FG Baden-Württemberg Urteil v. - 8 K 751/17

Kein Abzug anteiliger Aufwendungen für das selbstgenutzte Wohnhaus als Betriebsausgaben einer selbständigen Tagesmutter bei Fehlen objektivierbarer Aufteilungskriterien

Leitsatz

1. Ein Abzug anteiliger Aufwendungen für das selbstgenutzte Wohnhaus als Betriebsausgaben einer selbständigen Tagesmutter kommt nicht in Betracht, wenn nicht nach objektivierbaren Kriterien bestimmt werden kann, in welchem Umfang eine Nutzung der teils gemischt, teils ausschließlich genutzten Räumlichkeiten des Hauses im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Tagesmutter erfolgte.

2. Bei einer Gesamtschau kam im Streitfall wegen des Ineinandergreifens privater und beruflicher Nutzung eine Aufteilung nach Flächen- oder Zeitanteilen nicht in Betracht; ein anderer Aufteilungsmaßstab unter Zugrundelegung objektiv bestimmbarer Kriterien war nicht ersichtlich.

Gesetze: EStG § 4 Abs. 4, EStG § 12 Nr. 1

Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist rechtskräftig

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin die von ihr berechneten anteiligen tatsächlichen Aufwendungen betreffend das eigengenutzte Haus als Betriebsausgaben im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit als Tagesmutter geltend machen kann.

Die Kläger bewohnten im Streitjahr 2011 gemeinsam ein Einfamilienhaus im A-Straße 11 in X. Der Kläger erzielte vor allem Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Die Klägerin war im gemeinsamen Familienheim der Kläger als Tagesmutter tätig. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 machte die Klägerin ein Verlust aus ihrer Tätigkeit als Tagesmutter i.H.v. … EUR geltend (Bl. 21 Einkommensteuerakte 2011). In der Anlage zur Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 (Bl. 12 ff. Einkommensteuerakte 2011), auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, legten die Kläger eine Berechnung der Betriebsausgabenpauschale gemäß , Bundessteuerblatt – BStBl – I 2008, 14 vor, welche unter Berücksichtigung der einzelnen Kinder und deren Anwesenheitszeiten im Hause der Klägerin im Streitfall… EUR betrug. Eine von den Klägern zusätzlich vorgelegte Kostenaufstellung auf der Grundlage konkret geltend gemachter Aufwendungen ergab hingegen einen Betriebsausgabenabzug in Höhe von insgesamt… EUR. Unter Zugrundelegung von Einnahmen i.H.v. … EUR errechneten die Kläger einen Verlust in Höhe von… EUR. Dieser setzte sich aus folgenden Beträgen zusammen (Bl. 16 Einkommensteuerakte 2011):

  • „anteilige Renovierungskosten für die im Jahr 2011 renovierten Räume, die der Tagesmuttertätigkeit dienen: … EUR (davon neu angeschaffte Kücheneinrichtung

  • i.H.v. EUR)

  • anteilige AfA: … EUR

  • anteilige Finanzierungskosten für Tagesmuttertätigkeit: … EUR

  • Summe zusätzlicher Betriebsausgaben in 2011: … EUR”

Insgesamt wurden die Anteile der Renovierungskosten für die Räume, die der Tagesmuttertätigkeit dienten, mit 50% angesetzt. Der Berechnung lag im Übrigen eine Fläche von 91,29 m² (Gesamtfläche des Hauses: 163,70 m²) als für die Tagesmuttertätigkeit genutzt zugrunde. Dabei wurden – gemäß Baubeschreiben nach DIN 283 (Bl. 5f Betriebsprüfungsakte) folgende Räume berücksichtigt:

  • im Obergeschoss: Raum „Kind II” als Schlafzimmer für Tageskinder (8,79 m²),

  • im Erdgeschoss: alle Räume (56,60 m²)

  • im Untergeschoss: der sog. Hobbyraum als Spielzimmer für Tageskinder (25,90 m²).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berechnungen der Kläger verwiesen.

