Kindergeld für ein erkranktes Kind, welches sich aus gesundheitlichen Gründen nicht um einen Ausbildungsplatz bemühen kann
Leitsatz
1. Ist ein Kind ausbildungswillig, aber zeitweise wegen einer Erkrankung nicht in der Lage, sich um einen Ausbildungsplatz zu bemühen, ist es ebenso zu behandeln wie ein Kind, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, einen solchen aber nicht findet und deshalb nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen ist.
2. Entgegen der Dienstanweisung der Familienkassen ist es nicht erforderlich, dass eine Erklärung des Kindes, aus der sich ergibt, dass das Kind plant, sich nach seiner Genesung zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn zu bewerben, bereits vorab vorgelegt wird. Die Ausbildungswilligkeit ist eine Tatsache, die vom Gericht zu beurteilen ist.
3. Es ist nicht schädlich, dass das voraussichtliche Ende der Erkrankung zunächst vom Arzt nicht mitgeteilt wurde. Eine solche Erklärung ist gerade bei psychischen Erkrankungen oft nicht möglich. Dies kann nicht zu Lasten des Kindergeldberechtigten gehen.
4. Auch Erkrankungen, die länger als 6 Monate dauern, führen nicht zwangsläufig zur einer Versagung der Kindergeldberechtigung gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG.
Gesetze: EStG § 32, EStG § 62 , EStG § 63
Instanzenzug:
Verfahrensstand: Diese Entscheidung ist nicht rechtskräftig
Tatbestand
Es geht in diesem Verfahren um die Frage, ob dem Kläger das Kindergeld für seinen Sohn A im Zeitraum September 2016 bis Mai 2017 zusteht.
Der Sohn des Klägers wurde am ... 1997 geboren. Er brach während der 11. Klasse die Schule ab, weil er auf Grund von psychischen Problemen den schulischen Anforderungen nicht mehr entsprechen konnte. Zu dieser Zeit nahm er bereits seit Jahren Drogen. Seit Frühjahr 2015 befand sich der Sohn des Klägers in einer ambulanten Therapie. Von August 2015 bis Juli 2016 hatte der Sohn Minijobs bei zwei Arbeitgebern.
Im Sommer 2016 kam es in der ambulanten Therapie zu einem Durchbruch bei der Behandlung, welche in der Folge die Aufarbeitung der psychischen Probleme erst ermöglichte, zunächst aber zu einer stationären Therapie führte. Die stationäre Behandlung wurde vom ... August 2016 bis ... September 2016 durchgeführt. Anschließend setzte der Sohn des Klägers seine ambulante Therapie fort.
Im Juni 2017 hatte sich der Zustand des Sohnes soweit verbessert, dass er ein Praktikum bei einer Tischlerei absolvieren konnte.
Am beantragte der Kläger das Kindergeld für seinen Sohn. Er teilte mit, dass sein Sohn nach einer ca. einjährigen Beschäftigung als geringfügig Beschäftigter seit August 2016 erkrankt sei und in Kürze beabsichtige, eine Ausbildung anzufangen. Der Kläger reichte diverse Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für seinen Sohn ein. Die eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung betraf den Zeitraum ... September 2016 bis ... März 2017. In diesem Zusammenhang legte der Kläger einen ärztlichen Nachweis vom vor. Der behandelnde Arzt erklärte auf dem Formular, dass der Sohn des Klägers seit dem erkrankt ist und das Ende der Erkrankung nicht absehbar ist. Außerdem reichte der Kläger eine Willenserklärung seines Sohnes vom über seine Ausbildungswilligkeit ein.
Am reichte der Kläger auf Nachfrage der Familienkasse eine weitere schriftliche Erklärung des behandelnden Arztes ein. In dieser erklärte der behandelnde Arzt, dass das Ende der Erkrankung oder Arbeitsunfähigkeit nicht sicher vorausgesagt werden kann und zunächst der angenommen wird.
Mit Bescheid vom lehnte die Beklagte für den Zeitraum ab August 2015 die Festsetzung des Kindergeldes ab. Hiergegen legt der Kläger am Einspruch ein, welcher durch Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Der Kläger hat am Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, dass sein Sohn auf Grund der Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, eine Willenserklärung über seine Ausbildungswilligkeit früher abzugeben. Er sei im streitigen Zeitraum ausbildungswillig gewesen. Dies könnten sowohl sein Sohn als auch seine behandelnden Therapeuten bestätigen.
