USt direkt digital Nr. 7 vom Seite 4

Nachweisanforderungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung

Thomas Rennar *

Der BFH hat mit zur Nachweisrelevanz einer innergemeinschaftlichen Lieferung durch einen CMR-Frachtbrief im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entschieden. Durch Bestätigung der Nichtzulassung zum BFH durch die Vorinstanz wurde dem klägerischen Begehren hierbei gegen das Urteil des Hessischen nicht abgeholfen.

I. Leitsätze (amtlich)

1. Das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist darauf gerichtet, die Zugangsschranke (Nichtzulassung der Revision) zur Revisionsinstanz zu beseitigen; auf Gründe für eine Restitutionsklage kommt es insoweit nicht an.

2. Ein Beweis durch Zeugen kommt als Ersatz für den bei innergemeinschaftlichen Lieferungen gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis grundsätzlich nicht in Betracht. Deshalb ist es auch unerheblich, ob ein möglicher Zeuge seine Aussage vorab in schriftlicher Form niederlegt.

3. Nur wenn der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden kann, gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Nachweis auch in anderer Form zuzulassen (Bestätigung ständiger BFH-Rechtsprechung mit , BStBl 2015 II S. 912).

4. Die Anforderungen an einen zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung geeigneten CMR-Frachtbrief sind durch die Rechtsprechung geklärt.

II. Ausgangssachverhalt

Im Verfahren vor dem Finanzgericht () war die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen i. S. der §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a UStG des in der in den Streitjahren 2003 bis 2005 geltenden Fassung im Hinblick auf insgesamt 20 Fahrzeuglieferungen streitig.

Das Finanzgericht gab der Klage für die ausgeführten Lieferungen zwar teilweise statt, wies sie aber zugleich auch teilweise ab. Das Finanzgericht begründete sein Urteil hierbei teilweise mit dem Fehlen eines Belegnachweises.

Da das Finanzamt als Beklagter und Beschwerdegegner die Belege im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau teilweise an sich genommen und nicht wieder herausgegeben hatte, ging das Finanzgericht im Wege der Beweismaßreduzierung vom Vorhandensein des Belegnachweises aus, hatte aber wegen der Unklarheiten der Lieferbeziehungen Zweifel an der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 6a UStG.

Hinweis

Nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. mit § 17a UStDV kann der Belegnachweis in Versendungsfällen einer innergemeinschaftlichen Lieferung u. a. wie folgt erbracht werden (weitergehend Abschnitt 6a.5 Abs. 1 ff. UStAE):

Belegnachweise in Versendungsfällen:

Ist der Versendungsbeleg einer innergemeinschaftlichen Lieferung ein Frachtbrief (z. B. CMR-Frachtbrief), muss dieser vom Absender als Auftraggeber des Frachtführers, also dem Versender des Liefergegenstands, unterzeichnet sein (beim CMR-Frachtbrief in Feld 22). Bei Frachtbriefen in Form des sogenannten Seawaybill oder Airwaybill kann von einer Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers abgesehen werden (Abschnitt 6a.5 Abs. 2 UStAE, m. w. N.).

Die Klägerin und Beschwerdeführerin wandte sich gegen die Nichtzulassung der Revision zum BFH im Vorverfahren. Zudem erhob sie Restitutionsklage beim Finanzgericht, mit der sie die Aufhebung des Urteils hinsichtlich der teilweisen Versagung einer innergemeinschaftlichen Lieferung beantragte.

Die Klägerin hält es hierbei für grundsätzlich bedeutsam, ob die Rechtsprechung des BFH, der zufolge ein Ersatz des Buch- und Belegnachweises durch Zeugenbeweis weder von Amts wegen noch auf Antrag in Betracht kommt, dahingehend auszulegen ist, dass andere Beweismittel auch dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn der Buch- und Belegnachweis nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. mit §§ 17a ff. UStDV in der in den Streitjahren geltenden Fassung vom Steuerpflichtigen erbracht wurde und die Vernehmung eines Zeugen auch dann ausscheidet, wenn dem Gericht eine entscheidungserhebliche schriftliche Erklärung des Zeugen vorliegt.

Hinweise

1. Zulassung der Revision zum BFH

► Der Gesetzgeber hat den Zugang zur Revision im finanzgerichtlichen Verfahren beschränkt (Gräber, FGO, § 115, Rz. 3). Die Revision ist hierbei nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheit­lichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BfH erfordert (§ 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FGO).

