BBK Nr. 21 vom Seite 1047

Reform der Kassenführung in Österreich – Teil 1

Gesetzgebungsverfahren und rechtliche Grundlagen

Erich Huber *

[i]Teutemacher, Handbuch zur Kassenführung, Herne 2015 Mit dem Entwurf eines „Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“ unternimmt der deutsche Gesetzgeber aktuell den Versuch, das fiskalische Risiko aus Bargeschäften zu verringern und den ehrlichen Unternehmern Rechtssicherheit bei der Kassenführung zu verschaffen. Im Gesetzgebungsverfahren sollten dabei insbesondere auch die praktischen Erfahrungen in Österreich berücksichtigt werden, weil dort im Zuge der Steuerreform 2015 eine Kassen- und Belegpflicht in Verbindung mit einem technischen Sicherheitskonzept verankert wurde. Durch die rechtlich sehr ähnlichen [i]Rätke, Gesetz zum Schutz vor Kassenmanipulationen – Kritische Anmerkungen zum Referentenentwurf, BBK 10/2016 S. 497 NWB IAAAF-73320 Vorschriften in den Abgabenordnungen zu den Aufzeichnungspflichten, zum Vertrauensvorschuss bei deren Einhaltung und durch die Affinität der technischen Sicherheitslösung zum INSIKA-Konzept [1] ist die Entwicklung in Österreich auch für Deutschland von großem Interesse. Dieser Beitrag befasst sich mit dem neuen gesetzlichen Rahmen in Österreich und geht auch ausführlich auf die politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung während des Gesetzgebungsprozesses ein. Der zweite Teil wird sich ausführlich mit der Darstellung der technischen Sicherheitslösung zum Manipulationsschutz befassen und auch auf erste Erkenntnisse aus der Umsetzung eingehen.

Eine Kurzfassung des Beitrags finden Sie .

I. Grundproblem

1. Hindernisse zur steuerlichen Gleichmäßigkeit im Aufzeichnungsbereich

Die historische Sicht auf die Sicherstellung steuerlicher Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit beruhte auf dem Grundsatz des Vertrauens – Vertrauen in die Annahme, dass die S. 1048überwiegende Mehrzahl der Steuerpflichtigen ihren Verpflichtungen weitestgehend und vollinhaltlich nachkommt. Zur Überprüfung dieser Tatsache und um die wenigen zu finden, die ihre Pflichten nicht oder nur teilweise erfüllten, prüfte die Finanzverwaltung im Rahmen eines im Einzelfall aufwendigen Verfahrens.

[i]Manipulationsmöglichkeiten erschüttern den Vertrauensvorschuss nach § 158 AO Warum dieser Vertrauensvorschuss – in Deutschland nach § 158 AO – heute erschüttert ist, wurde in dieser Zeitschrift bereits ausführlich beschrieben [2] und soll hier noch einmal kurz zusammengefasst werden:

  • Klein- und Kleinstbetriebe sind im steuerlichen Risikomanagement eine besondere Herausforderung durch ihre hohe Zahl und eher geringe Aufzeichnungsqualität.

  • Bei elektronischen Aufzeichnungssystemen besteht die Möglichkeit einer Manipulation der Daten, z. B. durch Zapper-Software.

  • Die rechtliche Komplexität des Verfahrensrechts und die technische Komplexität der Aufzeichnungssysteme bedingen einen ressourcenaufwendigen Prüfprozess, der durch mögliche Folgeverfahren (Rechtsmittel) noch aufwendiger wird.

  • Auch wenn im Rahmen von Prüfungsverfahren formelle und sachliche Mängel aufgefunden werden und damit der Vertrauensvorschuss im Einzelfall nicht mehr wirkt, sind Verkürzungen überwiegend im wahren quantitativen Ausmaß kaum nachweisbar.

  • Auch mit modernen mathematischen und digitalen Prüfungstechniken kann Kassenschwindel in der Breite nicht verhindert werden.

  • Eine tatsächliche Schadensaufholung in der Breite ist mangels wirklichkeitsnaher Schätzungsparameter durch realistisch ermittelnde Schätzung im Einzelfall oft unmöglich.

  • Die niedrige Entdeckungswahrscheinlichkeit aufgrund der Komplexität der Prüfungsverfahren verhindert die Durchsetzung von Steuergerechtigkeit in der Breite. [3]

2. Erfassungsrisiken und Risikomanagement

[i]Vorgehensweise Die Erfassung von Geschäftsvorfällen weist drei Hauptrisiken auf:


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Risiko
Beschreibung
Vorgehensweise
Risiko 1:
Der Geschäftsvorfall wird nicht dokumentiert und nicht erfasst.
Nichteingabe in die Registrierkasse und Nichtausfertigung eines Belegs.
Risiko 2:
Der Geschäftsvorfall wird ohne endgültige Dokumentation nach außen erfasst, dann aber gelöscht.
Eingabe in die Kasse und Abrechnung des Geschäftsvorfalls; ein Beleg wird nicht oder nicht ordnungsgemäß [4] erstellt. Danach Löschung des Geschäftsvorfalls in der Datenbank-Tabelle.
Risiko 3:
Der Geschäftsvorfall wird erfasst, nach außen dokumentiert und unter Umständen (teilweise) gelöscht.
Eingabe in die Kasse, Abrechnung des Geschäftsvorfalls mit einem ordnungsgemäßen Beleg. Der Beleg wird aber vom Kunden nicht mitgenommen und bleibt beim Unternehmer liegen, der den gesamten Geschäftsvorfall oder Teile davon löscht (Zapping).

Abb. 1: Risiken und Vorgehensweise S. 1049

Den [i]Gegenmaßnahmen drei Risiken lässt sich wie folgt begegnen:


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Risiko
Beschreibung
Beispiele für Gegenmaßnahmen
Risiko 1:
Der Geschäftsvorfall wird nicht dokumentiert und nicht erfasst:
Verdeckte Beobachtung; Kassennachschau mit unmittelbarer Konfrontation des Aufzeichnungspflichtigen samt Dokumentation der Nichterfassung; Strafen z. B. für Nichteingabe, fehlende Belege; sofort verhängte Ordnungsgelder, Kassenpflicht.
Risiko 2:
Der Geschäftsvorfall wird ohne endgültige Dokumentation nach außen erfasst, dann aber gelöscht.
Belegkontrolle bei Kunden beim Verlassen des Betriebs, Kassennachschau, Beleglottererie, d. h. Belege werden als Kontrollmaterial an die Finanzverwaltung gesandt, und unter den Einsendern werden dafür Preise verlost.
Risiko 3:
Der Geschäftsvorfall wird erfasst, nach außen dokumentiert, und unter Umständen (teilweise) gelöscht.
Technischer Manipulationsschutz, um Datenveränderungen kenntlich zu machen, z. B. durch Signaturen; Prüfsoftware für Kunden, um sofort die Wirksamkeit der Sicherheitseinrichtung prüfen zu können.