Mit Schreiben vom (Bl. 36 Einkommensteuerakte 2011) teilte der Beklagte den Klägern unter anderem folgendes mit:

„Bei den Einkünften als Tagesmutter können als Betriebsausgaben entweder die Pauschale oder die tatsächlich nachgewiesenen Betriebskosten geltend gemacht werden. Ein gemischter Ansatz ist nicht möglich! Mit Inanspruchnahme der Betriebsausgabenpauschale sind somit alle Aufwendungen wie Mobiliar, Spiel und Bastelbedarf, Nahrungsmittel, Hygieneartikel, Fachliteratur, Telefonkosten, Miete und Betriebskosten, Renovierungskosten usw. abgegolten. Bei Einzelnachweis der Betriebsausgaben ist der zusätzliche Abzug der Betriebsausgabenpauschale nicht zulässig. In der eingereichten Anlage

„EÜR” können daher nur die Betriebsausgabenpauschale berücksichtigt werden. Die Einkünfte aus selbständiger Arbeit betragen somit… EUR”.

Hierzu nahmen die Kläger mit Schreiben vom (Bl. 8 und 30 Einkommensteuerakte 2011) Stellung. Der Beklagte erließ am einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem er Einkünfte aus selbstständiger Arbeit der Ehefrau i.H.v. … EUR zugrunde legte und welcher gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. In den Erläuterungen zur Festsetzung heißt es dazu:

„Zu den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit/Tagesmutter: Laut vorliegenden Unterlagen haben Sie für das Kind Y. im Jahr 2011 Einnahmen i.H.v. … EUR erhalten anstatt die angegeben… EUR. Die Einnahmen wurden entsprechend erhöht. Diese wurden daher mit… EUR angesetzt. Die Anschaffungskosten der Kücheneinrichtung ist auf eine generelle Nutzungsdauer von zehn Jahren zu verteilen. Die jährliche Abschreibung beträgt demnach… EUR. Die Gesamtbetriebsausgaben betragen somit… EUR. Die Einkünfte ändern sich auf +… EUR.”

Gegen den Bescheid legten die Kläger am Einspruch ein und wandten sich gegen die Verteilung der Anschaffungskosten der Kücheneinrichtung auf 10 Jahre. Diesen Einspruch nahm die Kläger am wieder zurück.

Am nahm der Beklagte bei den Klägern eine abgekürzte Außenprüfung gemäß § 203 AO vor. In dem diesbezüglichen Aktenvermerk (Bl. 4 Betriebsprüfungsakte) führt der zuständige Prüfer hierzu aus:

„Die Steuerbürgerin macht überwiegend gemischte Aufwendungen als Betriebsausgaben wie z.B. Reparaturaufwendungen, AfA für eine neue Küchenanschaffung, Schuldzinsen für den Hauskauf und Gebäude-AfA geltend, welche sowohl als auch für die Tätigkeit als Tagesmutter und durch die private Nutzung zu Wohnzwecken entstanden sind. Nach meiner Rechtsauffassung sind die vorgenannten geltend gemachten Ausgaben nicht abzugsfähige Ausgaben gemäß § 12 EStG, da sich eine Trennung der Aufwendungen nicht leicht und einwandfrei durchführen lässt, oder nur schwer erkennbar ist, ob sie mehr der beruflichen Tätigkeit oder mehr der privaten Lebensführung gedient haben. In diesem Fall gehört der gesamte Betrag nach § 12 Nr. 1 EStG zu den nichtabzugsfähigen Ausgaben. Der Teil der Aufwendungen, der als Betriebsausgaben zu berücksichtigen ist, kann deshalb auch nicht zutreffend geschätzt werden. Insbesondere deshalb, da die verschiedenen gemischtgenutzten Räume unterschiedlich durch die Tageskinder genutzt und beansprucht werden. Auf die Ausführungen in dem wird verwiesen. (…) Höhere Aufwendungen können nur über eindeutigen Nachweis, wie z.B. bei Anmietung von Räumen usw. geltend gemacht werden. Demzufolge sind als Betriebsausgaben meines Erachtens lediglich die Pauschbeträge abzugsfähig. Die Nutzung des Gebäudes ergibt sich aus dem in Kopie beigefügten Grundrissplan und der Flächenberechnung. (…)”

