Beschwer durch Nullbescheid
Leitsatz
Setzt die Finanzbehörden nach Erhebung einer Klage, die sich sowohl gegen den Einkommensteuerbescheid bzw. den Gewerbesteuermessbescheid, als auch auf die gesonderte Feststellung eines Verlustvortrags zum Ende desselben Veranlagungszeitraums richtet, die Steuer bzw. den Messbetrag auf Null herab, entfällt wegen § 10d Abs. 4 S. 5 EStG, § 35b Abs. 2 S. 3 GewStG die zunächst gem. § 10d Abs. 4 S. 4 EStG, § 35b Abs. 2 S. 2 GewStG i.V.m. § 42 FGO bestehende Bindungswirkung des Steuer-/Messbescheids für die gesonderte Feststellung des Verlustvortrags.
Hinsichtlich der Klage liegt wegen des Steuer-/Messbescheids liegt deshalb auch dann eine vollständige Stattgabe i.S.d. § 138 Abs. 2 S. 1 FGO vor, wenn die Finanzbehörde den Erlass des Nullbescheids mit einem geringeren als dem vom Kläger behaupteten Verlust begründet.
Gesetze: EStG § 10d Abs. 4 S. 4, EStG § 10d Abs. 4 S. 5, GewStG § 35b Abs. 2 S. 2, GewStG § 35b Abs. 2 S. 3, FGO § 138 Abs. 2 S. 1
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig
Tatbestand
Der Beklagte hat die Körperschaftsteuer 2008 und 2009 und die Gewerbesteuermessbeträge 2008 und 2009 auf Null herabgesetzt. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache erledigt erklären, so dass – nach Abtrennung der insoweit erhobenen Klagen (§ 73 der Finanzgerichtsordnung (FGO)) – nur noch über die Kosten des abgetrennten Verfahrens zu entscheiden war.
Gründe
Die Kosten des abgetrennten Verfahrens wegen Körperschaftsteuer 2008 und 2009 und Gewerbesteuermessbeträge 2008 und 2009 waren gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO dem Beklagten aufzuerlegen. Denn nach dem sich aus den Akten ergebenden Sach- und Streitstand hat der Beklagte der Klage durch den Erlass der sog. Null-Bescheide im vollen Umfang stattgegeben. Soweit die Klägerin zwar beantragte hatte, die für 2008 und 2009 berücksichtigten verdeckten Gewinnausschüttungen (vGA) gänzlich aufzuheben, ist der Beklagte dem inhaltlich zwar nicht in vollem Umfang nachgekommen. Die Verminderung der vGA auf den nach Ansicht des Beklagten entstandenen Gewinn aus den streitigen Auslandsgeschäften (anstelle der vorherigen vGA in Höhe der streitigen Bruttoeinnahmen ohne Berücksichtigung des Wareneinsatzes) hat aber zur Herabsetzung der Körperschaftsteuer 2008 und 2009 und der Gewerbesteuerbeträge 2008 und 2009 auf Null geführt, wodurch hinsichtlich dieser Streitgegenstände die Klage materiell-rechtlich in der Hauptsache vollständig erledigt und mangels Beschwer (§ 40 Abs. 2 FGO) unzulässig geworden war. Eine Beschwer ergibt sich nicht aus § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in Verbindung mit § 10d Abs. 4 Satz 4 (insbesondere 2. Halbsatz) des Einkommensteuergesetzes (EStG) bzw. aus § 35b Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) jeweils in Verbindung mit § 42 FGO. Denn soweit danach den in einem Körperschaftsteuer- bzw. Gewerbesteuermessbescheid genannten Besteuerungsgrundlagen gleich einem Grundlagenbescheid Bindungswirkung für die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer bzw. des vortragsfähigen Gewerbeverlustes für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zukommt, gilt dies nach §§ 8 Abs. 1 KStG, 10d Abs. 4 Satz 5 EStG bzw. nach § 35b Abs. 2 Satz 3 GewStG nicht, wenn die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung des Körperschaftsteuer- bzw. Gewerbesteuermessbescheids ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzende Körperschaftsteuer bzw. des festzusetzenden Gewerbesteuermessbetrags unterbleibt. Letzteres ist hier vorliegend der Fall. Denn das Gericht hätte nach dem Erlass der Nullbescheide, die gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens wurden, keine weitere Herabsetzung der darin i.H.v. 0 Euro festgesetzten Steuer- bzw. Messbeträge ausurteilen können. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG bzw. § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG verliert dadurch nicht seinen Anwendungsbereich, der letztlich als Reaktion auf die geänderte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH; vgl. Urteil vom IX R 70/06, BFHE 223,50, BStBl. II 2009, 897) insbesondere darin besteht, die erst nach Bestandskraft eines Steuerbescheids begehrte Feststellung eines vom Erläuterungsteil des Steuerbescheids abweichenden Verlustvortrags zu verhindern. Wenn hingegen – wie hier – die Feststellung bzw. Erhöhung des Verlustvortrags zu einem Zeitpunkt begehrt wurde, in dem der Steuer- bzw. Messbescheid (hier wegen der vorliegenden Klage) noch nicht unanfechtbar war, unterbleibt die Änderung nicht mangels Ablauf der Einspruchs- oder Klagefrist oder mangels Änderungsvorschrift, sondern nur weil keine weitergehende Herabsetzung der Steuern bzw. des Messbetrags möglich ist. In diesem Fall bedarf es nach dem Sinn und Zweck des § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG und § 35b Abs. 2 Satz 3 GewStG keiner Fortsetzung der Klage gegen die Nullbescheide mit dem Ziel, die im Erläuterungsteil der Null-Bescheide genannten Verluste zu erhöhen (vgl. Kulosa, in: Schmidt, 34. Auflage 2015, § 10d Rz. 36, 47 und , BFH/NV 2015, 812). Vielmehr genügt es, die gleichzeitig gegen die Feststellungsbescheide zum und zum erhobene Klage mit dem Ziel der weitergehenden Erhöhung der mit den Änderungsbescheiden vom festgesetzten Verlustvorträgen fortzusetzen.
Die Entscheidung über die Erforderlichkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
Fundstelle(n):
VAAAF-18927