Abb. 2: Risiken und Gegenmaßnahmen

Diese [i]Risiken aus Schattenwirtschaft sind überall anzutreffen Risiken sind in allen Ländern anzutreffen, in denen elektronische Aufzeichnungssysteme zur steuerlichen Grundaufzeichnung verwendet werden. Die Intensität und Dichte der Gegenmaßnahmen hängen nicht nur mit der Wirksamkeit der Betrugsbekämpfungskonzepte der Finanzverwaltungen zusammen, sondern oft auch mit dem politischen Willen, Steuerhinterziehung zu verhindern oder aufzudecken.

II. Ausgangszustand in Österreich

1. Betrugsbekämpfungsgesetz 2006, Barbewegungsverordnung 2007

[i]Einzelaufzeichnungspflicht seit 2006 Österreich führte 2006 im Rahmen einer Novelle der österreichischen Bundesabgabenordnung (BAO) mit dem Betrugsbekämpfungsgesetz 2006 im § 131 Abs. 1 BAO die Einzelaufzeichnungspflicht für Geschäftsvorfälle ein. Wörtlich hieß es, „... sollen alle Bareingänge und Barausgänge in den Büchern oder in den Büchern zugrunde liegenden Grundaufzeichnungen täglich einzeln festgehalten werden.“

[i]Präzisierungen und Anpassung an technologischen Wandel Daneben wurden im § 131 BAO Anpassungen und Präzisierungen des technischen Aufzeichnungsumfeldes im Bereich der datenträgergestützten Systeme vorgenommen:

  • Werden zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen oder bei der Erfassung der Geschäftsvorfälle Datenträger verwendet, sollen Eintragungen oder Aufzeichnungen nicht in einer Weise verändert werden können, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr ersichtlich ist.

  • Die vollständige und richtige Erfassung und Wiedergabe aller Geschäftsvorfälle soll durch entsprechende Einrichtungen gesichert sein (Einrichtung nach § 131 BAO – kurz „E131“).

  • Der Nachweis der vollständigen und richtigen Erfassung aller Geschäftsvorfälle soll durch entsprechende Einrichtungen leicht und sicher geführt werden können (E131).

  • Die einzelnen Geschäftsvorfälle sollen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen.

  • Summenbildungen sollen nachvollziehbar sein.

  • Möglich sein soll eine Überprüfung der vollständigen, richtigen und lückenlosen Erfassung aller Geschäftsvorfälle, z. B. durch Protokollierung der Datenerfassung und nachträglicher Änderungen.S. 1050

[i]Begrenzung der offenen Ladenkasse auf einen Jahresumsatz von 150.000 € Im Rahmen einer Verordnungsermächtigung bezüglich der Einzelerfassung der Geschäftsvorfälle erging die Barbewegungsverordnung 2007, nach der die Anwendung der offenen Ladenkasse begrenzt wurde auf Fälle mit einem Jahresumsatz von weniger als 150.000 € und auf Umsätze im Freien.

Zwischenfazit:

Die durch diese Maßnahmen erhoffte Vermehrung der Steuerehrlichkeit trat aber nicht ein. Da mehr als 75 % aller Steuerpflichtigen Umsätze von weniger als 150.000 € erklärten und durch die zunehmende technische Manipulation in den elektronischen Aufzeichnungssystemen war es dringend geboten, sowohl die verfahrensrechtlichen Grundlagen der Aufzeichnung anzupassen als auch im Datenbereich wirksame Schutzmaßnahmen gegen Datenmanipulation zu schaffen.

[i]Lange Diskussion über die Missbrauchsbekämpfung So war auch von 2008 bis 2015 in Österreich eine lang anhaltende Diskussion in Gange: teils auf politischer, teils auf steuerlicher oder technischer Ebene. Diese Diskussion war inhaltlich mit jener identisch, die in den letzten Jahren in Deutschland zu beobachten war und ist.

2. Initiative Betrugsbekämpfung im Kassenbereich, Kassenrichtlinie 2012, Kassennachschauen und die Erkenntnisse

[i]Intensivere Kassenprüfungen ergaben schwere Mängel in den Aufzeichnungen Österreich intensivierte nach umfangreichen Schulungen ab 2010 die Kassenprüfungen und Kassennachschauen. Das Ergebnis war eine bundesweit wesentlich gesteigerte Zahl von Aufgriffen bei Kassenmanipulation und die Feststellung von schwersten Ordnungsmängeln bei Registrierkassen. Inhaltlich stand keineswegs die Frage der Manipulationsfähigkeit der Systeme im Vordergrund, sondern die unmittelbare und simple Feststellung schwerer Ordnungsmängel.

Beispiele

Fehlende Dokumentationen, d. h. keine Z-Abschlüsse oder Berichte; mangelnde Prüfungsfähigkeit, weil ein Datenerfassungsprotokoll nicht geführt oder gelöscht wurde.

Wie im steuerlichen Risikomanagement bekannt, fordert die verbreitete mangelnde Aufsicht und nur sporadische Kontrolle den Betrug geradezu heraus.

[i]Kassenführung war zu komplex Aufgrund von Forderungen der Wirtschaft und der Steuerberater, die monierten, dass die Rechtsmaterie der Kassenaufzeichnung hochkomplex und daher dem Verständnis der durchschnittlichen Kassennutzer unzugänglich sei, wurde 2011 in einem Dialogprozess mit Vertretern der Wirtschaft, der Kassenhersteller und der Berater die Kassenrichtlinie 2012 [5] als inhaltliche und formelle Vorgabe zur Einhaltung ordnungsmäßiger Aufzeichnungen und zur Rechtssicherheit erstellt.