Im geändertem Einkommensteuerbescheid vom berücksichtigte der Beklagte das Ergebnis der Außenprüfung und setzte Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit in Höhe von… EUR an. Gleichzeitig hob er den Vorbehalt der Nachprüfung auf. In den Erläuterungen zum Bescheid heißt es wie folgt:

„Die Änderung erfolgt aufgrund der bei Ihnen am durchgeführten Inaugenscheinnahme. Der Gewinn aus der Tätigkeit als Tagesmutter ermittelt sich wie folgt:


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Einnahmen
… EUR
– Betriebskostenpauschale
… EUR
= Gewinn
… EUR”

Gegen den geänderten Bescheid legten die Kläger am Einspruch ein. Mit Schreiben vom (Bl. 42 ff. Rechtsbehelfsakte) wurde der Einspruch dahingehend begründet, dass die Klägerin als Tagesmutter in der Regel täglich 4-5 Kinder in ihrem häuslichen Bereich betreue. Die Tätigkeit beginne morgens ab ca. 7:30 Uhr mit Kleinkindern, die noch nicht den Kindergarten besuchten. Ab nachmittags kämen Kinder, die die Schule oder den Kindergarten besuchten. Alle Kinder erhielten von der Klägerin die volle Verpflegung. Für die Betreuung der Pflegekinder werde die gesamte Wohnung ausschließlich oder zeitanteilig mit Ausnahme des Schlafzimmers und des Arbeitszimmers im ersten Obergeschoss der Kläger genutzt. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei durchaus eine leichte und einwandfreie Trennung der Nutzung der Räumlichkeiten für die berufliche Tätigkeit und die private Lebensführung vorzunehmen. Vorliegend sei eine Aufteilung nach Flächenanteilen und zeitlichen Nutzungsverhältnissen der einzelnen Räumlichkeiten durchaus möglich. Der ausschließlichen beruflichen Nutzung unterfielen im Obergeschoss das Kinderzimmer II (8,79 m²), das Zimmer „Spielen” (9,08 m²) sowie im Untergeschoss der Hobbyraum/das Spielzimmer. Eine zeitanteilige Nutzung erfolge im Erdgeschoss in Bezug auf den Bereich Wohnen, Essen, Küche und WC (56,60 m²) sowie das Bad im Obergeschoss (6,64 m²).

Aufgrund der zeitlichen Nutzung ergebe sich folgendes Verhältnis:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
– „beruflich:
montags bis freitags von 7:30 Uhr bis 18:00 Uhr:
täglich 10,5 Stunden × 5 Tage
52,5 Stunden
– privat:
montags bis freitags morgens ca. eine halbe Stunde und abends von 18 bis 22:00 Uhr: 4 Stunden, samstags und sonntags maximal 14 Stunden täglich
somit gesamt 4,5 Stunden x 5 Tage
22,50 Stunden
samstags und sonntags 14 Stunden × 2 Tage
28,00 Stunden
Nutzung privat gesamt
50,50 Stunden”

Bei den gemischt genutzten Räumen ergebe sich daraus für die beruflich veranlasste Nutzung ein Anteil von 50,98% und für die privat veranlasste Nutzung ein Anteil von 49,02%. Unter Zugrundelegung der Gesamtfläche des Hauses und der oben ausgeführten jeweiligen ganzen bzw. zeitanteiligen Nutzung ergebe sich, dass 56,68 % der Gebäudeaufwendungen im Jahr 2011 bei den Aufwendungen aus der beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Tagesmutter berücksichtigt werden sollten. Wegen der diesbezüglichen Berechnungen im Einzelnen wird auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom (Bl. 42 ff. Rechtsbehelfsakte) verwiesen.

