Sächsisches FG Urteil v. - 8 K 194/15 EFG 2016 S. 1952 Nr. 23

„Herstellung der Mischwasserleitung” als Bestandteil des Anschlusses des Grundstücks an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage ist Handwerkerleistung nach § 35a EStG

Förderungsausschluss nach § 35a Abs. 3 S. 2 EStG für „öffentlich geförderte” Maßnahmen

Leitsatz

1. Wird ein bisher nur über eine Sickergrube verfügendes Wohngrundstück vom zuständigen Abwasserzweckverband an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage angeschlossen und wird für diese „Herstellung einer Mischwasserleitung” von dem Abwasserzweckverband ein „Baukostenzuschuss” erhoben, so steht dem Steuerpflichtigen für den in dem Zuschuss enthaltenen Arbeitskostenanteil die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen „in einem Haushalt” nach § 35a Abs. 3 EStG i. V. m. § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG zu.

2. Auch Kleinunternehmer i. S. d. § 19 UStG oder die öffentliche Hand, z.B. durch Zweckbetriebe, können steuerbegünstigte Handwerkerleistungen erbringen. Auf welcher Rechtsgrundlage die öffentliche Hand die Kosten (Heranziehungsbescheid, öffentlich-rechtlicher Vertrag, Rechnung) für einen Hausanschluss erhebt, ist insoweit ebenso unerheblich wie der Umstand, ob diese Leistung „eigenhändig” oder durch einen von ihr beauftragten bauausführenden Dritten erbracht wird.

3. Der Begriff „im Haushalt” ist räumlich-funktional auszulegen. Auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, kann nach § 35a Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 EStG begünstigt sein, sofern die Leistungen in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen.

4. Der Ausschluss der Steuervergünstigung nach § 35a Abs. 3 S. 2 EStG für öffentlich geförderte Maßnahmen greift nur, wenn der Steuerpflichtige selbst Empfänger der öffentlichen Förderung, wie zinsverbilligter Darlehen oder steuerfreier Zuschüsse, ist, nicht aber, wenn der Leistungserbringer (im Urteilsfall: Abwasserzweckverband) für die Maßnahme eine öffentliche Förderung erhält.

Gesetze: EStG 2012 § 35a Abs. 4 S. 1, EStG 2012 § 35a Abs. 3 S. 1, EStG 2012 § 35a Abs. 3 S. 2, EStG 2012 § 35a Abs. 5 S. 2

Instanzenzug:

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines als „Baukostenzuschuss” bezeichneten Rechnungsbetrages für die „Herstellung der Mischwasserleitung” als Bestandteil des Anschlusses des Grundstücks der Kläger an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage in Höhe von 60 % als Handwerkerleistung nach § 35a Einkommensteuergesetz (EStG) im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 2012.

Die zusammen zur Einkommensteuer 2012 veranlagten Kläger sind seit 1993 als Eigentümer zu je ½ – in ehelicher Vermögensgemeinschaft – für das Flurstück A), L.-Str., mit aufstehendem Wohngebäude, welches in den Jahren 1983 bis 1985 erbaut wurde, im Grundbuch von D., Blätter 4422 und 3958, eingetragen. Die Kläger nutzen das Einfamilienhaus seit Mai 1985 zu eigenen Wohnzwecken. Das Abwasser wurde seit 1993 über eine Sickergrube auf dem Grundstück entsorgt.

In den Monaten Juli 2011 bis Oktober 2011 schloss der zuständige Abwasserzweckverband D.-T. das Grundstück der Kläger an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage an.

