Änderung des Steuerbescheids
Nachträgliche Geltendmachung von Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen
Leitsatz
Ein Steuerpflichtiger, der von Beruf Steuerberater ist, kann auch nach Eintritt der Bestandskraft Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen für eine von ihm angemietete Wohnung gemäß § 35a EStG geltend machen, wenn er von diesen Aufwendungen aufgrund der Betriebskostenabrechnung der Verwaltergesellschaft erst nach Durchführung der Veranlagung dem Grunde und der Höhe nach Kenntnis erlangt hat.
Gesetze: AO § 173 Abs 1 Nr 2, EStG § 35a
Instanzenzug: BFH - VI B 75/16
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die bestandskräftige Einkommensteuerfestsetzung des Klägers für 2014 (Streitjahr) im Hinblick auf nachträglich geltend gemachte Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen i.S. von § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG) gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) zugunsten des Klägers zu ändern ist.
Der Kläger ist Steuerberater. Er ist Mieter einer in einem Mehrfamilienhaus in W, B Straße …, gelegenen Wohnung. Verwaltet wird das gesamte Vermietungsobjekt von der A GmbH, die den Mietern jährliche Betriebskostenabrechnungen mit dem Hinweis erteilt, dass sie für die in der Abrechnung anteilig enthaltenen, mit dem Zusatz „§ 35a” gekennzeichneten Kosten für haushaltsnahe Dienst- und Handwerkerleistungen eine Steuerermäßigung beantragen können.
Bereits in den aktenkundigen Vorjahren (2012 und 2013) hatte der Kläger in seinen am (für 2012) und (für 2013) bei dem Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärungen keinerlei Abzugsbeträge nach § 35a EStG geltend gemacht. Die daraufhin – erklärungsgemäß – ergangenen (vorbehaltlosen) Bescheide hatte er bestandskräftig werden lassen.
Für den Veranlagungszeitraum 2012 hatte er sodann mit Schreiben vom unter Hinweis auf eine beigefügte Bescheinigung (Anhang zur Heiz- und Betriebskostenabrechnung für 2012) vom , in der anteilige Kosten für Hausmeister, Gartenpflege und Rauchabzugsanlage i.H. von insgesamt 382,45 € ausgewiesen waren, beantragt, 20 v.H. dieses Betrags als haushaltsnahe Dienstleistungen gemäß §§ 35a EStG, 173 Abs. 1 Nr. 2 AO steuermindernd zu berücksichtigen. Zum Nachweis dafür, dass ihm diese Bescheinigung aufgrund eines Eigentümerwechsels erst auf Nachfrage im Februar 2014 übersandt worden sei, hatte er außerdem entsprechenden e-mail-Verkehr beigefügt. Unter dem erließ der Beklagte, gestützt auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, einen dem Antrag des Klägers vollumfänglich entsprechenden Bescheid.
Für 2013 stellte der Kläger am zunächst einen – wiederum auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützten – Änderungsantrag, mit dem er den Beklagten bat, die aus der beigefügten Bescheinigung vom ersichtlichen, anteilig auf ihn entfallenden Kosten für Hausmeister, Gartenpflege und Rauchabzugsanlage i.H. von 56,74 € gemäß § 35a EStG (mit 20 v.H.) zu berücksichtigen. Dem entsprach der Beklagte mit gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändertem Bescheid vom . Am ging ein weiterer auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützter Änderungsantrag des Klägers bei dem Beklagten ein, mit dem der Kläger die Gewährung der Steuerermäßigung gemäß § 35a EStG für die in der anliegenden Betriebskostenabrechnung entsprechend gekennzeichneten Kostenpositionen i.H. von insgesamt 352,88 € begehrte. Dies lehnte der Beklagte zunächst mit Bescheid vom unter Hinweis auf die Anweisungen in Rz. 47 und 48 des (BStBl I 2014, 75) ab. Dem dagegen eingelegten Einspruch des Klägers gab er jedoch mit Abhilfebescheid vom in vollem Umfang kommentarlos statt.
Auch in der für das Streitjahr am bei dem Beklagten eingereichten Einkommensteuererklärung des Klägers hatte dieser keine Angaben zu etwaigen nach § 35a EStG abziehbaren Aufwendungen gemacht. Daraufhin setzte der Beklagte mit Bescheid vom wie in den Vorjahren ohne Nachprüfungsvorbehalt Einkommensteuer i.H. von 16.847 € gegen den Kläger fest. Diesen Bescheid änderte er unter dem aufgrund von nachgereichten Belegen (Spendenquittung und Kapitalertragsteuerbescheinigung) gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Die Einkommensteuer verminderte sich dadurch geringfügig auf nunmehr 16.839 €.
Am übersandte der Kläger dem Beklagten die Betriebskostenabrechnung der A für das Jahr 2014 und beantragte wie in den Vorjahren, 20 v.H. der darin ausgewiesenen (anteilig auf ihn entfallenden) Aufwendungen für Aufzugsanlagen, Gartenpflege, Winterdienst, Schornsteinreinigung, Hausreinigung, Wartung der Feuermeldeanlage, Alarmüberwachung und Hausmeisterdienste in Höhe von insgesamt 524,29 € gemäß § 35a EStG von seiner Steuerschuld abzuziehen.