Mit Schreiben vom (Bl. 51 Rechtsbehelfsakte) teilte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten u.a. mit, dass eine Berücksichtigung der 56,68 % der Gebäudeaufwendungen nicht möglich sei, weil eine einwandfreie Trennung von den Kosten der privaten Lebensführung nicht möglich sei. Der Beklagte verwies auf sein vorhergehendes Schreiben vom . Weiterhin wies er auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung gemäß § 367 Abs. 2 AO hin und teilte den Klägern in diesem Zusammenhang mit, dass letztere durch eine Einspruchsrücknahme vermieden werden könne. Im Einzelnen nahm der Beklagte darauf Bezug, dass bei den zugunsten der Kläger berücksichtigten Handwerkerleistungen i.S.d § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG) fälschlicherweise Lohnkosten i.H.v. … EUR berücksichtigt worden seien. Für die vermietete Wohnung komme die Steuerermäßigung nach § 35a EStG jedoch nicht in Betracht, weil das Objekt nicht eigengenutzt werde. Es handele sich vielmehr bei diesen Kosten um umlagefähige Kosten, die vermutlich von den Mietern übernommen worden seien. Ein Abzug bei den Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung scheide aus, weil bei den Mieteinnahmen nur die Nettomieteinnahmen erklärt worden seien, nicht aber die Nebenkosten.

In einem Aktenvermerk des Beklagten über ein Telefongespräch mit dem Prozessbevollmächtigten vom vertrat dieser die Ansicht, dass die von der Klägerseite vorgenommene Aufteilung der Nutzung der Räume nach den geschätzten Stunden, während derer die Betreuungskinder anwesend seien, weder richtig noch gerechtfertigt sei. Außerdem erscheine es auch nicht glaubhaft, dass die Kinder das Wohnzimmer überhaupt nutzen dürften. Demzufolge könne nur die Aufwendung für die Räume, die extra für die Kinder hergerichtet seien, berücksichtigt werden (nur Spielzimmer). Die Aufwendungen für diese Räume lägen unter der Betriebsausgabenpauschale, so dass deren Ansatz günstiger sei als der Ansatz der tatsächlichen Aufwendungen. Da dem Beklagten keine Nachweise über die durchgeführten Renovierungsmaßnahmen vorlägen, könne auch nicht geprüft werden, worauf die Reparaturaufwendungen tatsächlich entfielen und inwieweit auch Handwerkerleistungen im Sinne des § 35a EStG in den als Betriebsausgaben angesetzten Kosten enthalten seien.

Mit Einspruchsentscheidung vom (Bl. 56 ff. Rechtsbehelfsakte) wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die anteiligen Gebäudeaufwendungen könnten nicht als Betriebsausgaben bei der freiberuflichen Tätigkeit der Klägerin berücksichtigt werden, weil für die gemischt genutzten Räume eine einwandfreie Trennung der Aufwendungen von den Kosten der privaten Lebensführung nicht möglich sei. Der von den Klägern vorgenommenen jeweiligen Zuordnung der gemischt genutzten Räume nach der zeitlichen Nutzung könne nicht gefolgt werden. Die Nutzung dieser Räume – wie WC, Küche und Bad – könne nicht anhand von geschätzten Stunden ermittelt werden, weil die Beanspruchung und intensive Nutzung der Räume nicht allein durch die An- und Abwesenheit der Betreuungskinder bzw. der Klägerin bestimmt werden könne. Die von den Klägern zugrunde gelegten Nutzungszeiten basierten nicht auf tatsächlichen Zeiten, sondern seien allgemein geschätzt worden. Für die tatsächliche Beanspruchung fehle ein verlässlicher Aufteilungsmaßstab. Die von den Klägern vorgenommene Aufteilung der Aufwendungen für die gemischt genutzten Räume für die Betreuung der Tageskinder nach geschätzten Nutzungszeiten sei subjektiv und nicht überprüfbar. Des Weiteren stelle sich die Frage, ob beispielsweise das Wohnzimmer überhaupt von den Betreuungskindern genutzt werden dürfe. Da für die Kinder ausreichend Räume sowohl zum Schlafen als auch zum Spielen zur Verfügung ständen, erscheine es nicht glaubhaft, dass sie das Wohnzimmer nutzen dürften. Auch hätten die Kläger bisher weder die von ihnen geltend gemachten Reparaturaufwendungen belegt noch nachgewiesen, auf welche Räume die Aufwendungen tatsächlich entfielen. Ein erheblicher Teil der Aufwendungen wie z.B. Reparaturaufwendungen, Abschreibung für die neue Küchenanschaffung, Schuldzinsen für den Hauskauf und Gebäude-AfA betreffe überwiegend die gemischt genutzten Räume. Da eine leichte und einwandfreie Trennung dieser Aufwendungen nach objektiven Merkmalen nicht möglich sei, gehörten die strittigen Aufwendungen zu den nicht abziehbaren Kosten der privaten Lebensführung nach § 12 Abs. 1 EStG.

