OLG Köln Beschluss v. - 16 U 84/18

Leitsatz

Leitsatz:

Zum Umfang der Pflichten des Steuerberaters bei möglicherweise bevorstehenden Gesetzesänderungen.

Gesetze: BGB § 675

Instanzenzug:

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadenersatz wegen angeblicher Falschberatung im Zusammenhang mit der schenkungsweisen Übertragung von Kommanditanteilen an einer Gesellschaft seines Vaters E (E) in Anspruch. Er wirft der Beklagten vor, sie habe die Übertragung der Anteile nicht rechtzeitig in die Wege geleitet. Daher sei die erst am vorgenommene Übertragung von dem mit dem Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetz am in Kraft getretenen § 13 b Abs. 2 Nr. 4 a ErbStG erfasst worden. Dies habe zur Folge gehabt, dass der Erwerb nicht mehr - wie es nach der bis dahin geltenden Fassung der §§ 13 a und b ErbStG möglich gewesen sei - in voller Höhe, sondern nur in Höhe von 85 % von der Schenkungsteuer befreit sei; denn aufgrund des neu eingeführten § 13 b Abs. 2 Nr. 4 a ErbStG sei der Umfang des schädlichen Verwaltungsvermögens über 10 % angewachsen, so dass eine zuvor mögliche vollständige Befreiung von der Schenkungsteuer nach § 13 a Abs. 8 ErbStG ausgeschieden sei.

Mit der Klage verlangt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zu Zahlung von 477.755,-- € nebst Zinsen in Höhe von 9% über dem Basiszinsatz seit Rechtshängigkeit sowie die Feststellung, dass die Beklagte zur Ersetzung sämtlicher Schäden verpflichtet ist, die dem Kläger durch die Falschberatung im Zusammanhang mit der Besteuerung der Anteilsschenkung vom entstehen werden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar möge der Kläger in den Schutzbereich des zwischen E und der Beklagten geschlossenen Beratervertrages einbezogen sein. Er habe aber nicht dargetan, dass die Beklagte ihre Beratungspflichten verletzt habe.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren im vollem Umfang weiter. Zur Begründung wiederholt und ergänzt er sein erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages. Wegen der weiteren Einzeheiten das Sach- und Streitstandes wird auf das angefochtene Urteil sowie die erstinstanzlich und im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze und Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist offensichtlich unbegründet.

Die Klägerin hält der Beklagten vor, sie habe nicht darauf hingewirkt, dass der Übertragungsvertrag noch vor der Gesetzesänderung abgeschlossen wurde. Die Beklagte sei am mandatiert worden. Sie habe dafür sorgen müssen, dass die Übertragung vor der mit Wirkung zum eingetretenen Einführung des § 13 b Abs. 2 Nr. 4 a ErbStG erfolgte.

Den Pflichtenumfang bei möglicherweise bevorstehenden Gesetzesänderungen hat der Bundesgerichtshof wie folgt umschrieben (Urt. v. - IX ZR 472/00, NJW 2004, 3487 = DStR 2004, 1607; dazu auch ; BeckRS 2007, 10300; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 6. Aufl., Rn. 243, 247 f.; Fischer/Vill/Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 2 Rn. 63; BeckOGK/Teichmann, Stand. , § 675 Rn. 1082; Münchener Kommentar/Heermann, BGB, 7. Aufl., § 675 Rn. 43; Raebel DStR 2004, 1673):

"Der Steuerberater ist im Rahmen des ihm erteilten Auftrags verpflichtet, den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Er hat seinen Mandanten möglichst vor Schaden zu schützen. Hierzu hat er den relativ sichersten Weg zu dem angestrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und die für den Erfolg notwendigen Schritte vorzuschlagen. Die mandatsbezogen erheblichen Gesetzes- und Rechtskenntnisse muss der Steuerberater besitzen oder sich ungesäumt verschaffen. Neue oder geänderte Rechtsnormen hat er in diesem Rahmen zu ermitteln. Wird in der Tages- oder Fachpresse über Vorschläge zur Änderung des Steuerrechts berichtet, die im Falle ihrer Verwirklichung von dem Mandanten des Beraters erstrebte Ziele unter Umständen vereiteln oder beeinträchtigen, kann der Steuerberater gehalten sein, sich aus allgemein zugänglichen Quellen über den näheren Inhalt und den Verfahrensstand solcher Überlegungen zu unterrichten, um danach prüfen zu können, ob es geboten ist, dem Mandanten Maßnahmen zur Abwehr drohender Nachteile anzuraten."