2. Restitutionsklage

► Die Vorschrift des § 580 ZPO regelt mit der Restitutionsklage einen Fall, in dem die Wiederaufnahme des Verfahrens statthaft ist. Der Grund liegt hier darin, dass das Urteil auf einer unrichtigen, vor allem einer bewusst verfälschten, Grundlage beruht. Der andere Fall ist die Nichtigkeitsklage des § 579 ZPO. Die Nichtigkeitsklage ist vorrangig, weil sie sich auf gravierende Mängel des vorhergehenden Verfahrens bezieht (Saenger, ZPO, § 580, Rz. 1).

► Die Restitutionsklage ist nur zulässig, wenn die Partei ohne Verschulden außerstande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren geltend zu machen, vor allem dadurch, dass sie einen Einspruch oder Berufung einlegte oder sich an eine bereits von der anderen Seite eingelegte Berufung anschloss. Die Restitutionsklage ist also subsidiär zu den möglichen Rechtsmitteln (Saenger, ZPO, § 580, Rz. 2).

III. Entscheidung des BFH

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil der Vorinstanz wird als unbegründet zurückgewiesen. Nach der Auffassung des BFH stellt das Auffinden einer Rechnung keinen in § 115 Abs. 2 FGO genannten Revisionszulassungsgrund dar. Der V. Senat braucht nicht so zu entscheiden, ob er sich der Auffassung des , auf das sich die Klägerin stützt, anzuschließen vermag.

Hinweis

Der BGH hat diesbezüglich mit zur Berücksichtigung eines Restitutionsgrundes im Revisionsverfahren, wenn das Schlussurteil des Berufungsgerichts auf einem Teilzuweisungsbeschluss aufbaut, der nach Erlass des Urteils teilweise vom Bundesverfassungsgerichts aufgehoben worden ist, entschieden. Das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren dient hierbei nicht dazu, die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten (). Das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ist allein darauf gerichtet, die Zugangsschranke (Nichtzulassung der Revision) zur Revisionsinstanz zu beseitigen ().

1. Grundsätzliche Bedeutung als Zulassungsgrund

Es liegt kein Fall einer grundsätzlichen Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FGO vor.

Eine Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtsklarheit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine aus rechtssystema­tischen Gründen bedeutsame Frage handeln, die klärungsbedürftig und im zu erwartenden Revisionsverfahren klärungsfähig, d. h. entscheidungserheblich ist ().

Ob ein Zeugenbeweis auch ausscheidet, wenn der Buch- und Belegnachweis nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. mit §§ 17a ff. UStDV vom Steuerpflichtigen erbracht wurde, vom Finanzamt aber angezweifelt wird, ist bei teilweisen Lieferungen im Ausgangsverfahren in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärbar, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Hinsichtlich weiterer Lieferungen hat die Klägerin im Ausgangsverfahren nach den, den Senat bindenden Feststellungen den Buch- und Belegnachweis nicht erbracht, weil der jeweils vorgelegte CMR-Frachtbrief unzutreffende Angaben enthielt. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts waren in den CMR-Frachtbriefen zu den Lieferungen hierbei teilweise die Klägerin als Absender und damit als Vertragspartei des Frachtvertrages eingetragen; tatsächlich war aber der Frachtvertrag zwischen dem Abnehmer und der jeweiligen Spedition abgeschlossen worden.

In den beiden marginalen Abholfällen des Ausgangsverfahrens ist nach den Feststellungen des Finanzgerichts der Buch- und Belegnachweis nicht erbracht worden, weil keine Rechnungen mit einem Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung vorgelegen haben. Dieses aber ist Voraussetzung des Belegnachweises (, BStBl 2011 II S. 957).

Liegt zu der vom Beschwerdeführer herausgestellten Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so gehört zu der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fundierte Stellungnahme dazu, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklungen sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse ().

Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung hierbei gemäß § 6a Abs. 3 UStG i. V. mit §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen. Ein Beweis durch Zeugen kommt als Ersatz für den gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis grundsätzlich nicht in Betracht, und zwar weder von Amts wegen noch auf Antrag. Darauf, ob ein möglicher Zeuge seine Aussage vorab in schriftlicher Form niederlegt, kann es unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ankommen.

2. Sicherung der Rechtseinheit als Zulassungsgrund

Es liegt ebenfalls kein Fall zur Sicherung einer Rechtseinheit i. S. des § 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FGO vor.