[i]Rechtssicherheit durch verbindliche VorgabenWer sich als Unternehmer an diese inhaltlichen Vorgaben hält, sollte später auch keine Probleme bei einer Betriebsprüfung im Kassenbereich bekommen – und kann dann aber auch kaum mehr Steuern hinterziehen.

Im Zeitraum Januar bis Oktober 2014 ergaben rund 1.500 unangemeldete Kassennachschauen der österreichischen Finanzpolizei [6], dass ungefähr 80 % aller kontrollierten Kassen in ihrer Dokumentation Formalmängel aufwiesen; ca. 1/3 wies schwere sachliche Mängel [7] auf. S. 1051

Zwischenfazit:

Damit stand fest, ein signifikanter Teil der Kassennutzer hielt sich schlichtweg nicht an die Vorgaben der Kassenrichtlinie.

[i]Technisch gestütztes und breit kontrollierbares Konzept notwendig Aus diesem Grund war für das österreichische BMF klar: Eine Lösung konnte nicht darin bestehen, mit begrenzten zeitlichen und personellen Ressourcen für weitere Einzelfälle die Erfassungsrisiken zu verifizieren. Notwendig ist vielmehr durch Vorgabe eines technisch gestützten und in der Breite kontrollierbaren Konzepts sicherzustellen, dass der Erfassungsvorgang jedenfalls bestimmten ablauflogistischen und erfassungstechnischen Vorgaben folgt:

  • Gesicherte Eingabe der steuerlich bedeutsamen Eckdaten des Geschäftsvorfalls in ein elektronisches Aufzeichnungssystem und Verarbeitung dieser Eckdaten.

  • Signatur der verarbeiteten Eckdaten als Sicherheit gegen Veränderung.

  • Speicherung der Eckdaten samt Signatur im Datenerfassungsprotokoll als steuerliche Dokumentation nach innen.

  • Ausfertigung eines Belegs mit den steuerlich bedeutsamen Eckdaten samt Signatur.

  • Übergabe des Belegs an den Leistungsempfänger als steuerliche Dokumentation nach außen.

Zwischenfazit:

[i]Dokumentation nach innen und außen Durch die Formalkriterien der Dokumentation nach innen im Datenerfassungsprotokoll und der Dokumentation nach außen auf dem Beleg ist eine rasche Überprüfung der Geschäftsvorfall-Erfassung möglich. Es wird für den Leistungsempfänger sofort offensichtlich, ob der Unternehmer den Geschäftsvorfall ordnungsgemäß erfasst hat – es reduziert sich damit das Risiko einer Nichterfassung.

III. Die Steuerreform 2015 in Österreich und ihre Auswirkungen auf die Aufzeichnungspflichten

1. Auslöser und Diskussion

[i]Österreich schätzt Steuerausfall auf 1 Mrd. € Am erklärte der Finanzminister von NRW Norbert Walter-Borjans [8] in einer Pressekonferenz, dem deutschen Fiskus entgehen durch Manipulationen von Registrierkassen etwa 10 Mrd. €. Diese Fakten und Zahlen motivierten auch die Politik in Österreich, sich mit den Steuerausfällen hieraus auseinanderzusetzen, und die Experten des BMF in Österreich errechneten einen Steuerausfall von mindestens 1 Mrd. € durch Nichterfassung oder Manipulation von Umsätzen.

[i]Rege Diskussion Die Staatssekretärin im österreichischen BMF Sonja Stessl artikulierte Pläne zur Einführung von Registrierkassen [9], die Medien griffen das Thema alsbald auf, und Österreich führte eine rege Diskussion über steuerliche Manipulationsmethoden und mögliche Gegenmaßnahmen. [10]

[i]Gegenfinanzierung einer großen Steuerreform Im Zusammenhang mit dem Plan der österreichischen Bundesregierung zur größten Lohnsteuer-Entlastung der 2. Republik wurde eine Steuerreformkommission eingesetzt, die wirksame Vorschläge zur nötigen Gegenfinanzierung bei der Erstellung der Budgets für 2015 und 2016 bringen sollte.

[i]Empfehlungen einer Steuerreformkommission Diese Kommission sprach sich in ihrem Endbericht [11] dafür aus, S. 1052

  • eine umfassende Einzelaufzeichnungspflicht einzuführen,

  • eine Registrierkassen-Pflicht für Barumsätze zu verankern,

  • eine allgemeine Verpflichtung zur Ausstellung von Belegen für jeden Geschäftsvorfall in Verbindung mit einer Belegannahmeverpflichtung einzuführen sowie

  • [i]www.insika.de eine Sicherheitslösung gegen Datenmanipulationen in Registrierkassen einzuführen, wobei von den Experten das INSIKA-Konzept [12] präferiert wurde.

Ursprünglich hatten Ideen bestanden, Online-Kassen einzuführen oder Software-Zertifizierungen durchzuführen.

Hinweis:

[i]Steuerliches Mehraufkommen Durch die Kasseneinführung samt Begleitmaßnahmen sollte im ersten Jahr (2016) ein Mehraufkommen von rd. 900 Mio. € realisiert werden (Umsatzsteuer), in den Folgejahren entscheidend mehr (Umsatzsteuer und Ertragssteuern). Der Bericht der Steuerreformkommission führte auch aus, dass die als steuerliches Mehraufkommen veranschlagte Milliarde nur bei gleichzeitiger Realisierung aller vorgeschlagenen Maßnahmen zu erzielen sei.

2. Rechtlicher und sicherheitstechnischer Umsetzungsprozess und die Gegenstimmen

Die Regierung schloss sich inhaltlich den Vorschlägen der Steuerreformkommission weitgehend an, und im Regierungsentwurf 3/15 vom [13] wurden die Hauptpunkte präsentiert:

  • [i]Belegpflicht Zur Stärkung der Belegkultur soll künftig für jeden Geschäftsvorfall ein Beleg erteilt werden (Belegerteilungspflicht).

  • [i]Einzelaufzeichnung Barumsätze sind ab dem ersten Euro einzeln aufzuzeichnen.

  • [i]Überwiegende Kassenpflicht In Betrieben mit überwiegend Barumsätzen erfolgt ab einem Nettoumsatz von 15.000 € pro Jahr die Einzelaufzeichnung verpflichtend per Registrierkasse.