Gegen die Einspruchsentscheidung erhoben die Kläger am Klage beim Finanzgericht. Die Kläger verweisen auf ihren Vortrag im Einspruchsverfahren und tragen im Übrigen vor, die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bezüglich der Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers könne nicht auf die durch die Klägerin ausgeübte Kindertagespflege angewandt werden. Im Rahmen der Tätigkeit als Tagesmutter unterliege die Nutzung der Räumlichkeiten vollkommen anderen Maßstäben als bei der büromäßigen Nutzung von Räumen. Im Fall der Klägerin hielten sich die Kinder montags bis freitags ganztägig in der Wohnung der Kläger auf. Deren Räumlichkeiten müssten genug Platz für Bewegungs-, Spiel-, Rückzugs- und Ruhemöglichkeiten bieten sowie Freiflächen und ggf. einen eigenen Garten. Es beständen darüber hinaus strenge Vorgaben an die Hygienestandards in Küche, Bad und WC, die durch Prüfung bei unregelmäßigen Besuchen durch Mitarbeiter des Jugendamtes überwacht würden. Insoweit liege bei den geltend gemachten anteiligen Aufwendungen für das Haus durchaus eine berufliche Veranlassung mit objektiven, wirtschaftlichen und auch tatsächlichen Zusammenhängen vor. Auch stelle die zeitanteilige Zuordnung der Nutzung durchaus einen eindeutigen Maßstab für die Nutzungsverhältnisse dar. Es handele sich dabei nicht um allgemein geschätzte Zeitanteile, sondern aufgrund der festgelegten Betreuungszeiten der einzelnen Kinder um festliegende Nutzungszeiten der gemischt genutzten Räumlichkeiten.

Weiterhin tragen die Kläger vor, der Kläger verlasse das Haus morgens gegen 7:30 Uhr, wenn auch die ersten Kinder kämen. „Home Office” käme bei ihm praktisch nicht vor. Krankheitstage habe er – mit Ausnahme in den 1990er Jahren, als er einmal längere Zeit krank gewesen sei – kaum gehabt. Der in den Akten errechnete Aufteilungsmaßstab einer zeitanteiligen Nutzung der im Einzelnen ausgeführten Räumlichkeiten von ca. 50% sei reell und entspreche den Gegebenheiten.

Die Kläger beantragen,

  1. den geänderten Einkommensteuerbescheid 2011 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend abzuändern, dass die Einkünfte der Klägerin aus selbständiger Arbeit mit … EUR berücksichtigt werden,

  2. die Revision zuzulassen.

Der Beklagte tritt der Klage entgegen.

Mit Senatsbeschluss vom wurde der Rechtsstreit auf die Einzelrichterin übertragen.

Am fand beim Gericht ein Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage statt, in dem die Beteiligten den Verzicht auf mündliche Verhandlung zu Protokoll erklärt haben.

