besteht keine Bindungswirkung (vgl. , BFHE 213, 499). Vielmehr ist über das Vorliegen einer vGA in dem jeweiligen Besteuerungsverfahren selbständig zu entscheiden (vgl. , BFHE 149, 468, BStBl II 1987, 508; vom VIII R 41/89, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569).

Nach der Entscheidung des (BFHE 224, 439, BStBl II 2009, 1029) ändert sich an dieser Beurteilung auch nichts durch die Schaffung der Korrespondenzregelungen in § 32a KStG. Zwar ermächtigt der durch das Jahressteuergesetz 2007 vom (BGBl. I, 2006, 2878, 2891) mit Wirkung vom eingeführte § 32a Abs. 1 KStG die Finanzverwaltung zum Erlass, zur Aufhebung oder Änderung eines Steuer- oder Feststellungsbescheides gegenüber dem Gesellschafter, soweit bei der GmbH der Körperschaftsteuerbescheid hinsichtlich der Berücksichtigung einer vGA erlassen, aufgehoben oder geändert worden ist. Allein aus § 32a KStG rechtfertigte sich hingegen noch nicht der Wegfall der bei dem Kläger in den angegriffenen Einkommensteuer-Bescheiden berücksichtigten vGA. Denn § 32a KStG stellt (lediglich) eine verfahrensrechtliche Änderungsnorm dar, die zwar einen Änderungsrahmen vorgibt ("soweit"). Sie soll aber eine Korrespondenz lediglich insoweit schaffen, als die Qualifikation als vGA auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene dem Grunde nach korreliert, d. h. entsprechende Folgerungen aus einer Steuerfestsetzung bei dem einen verfahrensrechtlich bei dem anderen noch möglich sind. § 32a KStG trifft keine materiell-rechtliche Regelung, insbesondere schafft die Vorschrift weder ein Grundlagen-/Folgebescheid-Verhältnis, noch bewirkt sie einen Gleichlauf bei der Bewertung der vGA auf beiden Seiten (vgl. , BStBl II 2013, 149 m. w. N.).

Die Annahme einer vGA in den Streitjahren scheitert jedoch daran, dass die streitbefangenen Zahlungen der GmbH an die Klägerin nach Auffassung des erkennenden Senats keine Gewinnausschüttungen, sondern Darlehnsrückzahlungen waren. Die an die Klägerin seitens der Herren A und B abgetretenen Darlehns-(Rückzahlungs-)Forderungen bestanden nicht nur zivilrechtlich, sondern waren (und sind) auch steuerrechtlich anzuerkennen. Der von dem Beklagten angenommene Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten ist nicht gegeben.

Nach § 42 Satz 1 AO in der im Streitfall maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom (BGBl. I 1976, 613, BStBl I 1976, 157) - AO a.F. - kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Sinn liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des angestrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche außersteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. z. B. , BFHE 196, 414, BStBl II 2002, 126; vom IX R 55/01, BFHE 202, 15, BStBl II 2003, 627; vom I R 26/06, BFHE 220, 392, BStBl II 2008, 978; vgl. auch die jetzige Legaldefinition in § 42 Abs. 2 AO i. d. F. des Jahressteuergesetzes 2008 vom , BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218).

Unangemessen ist im Allgemeinen eine rechtliche Gestaltung, die verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts, insbesondere des erstrebten wirtschaftlichen Ziels, als unpassend nicht wählen würden (vgl. z. B. , BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vom VIII R 36/98, BFHE 189, 408, BStBl II 1999, 769). Da es im Bestreben der Rechtsordnung liegt, für alle wirtschaftlichen Vorgänge möglichst einfache Rechtsgestaltungen zur Verfügung zu stellen, ist in der Regel der einfachste rechtliche Weg der angemessene. Unangemessene Rechtsgestaltungen sind hingegen umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt u. ä. (vgl. , BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43).

Eine derartige unangemessene Gestaltung vermag der erkennende Senat vorliegend nicht auszumachen.

Das wirtschaftliche Ziel der Vertragsparteien lag vor allem darin, zum einen die GmbH von der im Falle ihrer (angestrebten) Gesundung drohenden Inanspruchnahme der nicht (B) bzw. nur anteilig (A) an der GmbH beteiligten Herren A und B zu entlasten (Sichtweise der Klägerin als nahestehende Person zum Kläger, dem neuem Mitgesellschafter der GmbH) und andererseits, aus der Sicht der Veräußerer der Forderungen, die aufgrund der bisherigen wirtschaftlichen Situation der GmbH als wertlos einzustufenden Darlehnsrückforderungen zumindest zu einem (geringen) Teil zu realisieren. Bei einer derartigen Konstellation stehen nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich zwei Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung: einerseits der entgeltliche Verzicht der Herren A und B auf die Forderungen gegen die GmbH, zum anderen der entgeltliche Erwerb der Forderungen durch den Kläger als neuem Mitgesellschafter oder - wie geschehen - durch eine dem Kläger nahestehende Person, hier die Ehefrau.