Der Kläger beantragt,
den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für seinen Sohn A für die Monate September 2016 bis Mai 2017 Kindergeld festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die in § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) aufgeführten Voraussetzungen nicht gegeben seien. Eine Berücksichtigung sei zwar auch dann möglich, wenn das Kind infolge einer Erkrankung daran gehindert sei, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Eine Berücksichtigung während einer Erkrankung setze jedoch voraus, dass diese Erkrankung und das voraussichtliche Ende der Erkrankung durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen worden seien. Nach Ablauf von sechs Monaten sei eine solche Bescheinigung zu erneuern. Zudem müsse das Kind schriftlich gegenüber der Familienkasse erklären, dass es sich nach der Genesung zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn bewerben wolle bzw. die Ausbildung fortführen werde. Zwar habe der Kläger behauptet, dass sein Sohn im streitigen Zeitraum ausbildungswillig gewesen sei. Erklärungen, die eine solche Absicht glaubhaft machen könnten, wirkten jedoch erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Erklärung bei der Familienkasse. Auf die entsprechende Dienstanweisung wird verwiesen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis erklärt mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin.
Das Gericht hat den Sohn des Klägers und zwei seiner behandelnden Therapeuten als Zeugen vernommen. Auf die Sitzungsprotokolle der Erörterungstermine vom und und der mündlichen Verhandlung vom sowie der schriftlichen Aussagen der behandelnden Therapeuten wird verwiesen.
Dem Gericht hat die Kindergeldakte der Beklagten vorgelegen.
Gründe
Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten gem. § 79a Abs. 3 und 4 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Berichterstatterin.
I.
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte ist verpflichtet für den Kläger Kindergeld für seinen Sohn für die Monate September 2016 bis Mai 2017 festzusetzen (§ 101 FGO).
Dem Kläger steht das Kindergeld für seinen Sohn gem. §§ 62, 63 und 32 EStG für den Zeitraum September 2016 bis Mai 2017 zu.
Für ein Kind, das sein 18. Lebensjahr vollendet hat, besteht ein Anspruch auf Kindergeld, wenn eine der in § 32 Abs. 4 EStG aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG liegen vor. Gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG wird ein Kind berücksichtigt, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen kann.
a) Nach der Rechtsprechung ist es für die Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz im Sinne von § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erforderlich, dass es dem Kind trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen ist, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Die Bewerbung muss für den nächstmöglichen Ausbildungsbeginn abgegeben werden. Die ernsthaften Bemühungen um einen Ausbildungsplatz sind gegenüber der Familienkasse nachzuweisen.
Neben diesem objektiven Tatbestandsmerkmal erfordert die Regelung des § 32 Abs. 4 Nr. 2 c EStG für die Gewährung von Kindergeld darüber hinaus als subjektives Tatbestandsmerkmal, dass das Kind ausbildungswillig ist. Das Gesetz verlangt nicht eine letztlich erfolgreiche Ausbildungsplatzsuche, sondern lässt das vergebliche Bemühen um einen solchen genügen. Das setzt aber voraus, dass sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes - durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz - objektiviert haben muss. Ausbildungswillig in diesem Sinne sind Kinder, wenn sie für den frühestmöglichen Zeitpunkt eine Berufsausbildung anstreben (vgl. Urteil, , EFG 2000, 221).
b) Übertragen auf den Streitfall folgt hieraus, dass die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG vorliegen.
aa) Der Kläger hat zwar keine Nachweise über die eigenen Bemühungen seines Sohnes um einen Ausbildungsplatz beigebracht. Auch hat er nicht behauptet, dass sein Sohn sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat.
bb) Eine Berücksichtigung ist aber auch dann möglich, wenn das Kind infolge einer Erkrankung daran gehindert ist, sich um eine Berufsausbildung zu bemühen.
Zweck der Vorschrift ist die Gleichstellung der "Kinder ohne Ausbildungsplatz" mit den in Ausbildung befindlichen Kindern nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 a EStG, weil ein Kind nach Nr. 2 c finanziell ebenso abhängig ist und in typisierender Betrachtungsweise davon ausgegangen wird, dass dem Kindergeldberechtigten regelmäßig Unterhaltsaufwendungen in einer Höhe erwachsen, die die Gewährung von Kindergeld rechtfertigen. Nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 c EStG soll ein Kind also nicht deshalb benachteiligt werden, weil es trotz ernsthafter Bemühungen - u.U. jahrelang keinen Ausbildungsplatz findet (Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 32 Rn. 103; , EFG 1998, S. 1204). Ein Ausbildungsplatz ist dann nicht verfügbar, wenn er objektiv nicht angeboten wird oder eine an sich mögliche Ausbildung wegen Fristsetzungen im Ausbildungsvertrag oder in Ausbildungsordnungen erst zu einem späteren Zeitpunkt begonnen werden kann (Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, § 32 Rn. 103).