Gründe

1. Das Gericht hielt es für sach- und ermessensgerecht, gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erteilt haben.

2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht den angefochtenen Steuerbescheid nur dann aufheben oder ändern, wenn dieser rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig. Die Kläger können nicht den von ihnen berechneten Anteil der tatsächlichen Aufwendungen anstelle der vom Beklagten gewährten Betriebskostenpauschale bei den Einkünften der Klägerin aus selbständiger Arbeit geltend machen. Insbesondere kommt eine Aufteilung der Gesamtkosten nicht in Betracht.

a) Betriebsausgaben sind gemäß § 4 Abs. 4 EStG die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind jedoch gemäß § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen. Dazu gehören auch Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG).

Nach der früheren Rechtsprechung des BFH war bei gemischt veranlassten Aufwendungen eine Aufteilung in nicht abziehbare Aufwendungen für die Lebensführung einerseits und in Betriebsausgaben oder Werbungskosten andererseits nur zulässig, wenn objektive Merkmale und Unterlagen eine zutreffende und leicht nachprüfbare Trennung ermöglichten und wenn außerdem der berufliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung war (z.B. Beschluss des Großen Senats des , Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 100, 309, BStBl II 1971, 17). Mit Beschluss des Großen Senats vom (GrS 1/06, BFHE 227, 1 BStBl II 2010, 672 zur Aufteilung von Reisekosten) hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung geändert und geht seitdem davon aus, dass § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot normiert. Vielmehr sind danach gemischt beruflich und privat veranlasste Aufwendungen grundsätzlich in abziehbare Betriebsausgaben oder Werbungskosten und nicht abziehbare Aufwendungen für die private Lebensführung aufzuteilen, wenn die beruflich veranlassten Anteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind.

Grundlegende Voraussetzung für die Aufteilung von Aufwendungen und für den anteiligen Abzug des beruflich oder betrieblich veranlassten Aufwandsteils ist, dass die Aufwendungen nach den ihnen zugrundeliegenden Veranlassungsbeiträgen trennbar sind (Fissenewert in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 12 Rz. 66, 68). Soweit es sich um Fixkosten und sonstige einheitliche Aufwendungen handelt, welche vom Steuerpflichtigen einheitlich zur Finanzierung sowohl beruflicher (betrieblicher) als auch privater Verwendungszwecke eingegangen werden, ist Voraussetzung, dass zur Abgrenzung der Veranlassung Beiträge objektive Kriterien zur Verfügung stehen. Dafür kommt es entscheidend darauf an, ob sich zur Trennung des berufsbedingten Moments von der privaten Mitveranlassung ein sachgerechter Aufteilungsmaßstab anbietet, wie etwa ein Maßstab nach Flächen bei der Ermittlung des Kostenanteils betrieblicher oder beruflich genutzter Räume an den Gemeinkosten einer Wohnung oder eines Gebäudes (so z.B. bei häuslichen Arbeitszimmer, Lagerräumen oder Büros). Wird hingegen ein Wirtschaftsgut, um dessen Fixkosten es geht, in zeitlicher Hinsicht abwechselnd beruflich bzw. betrieblich und privat verwendet, so bietet sich in erster Linie eine Aufteilung in dem Verhältnis an, in dem die Nutzungszeiträume zueinanderstehen. Gleiches gilt für andere einheitliche Aufwendungen, die sich auf einen konkreten Zeitraum beziehen und innerhalb dieses Zeitraums abwechselnd mit beruflichen und mit privaten Zwecken in Zusammenhang stehen (zum Ganzen: Fissenewert in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 12 Rz. 66, 68 m.w.Nachw.).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist der von den Klägern begehrte Anteil an den gesamten Aufwendungen für das eigengenutzte Haus nicht zum Betriebsausgabenabzug bei den selbständigen Einkünften der Klägerin zuzulassen.