Mit Bescheid vom (Reg.-Nr. AW 2011/211) forderte der Abwasserzweckverband D.-T. die Kläger auf, ihre bisher genutzte Grundstückskläranlage, wobei auch abflusslose Gruben gemeint waren, binnen 6 Monaten, bis zum , fachgerecht außer Betrieb zu setzen. Unter Ziffer 2. enthält der Bescheid folgende Erläuterung:

Der Abwasserzweckverband D.-T. schloss Ihr Grundstück an die zentrale sowie die Nachbargrundstücke an die zentrale Kläranlage an. Hierzu waren folgende Arbeiten notwendig:

Erneuerung des bestehenden öffentlichen Mischwasserkanals im Bereich der unteren Bebauung der L.-Str., ab Bahnübergang bis zum Ende der Bebauung in Höhe der Grundstücke L.-Str.92 a und 92 b.

Neuverlegung einer Mischwasserleitung in der L.-Str.zwischen der unteren und oberen Bebauung, in welcher sich Ihr Grundstück befindet.

Inlinersanierung des bestehenden öffentlichen Mischwasserkanals, welcher unter anderem in Ihrem Grundstück verläuft.

Herstellen der Verbindung des sanierten Mischwasserkanals und der neu verlegten Mischwasserleitung.

Unter Ziffer 5. enthält der Bescheid unter anderem folgenden Hinweis:

Für die Neuverlegung der öffentlichen Mischwasserleitung (zwischen der unteren und oberen Bebauung) wird ein Baukostenzuschuss erhoben.

Am stellte der Abwasserzweckverband D.-T. den Klägern für die Herstellung der Mischwasserleitung als Bestandteil des Hausanschlusses an die zentrale Abwasserentsorgungsanlage einen als Baukostenzuschuss (BKZ) in D., L.-Str. (Flst. A)), bezeichneten Betrag von 3.896,60 Euro in Rechnung, den die Kläger durch Überweisung von ihrem Bankkonto beglichen.

Die o.g. Aufwendungen machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung 2012 unter Vorlage einer Kopie der Rechnung des Abwasserzweckverbandes D.-T. vom in Höhe von 3.896 Euro als Handwerkerleistungen i.S. des § 35a EStG geltend.

Der Beklagte setzte die Einkommensteuer 2012 mit Bescheid vom fest und ließ dabei die Aufwendungen für den Abwasseranschluss als nach § 35a EStG begünstigte Handwerkerleistungen außer Ansatz, da die Rechnung keine exakte Aufteilung zwischen Privatgrundstück und öffentlichen Grundstück enthält.

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am Einspruch ein. Zur Begründung führten die Kläger das – (EFG 2012, 2208-2209) an.

Im Hinblick auf die gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg anhängige Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) zu Aktenzeichen: VI R 56/12 ruhte das Einspruchsverfahren.

Nach Ergehen des – (BStBl. II 2014, 882) setzte der Beklagte das Einspruchsverfahren fort. Mit Schreiben vom teilte der Beklagte mit, dass er beabsichtige, dem Begehren nicht zu entsprechen. Eine Steuerermäßigung sei aus mehreren Gründen nicht möglich. Einerseits handele es sich um eine Neubaumaßnahme, die nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG nicht begünstigt sei. Andererseits sei der Rechnung zu entnehmen, dass für den Bau Fördermittel gezahlt worden, weshalb ein Ansatz nach § 35a Abs. 3 Satz 2 EStG ausscheide. Im Übrigen handele es sich bei den geltend gemachten Aufwendungen nicht um Kosten für den Anschluss an die Trink- und Abwasserentsorgung und damit einhergehend nicht um Kosten für den Haushalt der Kläger, sondern um Kosten für die Neuverlegung einer Mischwasserleitung.

Nachdem die Kläger mit Schreiben vom ihren Einspruch aufrechterhielten, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom den Einspruch als unbegründet zurück. Die geltend gemachten Aufwendungen für den Baukostenzuschuss wären nicht mit dem, dem (a.a.O.) zugrundeliegenden Sachverhalt vergleichbar. Eine Berücksichtigung nach § 35a Abs. 3 EStG käme daher nicht in Betracht.

Daraufhin haben die Kläger am Klage erhoben.