Ein Anspruch auf Kindergeldfestsetzung besteht auch dann, wenn das Kind seine Ausbildung wegen einer Erkrankung unterbrechen muss. Hat ein Kind einen Ausbildungsplatz und ist ausbildungswillig, ist aber aus objektiven Gründen zeitweise nicht in der Lage, die Ausbildung fortzusetzen, ist es ebenso zu behandeln wie ein Kind, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, einen solchen aber nicht findet und deshalb nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen ist (, zitiert nach juris). Nichts anderes kann dann gelten, wenn eine Ausbildung wegen einer Erkrankung nicht begonnen oder gesucht werden kann.
Der Kläger hat durch ärztliche bzw. psychotherapeutische Bescheinigungen nachgewiesen, dass sein Sohn im streitigen Zeitraum nicht in der Lage war, sich um eine Ausbildung zu bemühen oder eine Ausbildung zu beginnen. Es gab deshalb für den Sohn des Klägers im streitigen Zeitraum objektiv keinen Ausbildungsplatz. Auch für solche Fälle gilt die Regelung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG. Es ergibt sich nicht aus dem Gesetz, dass eine engere Auslegung erforderlich ist.
Nach Durchführung der Beweiserhebungen ist das Gericht davon überzeugt, dass der Sohn des Klägers ausbildungswillig gewesen ist, allerdings auf Grund seiner psychischen Erkrankung im streitigen Zeitraum nicht in der Lage gewesen ist, eine Ausbildung zu beginnen. In einem solchen Fall kann nicht verlangt werden, dass das Kind trotzdem Bewerbungen für Ausbildungsstellen absendet. Denn es würde sich hierbei lediglich um Alibibewerbungen handeln. Der Sohn des Klägers wäre nicht in der Lage gewesen, eine Ausbildung zu beginnen und hätte dementsprechend in einem Vorstellungsgespräch nur ein abstraktes Interesse bekunden können, welches nicht zu einem Ausbildungsvertrag hätte führen können.
Sowohl der Sohn als auch sein behandelnder Psychotherapeut haben bei ihrer Zeugenvernehmung glaubhaft ausgesagt, dass der Sohn des Klägers im streitigen Zeitraum seinem Therapeuten gegenüber mitgeteilt hat, dass er eine Ausbildung beginnen möchte, wenn ihm das gesundheitlich wieder möglich sein würde. Der Sohn hat bei seiner Vernehmung überzeugend ausgeführt, dass er gerne eine Ausbildung zum Tischler machen möchte und dass er dieses bereits seit seiner 10. Schulklasse geplant habe und auch bereits ein Schulpraktikum in diesem Bereich absolviert hatte. Dass es sich hierbei um einen tatsächlichen Plan und Wunsch des Sohnes des Klägers gehandelt hat, hat er durch die Durchführung eines Praktikums im Juni 2017 bewiesen. Beide Zeugen haben glaubhaft versichert, dass der Sohn des Klägers nicht dauerhaft vorhatte, nichts zu tun oder zu jobben, sondern eine Ausbildung beginnen wollte. Diese Erklärung überzeugt umso mehr, weil der Sohn des Klägers auf Nachfrage erklärte, dass er hingegen nicht die Fortsetzung der Schule geplant habe.
Die Anforderungen, die durch die Rechtsprechung entwickelt wurden, um die rechtsmissbräuchliche Ausnutzung des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu verhindern, insbesondere die Forderung eines Nachweises von ernsthaften Bemühungen, führen im Streitfall nicht zu einem anderen Ergebnis. Im Streitfall liegt kein Missbrauchsfall vor. Dies ist insbesondere daran zu erkennen, dass der Kläger nicht für den gesamten möglichen Zeitraum ab Vollendung des 18. Lebensjahres seines Sohnes das Kindergeld begehrt, sondern erst ab dem Zeitpunkt der Beendigung der stationären Behandlung seines Sohnes.
Aus der Tatsache, dass der Kläger seinen Antrag auf Kindergeldfestsetzung erst nachträglich gestellt hat, kann ihm ebenfalls kein Nachteil entstehen, denn es ist verständlich, dass in der Situation, in der sich der Kläger und sein Sohn befanden, das Kindergeld nicht das wichtigste Problem der Familie darstellte.