Dies lehnte der Beklagte unter dem förmlich ab. Zur Begründung verwies er auf das Fehlen entsprechender Änderungsvorschriften. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO scheide als Rechtsgrundlage aus, da der Antrag erst nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist gestellt worden sei. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO komme ebenfalls nicht zum Zuge, weil den Kläger ein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden treffe. Von Unkenntnis der steuerlichen Bestimmungen könne nicht ausgegangen werden, da der Kläger bereits in den Vorjahren entsprechende Aufwendungen geltend gemacht habe. Die haushaltsnahen Dienstleistungen hätten daher in der Einkommensteuererklärung bzw. im Rahmen eines nachfolgenden Einspruchsverfahrens geltend gemacht werden können.
Den hiergegen eingelegten Einspruch des Klägers, mit dem dieser gegen die Annahme eines groben Verschuldens insbesondere einwandte, dass ihm die Nebenkostenabrechnung erst mehr als fünf Monate nach Eintritt der Bestandskraft des entsprechenden Bescheids zugestellt worden sei, wies der Beklagte mit Rechtsbehelfsentscheidung vom als unbegründet zurück. Hierzu führte er ergänzend zu seinen Darlegungen im Ablehnungsbescheid im Wesentlichen aus:
Eine Berücksichtigung der nachträglich geltend gemachten Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen im Einkommensteuerbescheid 2014 komme mangels vorliegender Änderungsvorschrift nicht in Betracht.
Eine Änderung nach § 164 Abs. 2 AO scheide im Streitfall aus, weil die Veranlagung für 2014 nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchgeführt worden sei. Aus der vom Kläger eingereichten Steuererklärung sei weder ersichtlich gewesen, dass Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen getätigt worden seien, noch seien entsprechende Nachweise beigebracht worden. Allein wegen ähnlicher Angaben in der Vorjahreserklärung habe keine Veranlassung für den Beklagten bestanden, den Bescheid unter Nachprüfungsvorbehalt zu stellen.
Auch die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 129 AO seien im Streitfall nicht erfüllt. Da der Kläger seiner Steuererklärung weder einen Beleg über die streitigen Aufwendungen beigefügt habe noch Aufwendungen i.S. des § 35a EStG in den Erklärungsvordruck eingetragen habe, liege kein nach § 129 AO zu berichtigender Übernahmefehler vor.
§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sei aus den bereits im Ablehnungsbescheid genannten Gründen hier nicht einschlägig.
Die Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheitere – wie bereits im Ablehnungsbescheid dargelegt – an dem grob schuldhaften Verhalten des Klägers. Dieser sei Steuerberater, weswegen man Unkenntnis der relevanten Steuervorschriften nicht annehmen könne. Im Hinblick darauf, dass er bereits in den Vorjahren entsprechende Aufwendungen geltend gemacht habe, habe er grob fahrlässig gehandelt, indem er es unterlassen habe, die Aufwendungen für haushaltsnahen Dienstleistungen zu erklären bzw. darauf hinzuweisen, dass noch derartige Aufwendungen anfallen könnten, die in 2014 berücksichtigt werden sollten.
Schließlich könne eine Änderung auch nicht auf der Grundlage des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 AO erfolgen, da die nachträgliche Erteilung oder Vorlage einer Bescheinigung nicht als rückwirkendes Ereignis gelte.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage verfolgt der Kläger sein außergerichtliches Begehren weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:
Haushaltsnahe Aufwendungen i.S. von § 35a EStG seien gemäß § 11 Abs. 2 EStG grundsätzlich im Veranlagungszeitraum der Zahlung, hier also im Streitjahr, abzugsfähig, da in diesem Zeitraum die entsprechenden Vorauszahlungen geleistet worden seien. Die von der Finanzverwaltung im unter Rdnr. 40 vertretene Auffassung, zufolge derer die Aufwendungen im Veranlagungszeitraum der Jahresabrechnung steuermindernd abgesetzt werden können, werde in der Literatur als Wahlrecht des Steuerpflichtigen verstanden, die Aufwendungen entweder im Veranlagungszeitraum der Vorauszahlung oder im Zeitpunkt der Jahresabrechnung geltend zu machen (Hinweis auf Schmidt / Kulosa, EStG, Kommentar, 31. Auflage, § 35a Rz. 17, und Heß / Görner, DStR 2007, 1804). Mit Antrag vom habe er – der Kläger – von diesem Wahlrecht dahingehend Gebrauch gemacht, dass er sich für den Abzug der Aufwendungen im Streitjahr entschieden habe.
Entgegen der Ansicht des Beklagten lägen die Änderungsvoraussetzungen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO im Streitfall vor. Unstreitig habe der Beklagte positive Kenntnis von den Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen erst durch die mit Antrag vom übermittelte Nebenkostenabrechnung für 2014 erlangt. An diesem nachträglichen Bekanntwerden treffe ihn – den Kläger – auch kein grobes Verschulden. Er habe als Steuerberater die erforderliche Sorgfalt walten lassen, indem er dem Beklagten zwei Wochen, nachdem ihm – dem Kläger – die Nebenkostenabrechnung für 2014 übersandt worden sei, die neue Tatsache mit dem Änderungsantrag vom angezeigt habe. Weder zum Zeitpunkt der Erstellung der Steuererklärung noch bei Eintritt der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids vom hätten ihm substantiierte Nachweise vorgelegen, anhand derer er die auf ihn entfallenden Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen hätte ermitteln können. Diese Vorgehensweise habe er im Übrigen auch in den Vorjahren ab 2009 gewählt, ohne dass dies vom Beklagten beanstandet worden sei. Insofern habe er ungeachtet des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung davon ausgehen können, dass seine Vorgehensweise nicht den Vorwurf groben Verschuldens begründe.