  • [i]Technische Sicherheitslösung Jede Registrierkasse ist mit einer technischen Sicherheitslösung gegen Manipulationen zu schützen.

  • Die strafrechtliche Behandlung von Manipulationsprogrammen ist zu prüfen.

[i]Wirtschaftsvertreter beklagten Generalverdacht und Bürokratie Alsbald begann im BMF die legislative Umsetzung, und mit der Vorlage der Begutachtungsentwürfe kam scharfer Gegenwind aus der Wirtschaft auf. Größter Stein des Anstoßes war der von Wirtschaftsvertretern artikulierte „Generalverdacht“ gegen bestimmte Wirtschaftszweige – vor allem gegenüber der Gastronomie. Weiterer Hauptpunkt der Kritik war neben der bloßen Tatsache, dass künftig Erlöse über Registrierkassen manipulationssicher zu erfassen seien, vor allem der damit verbundene Aufwand, die Rede war vom „Bürokratie-Overkill“ und „unüberschaubaren“ Kosten.

[i]Zweifel am Mehraufkommen verringerten sich Vertreter der Wirtschaft zweifelten am prognostizierten Steuermehraufkommen, aber auch namhafte Volkswirtschaftsexperten wie z. B. Prof. Friedrich Schneider von der Universität Linz, der für Deutschland und Österreich in seinen volkswirtschaftlichen Berechnungen stets eine Schattenwirtschaft von etwa 10 % aufzeigt, sprach anfangs von maximal 100 Mio. € bis 150 Mio. €, die durch die Kassenpflicht zu realisieren wären. [14] Zwei Monate später glaubte er bereits an 500 Mio. € [15], Anfang 2016 dann an 500 Mio. € bis 700 Mio. € für 2017 [16] und fügte noch hinzu: „Man sieht ja jetzt schon Verhaltensänderungen. Man bekommt überall einen Kassenbon ausgehändigt.“ S. 1053

Der Präsident des einflussreichen österreichischen Wirtschaftsbunds Christoph Leitl kündigte an, „bis zur letzten Patrone“ gegen „so einen Unsinn zu kämpfen.“ [17]

[i]Wirtschaftliche Interessen Teil der Auseinandersetzung Zur Frage der Sicherheitslösung kamen zur grundsätzlichen Ablehnung im Diskussionsprozess und nach deren rechtlicher Fixierung dann auch geschäftliche Interessen hinzu: Warum sollte eine schon fertige ausländische Lösung wie INSIKA implementiert werden, wenn es auch andere Ansätze gab? Wirtschaftstreuhänder warben für private Sicherheitslösungen. In Österreich wurde der potenzielle Markt zu diesem Zeitpunkt nach Pressemeldungen auf rund 300.000 Kassen geschätzt. [18]

[i]Konzentration auf eine Sicherheitslösung geboten Experten im BMF warnten dringend davor, mehrere technisch unterschiedliche Sicherheitslösungen zuzulassen. [19] Argumente wie „Technologieoffenheit“ oder „finale Durchsetzung des besten Systems im freien Wettbewerb“ würden die angepeilte Sicherheit und vor allem die einfache Prüf- und Kontrollierbarkeit eminent erschweren und unter Umständen durch verwaltungsmäßige Unvollziehbarkeit wieder Hintertüren zum Schwindel öffnen.

Im Hick-Hack um die technische Sicherheitslösung ebenso wie beim Kassenverkauf selbst („Goldgräberstimmung bei Herstellern und Händlern“) ging es nicht zuletzt ums „gute Geschäft“. So ging auch die Nachricht durch die Medien, dass die Wirtschaftskammer an einem der beiden Anbieter von Sicherheitseinrichtungen über Signaturerstellungseinheiten maßgeblich beteiligt sei. [20]

Ergebnis:

[i]Entscheidend war rasche Implementierung Den Ausschlag für den technischen Ansatz gab letztlich die Notwendigkeit, die Sicherheitslösung rasch implementieren zu können, jeden Geschäftsvorfall über eine digitale Signatur manipulationssicher im Datenerfassungsprotokoll und Aufzeichnungssystem zu erfassen und diese Signatur sichtbar auf den Beleg zu drucken, wo sie erkennbar und jederzeit verifizierbar ist. Dadurch wurde eine sonst unumgehbare EU-Ausschreibung unnötig.

[i]Sehr viele Parallelen zum INSIKA-Konzept Die Sicherheitslösung in Österreich hat letztlich sehr viele Parallelen zum INSIKA-Konzept. [21]

3. Sicherheitsgrundkonzept

[i]Redundante LogistikBei der Einführung folgte die Bundesregierung in Österreich den Vorschlägen der Steuerreformkommission im Sinne der Aufstellung einer redundanten Logistik zur Erfassung, Dokumentation, Sicherung und Kontrolle der getätigten Geschäftsvorfälle:

  • [i]Erfassung, Dokumentation, Sicherung und Kontrolle der Geschäftsvorfälle Die Einnahmen sind grundsätzlich täglich einzeln zu erfassen. Die sehr vereinfachte Dokumentation der Summenermittlung mittels Kassensturz bei offener Ladenkasse wird auf wenige Ausnahmen beschränkt.

  • Es besteht eine Einzelaufzeichnungspflicht für die Bargeschäfte.

  • Der Leistende ist verpflichtet, für jede empfangene Barzahlung für Lieferungen und sonstige Leistungen einen Beleg auszustellen und ihn dem Kunden zu übergeben.

  • Der Kunde ist verpflichtet, diesen Beleg entgegenzunehmen.

  • Bis auf Kleinstbetriebe haben alle Unternehmer ihre Geschäftsvorfälle mittels eines elektronischen Aufzeichnungssystems zu erfassen und die Belege mit diesem auszustellen.S. 1054

  • Das Aufzeichnungssystem ist durch eine Sicherheitseinrichtung gegen Manipulation zu schützen.