Eine andere bzw. strengere bzw. formalere Beurteilung würde auch dazu führen, dass der Kläger schlechter gestellt würde, als z. B. Eltern, die das Kindergeld erhalten, weil sich deren Kinder formal um einen (Medizin)Studienplatz bemühen in Kenntnis, dass sie nicht den erforderlichen Notendurchschnitt haben und deswegen den Studienplatz nicht bekommen.
cc) Es ist entgegen der Dienstanweisung der Beklagten nicht erforderlich, dass eine Erklärung des Kindes, aus der sich ergibt, dass das Kind plant, sich nach seiner Genesung zum nächstmöglichen Ausbildungsbeginn zu bewerben bzw. die Ausbildung fortzuführen, bereits vorab vorgelegt wird (vgl. Dienstanweisung der Beklagten A 17.2 Satz 4).
Diese Regelung der Dienstanweisung der Beklagten gilt für solche Fälle, in denen das Kind nicht bereits vor der Erkrankung nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt wurde. Dies ist hier der Fall.
Nach V 6.1 Satz 8 der Dienstanweisung der Beklagten wirken Erklärungen, die eine Absicht glaubhaft machen sollen, nur ab dem Zeitpunkt des Eingangs der schriftlichen Erklärung bei der Familienkasse. Aus diesem Grund hat die Beklagte das Kindergeld erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung des Sohnes des Klägers über seine Ausbildungswilligkeit festgesetzt.
Diese für die Beklagte bindende Dienstanweisung bindet das Gericht indes nicht. Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei diesen Regelungen in der Dienstanweisung der Beklagten lediglich um verwaltungsökonomische Regelungen handelt (im Ergebnis ebenso , zitiert nach juris). Liegt eine solche schriftliche Erklärung der Familienkasse vor, muss die Familienkasse nicht mehr prüfen. Hiervon unberührt müssen aber Beurteilungen des Einzelfalles bleiben. Entscheidend ist, ob das Kind ausbildungswillig war in den Monaten, für die das Kindergeld begehrt wird. Diese Beurteilung einer inneren Tatsache obliegt dem Finanzgericht.
Nicht entscheidungserheblich ist die Frage, ob es dem Sohn des Klägers möglich gewesen wäre, eine solche Erklärung, wie sie in der Dienstanweisung der Familienkasse gefordert wird, bereits im September 2016 einzureichen. Eine solche Erklärung hätte zwar eine Beweiserleichterung bewirken können und sie hätte vermutlich dazu geführt, dass die Familienkasse bereits der Antragstellung entsprochen hätte, das Fehlen einer solchen Erklärung führt aber nicht zur Versagung des Kindergeldanspruchs.
dd) Zwar verlangt die Dienstanweisung der Beklagten zusätzlich, dass mit der ärztlichen Bescheinigung auch das voraussichtliche Ende der Erkrankung nachgewiesen werden muss.
Die vom Kläger zunächst vorgelegten Bescheinigungen enthielten kein voraussichtliches Ende der Erkrankung des Sohnes. Allerdings hat der Kläger Mitte Juli 2017 noch eine zusätzliche Erklärung des behandelnden Arztes eingereicht, in der dieser mitteilt, dass das Ende der Erkrankung nicht vorausgesagt werden könne, er aber zunächst den annehme.
Nach Ansicht des Gerichts ist es nicht schädlich, dass das voraussichtliche Ende zunächst nicht mitgeteilt wurde. Eine solche Mitteilung ist gerade bei psychischen Erkrankungen oft nicht möglich. Dies kann nicht zu Lasten des Kindergeldberechtigten gehen.
ee) Nach der Dienstanweisung der Beklagten führen Erkrankungen, die länger als sechs Monate dauern, nur noch dann zur Kindergeldberechtigung, wenn eine Behinderung des Kindes vorliegt. Diese Anweisung überzeugt das Gericht nicht. Gerade psychische Erkrankungen dauern häufig länger als sechs Monate bzw. es kann gerade keine Prognose erstellt werden, dass die psychische Erkrankung innerhalb von sechs Monaten geheilt werden kann. Allerdings führt nicht jede psychische Erkrankung zu einer Behinderung. Es ist nicht sachgerecht eine vorübergehende psychische Erkrankung, die länger als sechs Monate dauert, in jedem Fall als eine Behinderung einzustufen. Dies würde zu einer nicht erforderlichen und auch nicht sinnvollen Stigmatisierung des Kindes führen. Der Kläger hat deshalb sein Klagebegehren auch auf § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG und nicht auf § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG gestützt. Dies ist möglich, da der Sohn des Klägers im streitigen Zeitraum noch nicht sein 25. Lebensjahr vollendet hat.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 Abs. 1 und 3 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.
3. Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
FR 2018 S. 1012 Nr. 21
GStB 2019 S. 2 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 1/2019 S. 10
UAAAG-96778