Soweit der Beklagte auf die bei Steuerberatern zu unterstellende Kenntnis der steuerrechtlichen Bestimmungen anspiele, sei darauf hinzuweisen, dass nach der ausdrücklichen Regelung in § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG zwingende Voraussetzung für den Ansatz von Aufwendungen für haushaltsnahe Dienst- und Handwerkerleistungen der Erhalt einer Rechnung sei. Eine solche sei ihm in Form der Betriebskostenabrechnung jedoch erst in der Woche vor dem , also mehr als acht Monate nach Erstellung der Steuererklärung übersandt worden. Gerade die Kenntnis der steuerrechtlichen Vorschriften habe verhindert, dass entsprechende Angaben in der Steuererklärung gemacht worden seien.
Der weitere Einwand des Beklagten, das (EFG 2013, 525) sei auf den Streitfall nicht übertragbar, weil von der dortigen Klägerin, einer Steuerfachangestellten, nicht ein vergleichbar hohes Maß an steuerlichen Kenntnissen erwartet werde wie bei einem Steuerberater, überzeuge schon deswegen nicht, weil es sich vorliegend um einen Vorgang der laufenden Einkommensteuerveranlagung handele, dessen Kenntnis die Praxis sowohl eines Steuerberaters als auch einer Steuerfachangestellten bestimme. Im Übrigen könne eine Abgrenzung ausschließlich anhand von erworbenen Titeln und Berufsbezeichnungen für die Frage, ob ein grobes Verschulden vorliege, nicht zielführend sein. Das vorzitierte Urteil des FG Baden-Württemberg müsse insoweit beachtet werden.
Soweit der Beklagte mit den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung und dem Vertrauensschutz nach § 176 AO argumentiere, sei die Bedeutung seiner diesbezüglichen Ausführungen für die Beurteilung des Streitfalles nicht erkennbar. Die steuerliche Behandlung in Vorjahren sei vielmehr für die Beantwortung der Frage erheblich, ob „grobes” Verschulden vorliege. Nach allgemeiner Meinung in der Rechtsprechung treffe auch den versierten Steuerpflichtigen kein Verschulden, wenn die Finanzbehörde eine Rechtsfrage in bestimmter Weise einschätze und der Steuerpflichtige sich auf diese Rechtsauffassung einlasse.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger ergänzend vorgetragen, für ihn sei bei Abgabe der Einkommensteuererklärung für 2014 nicht klar gewesen, dass überhaupt gemäß § 35 a EStG abziehbare Aufwendungen angefallen seien. Nach seiner Erinnerung habe es in der Vergangenheit auch zwei Jahre gegeben, in denen keine derartigen Kosten entstanden seien.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des die Änderung ablehnenden Bescheids vom und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom den Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuer für 2014 unter Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen um 105 € (= 20 v.H. von 525 €) auf 16.742 € herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt er zunächst Bezug auf seine Darlegungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend führt er im Wesentlichen aus:
Der vom Kläger beantragten Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO stehe sein grobes Verschulden entgegen. Grob fahrlässig und damit schuldhaft i.S. dieser Vorschrift handele, wer die ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletze. Der Kläger sei Steuerberater. An Unkenntnis der steuerrechtlichen Bestimmungen könne die Nichterklärung der streitigen Aufwendungen demnach nicht gescheitert sein. Zudem seien in den Vorjahren jeweils entsprechende Aufwendungen geltend gemacht worden. Es liege insofern grobes Verschulden vor, als keine haushaltsnahen Dienstleistungen erklärt bzw. auf eine spätere Erklärung hingewiesen worden sei.
Der Streitfall sei mit dem Sachverhalt, über den das FG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 11 K 838/10 (EFG 2013, 525) entschieden habe, nicht vergleichbar, da von einer Steuerfachangestellten nicht dasselbe Maß an steuerlichen Kenntnissen erwartet werde wie bei Steuerberatern.
Des Weiteren gelte im Einkommensteuerrecht das Prinzip der Abschnittsbesteuerung mit der Folge, dass eine rechtliche Beurteilung aus den Vorjahren keine Bindung für nachfolgende Veranlagungszeiträume entfalte. Auf die Vorjahresbeurteilung könne sich ein Steuerpflichtiger daher nicht mit Erfolg berufen.
Es liege auch kein Fall des Vertrauensschutzes gemäß § 176 AO vor, da die Tatbestandsmerkmale dieser Norm nicht erfüllt seien.
In der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin des Beklagten nochmals betont, dass der Kläger darauf hätte hinwirken müssen, dass der Einkommensteuerbescheid für 2014 entweder unter Nachprüfungsvorbehalt gestellt oder hinsichtlich der streitigen Aufwendung für vorläufig erklärt werde. Sein diesbezügliches Unterlassen begründe den die Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ausschließenden Vorwurf groben Verschuldens. Insoweit werde auf das (BFH/NV 2012, 370) verwiesen, in dem der BFH im vorbeschriebenen Sinne entschieden habe. Hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabs bei Steuerberatern und sonstigen fachkundigen Personen werde auf die Ausführungen des (BStBl. II 2013, 566) Bezug genommen. Für die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit das Verhalten der Finanzbehörde bei der Beurteilung des groben Verschuldens im Rahmen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO mit zu berücksichtigen sei, sei das (BStBl II 192, 65) zu beachten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
I. Der die Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung 2014 ablehnende Bescheid vom und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO). Der Kläger hat Anspruch auf Erteilung eines gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheids für 2014, in dem die nach § 35a Abs. 2 und 3 EStG geltend gemachten Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen antragsgemäß berücksichtigt werden.
1. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Steuerermäßigung sind im Streitfall erfüllt.
a) Nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung ermäßigt sich für andere als in Abs. 1 aufgeführte haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach Abs. 3 sind, die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 4.000 €, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, ebenfalls auf Antrag um 20 Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen, höchstens jedoch um 1.200 €.
„Andere haushaltsnahe Beschäftigungs- und Dienstverhältnisse” i.S. von § 35a Abs. 2 EStG umfassen unabhängig von der zivilrechtlichen Einordnung alle auf vertraglicher Grundlage erbrachten Dienstleistungen mit Ausnahme solcher, die auf einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis i.S. von § 8a SGB IV (sog. Haushaltsscheckverfahren) beruhen (vgl. hierzu Frotscher, EStG, Kommentar, § 35a Rz. 39, und Schmidt / Krüger, EStG, Kommentar, § 35a Rz. 10). § 35a Abs. 2 EStG gilt danach für normale sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse und für solche, bei denen eine Teilnahme am Haushaltsscheckverfahren nicht möglich ist (Schmidt / Krüger, a.a.O., § 35a Rz. 10). Dies betrifft u.a. solche Beschäftigungsverhältnisse, die – wie im vorliegenden Fall – von Wohnungseigentümergemeinschaften und Vermietern eingegangen werden (Schmidt / Krüger, a.a.O., § 35a Rz. 6, m.w.N.).
Demgegenüber betrifft der Regelungsbereich des § 35a Abs. 3 EStG handwerkliche Tätigkeiten einschließlich einfacher handwerklicher Verrichtungen, zu denen u.a. Garten- und Wegebauarbeiten sowie die Wartung von technischen Anlagen gehören können. Voraussetzung ist jedoch, dass die Leistungen im Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht werden und Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen darstellen (Schmidt / Krüger, a.a.O., § 35a Rz. 15, m.w.N.).
b) Ausweislich der aktenkundigen Betriebskostenabrechnung für das Streitjahr sind u.a. – mit dem Zusatz „§ 35a” besonders gekennzeichnete – Aufwendungen für „Aufzugsanlagen”, „Gartenpflege”, „Winterdienst”, „Schornsteinreinigung”, „Hausreinigung”, „Wart. Feuermeldean.”, „Alarmüberwachung” und „Hausm./Hauswart” getätigt worden. Diese Aufwendungen sind ihrer Art nach allesamt nach Maßgabe des § 35a EStG steuerlich begünstigt. Denn sie betreffen mit Ausnahme der Positionen „Hausreinigung” und „Winterdienst”, die dem Anwendungsbereich des § 35a Abs. 2 EStG unterfallen, Handwerkerleistungen i.S. von § 35a Abs. 3 EStG, die in oder an dem Gebäude, in dem sich die private (Miet-) Wohnung des Klägers befindet, und damit in dessen räumlichen Haushaltsbereich erbracht worden sind.
Diese ihrer Art nach begünstigten Aufwendungen sind auch in dem aus der Betriebskostenabrechnung für 2014 ersichtlichen Umfang der Bemessung des Abzugsbetrags nach § 35a EStG zugrunde zu legen. Das Gericht geht davon aus, dass in den mit „§ 35a” gekennzeichneten Ausgabenpositionen keine – nicht nach § 35a EStG begünstigten – Materialkosten enthalten sind. Dafür spricht neben dem Umstand, dass derartige Kosten keine zulässigerweise auf den Mieter umlegbaren Betriebskosten darstellen, auch die Erläuterung im Vorspann der Betriebskostenabrechnung, wonach es sich bei den entsprechend gekennzeichneten Beträgen um solche handelt, für die der Mieter eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG beantragen kann. Schließlich handelt es sich bei den die Aufwendungen verursachenden Dienst- /Werkleistungen um Tätigkeiten, bei denen – abgesehen von begünstigungsunschädlichem Verbrauchsmaterial – üblicherweise kein Material verarbeitet wird.
Schließlich hat der Kläger in Gestalt der vorgelegten Betriebskostenabrechnung der A auch eine den Ermäßigungsanspruch gemäß § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG (erst) begründende „Rechnung” erhalten. Diese genügt den für Wohnungseigentümer und Mieter reduzierten Anforderungen im (BStBl II 2014, 75 Rzn. 47 und 48). Unschädlich ist danach auch, dass der Kläger, der als Mieter nicht Partei des über die Dienst- bzw. Werkleistung abgeschlossenen Vertrages ist, seine Zahlung nicht unmittelbar an den Leistenden, sondern lediglich mittelbar über die dem Vermieter überwiesenen Betriebskostenvorauszahlungen erbracht hat.