Aus dem Blickwinkel des steuerlichen Risikomanagements sind nachfolgend die Risiken der Einzelaufzeichnungsarten dargestellt. In ihrer Bedeutung hervorzuheben sind vor allem die nun reduzierten Angriffsmöglichkeiten bei Einzelaufzeichnung:


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Aufzeichnungsform allgemein:
„Herkömmliche“, nicht elektronische Aufzeichnungen
Elektronisches Aufzeichnungssystem § 131b BAO bis 2016
Elektronisches Aufzeichnungssystem gem. § 131b BAO mit Signatur ab 4/2017
Aufzeichnungsform konkret:
Strichliste, Geschäftsbuch
Registrierkasse, Kassensystem, PC-Kasse, Kassenwaage, Taxameter
Registrierkasse, Kassensystem, PC-Kasse, Kassenwaage, Taxameter
Dokumentation nach innen:
händische Aufzeichnung
Datenerfassungsprotokoll, elektronisches Journal
Datenerfassungsprotokoll mit Signatur, elektronisches Journal mit Signatur
Sicherheit der Dokumentation nach innen:
kein Ansatz für Sicherheit – händische Nummerierung sinnlos
gewisse Sicherheit, z. B. durch Sequenznummer oder Zeitstempel
hohe Sicherheit über Signatur
Dokumentation nach außen über Beleg:
kein Beleg
Belegpflicht elektronisch
Belegpflicht elektronisch mit Signatur
Publizität der Dokumentation nach außen:
für Kunde oder FinVerw nicht erkennbar
sichtbar nach außen mit Belegausstellung
sichtbar nach außen und Signatur als Bestätigung der Unveränderbarkeit
Angriff 1: Nichterfassung
fällt nicht auf
fällt auf, keine Eingabe und daher kein Beleg
fällt auf, keine Eingabe und daher kein Beleg
Angriff 2: Abrechnung und spätere Löschung
immer möglich
in Einzelfällen u. U. möglich (Datenbanken)
fällt auf durch Signatur und Verkettung
Angriff 3: Nach- oder Ersatzanfertigung der Aufzeichnung
immer möglich
fällt auf durch Belegausgabe
fällt auf durch Signatur und Verkettung

Abb. 3: Risiken der Aufzeichnungsarten

IV. Rechtliche Anpassungen in Österreich

1. Bundesabgabenordnung (BAO)

[i]Umsetzung der Steuerreform 2016 in Österreich Am beschloss der österreichische Nationalrat [22] die Steuerreform. Damit wurden folgende Anpassungen in der BAO rechtsverbindlich:

§ 131 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c – Einzelaufzeichnungspflicht für Bargeschäfte: Abgabepflichtige, die gemäß § 126 Abs. 2 und Abs. 3 verpflichtet sind, ihre Einnahmen und Ausgaben aufzuzeichnen, sollen alle Bargeschäfte einzeln festhalten.

§ 131b Abs. 1 Nr. 1 – Registrierkassenpflicht: Betriebe haben alle Bareinnahmen zum Zweck der Lösungsermittlung mit elektronischen Registrierkassen, Kassensystem oder sonstigem elektronischen Aufzeichnungssystem einzeln zu erfassen. Die S. 1055Verpflichtung zur Verwendung eines elektronischen Aufzeichnungssystems [23](Z 1) besteht ab einem Jahresumsatz von 15.000 € je Betrieb, sofern die Barumsätze dieses Betriebes 7.500 € im Jahr überschreiten. Barumsätze im Sinn dieser Bestimmung sind Umsätze, bei denen die Gegenleistung (Entgelt) durch Barzahlung erfolgt. Als Barzahlung gilt auch die Zahlung mit Bankomat- oder Kreditkarte oder durch andere vergleichbare elektronische Zahlungsformen, die Hingabe von Barschecks sowie vom Unternehmer ausgegebener und von ihm an Geldes statt angenommener Gutscheine, Bons, Geschenkmünzen und dergleichen.

§ 132a Abs. 1 – Belegerteilungspflicht: Unternehmer haben unbeschadet anderer gesetzlicher Vorschriften dem die Barzahlung Leistenden einen Beleg über empfangene Barzahlungen für Lieferungen und sonstige Leistungen zu erteilen. Als Beleg gilt auch ein entsprechender elektronischer Beleg, welcher unmittelbar nach erfolgter Zahlung für den Zugriff durch den die Barzahlung Leistenden verfügbar ist.

Die Belege haben mindestens folgende Angaben zu enthalten:

1. Eine eindeutige Bezeichnung des liefernden oder leistenden Unternehmers oder desjenigen, der gemäß Abs. 2 an Stelle des Unternehmers einen Beleg erteilen kann;

2. eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung des Geschäftsvorfalls einmalig vergeben wird;

3. den Tag der Belegausstellung;

4. die Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistungen;

5. den Betrag der Barzahlung, wobei es genügt, dass dieser Betrag aufgrund der Belegangaben rechnerisch ermittelbar ist.

Vom Beleg ist eine Durchschrift oder im selben Arbeitsgang mit der Belegerstellung eine sonstige Zweitschrift anzufertigen und sieben Jahre aufzubewahren.

Als Zweitschrift im Sinn dieser Bestimmung gilt auch die Speicherung auf Datenträgern, wenn die Geschäftsvorfälle spätestens gleichzeitig mit der Belegerstellung erfasst werden.

Hinweis:

Bei Verwendung von elektronischen Aufzeichnungssystemen sind zusätzliche Belegbestandteile erforderlich, die durch Verordnung näher spezifiziert werden, wie z. B. die Uhrzeit des Geschäftsvorfalls und die Umsatzsteuersatzkennzeichnung.

§ 132a Abs. 5 – Belegentgegennahmepflicht: Der Leistungsempfänger oder der an dessen Stelle die Gegenleistung ganz oder teilweise erbringende Dritte hat den Beleg entgegenzunehmen und bis außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten mitzunehmen.

§ 131b Abs. 2 – Pflicht zum Manipulationsschutz: Das elektronische Aufzeichnungssystem ist durch eine technische Sicherheitseinrichtung gegen Manipulation zu schützen. Dabei ist die Unveränderbarkeit der Aufzeichnungen durch kryptographische Signatur jedes Barumsatzes mittels einer dem Steuerpflichtigen S. 1056zugeordneten Signaturerstellungseinheit zu gewährleisten und die Nachprüfbarkeit durch Erfassung der Signatur auf den einzelnen Belegen sicherzustellen.

§ 131 Abs. 1 Z6 – Datenerfassungsprotokoll: Eine Überprüfung der vollständigen, richtigen und lückenlosen Erfassung aller Geschäftsvorfälle soll insbesondere bei der Losungsermittlung mit elektronischem Aufzeichnungssystem durch entsprechende Protokollierung der Datenerfassung und nachträglicher Änderungen möglich sein.