Nach diesen Kriterien fällt der Beklagten - wie das Landgericht richtig ausgeführt hat - ein Beratungsverschulden nicht zur Last.

Die Beklagte hat E auf die geplante Gesetzesänderung rechtzeitig und umfassend hingewiesen. Dies ergibt sich aus der vorgelegten Korrespondenz. Insbesondere hatte sie E im Schreiben vom (Anl. K 5, Bl. 30 d.A.) auf die letzte Veröffentlichung im laufenden Gesetzgebungsverfahren, nämlich den Entwurf des Bundesrates vom (Anl. K 8, Bl. 112), hingewiesen.

Auch eine Verpflichtung, auf eine frühere Umsetzung des Übertragungsvertrages hinzuwirken, hat die Beklagte nicht verletzt. Die von ihr geschuldete Beratung betraf die mögliche Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensanteilen aus einem Geflecht von fast 20 Unternehmen. Dabei waren mehrere Umstrukturierungen erforderlich, wobei jeder Schritt auch ertragsteuerlich zu überprüfen war. Auch hätte zur Verminderung des Verwaltungsvermögens auf die unschädliche Grenze von 10 % die Geschäftsimmobilie in der G-Straße 88 - 90 in X aus dem Vermögen der D e.K. ausgegliedert werden müssen. Das hätte das von der Beklagten beschriebene Risiko erheblicher ertragsteuerrechtlicher Auswirkungen zur Folge gehabt (Berufungserwiderung S. 6 ff. = Bl. 207 ff. d.A.). Wie die Beklagte unter Bezug auf die vorgelegten Unterlagen zutreffend ausführt, hatte die Beratung auch derartige ertragsteuerrechtlichen Auswirkungen zu berücksichtigen. E stand daher - worauf die Beklagte ebenfalls richtig hinweist (Berufungserwiderung S. 9 = Bl. 210 d.A.) - vor der Entscheidung, zur Vermeidung erheblicher ertragsteuerrechtlicher Risiken, die schenkungsweise Beteiligung bis zur Klärung zurückzustellen und dabei das Risiko einzugehen, dass sich die schenkungsteuerliche Rechtslage zum Nachteil des Klägers ändern könnte. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass die tatsächlichen Werte schädlichen Verwaltungsvermögens auch wegen der ausstehenden Jahresabschlüsse für das Jahr 2012 nicht sicher berurteilt werden konnten. Vor diesem Hintergrund geht der Vorwurf des Klägers fehl, die Beklagte habe E davon abgehalten, seine im Mai 2013 geäußerte Absicht, die Schenkung vorzunehmen, in die Tat umzusetzen. Die Beklagte handelte keineswegs pflichtwidrig, wenn sie mit der Email vom E auf die Risiken eines derartigen "Schnellschusses" hinwies und für diesen keine Haftung übernehmen wollte (Anl. B 4, Bl. 70 d.A.). Auch die in der Berufung angesprochene Möglichkeit, zunächst einen Antrag auf eine 85%ige Verschonung zu stellen und einen Antrag auf Vollverschonung nachzuschieben, war keine gebotene Beratungsalternative.

III.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen seit Zugang dieses Beschlusses. Die Frist kann nach § 224 Abs. 2 ZPO nur verlängert werden, wenn der Gegner zustimmt oder erhebliche Gründe glaubhaft gemacht werden. Auf die Möglichkeit einer kostengünstigeren Zurücknahme des Rechtsmittels wird hingewiesen (Nr. 1222 Kostenverzeichnis zu § 3 Abs. 2 GKG).

Fundstelle(n):
DStR 2019 S. 128 Nr. 3
DStRE 2019 S. 919 Nr. 14
NWB-Eilnachricht Nr. 4/2019 S. 166
StB 2019 S. 147 Nr. 5
StuB-Bilanzreport Nr. 4/2019 S. 176
UAAAH-04453