Der Kläger hat die streitigen Aufwendungen außerdem zu Recht bereits im Veranlagungszeitraum der Zahlung, also im Streitjahr, geltend gemacht. Dies entspricht dem auch im Rahmen des § 35a EStG geltenden Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG (vgl. statt aller Schmidt / Krüger, EStG, Kommentar, § 35a Rz. 28, m.w.N., und Frotscher / Kratz, EStG, § 35a Rz. 99a). Dass es ihm als Mieter aufgrund des durch das eingeräumten (Wahl-) Rechts alternativ auch möglich gewesen wäre, die Steuerermäßigung nach § 35a EStG erst im Jahr der Abrechnung, also im Folgejahr, in Anspruch zu nehmen, da es sich offenbar um wiederkehrende Dienst-/Werkleistungen handelt, ist nicht entscheidungserheblich.
2. Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid vom gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO dahingehend zu ändern, dass die streitigen Aufwendungen des Klägers nach Maßgabe des § 35a EStG steuermindernd berücksichtigt werden. Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die Voraussetzungen dieser Änderungsvorschrift vorliegend erfüllt.
a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsachen oder Beweismittel trifft.
aa) Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein kann, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (st. Rspr., vgl. z.B. , BStBl II 1985, 117, und vom III R 24/87, BStBl II 1992, 65, sowie Klein / Rüsken, AO, Kommentar,12. Auflage, § 173 Rz. 21, m.w.N.). Der Umstand, dass und in welchem Umfang im Streitjahr anteilig auf den Kläger entfallende Aufwendungen für welche konkreten nach § 35a EStG begünstigten Dienst- oder Werkleistungen getätigt worden sind, ist eine Tatsache i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, deren Berücksichtigung eine Minderung der bisher festgesetzten Steuer um 105 € zur Folge hat und insoweit zur Entstehung einer niedrigeren Steuer führt.
bb) Diese Tatsache ist dem Beklagten unstreitig erst sieben Monate nach Erteilung des (bestandskräftigen) Einkommensteuerbescheids vom und damit „nachträglich” i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO durch den Änderungsantrag des Klägers vom und die diesem beigefügte Betriebskostenabrechnung bekannt geworden.
cc) Den Kläger trifft – auch unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und Tätigkeit als Steuerberater – kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der vorgenannten Tatsache.
(1) Als grobes Verschulden i.S. von § 173 Abs. 1 Satz 2 AO hat der Steuerpflichtige sowohl Vorsatz als auch grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Die hier allein in Betracht kommende grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (st. Rspr., vgl. z.B. , BStBl II 1984, 693, vom VI R 59/02, BFH/NV 2007, 866, und BFH in BStBl II 1992, 65, sowie Klein / Rüsken, a.a.O., § 173 Rz. 112, m.w.N.). Ob ein Beteiligter in diesem Sinne grob fahrlässig gehandelt hat, ist im Wesentlichen eine im jeweiligen Einzelfall zu entscheidende Tatfrage (BFH in BStBl II 1992, 65, m.w.N.).
(2) Im Streitfall hat der Kläger nicht grob fahrlässig gehandelt. Zwar ist bei ihm aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Steuerberater ein strengerer Sorgfaltsmaßstab anzulegen als bei Steuerpflichtigen, die als Laien keine fachkundige Ausbildung absolviert haben und daher über keinerlei steuerrechtliche Vorkenntnisse verfügen. Auf die – bei Steuerberatern zu unterstellende – Kenntnis der steuerlich relevanten Rechtsvorschriften kommt es jedoch im Streitfall nicht an. Denn die unterlassene Eintragung der streitigen Aufwendungen in das Erklärungsformular war ebenso wenig wie deren erst spätere Geltendmachung und der Verzicht auf eine vorsorgliche Einspruchseinlegung gegen den Bescheid vom nicht auf grob schuldhafte Unkenntnis der einschlägigen Steuerrechtsvorschriften zurückzuführen. Maßgeblicher Grund für die erst nach Eintritt der Bestandskraft erfolgte Geltendmachung der streitigen Aufwendungen und damit für deren nachträgliches Bekanntwerden war vielmehr, dass dem Kläger die Betriebskostenabrechnung, aus der sich die Entstehung nach § 35a EStG abziehbarer Aufwendungen sowie deren Art und Höhe ergaben, selbst erst im Dezember 2015, also ein halbes Jahr nach Durchführung der Einkommensteuerveranlagung für 2014, von der Verwaltungsgesellschaft erhalten hat. Vor Übersendung dieser „Rechnung”, deren Erhalt nach § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 und 3 EStG ist, besaß der Kläger weder positive Kenntnis von der Entstehung gemäß § 35a EStG begünstigter Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach, noch kannte er die Art der zugrunde liegenden Tätigkeiten. Selbst wenn im Hinblick auf den regelmäßig wiederkehrenden Charakter der in Rede stehenden Dienstleistungen die Annahme nahelag, dass dem Grunde nach auch im Streitjahr derartige Aufwendungen anfallen würden, so stand dies keineswegs sicher fest. Insoweit hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass nach seiner Erinnerung in zwei – allerdings nicht aktenkundigen – Vorjahren überhaupt keine nach § 35a EStG begünstigten Aufwendungen entstanden seien. Erst Recht waren für den Kläger, der die Leistungen als Mieter nicht in Auftrag gegeben hat, deren Art und Umfang im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe nicht vorhersehbar. Insbesondere konnte und musste er nicht davon ausgehen, dass der im Streitjahr nach § 35a EStG abziehbare Betrag dem Vorjahresbetrag entspricht. Abgesehen davon, dass sich die nach § 35a EStG begünstigten Aufwendungen mit 525 € gegenüber den beiden aktenkundigen Vorjahren (2012: 382 € und 2013: 410 €) nicht zuletzt aufgrund der allgemeinen Preisentwicklung stark erhöht haben, sind auch diverse weitere – in den Vorjahresbescheinigungen nicht ausgewiesene – Dienstleistungen wie etwa Winterdienst, Wartung der Aufzugs- und Feuermeldeanlagen und Alarmüberwachung im Streitjahr hinzugekommen.