Hinweis:

Durch die neue Regelung ist das Datenerfassungsprotokoll nun in jedem Fall zu führen, wenn Datenträger zur Führung von Büchern und Aufzeichnungen oder bei der Erfassung der Geschäftsvorfälle verwendet werden.

Als Alternativlösung für die Sicherheitseinrichtung wurde durch § 131b Abs. 4 BAO die Möglichkeit der Bestätigung der Manipulationssicherheit durch Feststellungsbescheid für Unternehmer geschaffen, die eine Vielzahl von Kassen betreiben.

Voraussetzungen sind das Vorliegen eines geschlossenen Gesamtsystems zur Aufzeichnung und die Bescheinigung der technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Manipulationssicherheit durch das Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen. [24]

[i]Verordnungsermächtigungen zur Erleichterung Verordnungsermächtigungen für den BMF wurden für die folgenden Bereiche erteilt:

  • Erleichterungen bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen, bei der Verwendung eines Aufzeichnungssystems nach § 131b und bei der Belegerteilungsverpflichtung nach § 132a, wenn die Erfüllung dieser Verpflichtungen unzumutbar wäre und die ordnungsgemäße Ermittlung der Grundlagen der Abgabenerhebung dadurch nicht gefährdet wird,

    • für Umsätze bis zu einem Jahresumsatz von 30.000 € je Betrieb oder wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, die im Freien ausgeführt werden,

    • für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe von abgabenrechtlich begünstigten Körperschaften im Sinne des § 45 Abs. 1 und 2 BAO,

    • für bestimmte Warenausgabe- und Dienstleistungsautomaten oder

    • für Betriebe, bei denen keine Gegenleistung durch Bezahlung mit Bargeld erfolgt, dies unbeschadet einer Belegerteilungsverpflichtung nach § 132a.

  • Einzelheiten zur technischen Sicherheitseinrichtung, zur Signaturerstellungseinheit, zur kryptografischen Signatur sowie zu anderen, der Datensicherheit dienenden Maßnahmen.

  • Erleichterungen bezüglich der zeitlichen Erfassung der Bareinnahmen hinsichtlich betrieblicher Umsätze, die außerhalb der Betriebsstätte getätigt werden,

  • weitere Belegangaben zur Nachvollziehbarkeit des einzelnen Geschäftsvorfalls und zur Identifizierung des belegausstellenden Unternehmers.

2. Barumsatzverordnung (BarUV) [25]

[i]Erleichterungen bei offenen Ladenkassen Die BarUV regelt eine vereinfachte Losungsermittlung sowie Erleichterungen bei der Kassen- und Belegerteilungspflicht, soweit über die Bareingänge keine Einzelaufzeichnungen geführt werden. Bei Berechtigung zur vereinfachten Losungsermittlung können die Bareingänge eines Tages durch Kassensturz (offene Ladenkasse) ermittelt werden, und es besteht keine Kassen- und Belegerteilungspflicht. S. 1057

Hinweis:

Der Kassensturz muss nachvollziehbar sein und entsprechend dokumentiert werden und spätestens zu Beginn des nächstfolgenden Arbeitstages und für jede Kasse gesondert erfolgen.

Fälle [i]Zulässige Anwendung offener Ladenkassen der vereinfachten Losungsermittlung durch offene Ladenkasse sind:

  • Umsätze im Freien,

  • Umsätze von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben von steuerbegünstigten Körperschaften, z. B. kleine Vereinsfeste, Sportveranstaltungen, Ausstellungen von gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Körperschaften insbesondere Vereinen sowie für Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts, z. B. Pfarr- und Feuerwehrfeste.

  • Umsätze mit Warenausgabe- und Dienstleistungsautomaten, wenn die Gegenleistung für die Einzelumsätze 20 € nicht übersteigen;

  • Unternehmer, die ihre Lieferungen und sonstigen Leistungen außerhalb des Betriebsorts beim Leistungsempfänger erbringen und zur Führung von Registrierkassen verpflichtet sind, dürfen diese Umsätze erst nach Rückkehr an den Betriebsort in der Registrierkasse erfassen, wenn sie bei Barzahlung dem Leistungsempfänger einen Beleg ausfertigen und eine Durchschrift aufbewahren.

Hinweis:

Online-Shops werden hinsichtlich der Umsätze, die über eine Online-Plattform ausgeführt werden, von der Kassenpflicht ausgenommen. Unternehmer, die ihre Lieferungen und sonstigen Leistungen außerhalb einer Betriebsstätte erbringen („mobile Gruppen“), können Umsätze vorerst auf Parergons, d. h. auf Nachträgen, erfassen und dann nach der Rückkehr in die Betriebsstätte in die Registrierkasse eingeben.

V. Rechtsprechung zu den neuen Aufzeichnungspflichten

1. Argumente der Gegner

[i]Umgehende rechtliche Überprüfung der Aufzeichnungspflichten Bald nach Gesetzwerdung kündigte die Wirtschaftskammer [26] an, die neuen Pflichten vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen. Im Oktober 2015 wehrten sich eine nebenberufliche Schmuckdesignerin, ein Taxiunternehmer und eine Tischlerei gegen den Zwang zum Beleg und die Kassenpflicht.

Die Antragsteller erachteten diese Pflichten als nachteiligen Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie in das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung. Der finanzielle Aufwand, der dem Einzelnen durch das Gesetz auferlegt wurde, sei „unverhältnismäßig“. Die aufzeichnungs- und sicherheitstechnische Gleichbehandlung von Geschäftsvorfällen mit einer Gegenleistung in Bargeld mit Kreditkarten- und Bankomatumsätzen sei unnötig, weil diese Umsätze ohnehin auf dem Konto des Unternehmers verbucht würden.