Es kann vorliegend nicht nach objektivierbaren Kriterien bestimmt werden, in welchem Umfang eine Nutzung der laut Klägervortrag – teils gemischt, teils ausschließlich – genutzten Räumlichkeiten des Hauses im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Klägerin als Tagesmutter erfolgte. Eine entsprechende Trennung ist nach Überzeugung des Gerichts im Streitfall nicht möglich.

Der von Klägerseite angewandte Maßstab – eine Kombination aus flächenmäßiger und zeitlicher Aufteilung der Gesamtkosten – erweist sich im Streitfall im Ergebnis als nicht praktikabel bzw. der konkreten Lebenswirklichkeit angemessen.

Bei den Räumlichkeiten des gemeinschaftlichen Hauses der Kläger handelt es sich um deren ureigenste private Sphäre, welche grundsätzlich der Wahrnehmung ihrer grundlegenden und höchstpersönlichen Lebensbedürfnisse dient. Hiervon die Ausnahme stellt eine teilweise Mitnutzung durch die zu betreuenden Kinder bzw. die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Tagesmutter dar. Dem kann jedoch der von Klägerseite angewandte zeitanteilige Maßstab nicht gerecht werden.

Zum einen stellen sich die vorgetragenen Zeiten der betrieblichen Nutzung als zu schematisch dar und geben das zwangsläufig gegebene Ineinandergreifen privater und beruflicher Nutzung nur unzureichend wieder. Gerade auch unter der Prämisse, dass durch die Kläger im Streitfall ein verhältnismäßig großer Anteil der Gesamtfläche des Hauses einer (teilweisen) betrieblichen Nutzung zugeschlagen wird, kann letztere nicht pauschal nach bloßen An- und Abwesenheitszeiten der Kinder berechnet werden.

Die Tagesmuttertätigkeit bezog sich auf eine wechselnde Anzahl von Kindern mit individuell vereinbarten Anwesenheitszeiten. Insgesamt wurden bis zu 5 Kinder betreut, jedoch mit unterschiedlicher Verweildauer pro Tag und zwischen 3 und 5 Tagen pro Woche. Deren Anwesenheit in den zahlreichen geltend gemachten Räumlichkeiten hat sich nach Überzeugung des Gerichts in zeitlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht (Nutzung, Gebrauch und Abnutzung) in recht unterschiedlicher Art und Weise manifestiert. So hält es das Gericht vorliegend für ausgeschlossen, dass die in unterschiedlichen „Besetzungen” jeweils anwesenden Kinder gleichzeitig und in vergleichbarer Intensität die zahlreichen verschiedenen Räume – Spielzimmer im Untergeschoss, Wohn- und Essraum nebst WC im Erdgeschoss sowie Schlafraum und Badezimmer im Obergeschoss – genutzt haben.

Es ist beispielsweise davon auszugehen, dass das Bad im Obergeschoss von den Kindern lediglich im Rahmen der Mittagsruhe und hier wiederum höchstens im Rahmen des Toilettenbesuchs „betrieblich genutzt” wurde, nicht aber unter Gebrauch von Badewanne und/oder Dusche. Das Esszimmer hingegen wird morgens – soweit gefrühstückt wurde – sowie mittags im Rahmen des Mittagessens im Rahmen der Kinderbetreuung genutzt worden sein. Die Küchennutzung durch die Klägerin hingegen folgt wiederum anderen Gesetzmäßigkeiten. Darüber hinaus entzieht sich neben dem – durchaus nachvollziehbar im Rahmen der betrieblichen Nutzung zu 100% geltend gemachten – Hobbyraum/Spielzimmer im Untergeschoss die kumulativ vorgetragene Nutzung des Wohnraums im Erdgeschoss – zu welchen Zwecken auch immer – einem nachvollziehbaren objektiven Aufteilungsmaßstab.

Bereits hierdurch zeigt sich, dass vorliegend eine unter Anwendung eines zeitlichen Maßstabes vorgenommene flächenmäßige Aufteilung der Räumlichkeiten schnell an ihre Grenzen stößt und im Ergebnis nicht praktikabel ist.