Im Übrigen knüpft § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG – wie bereits dargelegt – die „Inanspruchnahme” der Steuervergünstigung, d.h. ihre förmliche Beantragung durch Eintragung der entsprechenden Angaben in das amtliche Erklärungsformular, u.a. an den „Erhalt” einer „Rechnung”. Nach der Gesetzesformulierung handelt es sich – ähnlich wie beim Vorsteuerabzug nach § 15 UStG – um eine materielle Tatbestandsvoraussetzung. Ebenso wie § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG darauf abstellt, dass der Unternehmer eine Rechnung „besitzt”, verlangt § 35a Abs. 5 Satz 3 EStG, dass der Steuerpflichtige eine solche „erhalten hat”. Die Rechnung muss ihm also zugänglich gemacht worden sein. Diesem Erfordernis kommt neben der reinen Nachweisfunktion gerade in solchen Fällen, in denen der Steuerpflichtige – wie hier – als Mieter selbst nicht Auftraggeber der Dienstleistung ist, Bedeutung insofern zu, als erst der Erhalt der Rechnung dem Steuerpflichtigen die Kenntnis von Grund, Art und Höhe der betreffenden Aufwendungen verschafft.
An dem grundsätzlichen Erfordernis, eine Rechnung „erhalten” zu haben, ändert auch die in Rz. 49 des für Wohnungseigentümer und Mieter vorgesehene Nachweiserleichterung nichts, wonach es bei diesen Personen ausreicht, wenn der Steuerpflichtige die Nachweise auf Verlangen des Finanzamts vorlegen kann. Denn auch nach Rz. 49 des vorzitierten BMF-Schreibens „müssen” die sich aus Rz.47 ergebenden Nachweise (d.h. die Jahres- und / oder Betriebskostenabrechnung) „vorhanden sein”.
(3) Soweit der Beklagte ein grobes Verschulden darin sieht, dass der Kläger die streitigen Aufwendungen bei Abgabe seiner Steuererklärung nicht wenigstens geschätzt bzw. unter Hinweis auf deren erst spätere Geltendmachung auf eine insoweit gemäß § 165 AO vorläufige oder eine Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) hingewirkt hat, teilt der Senat diese Auffassung nicht.
(a) Nach § 150 Abs. 2 Satz 1 AO sind die Angaben in den Steuererklärungen wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Den Steuererklärungen müssen gemäß § 150 Abs. 4 Satz 1 AO die Unterlagen beigefügt werden, die nach den Steuergesetzen vorzulegen sind. Um eine Steuererklärung vollständig und wahrheitsgemäß abgeben zu können, muss ein Steuerpflichtiger das Erklärungsformular gewissenhaft durchlesen und eine darin ausdrücklich gestellte, auf einen bestimmten Vorgang bezogene Frage wahrheitsgemäß und vollständig beantworten (st. Rspr., vgl. z.B. , BFH/NV 2003, 441, und vom IV R 215/85, BStBl II 1988, 863, sowie BFH in BStBl II 1992, 65).
Der amtliche Erklärungsvordruck sieht in den die haushaltsnahen Dienst- und Handwerkerleistungen betreffenden Rubriken (Zeilen 71 ff des Mantelbogens) neben Angaben zur „Art der Tätigkeit / Aufwendungen” lediglich die Eintragung eines – exakt zu beziffernden – Betrags vor. Ist dem Steuerpflichtigen – wie hier – aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe nicht positiv bekannt, dass in dem betreffenden Jahr überhaupt nach § 35a EStG begünstigte Aufwendungen angefallen sind, geschweige denn deren konkrete Art und Höhe, so ist er weder zu einer schätzweisen, eben nicht seinem „besten Wissen” entsprechenden Angabe verpflichtet, noch ergibt sich aus dem Gesetz für diese Fälle eine Verpflichtung, bei Abgabe der Steuererklärung auf die Beifügung eines Vorläufigkeitsvermerks oder eines Vorbehalts der Nachprüfung hinzuwirken. Eine derartige Verpflichtung lässt sich auch nicht aus der „Anleitung zur Einkommensteuererklärung” (Merkblatt) herleiten. Hier wird vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Aufwendungen (zu ergänzen: nach Art und Betrag) in die jeweilige Zeile einzutragen sind und dass sowohl bei Aufwendungen im Rahmen einer haushaltsnahen Dienstleistung als auch bei Handwerkerleistungen „die Steuerermäßigung davon abhängig ist, dass Sie für die Aufwendungen eine Rechnung erhalten haben..”. Wie zu verfahren ist, wenn diese Rechnung dem Steuerpflichtigen im Zeitpunkt der Erklärungsabgabe (noch) nicht vorliegt, lässt die Anleitung offen.
(b) Soweit sich der Beklagte zur Begründung seiner abweichenden Auffassung auf das (BFH/NV 2012, 370) beruft, hält der erkennende Senat den dort zugrunde liegenden Sachverhalt in entscheidungserheblicher Hinsicht für nicht mit dem Streitfall vergleichbar.