Exkurs:

Gerade dieser Punkt wurde seit Gesetzwerdung in Österreich intensiv diskutiert, wobei die folgende Aufstellung zeigt, dass Kreditkarten- und Bankomatumsätze im Vergleich zu Banküberweisungen keineswegs ohne fiskalisches Risiko sind.S. 1058


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Gegenleistung mit
Bargeld
Bankomat
Kreditkarte
Zahlschein/ Erlagschein/Bank
Leistungsaustausch faktisch beiderseits vollzogen
unmittelbar mit dem Geschäftsvorfall
nach Gutschrift
nach Gutschrift
nach Gutschrift
vollständige Kenntnis der Identität des Geschäftspartners
nicht notwendig, weil Leistungsaustausch beiderseits sofort vollzogen
Nicht notwendig, da Zahlungsdienstleister für die Leistung einsteht; Bezahlung mit fremder Karte bei Kenntnis der PIN möglich
Nicht notwendig, da Zahlungsdienstleister für die Leistung einsteht
jedenfalls Vorbedingung wegen u. U. nötiger rechtlicher Durchsetzbarkeit des Anspruchs auf Gegenleistung
Nachverfolgbarkeit der Leistung über Konteneinsicht
Keine, mangels Kontenbewegung
nur wenn Identität und Kontenzuordnung eindeutig bekannt sind, sonst Risiko der Unauffindbarkeit
nur wenn Identität und Kontenzuordnung eindeutig bekannt sind, sonst Risiko der Unauffindbarkeit
nur wenn Identität und Kontenzuordnung eindeutig bekannt sind, sonst Risiko der Unauffindbarkeit
fiskalisches Risiko ohne Signatur
Unmittelbare Möglichkeit zur Hinterziehung, keine Erfassung oder aber nachträgliche Löschung
Umbuchung der Leistung auf anderes Konto, Löschung des Geschäftsvorfalls; Umsätze gehen nicht in den Umsatzzähler, bei Totalverlust kein Ansatz zur Ersatzermittlung
Umbuchung der Leistung auf anderes Konto, Löschung des Geschäftsvorfalls; Umsätze gehen nicht in den Umsatzzähler, bei Totalverlust kein Ansatz zur Ersatzermittlung

Abb. 4: Risiken der Zahlungsmittel

2. Entscheidung des österreichischen Verfassungsgerichtshofs

Mit großer Spannung wurde die öffentliche Verhandlung erwartet. Mit Erkenntnis vom [27] - G 606/2015, G 644/2015 und G 649/2015 entschied das Höchstgericht zur Kassenpflicht: Diese Kassenpflicht

  • sei kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheit der Erwerbstätigkeit,

  • liege im öffentlichen Interesse,

  • stelle auch für Kleinunternehmen keine Unverhältnismäßigkeit dar,

  • bedeute keine Verletzung der Unversehrtheit des Eigentums,

  • ihre Einführung stehe unter keiner zu kurzen Legisvakanz,

  • es bestünden keine Bedenken gegen eine Gleichstellung der Bankomat- und Kreditkartenumsätze hinsichtlich der Registrierkassenpflicht und der Belegerteilungspflicht.

[i]Maßgeblich sind die Umsätze ab 2016, keine Rückwirkung Einzige Erkenntnis gegen die Neuregelung: Die Verpflichtung ergebe sich berechnungsmäßig nicht rückwirkend aus den Umsätzen des Jahres 2015, erst der Umsatz ab dem sei maßgeblich.

[i]Gleichmäßigkeit der Besteuerung Von grundsätzlicher Aussagekraft sind Teile der Begründung des Urteils, wobei das Höchstgericht vor allem den Gesichtspunkten der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und der in diesem Zusammenhang gebotenen Verhinderung von Umsatzverkürzungen aus Bargeschäften besondere Bedeutung einräumte. S. 1059

Auszug Rz. 82 + 85:

Der Gesetzgeber geht zulässigerweise davon aus, dass bei Durchführung von Bargeschäften besondere Aufzeichnungs- und Erfassungspflichten geeignet sein können, Abgabenverkürzungen hintanzuhalten. Umsätze, bei denen der Zahlungsvorgang für sich keine für die Abgabenbehörden nachvollziehbare Dokumentation in den Geschäftsunterlagen nach sich zieht, tragen nämlich offenkundig ein höheres Risiko einer Abgabenverkürzung in sich als unbare Zahlungsvorgänge.

Vor diesem Hintergrund liegt die in § 131b BAO vorgesehene Verpflichtung zur Verwendung einer Registrierkasse im öffentlichen Interesse und ist diese zur Zielerreichung geeignet. Die angefochtene Regelung zielt – wie auch die mündliche Verhandlung bestätigt hat – nicht ausschließlich auf eine Erhöhung des Steueraufkommens ab, sondern in erster Linie auf die Vermeidung von Steuerausfällen, die durch Umsatzverkürzungen aus Bargeschäften bedingt sind, und dient damit dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Dieses Ziel rechtfertigt, dass der Gesetzgeber im Rahmen seines weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes neben allgemeinen Mitwirkungs- und Erklärungspflichten mit Blick auf Abgabenverfahren als Massenverfahren auch für Kleinunternehmen eine Registrierkassenpflicht vorsieht, die der Abgabenverwaltung unter Einsatz moderner Technologien die effiziente Überprüfung offenzulegender Informationen ermöglicht, zumal das im Zuge von Bargeschäften auftretende Risiko von Umsatzverkürzungen auch im Fall von Kleinunternehmen besteht.

Diese Grundsätze sind im Zusammenhang mit der Frage der Notwendigkeit einer technischen Aufzeichnungslösung für die Mehrzahl der Steuerfälle und insbesondere für den Bereich der kleineren Betriebe von essenzieller Bedeutung.

Fazit

Mit den dargestellten, durch ein Höchstgericht bestätigten Regelungen wurde in Österreich ein redundantes Netz von Sicherheitsansätzen als Grundlage der Risikoreduktion im Kassenbereich und der Steuergerechtigkeit fixiert. Die rechtlichen Einzelschritte entsprechen von der Sicherheitslogistik her dem derzeit herrschenden internationalen Standard. Die Darstellung der technischen Umsetzung mittels einer Sicherheitslösung ist Gegenstand des zweiten Teils.

Autor

Erich Huber,
Regierungsrat, Mitarbeiter im österreichischen BMF und verantwortlich für die Ausbildung der Betriebsprüfung und Finanzpolizei im Kassenbereich über die österreichische Bundesfinanzakademie, ist Mitglied im Kassen-Dozententeam der deutschen Bundesfinanzakademie und hat in beratender Funktion am INSIKA-Projekt mitgewirkt; er hat in Österreich das Gesetzgebungsverfahren der Registrierkassenpflicht von der Steuerreformkommission über die Neufassung der Bundesabgabenordnung bis zur Erstellung der Verordnungen und des Durchführungserlasses begleitet.