Da die Rechtsfortbildungsrevision nach § 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FGO ein Spezialtatbestand der Grundsatzrevision ist (, ), kommt diese aus den unter III. 1. dargelegten Gründen nicht in Betracht.

3. Verfahrensmängel als Zulassungsgrund

Überdies besteht kein Fall zur Zulassung wegen Verfahrensmängeln i. S. des § 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 FGO.

Ein Verstoß gegen die finanzgerichtliche Sachaufklärungspflicht liegt vor, wenn das Finanzgericht einen entscheidungserheblichen Beweisantrag übergeht. Auf die beantragte Beweiserhebung darf das Finanzgericht im Regelfall nur verzichten, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel unerreichbar ist oder wenn das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist ().

Der Beweisantrag muss hierbei entscheidungserheblich sein. Dafür kommt es auf den materiell-rechtlichen Standpunkt des Finanzgerichts an. Das gilt auch dann, wenn dieser unrichtig sein sollte (). Nach diesen Grundsätzen brauchte das Finanzgericht den Beweisanträgen auf Vernehmung von Zeugen zu den Handelsbräuchen bei CMR-Frachtbriefen nicht nachzugehen. Das Finanzgericht ist rechtmäßig davon ausgegangen, dass der BFH in ständiger Rechtsprechung (, BStBl 2018 II S. 498) über die Anforderungen eines Belegnachweises einer steuerbe­freiten innergemeinschaftlichen Lieferung in Form eines CMR-Frachtbrief, entschieden hat.

Der Beweisantrag war danach nicht entscheidungserheblich. Ein Verfahrensmangel i. S. von § 119 Nr. 6 FGO liegt erst dann vor, wenn den Beteiligten die Möglichkeit entzogen ist, die getroffene Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen (BFH, , ). Bei nur zum Teil fehlenden Entscheidungsgründen setzt eine Verletzung des § 105 Abs. 2 Nr. 5 FGO grobe Begründungsmängel in einem Ausmaß voraus, dass die vom Finanzgericht fixierten Entscheidungsgründe zum Nachweis der Rechtmäßigkeit des Urteilsspruchs schlechterdings ungeeignet erscheinen und den Beteiligten keine (hinlängliche) Kenntnis darüber vermitteln, auf welchen Feststellungen, Erkenntnissen und rechtlichen Erwägungen das Urteil beruht (). Darauf, ob die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Finanzgerichts fehlerhaft ist oder bei der Würdigung Erfahrungssätze und Denkgesetze verletzt worden sind, kommt es nicht an. Denn derartige Fehler sind dem materiellen Recht zuzuordnen und damit der Rüge eines Verfahrensmangels entzogen. Der Prüfungsmaßstab im Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision unterscheidet sich dadurch vom Revisionsverfahren, in dem die Verletzung von Erfahrungssätzen und Denkgesetzen als Fehler der Rechtsanwendung zu beachten ist ().

Die Klägerin hat überdies keinen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten dargelegt.

IV. Überblick

Der BFH bestätigt die Nichtzulassung der Revision der Vorinstanz (). Weder bestehen Gründe einer grundsätzlichen Bedeutung, noch ist eine Sicherung der Rechtseinheit geboten. Überdies scheidet eine Revisionszulassung wegen Verfahrensmängeln aus.

Die Möglichkeit eines Buch- und Belegnachweises einer steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung mittels CMR-Frachtbrief ist jurisdiktiv bereits konkretisiert (, BStBl 2018 II S. 498). Ein Zeugenbeweis kommt als Ersatz für den gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis dem Grunde nach nicht in Betracht und zwar weder von Amts wegen, noch auf Antrag. Nur in Ausnahmefällen gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ein Nachweiserfordernis auch in anderer Form zuzulassen (, BStBl 2015 II S. 912).

Der Verfahrensgegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde begrenzt sich insoweit auf die Beseitigung der Zugangsschranke zum BFH. Ob Gründe einer sogenannten Restitutionsklage als Ausnahmeregelung der Verfahrenswiederaufnahme i. S. des § 580 ZPO bestehen, ist hierbei unerheblich.

Autor

Thomas Rennar,
Dipl.-Finw., ist bei der KSB INTAX v. Bismarck, Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater Notare PartG mbB in Hannover beschäftigt.

Fundstelle(n):
USt direkt digital 7 / 2019 Seite 4
UAAAH-11487