Sie sind unter Bezugnahme auf das (a.a.O.) der Auffassung, dass es sich bei den Aufwendungen für den Baukostenzuschuss zur Herstellung der Mischwasserleitung im Zusammenhang mit dem Anschluss ihres Grundstücks an die zentrale Kläranlage, mithin die Einbindung in das öffentliche Abwasserentsorgungsnetz zu 60 % von 3.896,60 Euro (2.338 Euro) um berücksichtigungsfähige Arbeitskosten als Handwerkerleistungen im Sinne von § 35a EStG handelt und eine Einkommensteuerermäßigung in Höhe von 468 Euro zu gewähren sei.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2012 vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid 2012 vom zu ändern und die Einkommensteuer 2012 unter Berücksichtigung der Aufwendungen für Handwerkerleistungen i.S. des § 35a EStG in Höhe von 2.338 Euro festzusetzen

und

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage unter Hinweis auf seine Einspruchsentscheidung für unbegründet. Der Beklagte beruft sich auf die bindende Anweisungslage in Gestalt des , 2014/0023765 (BStBl. I 2014, 75). Er ist der Auffassung, nur originäre Hausanschlusskosten seien i.S. des § 35a EStG zu berücksichtigen. Ferner sei nicht erkennbar, in welchem Umfang der Baukostenzuschuss auf Arbeitskosten entfiele.

Mit Verfügung vom hat das Gericht den Abwasserzweckverband D.-T. um Auskunft gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3, § 86 Finanzgerichtsordnung (FGO) hinsichtlich des Arbeitskostenanteils in Bezug auf den Rechnungsbetrag aus der Rechnung vom – Nr. 1540/604038446 ersucht. Mit Schreiben vom teilte der Verbandsvorsitzende des Abwasserzweckverbandes D.-T. mit, eine Ausweisung der separaten Lohnkosten in Abgrenzung der Materialkosten sei nicht möglich. Im Hinblick auf die weiteren Ausführungen wird auf das Schreiben vom Bezug genommen (Bl. 88 Gerichtsakte).

Dem Gericht haben eine Heftung Einkommensteuervorgänge 2012 und eine Rechtsbehelfsakte, die unter der Steuer-Nr. geführt werden, vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Ablehnung der begehrten Berücksichtigung von Aufwendungen für Handwerkerleistungen i.S. des § 35a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 EStG in Höhe der Arbeitskosten von 2.338 Euro in dem Einkommensteuerbescheid 2012 vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihrem Rechten (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Bescheide sind aufzuheben und der Beklagte ist verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid 2012 im vorgenannten Umfang zu ändern (§ 100 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FGO).

1.

Nach § 35a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung (BGBl. I S. 1768; § 52 Abs. 50b Satz 6 EStG) ermäßigt sich auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden, um 20 %, höchstens 1.200 Euro. Nach § 35a Abs. 5 Satz 2 EStG gilt die Ermäßigung nur für Arbeitskosten.

a)

Handwerkerleistungen sind einfache wie qualifizierte handwerkliche Tätigkeiten, unabhängig davon, ob es sich um regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen handelt (vgl. , BFHE 229, 534, BStBl II 2011, 909). Begünstigt werden handwerkliche Tätigkeiten, die von Mietern und Eigentümern für die zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung in Auftrag gegeben werden, z.B. das Streichen und Tapezieren von Innenwänden, die Beseitigung kleinerer Schäden, die Erneuerung eines Bodenbelags (Teppichboden, Parkett oder Fliesen), die Modernisierung des Badezimmers oder der Austausch von Fenstern. Hierzu gehören auch Aufwendungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf dem Grundstück, z.B. Garten- und Wegebauarbeiten (BTDrucks 16/643, 10, und BTDrucks 16/753, 11), aber auch die Reparatur, Wartung und Austausch von Gas- und Wasserinstallationen (Barein in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 35a Rz 25).