Der Beklagte hält den eingeschlagenen, letztgenannten Weg für unangemessen i. S. des § 42 AO a. F. Dem kann nicht gefolgt werden. Denn nach ständiger Rechtsprechung steht es dem Steuerpflichtigen im Grundsatz frei, seine Verhältnisse im Rahmen des rechtlich Zulässigen so einzurichten, dass sich für ihn eine möglichst geringe Steuerbelastung ergibt (Beschluss des Großen Senats des , BFHE 137, 433, 444, BStBl II 1983, 272; Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 42 AO Rz 39, m. w. N.). Er kann deshalb von mehreren zur Verfügung stehenden rechtlichen Gestaltungsformen regelmäßig die für ihn steuerlich günstigste wählen (, BFHE 171, 122, BStBl II 1993, 530; vom VIII R 43/01, BFHE 203, 65, BStBl II 2003, 937). Das Bestreben, Steuern zu sparen, allein macht eine rechtliche Gestaltung nicht unangemessen (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 42 AO Rz 39, m. w. N.). Missbräuchlich kann eine Gestaltung nur dann sein, wenn das Gesetz für das Erreichen eines bestimmten Ziels erkennbar eine andere Gestaltung als typisch voraussetzt und die Vermeidung dieser anderen Gestaltung der Steuerumgehung dient (vgl. , BFHE 160, 57, BStBl II 1990, 446; vom II R 7/88, BFHE 166, 180, BStBl II 1992, 202).

Das ist vorliegend nicht der Fall. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Zivil- oder Steuerrecht für die hier interessierende Situation (Erwerb einer bedingt entschuldeten GmbH) der endgültige Verzicht auf Gesellschafterforderungen bzw. Forderungen Dritter als "Normalfall" vorschwebt. Vielmehr muss der Erwerb der Forderungen als aus der Sicht des Gesetzes gleichwertige Gestaltungsform angesehen werden (vgl. , BFHE 238, 344, BFH/NV 2012, 2058 zur Abtretung einer Besserungsanwartschaft auf eine Gesellschafterforderung an einen Anteilserwerber).

Der Beklagte schließt sich demgegenüber der von dem IV. Senat des (BFHE 194, 13, BStBl II 2001, 520) vertretenen Rechtsauffassung an. Danach hätte es um sicherzustellen, dass die GmbH nicht mehr mit Forderungen Dritter belastet war, nicht der Abtretung der Forderungen bedurft. Vielmehr hätte, so der BFH in dem vorgenannten Urteil, dieser Zweck "in einfacherer Weise dadurch erreicht werden können …", dass der Forderungsinhaber gegen Zahlung des Betrages entsprechend dem Kaufvertrag auf seine Forderung gegen die GmbH verzichtet hätte. Dieser Auffassung vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen. Sie würde voraussetzen, dass die Abtretung (§ 398 BGB) als Erfüllungsgeschäft des Kaufvertrages gegenüber dem Forderungsverzicht (§ 397 BGB "Erlass") "umständlich, kompliziert, schwerfällig bzw. gekünstelt" wäre. Für eine derartige Annahme bleiben der IV. Senat wie auch der Beklagte eine Begründung schuldig. Auch die konkrete Situation des Forderungserwerbs neben dem Kauf der GmbH-(Mantel-)Anteile führt nicht dazu, dass die Rechtsanwendung des einen von den beiden in unmittelbarer Folge stehenden BGB-Paragraphen zu Grundregeln des Schuldrechts gekünstelt, kompliziert und schwerfällig ist (§ 398 BGB), die des anderen (§ 397 BGB) dagegen nicht (vgl. Hoffmann, GmbHR 2001, 533, 536). Vielmehr ist, wie dargestellt, von einer grundsätzlich gleichwertigen Gestaltungsform auszugehen.

Bezieht man die wirtschaftlichen Interessen der (Vertrags-)Beteiligten mit in die Gesamtbetrachtung ein - dies insbesondere auch vor dem rechtlichen Hintergrund, dass nach § 42 AO die vorgenommene rechtliche Gestaltung in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts, insbesondere des erstrebten wirtschaftlichen Ziels, zu würdigen ist -, so verschiebt sich diese grundsätzliche Gleichwertigkeit konkret noch zugunsten der Forderungsabtretung, d. h. zu einem "Verzicht auf den Verzicht" (vgl. Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung, 2001, 180, 181). Denn neben dem, auch von dem IV. Senat des BFH in seinem bereits benannten Urteil vom IV R 3/00 (BFHE 194, 13, BStBl II 2001, 520) anerkannten außersteuerlichen Grund, sicherzustellen, dass die GmbH nicht mehr mit den Forderungen (ehemaliger) Gesellschafter belastet ist, ist als weiterer wirtschaftlicher Grund auf Seiten der Klägerin die - angesichts der "erwarteten" Einbringung des Einzelunternehmens des Klägers in die GmbH offenbar realistische - Hoffnung, eine über dem Kaufpreis von 40.000 € liegende Darlehnsrückzahlung seitens der GmbH zu erhalten. Diese Möglichkeit zu nutzen, ist "wirtschaftlich vernünftig" (vgl. , BFHE 238, 344, BFH/NV 2012, 1901). Das somit wirtschaftlich anzuerkennende Ziel wäre mit einem Forderungsverzicht jedoch nicht erreichbar gewesen. Dass die Klägerin die Zahlungen der GmbH auf die abgetretenen Forderungen steuerfrei erhält, ändert daran, gemessen an § 42 AO, nichts.