In dem herangezogenen Referenzfall waren die Steuerpflichtigen an einer ausländischen Investmentgesellschaft beteiligt. Ihre Fondsanteile hatten sie zwei Jahre vor den streitigen Veranlagungszeiträumen erworben. Für das erste der beiden Streitjahre war ihrer Steuererklärung keine Anlage AUS beigefügt. Das für ausländische Kapitalerträge vorgesehene Feld des Mantelbogens enthielt keinen Eintrag. In der Anlage KAP hatten die Steuerpflichtigen inländische und ausländische (positive) Kapitalerträge erklärt, jedoch keine Verluste aus dem streitigen Fonds. Für das zweite Streitjahr reichten sie neben einer Anlage KAP, in der in- und ausländische positive Kapitalerträge angegeben waren, auch eine Anlage AUS ein, die positive Einnahmen des Ehemannes aus einer anderen ausländischen Beteiligung auswies. Der BFH sah einen grob schuldhaften, die Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ausschließenden Verstoß gegen die den Steuerpflichtigen gemäß § 150 AO obliegende Offenbarungspflicht darin, dass sie weder in den abgegebenen Anlagen KAP die Frage nach ausländischen Investmentanteilen beantwortet noch trotz Kenntnis ihrer ausländischen Fondsbeteiligung für das erste Streitjahr eine Anlage AUS eingereicht hatten. Für das zweite Streitjahr wertete der BFH es als grobes Verschulden, dass in der eingereichten Anlage AUS der Name der Fondsgesellschaft nicht eingetragen worden und die Erklärung daher nicht vollständig war. Der Verschuldensvorwurf des BFH bezog sich ausweislich der Ausführungen in den Urteilsgründen (Rz. 17 bei juris) darauf, dass die Steuerpflichtigen „ihre Beteiligung an dem N-Fonds dem Grunde nach nicht offengelegt” hatten, obwohl sie von ihrer Beteiligung „wussten”.
Insofern unterscheidet sich die Sachlage im Streitfall entscheidungserheblich von dem Sachverhalt, über den der BFH zu befinden hatte. Denn anders als dort hatte der Kläger im Streitfall bei Abgabe der Steuererklärung keine positive Kenntnis davon, dass auf ihn anteilig entfallende Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen im Streitjahr überhaupt dem Grunde nach entstanden waren. Im Unterschied zu den Klägern des BFH-Urteils, die als Inhaber der betreffenden Fondsanteile selbst und unmittelbar an dem einkünfterelevanten Rechtsverhältnis beteiligt waren, war der Kläger im vorliegenden Fall nicht Vertragspartei der den streitigen Aufwendungen zugrunde liegenden Auftrags- und Dienstverhältnisse.
Ein nicht unwesentlicher Unterschied besteht auch insofern, als sich im Urteilsfall des BFH (VIII R 18/08) sowohl aus der Anlage AUS als auch aus dem zugehörigen Merkblatt die Verpflichtung der Steuerpflichtigen ergab, Angaben über die Namen der einzelnen Fonds auch dann zu machen, wenn die Höhe der Erträge zum Zeitpunkt der Erstellung der Steuererklärung noch nicht bekannt war (vgl. Leitsatz 2 der BFH-Entscheidung vom VIII R 18/08, BFH/NV 2012, 370). An einem entsprechenden Hinweis auf die Notwendigkeit bestimmter Minimalangaben fehlt es indes – wie vorab dargelegt – in der Anleitung zur Ausfüllung der Rubriken in den Zeilen 71 ff des Mantelbogens zum amtlichen Erklärungsvordruck.
Schließlich zeichnet sich die Situation im Streitfall durch die Besonderheit aus, dass das BMF in offenkundiger Kenntnis der bei Mietern und Wohnungseigentümern typischerweise auftretenden Problematik, dass sie die „Rechnung” i.S. des § 35a Abs. 5 EStG für Aufwendungen im Erklärungszeitraum oftmals erst nach Ablauf der Frist für die Abgabe ihrer Steuererklärung von ihrem Vermieter bzw. Verwalter erhalten, für diesen Personenkreis in Bezug auf wiederkehrende Leistungen ein Wahlrecht geschaffen hat, die betreffenden Aufwendungen entweder bereits in der Steuererklärung des Jahres geltend zu machen, in dem die Zahlung erfolgt ist, oder erst in der Erklärung für den Veranlagungszeitraum, in dem ihnen die Abrechnung erteilt worden ist. Dieses über die gesetzliche Regelung des § 11 Abs. 2 EStG hinausgehende Wahlrecht kann der Steuerpflichtige aber nur und erst dann sinnvoll ausüben, wenn er weiß, dass und in welcher Höhe nach § 35a EStG begünstigte Aufwendungen in dem betreffenden Jahr angefallen sind. Andernfalls geht er das Risiko ein, im Folgejahr den abziehbaren Höchstbetrag zu überschreiten. Auch ist nur schwer nachvollziehbar, warum die Verwaltung dem Steuerpflichtigen einerseits großzügig die über die gesetzliche Regelung des § 11 Abs. 2 EStG hinausgehende Möglichkeit einräumt, die in Rede stehenden Aufwendungen erst in der Erklärung für das Folgejahr geltend zu machen, andererseits aber eine sich nicht aus dem Gesetz ergebende Verpflichtung des Steuerpflichtigen annimmt, in der Steuererklärung für das Jahr der (mutmaßlichen) Zahlung bereits vorsorglich darauf hinzuweisen, dass möglicherweise nach § 35a EStG abziehbare Aufwendungen noch unbekannter Art und Höhe angefallen sein könnten, verbunden mit der Anregung, die Veranlagung deshalb vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchzuführen.