Darüber hinaus blendet die von Klägerseite zugrunde gelegte Aufteilung der Nutzungszeit „durch die Kinder” werktags und an den Wochenenden die Zeiten von 22:00 Uhr bis 7.00 Uhr morgens völlig aus. Tatsächlich stehen die Räumlichkeiten jedoch zu diesen Zeiten den Klägern zur ausschließlichen privaten Nutzung zur Verfügung. Gleiches gilt für die Nutzung etwa an Feiertagen und in den betriebsfreien Zeiten der Klägerin. Auch hierbei fällt ins Gewicht, dass die Wohnung neben der beruflichen Nutzung in erster Linie und primär eine private Verwendung durch die Klägerin sowie deren ebenfalls in den Räumlichkeiten wohnenden Ehemann erfuhr.

Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger vortrug, gegen 7.30 Uhr morgens – praktisch gleichzeitig mit dem Ankommen der ersten Kinder – das Haus zu verlassen zu haben, kaum krank gewesen zu sein und praktisch keine „Home Office”-Tage einzulegen. Diese in der ureigensten privaten Sphäre der Kläger sich abspielenden Gegebenheiten sind schwer objektiv verifizierbar und werden darüber hinaus über einen längeren Zeitraum hinweg zweifelsohne variieren. Gleiches gilt für die arbeitsfreien Zeiten des Klägers, dem als Arbeitnehmer im streitigen Zeitraum ein gesetzlicher Anspruch auf Erholungsurlaub zustand.

Nicht zuletzt vermögen auch die von Klägerseite berechneten Zeiten der betrieblichen Nutzung der Tatsache nicht ausreichend Rechnung zu tragen, dass die Klägerin ihrer Tätigkeit „zu Hause” nachging. Vielmehr hinterlässt der angewandte zeitliche Maßstab den Eindruck, mit dem morgendlichen Eintreffen des ersten Kindes/der ersten Kinder sei praktisch das ganze Haus – mit wenigen Ausnahmen wie dem ehelichen Schlafzimmer und dem ebenfalls im Dachgeschoss gelegenen Arbeitszimmer – von den „anrückenden” Kindern gleichsam „mit Beschlag belegt” worden. Da sich die Klägerin in den Zeiten der Kinderbetreuung jedoch weiterhin in ihren eigenen vier Wänden aufhielt, ist das Gericht davon überzeugt, dass sie sich in dieser Zeit – selbst unter Berücksichtigung der verantwortungsvollen Tätigkeit der Erziehung der ihr anvertrauten Kinder – teilweise auch „privat” verhielt. So wird beispielsweise ausdrücklich der Raum „Kind II” im Obergeschoss als Schlafzimmer für Tageskinder geltend gemacht. Selbst unter Zugrundelegung der Tatsache, dass die Kinder zu unterschiedlichen Zeiten im Laufe des Tages abgeholt wurden, ist davon auszugehen, dass es „um die Mittagszeit” nach dem Essen Phasen der Mittagsruhe für die Kinder gab, welche der Tagesmutter auch Zeit für außerbetriebliche Belange ließen.

Bei einer Gesamtschau entzieht sich vorliegend das Ineinandergreifen privater und beruflicher Nutzung vernünftigerweise einer Aufteilung nach Flächen- und Zeitanteilen. Ein anderer Aufteilungsmaßstab unter Zugrundelegung objektiv bestimmbarer Kriterien kommt im Streitfall jedoch nicht in Betracht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe vorlag. Insbesondere die Frage der Aufteilbarkeit der von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen ist vorliegend eine Frage der tatrichterlichen Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles.

Fundstelle(n):
DStR 2019 S. 6 Nr. 40
DStRE 2019 S. 1250 Nr. 20
DStZ 2019 S. 722 Nr. 20
NWB-Eilnachricht Nr. 41/2019 S. 2976
UAAAH-28731