( –, BFHE 245, 49, BStBl II 2014, 882, Rn. 11 zitiert nach juris)

b)

Nach allgemeiner Meinung ist nicht erforderlich, dass der Leistungserbringer in die Handwerksrolle eingetragen ist (vgl. , 2010/0014334, BStBl I 2010, 140, Tz. 21, ersetzt durch , 2014/0023765, BStBl I 2014, 75, Tz. 23). Auch Kleinunternehmer i.S. des § 19 des Umsatzsteuergesetzes (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 140, Tz. 21, ersetzt durch BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 75, Tz. 23) oder die öffentliche Hand können steuerbegünstigte Handwerkerleistungen erbringen (Apitz in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 35a EStG Rz 21; vgl. Eversloh in Lademann, EStG, § 35a EStG Rz 86; Wüllenkemper, EFG 2013, 52; BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 140 <Schornsteinfeger>). Dies gilt insbesondere dann, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts (beispielsweise ein Zweckverband) mit dem Verlegen der Hausanschlussleitungen (= die Verbindung des Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des Grundstückseigentümers, vgl. § 10 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser – AVBWasserV – vom , BGBl I 1980, 750) gegen Kostenerstattung im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art unternehmerisch tätig geworden ist (vgl. hierzu , BFHE 222, 176, BStBl II 2009, 321; , 2009/0215132, BStBl I 2009, 531). Auf welcher Rechtsgrundlage die öffentliche Hand die Kosten (Heranziehungsbescheid, öffentlich-rechtlicher Vertrag, Rechnung) für den Hausanschluss erhebt, ist insoweit ebenso unerheblich wie der Umstand, ob diese Leistung „eigenhändig” oder durch einen von ihr beauftragten bauausführenden Dritten erbracht wird. Denn auch insoweit nimmt der Steuerpflichtige eine, wenn auch durch eine juristische Person vermittelte, Handwerkerleistung in Anspruch.

( –, BFHE 245, 49, BStBl II 2014, 882, Rn. 12 zitiert nach juris)

c)

Die Handwerkerleistung muss ferner „in” einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden (§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG).

Der Begriff „im Haushalt” ist räumlich-funktional auszulegen (vgl. Kratzsch in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 35a Rz 77; Eversloh in Lademann, EStG, § 35a EStG Rz 92; Wüllenkemper, EFG 2013, 52; Bode, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 35a Rz D 7, E 7; Schmidt/Krüger, EStG, 32. Aufl., § 35a Rz 4).

( –, BFHE 245, 49, BStBl II 2014, 882, Rn. 14 zitiert nach juris m.w.N.)

Die Grenzen des Haushalts i.S. des § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG werden nicht ausnahmslos – unabhängig von den Eigentumsverhältnissen – durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt (; entgegen BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 140, Tz. 15, ersetzt durch BMF-Schreiben in BStBl I 2014, 75, Tz. 15). Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden, nach § 35a Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EStG begünstigt sein. Es muss sich dabei allerdings um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen (Schmidt/Krüger, EStG, 33. Aufl., § 35a Rz 21; vgl. auch Köhler in Bordewin/Brandt, EStG, § 35a Rz 300 f.). Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Haushalt des Steuerpflichtigen an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen wird (vgl. –, BFHE 245, 49, BStBl II 2014, 882, Rn. 15 zitiert nach juris). Denn auch diese Tätigkeiten weisen insgesamt eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung auf, so dass sie noch als „in einem” Haushalt erbracht angesehen werden können, insbesondere wenn sie auf öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen beruhen (Geserich, ).

d)

Im Streitfall war vor dem Jahr 2011 bereits ein Haushalt auf dem Grundstück der Kläger vorhanden, so dass sich die Herstellung der Mischwasserleitung als notwendiger Teil der Arbeiten des Anschlusses des Grundstücks der Kläger an die zentrale Abwasserentsorgunganlage als Modernisierung im Sinne des § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG darstellt.

Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich bei der Herstellung der Mischwasserleitung nicht um Maßnahmen der erstmaligen Herstellung (Neubau), da das Abwasser auf dem Grundstück zuvor über eine Sickergrube entsorgt wurde.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Herstellung der Mischwasserleitung nicht isoliert, sondern als ein Teil der gesamten Arbeiten, die für den Anschluss des Grundstücks der Kläger an die öffentliche Abwasserentsorgungsanlage notwendig waren, anzusehen. Auf die Erläuterung zu Ziffer 2. des Bescheides des Abwasserzweckverbandes D.-T. vom wird Bezug genommen (Bl. 42 RS Gerichtsakte).

Mithin handelt es sich bei dem in Rechnung gestellten „Baukostenzuschuss” um Aufwendungen der Kläger für den Hausanschluss der Steuerpflichtigen an das öffentliche Versorgungsnetz (vgl. , BStBl. II 2014, 882, Rz. 15 a.E., zitiert nach juris).

e)

Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die Aufwendung der Kläger nicht nach § 35a Abs. 3 Satz 2 EStG ausgeschlossen.

§ 35a Abs. 3 S. 2 EStG dient dem Ausschluss der Doppelförderung (vgl. Fischer in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, § 35a EStG, Rn. 10). Zwar bestimmt § 35a Abs. 3 Satz 2 EStG einen Ausschluss der Steuervergünstigung für nach dem erbrachte Leistungen bei öffentlicher Förderung. Nach der systematischen Stellung der Vorschrift innerhalb der gesetzlichen Norm sowie deren Sinn und Zweck muss Empfänger der öffentlichen Förderung, wie zinsverbilligter Darlehen oder steuerfreier Zuschüsse, der Steuerpflichtige selbst sein. Die Steuerpflichtigen haben keine öffentliche Förderung i.S. des § 35a Abs. 3 Satz 2 EStG für den Anschluss ihres Grundstücks an das öffentliche Entsorgungsnetz in Anspruch genommen. Dass der Abwasserzweckverband D.-T., ausweislich der Rechnung vom , für die Herstellung der Mischwasserleitung selbst öffentliche Fördermittel in Anspruch genommen hat und diese bei der Berechnung des anteiligen Baukostenzuschuss in Abzug brachte, stellt für die Steuerpflichtigen keine Doppelförderung im o.g. Sinne dar. Ein Ausschluss ist daher nicht anzunehmen.

2.

Die von den Klägern im Klageverfahren zu Recht noch geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 60 %, d.h. gerundet 2.338 Euro des Rechnungsbetrages von 3.896,60 Euro, sind in dieser Höhe als zu berücksichtigender Anteil der geschätzten Arbeitskosten als Handwerkerleistungen für die Modernisierungsmaßnahme anzuerkennen, die den Klägern die begehrte Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG vermittelt. Denn die mit der Herstellung der Mischwasserleitung als notwendiger Teil der Arbeiten des Anschlusses des Haushalts der Steuerpflichtigen an das öffentliche Entsorgungsnetz verbundenen Tiefbauarbeiten verursachen regelmäßig höhere Arbeitskosten als die Materialkosten nach sich gezogen hätten. Diese Materialkosten sind jedoch nicht gänzlich von untergeordneter Bedeutung. In Ermangelung einer Ausweisung der Arbeitskosten in Abgrenzung der Materialkosten schätzt das Gericht den Anteil der Arbeitskosten am Gesamtbetrag auf 60 % (vgl. , EFG 2012, 2208-2209, Rz. 20 zitiert nach juris; , BStBl. II 2014, 882, Rz. 19 zitiert nach juris).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO) analog.

IV.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
EFG 2016 S. 1952 Nr. 23
KÖSDI 2017 S. 20124 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 47/2016 S. 3508
WAAAF-85001