Eine derartige Vorgehensweise erscheint auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsökonomie sinnvoll. Denn der Beklagte hätte auch für den Fall, dass die Veranlagung (teilweise) vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchgeführt worden wäre, nach Wegfall der Ungewissheit (d.h. Nachreichung der bezifferten und ihrer Art nach benannten Aufwendungen und Vorlage der Betriebskostenabrechnung) bzw. der endgültigen Prüfung einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2014 erlassen müssen. Der Arbeitsaufwand wäre unabhängig von der Rechtsgrundlage für die Änderung (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO oder §§ 164 Abs. 2, 165 Abs. 2 AO) in beiden Fällen derselbe gewesen.
(4) Dem Kläger kann grobes Verschulden auch nicht etwa deswegen vorgeworfen werden, weil er es unterlassen hat, gegen den Einkommensteuerbescheid vom Einspruch einzulegen, um den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern.
Der Senat verkennt nicht, dass dem Kläger zur Erreichung seines angestrebten Ziels neben der tatsächlich gewählten noch weitere (ggf. weniger streitanfällige) Handlungsoptionen (vgl. hierzu Herrlein, WuM 2007, 54 ff) zur Verfügung gestanden hätten. Das bloße Vorhandensein alternativer Verfahrensmöglichkeiten rechtfertigt jedoch nicht die Annahme groben Verschuldens. Dies gilt erst recht, wenn die aufgezeigte Handlungsalternative – wie etwa die Einspruchseinlegung – ebenfalls rechtlichen Bedenken begegnet.
Nach § 350 AO ist zur Einlegung des Einspruchs nur befugt, wer geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder dessen Unterlassung beschwert zu sein. Die Zulässigkeit des Einspruchs setzt danach voraus, dass der Einspruchsführer eine Beschwer schlüssig vorträgt (vgl. hierzu statt aller Klein / Brockmeyer, AO, Kommentar, 12. Auflage, § 350 Rz. 3, m.w.N.). Darüber hinaus soll gemäß § 357 Abs. 3 Satz 2 AO bei der Einlegung des Einspruchs angegeben werden, inwieweit der Verwaltungsakt angefochten und seine Aufhebung beantragt wird.
Dem Kläger, der vor Erhalt der Betriebskostenabrechnung nicht einmal sicher wusste, ob im Streitjahr überhaupt, geschweige denn in welcher Art und Höhe auf ihn anteilig entfallende Aufwendungen nach § 35 EStG entstanden waren, wäre mit dem vagen Hinweis auf die bloße Möglichkeit einer derartigen Kostenentstehung eine schlüssige Darlegung seiner Beschwer nicht möglich gewesen. Da ihm bei Ablauf der Rechtsbehelfsfrist die Betriebskostenabrechnung noch nicht vorlag, war zudem der Ermäßigungstatbestand des § 35a EStG, namentlich des Absatzes 5 Satz 3 dieser Vorschrift, (noch) nicht erfüllt mit der Folge, dass ihn der – somit rechtmäßige – Einkommensteuerbescheid vom objektiv nicht beschwerte.
(5) Bei dieser Sachlage kommt der zwischen den Beteiligten ebenfalls streitigen Frage, ob das Verhalten des Beklagten in den Vorjahren, namentlich die Nichtbeanstandung derselben vom Kläger alljährlich praktizierten Vorgehensweise, der Annahme eines groben Verschuldens i.S. von § 173 Abs. 1 Satz 2 AO entgegensteht, keine entscheidungserhebliche Bedeutung mehr zu.
3. Ebenfalls keiner Vertiefung bedarf die Frage, ob der Kläger im Hinblick darauf, dass er die seinen Ermäßigungsanspruch nach § 35a EStG begründende „Rechnung”, die nach Absatz 5 Satz 3 dieser Vorschrift Abzugsvoraussetzung und mithin Tatbestandsmerkmal ist, erst im Dezember 2015 erhalten hat, eine Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzung auch nach Maßgabe des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO beanspruchen könnte (vgl. hierzu , BStBl II 2003, 554 zur Erteilung einer Spendenbescheinigung, und Klein / Rüsken, a.a.O., § 173 Rz. 47).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
IV. Die Revision war nicht zuzulassen, weil im Streitfall keiner der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgezählten Zulassungsgründe vorliegt. Insbesondere weicht der erkennende Senat mit seiner Entscheidung im Streitfall wegen der in den Gründen dargelegten Sachverhaltsunterschiede nicht i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO von den tragenden Rechtssätzen ab, die der (BFH/NV 2012, 370) aufgestellt hat. Da die Frage, ob dem Steuerpflichtigen grobes Verschulden i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vorzuwerfen ist, unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen und zu entscheiden ist, kommt der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu.
Fundstelle(n):
KSR direkt 2017 S. 12 Nr. 9
KÖSDI 2017 S. 20433 Nr. 9
NWB-Eilnachricht Nr. 45/2017 S. 3403
NWB-Eilnachricht Nr. 51/2017 S. 7
UAAAG-53549