Nach Auffassung des erkennenden Senats hat der Beklagte vorliegend nicht, wie § 42 Abs. 1 Satz 2 AO a. F. dies erlaubt und bestimmt, eine den wirtschaftlichen Vorgängen angemessene rechtliche (Sachverhalts-)Gestaltung fingiert, sondern statt dessen im Ergebnis einen mit den wirtschaftlichen Zielen der Beteiligten nicht in Einklang zu bringenden Ersatzsachverhalt geschaffen und diesen der Besteuerung zu Grunde gelegt. Denn es ist nicht zwingend (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 2 AO a. F.: "… entsteht der Steueranspruch so, wie er …"), dass der Kauf der Darlehnsforderungen bzw. deren Abtretung in einen Forderungsverzicht und die Darlehnsrückzahlung in eine Gewinnausschüttung umgedeutet werden könnten. Dass die Beteiligten ein solches Ergebnis tatsächlich tätigen wollten bzw. tatsächlich getätigt hätten, kann vorliegend nicht angenommen werden (vgl. Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung, 2001, 180, 181). § 42 Abs. 1 Satz 2 AO a. F. lässt es zu, den missbräuchlichen Vorgang zu neutralisieren, nicht aber Ersatzsachverhalte zu fingieren (, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43). Die Annahme eines Forderungsverzichts würde hingegen der Besteuerung nicht nur eine andere, aus der Sicht des Beklagten "angemessene" rechtliche Gestaltung zu Grunde legen, sondern, die wirtschaftlichen Verhältnisse ignorierend, zu einem anderen, von den Beteiligten offensichtlich gerade nicht erstrebten wirtschaftlichen Ziel führen.

Bei einem Forderungsverzicht würde der - möglicherweise als vorrangig anzusehende - Zweck, den anteiligen GmbH-Mantelkauf wirtschaftlich sinnvoll werden zu lassen, konterkariert. Denn der Verzicht auf die Darlehnsrückforderungen würde bei der GmbH zu einem außerordentlichen, die bestehenden Verlustvorträge insoweit verbrauchenden Ertrag führen; der Erwerb der GmbH wäre für den Kläger wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll. Dem steht auch nicht die Rechtsprechung des I. Senats des BFH zur Frage der Segmentierung der Rechtsfolgen des Gestaltungsmissbrauchs entgegen, wonach die Rechtsfolge des § 42 AO a. F. nur gegenüber demjenigen eintreten kann, der aus der missbräuchlichen Gestaltung einen Vorteil zieht (vgl. , BFHE 238, 344, BFH/NV 2012, 1901 m. w. Rspr.-Nachweisen). Zwar hat die GmbH aus dem Verkauf / der Abtretung der Darlehnsforderungen durch die Herren A und B an die Klägerin keinen (unmittelbaren) Nutzen gezogen. Darauf kommt es hier jedoch auch nicht an. Denn es geht insoweit nicht um die Frage, wer einen Nutzen aus der vertraglichen Gestaltung gezogen hat und wem gegenüber steuerliche Konsequenzen gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 AO a. F. zu ziehen sind, sondern darum, dass der Beklagte den Forderungsverzicht als die - allein - angemessene Gestaltung ansieht. Führt aber diese den Steuerpflichtigen gleichsam von dem Beklagten "vorgeschriebene" Gestaltung zur wirtschaftlichen Sinnlosigkeit des erwarteten Verhaltens, ist die von der Finanzbehörde erwartete Gestaltung gerade nicht angemessen.

Hinzu kommt, dass die Klägerin (als unmittelbare Vertragsbeteiligte) bei dem "erwarteten" Forderungsverzicht trotz Zahlung von 40.000 € die (realistische) Möglichkeit der Forderungsrealisierung verlieren würde. Auch dies zeigt, dass die Annahme des Beklagten über den Rahmen des § 42 AO a. F. hinausgeht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war im Hinblick auf die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) für notwendig zu erklären.

Die Revision war im Hinblick auf die Abweichung von der Entscheidung des IV. Senats des (BFHE 194, 13, BStBl II 2001, 520) gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
DStR 2015 S. 10 Nr. 40
DStRE 2015 S. 1519 Nr. 24
EFG 2015 S. 1150 Nr. 14
KÖSDI 2015 S. 19459 Nr. 9
Ubg 2016 S. 48 Nr. 1
XAAAE-91219