Fundstelle(n):
BBK 2016 Seite 1047 - 1059
NWB WAAAF-83501

1Vgl. www.insika.de; vgl. auch Huber/Reckendorf/Zisky, Die Unveränderbarkeit der (Kassen-)Buchführung nach § 146 Abs. 4 AO im EDV-Zeitalter und INSIKA, Teil 1: Historische Wurzeln und Realzustand, NWB MAAAE-37806, Teil 2: Probleme, Ursachen und Lösungen, NWB NAAAE-39375, Teil 3: Konzept, Technik, Praxis, NWB SAAAE-40175.

2Vgl. hierzu etwa Huber, Praktische Erfahrungen mit der Kassenführung in Österreich, BBK 6/2014 S. 286 NWB WAAAE-57649 sowie zuletzt z. B. Rätke, Gesetz zum Schutz vor Kassenmanipulationen, BBK 10/2016 S. 497 NWB IAAAF-73320 sowie Reckendorf, Das Spannungsfeld von Registrierkassen und Betriebsprüfungen, BBK 10/2016 S. 479 NWB SAAAF-73321.

3Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, Band 3, Köln 2003, S. 1411. S. 1407: Wenn ungleichmäßige Gesetzesanwendung, wenn der Gesetzesbruch mit staatlicher Duldung zur Regel wird, wird das Herausgreifen einzelner – mit denen ausnahmsweise nach dem Gesetz verfahren wird – zur Willkür.

4In Österreich sogenannte „Käsezettel“, „Belege“ ohne Bezeichnung des Unternehmers, Datum, Uhrzeit oder fortlaufende Nummer.

5Quelle: https://www.bmf.gv.at/steuern/fristen-verfahren/ba-Kassenrichtlinie-2012.html Eckpunkte für Vertrauensvorschuss: Erfüllung der formellen BAO-Vorgaben, Verfahrensdokumentation, DEP, freiwillige Belegerteilung, E 131.

6Quelle: www.bmf.gv.at/ministerium/presse/archiv-2014/dezember/BerichtSteuerreformkommission.html.

7Quelle: http://kurier.at/wirtschaft/wirtschaftspolitik/registrierkassen-pflicht-koennte-kassiert-werden/123.003.879.

8Quelle: www.welt.de/regionales/duesseldorf/article126535239/NRW-will-gegen-Betrug-mit-Bargeldkassen-vorgehen.html.

9Vgl. das Interview mit der österreichischen Finanzstaatssekretärin Stessl: „Wirte, Handel: SPÖ-Pläne gegen den Steuerbetrug – Einkaufen und Wirtshaus-Besuche künftig nur noch gegen korrekte Rechnung“. Vgl. auch http://kurier.at/wirtschaft/wirtschaftspolitik/wirte-handel-spoe-plaene-gegen-den-steuerbetrug/69.195.518 und die Aussage des Kanzleramtsministers Ostermayer in der Kronenzeitung vom „Wir wollen mit einer funktionierenden Kassenpflicht dem Mehrwertsteuerbetrug entgegentreten.“

10Quelle: http://kurier.at/wirtschaft/unternehmen/manipulierte-kassen-schein-rechnungen/68.216.284.

11Quelle: www.bmf.gv.at/ministerium/presse/archiv-2014/dezember/BerichtSteuerreformkommission.html.

12Quelle: http://kurier.at/wirtschaft/wirtschaftspolitik/1-5-milliarden-fuer-die-staatskasse/129.207.802.

13Quelle: www.bmf.gv.at/steuern/Vortrag_Ministerrat_Steuerreform_20152016.pdf?5b0v3k.

14Quelle: http://kurier.at/politik/inland/steuerbetrugsbekaempfung-registrierkassen-sollen-900-millionen-einbringen/119.815.764.

15Quelle: http://salzburg.orf.at/news/stories/2735310/.

16Quelle: http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/4904918/Okonom_Schwarzarbeit-durch-Fluchtlinge-hat-auch-Vorteile.

17Quelle: http://kurier.at/wirtschaft/wirtschaftspolitik/registrierkassen-pflicht-koennte-kassiert-werden/123.003.879.

18In Deutschland geht der ADM e. V. von ca. 1,5 Mio. Kassensystemen aus, vgl. hierzu die Kostenanalyse des INSIKA-Konzepts unter http://insika.de/news/54-kostenanalyse-insika.

19Siehe http://insika.de/news/54-kostenanalyse-insika.

20Quelle: http://derstandard.at/2000032200563/Registrierkasse-Wirtschaftskammer-an-Zulieferfirma-beteiligt und https://www.bmf.gv.at/ministerium/ presse/archiv-2014/dezember/BerichtSteuerreformkommission.html.

21Siehe http://www.insika.de und dort die Dokumente „Sichere Registrierkassen – internationale Fallbeispiele“, sowie „Analyse der österreichischen Registrierkassensicherheitsverordnung vom “.

22Quelle: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/I/I_00684/index.shtml.

23Ein elektronisches Aufzeichnungssystem (neuer Oberbegriff für Registrierkassen und Kassensysteme aller Art) ist eine Einrichtung zur Erfassung von Geschäftsvorfällen, welche über eine technische Sicherheitslösung mittels der jeweiligen Signaturerstellungseinheit manipulationssicher im Datenerfassungsprotokoll aufgezeichnet werden (Erläuterungen). Mehrere Eingabestationen, die mit einer Signaturerstellungseinheit verbunden sind, gelten unter oben angeführten Voraussetzungen als ein elektronisches Aufzeichnungssystem im Sinne des § 131b Abs. 2 BAO (Erläuterungen).

24Die technischen Sicherheitsschritte der Signatur und Geschäftsvorfallverkettung sind allerdings auch hier einzuhalten.

25Quelle: www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/module?gentics.am=Content&p.contentid=10007.179693.

26Quelle: http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/4855222/Registrierkassen_Drei-steirische-Firmen-gehen-zu-VfGH.

27Quelle: https://www.vfgh.gv.at/cms/vfgh-site/attachments/4/3/3/CH0006/CMS1458027303032/registierkassen_entscheidung.pdf.